OGH 3Ob301/00m

OGH3Ob301/00m20.12.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Angst als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der betreibenden Partei Edith F*****, vertreten durch Dr. Josef Lindlbauer, Rechtsanwalt in Enns, gegen die verpflichtete Partei G*****, vertreten durch den Masseverwalter im Konkurs über deren Vermögen Dr. Wolfgang Strasser, Rechtsanwalt St. Valentin, wegen 375.000 S sA über den Rekurs der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Steyr als Rekursgericht vom 19. September 2000, GZ 1 R 296/00y-30, womit infolge Rekurses der verpflichteten Partei der Beschluss des Bezirksgerichts Enns vom 28. Juli 2000, GZ 1 E 674/00h-17, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluss dahin abgeändert, dass der erstgerichtliche Beschluss vom 28. Juli 2000, GZ 1 E 674/00h-17, in seinen Punkten 2. und 3. wiederhergestellt wird.

Die Kosten des Rekurses an den Obersten Gerichtshof werden mit 16.785 S (darin 2.797,50 S Umsatzsteuer) als weitere Exekutionskosten der betreibenden Partei bestimmt.

Die verpflichtete Partei hat die Kosten ihres gegen den erstgerichtlichen Beschluss eingebrachten Rekurses selbst zu tragen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die betreibende Partei ist Kommanditistin der verpflichteten KEG. Ihr wurde am 31. 3. 2000 zur Hereinbringung einer vollstreckbaren Forderung von 375.000 S sA unter anderem die Exekution durch die Pfändung des von der verpflichteten Partei "betriebenen Handelsgewerbes (insbes. Textilien) und der diesem Gewerbe zugrunde liegenden Gewerbeberechtigung" bewilligt. Der verpflichteten Partei wurde die Exekutionsbewilligung am 5. 4. 2000 zugestellt. Diese Bewilligung ist rechtskräftig. Die Entscheidung über den Verwertungsantrag (Zwangsverpachtung) behielt sich das Erstgericht vor.

Mit Beschluss des Landesgerichts Steyr vom 14. 7. 2000 wurde über das Vermögen der verpflichteten Partei der Konkurs eröffnet. Mit Beschluss vom 21. 7. 2000 beraumte das Erstgericht die Tagsatzung zur Einvernehmung der Beteiligten über den Antrag auf Zwangsverpachtung für den 17. 8. 2000 an.

Mit Schriftsatz vom 26. Juli 2000 (Einlangen) beantragte der Masseverwalter die Einstellung der auf das Handelsgewerbe und die Gewerbeberechtigung geführten Exekution und brachte vor, die Exekution sei wegen der Exekutionsbeschränkung nach § 341 Abs 1 Satz 2 EO unzulässig. Zur Ausübung des konkreten Handelsgewerbes sei ein Befähigungsnachweis erforderlich. Im Unternehmen der verpflichteten Partei seien überdies bloß die Komplementärin und eine Dienstnehmerin beschäftigt.

Die betreibende Partei wendete sich in einer vom Erstgericht aufgetragenen Äußerung gegen den Einstellungsantrag und brachte vor, beim Pfandobjekt handle es sich weder um ein handwerksmäßiges noch um ein konzessioniertes Gewerbe, dessen Antritt eine besondere Befähigung voraussetze. Die von der verpflichteten Partei herangezogene Exekutionsbeschränkung sei ferner deshalb unanwendbar, weil sie "im Konkurs" nicht gelte.

