Spruch:
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.
Dem Rekursgericht wird aufgetragen, über den Rekurs unter Abstandnahme von den gebrauchten Zurückweisungsgründen zu entscheiden.
Die Rekurskosten sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Der erstgerichtliche Beschluß vom 30. Oktober 1985, ON 32, womit die Einwendungen des Verpflichteten gegen den Schätzwert seiner Liegenschaft EZ 808 II KG Hopfgarten-Land zurückgewiesen, der Schätzwert dieser Liegenschaft endgültig mit 2,412.000 S festgesetzt und der Antrag des Verpflichteten auf neuerliche Schätzung der Liegenschaft abgewiesen wurden, wurde dem Verpflichteten am 8. November 1985 zugestellt. Am selben Tag wurde dem Verpflichteten der erstgerichtliche Beschluß vom 30.Oktober 1985, ON 33, zugestellt, mit dem ihm die Verfahrenshilfe bewilligt und die im § 64 Abs 1 Z 1 lit a - f ZPO genannten Begünstigungen gewährt wurden. Dieser Beschluß enthielt u.a. folgende Rechtsbelehrung: "Der Beschluß des Gerichts kann nur mit Rekurs angefochten werden. Der Rekurs ist binnen 14 Tagen nach Zustellung dieser Beschlußausfertigung bei diesem Gericht zu erheben. Der Rekurs kann auch mündlich zu Protokoll erklärt werden. Schriftliche Rekurse müssen mit der Unterschrift eines Rechtsanwalts versehen sein ...."
Mit unter Verwendung des ZP-Form.58 (Aufforderung zur Beseitigung von Formgebrechen, §§ 84, 85 ZPO) ausgefertigtem erstgerichtlichem Beschluß vom 20.November 1985, ON 35, wurde der Verpflichtete aufgefordert, "den beiliegenden Schriftsatz, welcher als Rekurs zu werten ist, durch einen Rechtsanwalt unterfertigen zu lassen (§§ 78 EO, 514, 520 Abs 1 ZPO) und ihn binnen 14 Tagen wieder vorzulegen, sonst könnte der Schriftsatz nicht mehr als am Tage des ersten Einlangens überreicht angesehen werden". Wann der zur Verbesserung zurückgestellte Schriftsatz beim Erstgericht eingelangt bzw. an dieses zur Post gegeben worden war und welchen Inhalt er hatte, kann dem Akt nicht entnommen werden. Der genannte Verbesserungsauftrag und der Schriftsatz vom 10.November 1985 wurden dem Verpflichteten am 27.November 1985 zurückgestellt, der Schriftsatz wurde nicht wieder vorgelegt.
In der am 29. November 1985 beim Erstgericht eingelangten Eingabe vom 27.November 1985, ON 36, beantragte der Verpflichtete, ihm im Rahmen der Verfahrenshilfe einen Rechtsanwalt beizugeben. Mit Beschluß vom 10.Dezember 1985, ON 38, beschloß das Erstgericht die beantragte Beigebung eines Rechtsanwalts, worauf mit Bescheid des Ausschusses der Tiroler Rechtsanwaltskammer vom 13. Dezember 1985 zunächst Dr.Herbert G*** bestellt wurde, dem dieser Bescheid samt einer Ausfertigung des Beschlusses ON 32 am 30. Dezember 1985 zugestellt wurde. Dem Verpflichteten wurde der Bescheid am 31.Dezember 1985 zugestellt.
Am 3.Jänner 1986 langte beim Erstgericht der Bescheid des Ausschusses der Tiroler Rechtsanwaltskammer vom 2.Jänner 1986 ein, wodurch auf Ersuchen Dr.Herbert G*** vom 30.Dezember 1985 an dessen Stelle wegen Interessenkollision Dr.Raimund N***, Rechtsanwalt in Kirchberg, gemäß § 45 Abs 1 RAO zum Vertreter des Verpflichteten bestellt wurde. Wann dieser Bescheid Dr.Raimund N*** und dem Verpflichteten zugestellt wurde, ist dem Akt nicht zu entnehmen, doch ist eine Zustellung vor dem 3.Jänner 1986 nicht anzunehmen.
Am 17.Jänner 1986 gab Dr.Raimund N*** namens des Verpflichteten einen Rekurs gegen den Beschluß ON 32 an das Erstgericht zur Post, in dem der zur Verbesserung zurückgestellte Schriftsatz weder erwähnt noch wieder vorgelegt wurde. Der Rekurswerber beantragte, den angefochtenen Beschluß aufzuheben, die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen und diesem aufzutragen, die Neudurchführung der Schätzung durch einen anderen gerichtlich beeideten Sachverständigen vornehmen zu lassen oder den Schätzwert um mindestens 50 % höher festzulegen.