Das Erstgericht wies den Einstellungsantrag ab. Der Zweck des § 341 Abs 1 Satz 2 EO sei, jene Gewerbeunternehmen von der Exekution auf deren Erträgnisse zu befreien, bei denen es wegen der Wichtigkeit der Person des Unternehmers zu einer Zerstörung des Unternehmens käme, wenn ein Zwangsverwalter oder Zwangspächter an dessen Stelle träte. Die Exekutionsbeschränkung sei im Konkurs des Unternehmensträgers unanwendbar, weise doch die Konkursordnung dem Masseverwalter die Verfügung über das gesamte Massevermögen und damit auch über ein dazu gehörendes Unternehmen samt seinen Erträgnissen zu. Der Komplex konkursrechtlicher Bestimmungen enthalte "völlig unzweideutig" eigenständige Normen für die Verwaltung und Verwertung eines Unternehmens als Massebestandteil. Unanwendbar seien daher "alle damit nicht in Einklang stehenden Regelungen der Exekutionsordnung". Auch bei einer KEG sei das gesamte Gesellschaftsvermögen als Konkursmasse anzusehen, weil "ein verfahrensfreies Gesellschaftsvermögen im Konkurs ... nicht denkbar" sei.

Das Rekursgericht hob diesen Beschluss auf, trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Ergänzung des Verfahrens auf und sprach aus, dass der "ordentliche Revisionsrekurs" zulässig sei. Es erwog in rechtlicher Hinsicht, dass die Exekution zu bewilligen sei, wenn aus dem Exekutionsantrag nicht ersichtlich und dem Gericht nicht bekannt sei, ob ein Gewerbe nach § 341 Abs 1 Satz 2 EO mit nicht mehr als vier Hilfskräften betrieben werde. Dagegen sei die Entscheidung über den Verwertungsantrag vorzubehalten. Über die Verwertungsart sei erst nach Durchführung einer Tagsatzung abzusprechen. Umstände, die einer Zwangsverwaltung oder -verpachtung eines Unternehmens entgegenstehen könnten, seien erst aufgrund eines Verwertungs- oder Einstellungsantrags zu prüfen. Erweise sich der Tatbestand des § 341 Abs 1 Satz 2 EO als verwirklicht, so habe das Gericht die Exekution auf Antrag des Verpflichteten gemäß § 39 Abs 1 Z 2 EO unter Aufhebung aller Exekutionsakte einzustellen. Die Regelung des § 341 Abs 1 Satz 2 EO betreffe Fälle, bei denen die Verpflichtete das Gewerbe (das Unternehmen) persönlich betreibe. Der vom Erstgericht dargestellte Normzweck sei zu billigen. Die im Anlassfall maßgebende Exekutionsbeschränkung sei auch auf eine KEG anwendbar, die ein Kleingewerbe betreibe, sei doch diese Gesellschaftsform gerade auf solche Unternehmen zugeschnitten. Das Erstgericht habe die Verwirklichung des Tatbestands des § 341 Abs 1 Satz 2 EO nicht geprüft. Eine solche Prüfung sei im fortgesetzten Verfahren nachzuholen. Nicht beizutreten sei der Ansicht des Erstgerichts über die Anwendbarkeit der Normen der Konkursordnung, sei doch "die Zwangsverwaltung eines konkursverfangenen Unternehmens" vom Exekutionsgericht nach den Vorschriften der Exekutionsordnung abzuwickeln. Der "ordentliche Revisionsrekurs" sei zulässig, weil es an einer gesicherten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Anwendbarkeit des § 341 Abs 1 Satz 2 EO auf eine Personengesellschaft im Konkurs mangle.

Der Rekurs der betreibenden Partei ist zulässig, weil das Gericht zweiter Instanz, wie sogleich näher zu begründen sein wird, die präjudizielle Kernfrage verkannte; er ist überdies auch berechtigt.

1. Der mit der geltenden Gewerbeordnung schon längst nicht mehr im Einklang stehende Wortlaut des § 341 Abs 1 Satz 2 EO blieb auch durch die EO-Novelle 2000 BGBl I 59 unverändert. Nach dieser Bestimmung darf nur auf handwerksmäßige und konzessionierte Gewerbe, deren Antritt eine besondere Befähigung voraussetzt, keine Exekution durch Zwangsverwaltung oder -verpachtung geführt werden, wenn das Gewerbe vom Gewerbeinhaber allein oder mit höchstens vier Gehilfen ausgeübt wird. Der erkennende Senat begründete im Detail bereits in der Entscheidung 3 Ob 325/97 (= JBl 1998, 591), dass das erörterte Exekutionshindernis auf nicht bewilligungspflichtige gebundene Gewerbe unanwendbar und soweit auch nicht von Belang ist, ob ein solches Gewerbe nur mit einem Befähigungsnachweis ausgeübt werden darf. Diese Rechtsprechung wurde in der Folge mit der Entscheidung 3 Ob 114/98f (= ecolex 1998, 840) fortgeschrieben. An ihr ist weiterhin festzuhalten, zumal sie auch im Schrifttum vertreten wird (Jarkusch in Angst, EO § 341 Rz 20).