Das Rekursgericht wies den Rekurs zurück. Der Rechtsanwalt zur Verfahrenshilfe habe nicht den ursprünglich vom Verpflichteten erhobenen Rekurs verbessert, sondern einen "eigenen" zweiten Rekurs erhoben, der unzulässig sei, weil der Verpflichtete seine Rechtsmittelbefugnis durch den zur Verbesserung zurückgestellten ersten Rekurs bereits ausgeschöpft habe. Der Verpflichtete sei dem Verbesserungsauftrag nicht nachgekommen, weil er den zurückgestellten ersten Schriftsatz nicht wieder vorgelegt habe. Dadurch könne nicht überprüft werden, ob und inwieweit der Verbesserungsschriftsatz des beigestellten Rechtsanwalts über den ursprünglichen Rekurs hinausgehe und daher unzulässig sei. Der zweite Rekurs sei übrigens verspätet, weil die Rekursfrist, die gemäß § 78 EO und den §§ 521 Abs 3 und 464 Abs 3 ZPO mit der Zustellung des Beschlusses auf Bewilligung der Verfahrenshilfe an den "Verfahrenshelfer" begonnen habe, am 17.Jänner 1986 schon längst abgelaufen gewesen sei. Daß die Umbestellung des "Verfahrenshelfers" auf die Rekursfrist Einfluß habe, lasse sich dem Gesetz nicht entnehmen.
Gegen den Zurückweisungsbeschluß des Rekursgerichtes richtet sich der Rekurs des Verpflichteten mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und dem Rekursgericht die Entscheidung über den zurückgewiesenen Rekurs aufzutragen oder die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen. Die Kanzlei des für den Verpflichteten bestellten Rechtsanwalts zur Verfahrenshilfe teilte dem Obersten Gerichtshof am 21.Mai 1986 telefonisch mit, daß der dem Verpflichteten zur Verbesserung zugestellte Schriftsatz nicht vorgelegt werden könne, weil er nicht mehr auffindbar sei.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist begründet.
Nach § 78 EO sind, soweit in der Exekutionsordnung nichts anderes angeordnet ist, u.a. auch im Exekutionsverfahren die allgemeinen Bestimmungen der Zivilprozeßordnung über das Verfahren und über das Rechtsmittel des Rekurses anzuwenden.
Daher gilt auch § 520 Abs 1 ZPO, wonach der Rekurs durch Überreichung eines Schriftsatzes (Rekursschrift) erhoben wird, der mit der Unterschrift eines Rechtsanwaltes versehen sein muß. Bei den Bezirksgerichten können Rekurse von Parteien, die nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten sind, allerdings auch mündlich zu Protokoll angebracht werden (SZ 36/90; Fasching, Komm. II 254; Heller-Berger-Stix I 611 f; Petschek-Hämmerle-Ludwig, Das österr. Zwangsvollstreckungsrecht, 31; Holzhammer, Österr.
Zwangsvollstreckungsrecht 2 , 41).
Bei schriftlichen Rekursen müssen sich die Parteien daher auch im Exekutionsverfahren in der Regel durch Rechtsanwälte vertreten lassen. Es besteht also regelmäßig diesbezüglich absoluter Anwaltszwang (Fasching, ZPR Rz 439 und 1992).
Wird der absolute Anwaltszwang verletzt, indem z.B. ein schriftlicher Rekurs, der mit der Unterschrift eines Rechtsanwaltes versehen sein muß, ohne solche Unterschrift von der Partei selbst eingebracht wird, so ist dies als Formgebrechen anzusehen, dessen Beseitigung nach den gemäß § 78 EO auch im Exekutionsverfahren anzuwendenden §§ 84 und 85 ZPO von Amts wegen in der Form anzuordnen ist, daß der Schriftsatz der Partei mit der Anweisung zur Behebung dieses gleichzeitig zu bezeichnenden Formgebrechens zurückgestellt wird. Dabei ist für die Wiederanbringung eine neuerliche Frist festzusetzen, bei deren Einhaltung der Schriftsatz als am Tage seines ersten Einlangens überreicht anzusehen ist. Wird der Schriftsatz unverbessert wieder vorgelegt, dann ist er zurückzuweisen (Fasching, ZPR Rz 438, 1992), weil die nicht durch einen Rechtsanwalt vertretene Partei hinsichtlich eines schriftlichen Rekurses in der Regel nicht postulationsfähig ist (Fasching, ZPR Rz 360 f).
Der für schriftliche Rechtsmittel regelmäßig festgelegte Anwaltszwang soll rechtsunkundige Parteien vor Rechtsnachteilen schützen (Fasching, ZPR Rz 436).
Berücksichtigt man weiters den nach den §§ 505 Abs 2 bzw. 521 Abs 3 ZPO sinngemäß auf die Revisions- bzw. Rekursfrist anzuwendenden § 464 Abs 3 ZPO, nach dem für eine die Verfahrenshilfe genießende oder beantragende Partei, die innerhalb der Berufungsfrist die Beigebung eines Rechtsanwaltes beantragt, diese Frist mit der Zustellung des Bescheides über die Bestellung des Rechtsanwaltes und einer schriftlichen Urteilsausfertigung an ihn bzw. mit dem Eintritt der Rechtskraft des den rechtzeitig gestellten Antrag auf Beigebung eines Rechtsanwaltes abweisenden Beschlusses beginnt, ferner, daß § 464 Abs 3 ZPO erst seit der Zivilverfahrens-Novelle 1983 auch im bezirksgerichtlichen Verfahren sinngemäß anzuwenden ist, womit als unbefriedigend empfundene Ergebnisse vermieden werden sollen (Erl. zu Art. III Z 79 der RV 669 Beil. NR XV GP), und schließlich, daß eines der Hauptanliegen der Zivilverfahrens-Novelle 1983 die Verbesserung des Zugangs zum Recht war, dann kann in dem von einer nicht durch einen Rechtsanwalt vertretenen Partei während einer Rechtsmittelfrist eingebrachten Schriftsatz, aus dem wenigstens zu entnehmen ist, daß diese Partei eine Entscheidung anfechten möchte, bei diesbezüglichem Anwaltszwang wegen Postulationsunfähigkeit der Partei noch kein zur ordnungsmäßigen geschäftlichen Behandlung als Rechtsmittel geeigneter Schriftsatz erblickt werden, weil schriftliche Rechtsmittel und damit die dafür vorgeschriebenen Erklärungen und sonstiges Vorbringen regelmäßig nur in Schriftsätzen wirksam abgegeben werden können, die die Unterschrift eines Rechtsanwaltes tragen.
In solchen Fällen ist der von einer Partei selbst eingebrachte Schriftsatz - falls die Verbesserung nicht wegen Mißbrauchs dieser Einrichtung zu verweigern ist - mit der Anweisung zurückzustellen, binnen bestimmter Frist ein mit der Unterschrift eines Rechtsanwaltes versehenes Rechtsmittel einzubringen (vgl. Konecny,
Zur Erweiterung der Verbesserungsvorschriften durch die Zivilverfahrens-Novelle 1983, JBl 1984, 13 [insbes. 18 und 20]; EvBl 1985/29 = RZ 1985/25).
Erst ein solcher Schriftsatz kann als Rechtsmittel gewertet werden.
Der dieses Rechtsmittel verfassende Rechtsanwalt ist dabei an den den Verbesserungsauftrag auslösenden Schriftsatz der Partei nicht gebunden, weil dieser mangels Postulationsfähigkeit der Partei im schriftlichen Rechtsmittelverfahren keinen wirksamen Rechtsmittelinhalt haben kann.
Weil in diesen Fällen nicht geprüft werden muß, ob der von einem Rechtsanwalt unterfertigte (neue) Rechtsmittelschriftsatz inhaltlich von dem dadurch "verbesserten", von der Partei selbst unterfertigten Schriftsatz abweicht, ist es hier ausnahmsweise nicht erforderlich, daß der ursprüngliche Schriftsatz wieder vorgelegt wird. Die "Wiederanbringung" i.S. des § 85 Abs 2 ZPO liegt vielmehr in diesen Fällen in der Einbringung des von einem Rechtsanwalt unterfertigten Schriftsatzes, mag es sich dabei um den - allenfalls verbesserten und/oder ergänzten - ursprünglichen oder um einen völlig neuen Schriftsatz handeln.
Diese Auslegung der durch die Zivilverfahrens-Novelle 1983 erweiterten Verbesserungsbestimmungen gewährleistet, daß die Zwecke, die durch den für schriftliche Rechtsmittel in der Regel bestehenden Anwaltszwang verfolgt werden, vor allem der Schutz des rechtsunkundigen Rechtsmittelwerbers, erreicht werden können. Da der ursprünglich bestellte Rechtsanwalt zur Verfahrenshilfe während der Verbesserungsfrist enthoben und ein neuer Rechtsanwalt zur Verfahrenshilfe bestellt wurde (§ 45 Abs 4 RAO), begann die Verbesserungsfrist nach § 85 Abs 2 ZPO mit der Zustellung des Bescheides über die Bestellung des neuen Rechtsanwaltes neu zu laufen (vgl. EvBl 1984, 448; SZ 44/133 u.a.).
Daraus folgt, daß der von Rechtsanwalt Dr.Raimund N*** für den Verpflichteten eingebrachte Rekurs vom Rekursgericht zu Unrecht zurückgewiesen wurde.
Dem gegen den Zurückweisungsbeschluß gerichteten Rekurs des Verpflichteten war daher Folge zu geben, der angefochtene Beschluß aufzuheben und dem Rekursgericht eine neuerliche Entscheidung unter Abstandnahme von den gebrauchten Zurückweisungsgründen aufzutragen. Der Kostenvorbehalt beruht auf §§ 78 EO und § 52 Abs 1 ZPO.
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