2. Ein Handelsgewerbe zum Einzelhandel mit Textilien ist zufolge § 124 Z 10 GewO ein nicht bewilligungspflichtiges gebundenes Gewerbe. Im Lichte der unter 1. referierten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist daher das Exekutionshindernis gemäß § 341 Abs 1 Satz 2 EO auf ein solches Handelsgewerbe, wie es auch die verpflichtete Partei betreibt, nicht anwendbar. Unter Zugrundelegung dieser Voraussetzung ist auch die Lösung jener Rechtsfrage nicht präjudiziell, derentwegen das Gericht zweiter Instanz den Rekurs an den Obersten Gerichtshof zuließ.

3. Gemäß § 11 Abs 1 KO werden Absonderungsrechte an Sachen, die zur Konkursmasse gehören, durch die Konkurseröffnung nicht berührt, wenn sie - wie hier - im Sinne des § 12 Abs 1 KO konkursfest erworben wurden. Die betreibende Partei kann also auch ein bereits eingeleitetes Exekutionsverfahren fortsetzen (SZ 64/185; 7 Ob 572/90; Deixler-Hübner in Konecny/Schubert, Kommentar zu den Insolvenzgesetzen § 11 KO Rz 13 mwN aus der Rsp; Schulyok in Konecny/Schubert aaO § 48 KO Rz 168), was sich auch auf Verwertungsmaßnahmen bezieht. Die betreibende Partei, die durch einen solchen kokursfesten Pfändungsakt das exekutive Recht erwarb, sich aus den Erträgnissen des von der verpflichteten Partei betriebenen Unternehmens abgesondert zu befriedigen, schließt, soweit ihre vollstreckbare Forderung reicht, die Konkursgläubiger gemäß § 48 Abs 1 KO von der Zahlung aus der betreffenden Sondermasse aus (Schulyok in Konecny/Schubert aaO § 48 KO Rz 170).

4. Auf die voranstehend erläuterte Rechtslage wurde vom Rekursgericht nicht Bedacht genommen. Das Erstgericht hat dagegen den auf das Exekutionshindernis gemäß § 341 Abs 1 Satz 2 EO gestützten Einstellungsantrag der verpflichteten Partei im Ergebnis zutreffend abgewiesen. Dessen Beschluss ist daher in Abänderung des rekursgerichtlichen Aufhebungsbeschlusses wiederherzustellen.

5. Die richtig verzeichneten Kosten des Rekurses der betreibenden Partei an den Obersten Gerichtshof sind gemäß § 74 Abs 1 EO als weitere Exekutionskosten zu bestimmen.

Soweit die verpflichtete Partei im Verfahren zweiter Instanz den Zuspruch von Kosten für den Äußerungsschriftsatz der betreibenden Partei vom 27. 7. 2000 (Einlangen) bekämpfte, ist ihr zu entgegnen, dass das Exekutionsgericht der betreibenden Partei mit Beschluss vom 27. 7. 2000 auftrug, sich zu deren Einstellungsantrag, der unter § 39 Abs 1 Z 2 EO fällt (SZ 22/191), zu äußern, weil die Entscheidung über einen solchen Antrag in Ermangelung einer bereits rechtskräftigen Entscheidung über die Unzulässigkeit der Exekution gemäß § 39 Abs 2 EO die Einvernehmung der betreibenden Partei voraussetzte.

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