Spruch:
Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 341 Abs. 1 Satz 2 EO. ist die Exekution auf Antrag des Verpflichteten nach § 39 Abs. 1 Z. 2 EO. einzustellen, auch wenn der betreibende Gläubiger noch keinen Verwertungsantrag gestellt hat. Maßgebend sind die Verhältnisse zur Zeit der Entscheidung über den Antrag.
Entscheidung vom 7. Dezember 1949, 1 Ob 578/49.
I. Instanz: Bezirksgericht Floridsdorf; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
Der betreibenden Partei wurde vom Erstgericht die Exekution durch Pfändung des vom Verpflichteten betriebenen Waagen- und Gewichtmachergewerbes bewilligt. Einen Verwertungsantrag hat die betreibende Partei nicht gestellt; der Verpflichtete hat die Einstellung dieser Exekution nach § 39 Abs. 1 Z. 2 EO. beantragt, da es sich um ein handwerksmäßiges Gewerbe handle, das der Verpflichtete im Umfange eines Kleingewerbes ohne Hilfskräfte ausübe.
Während das Erstgericht diesen Antrag abwies, verfügte das Rekursgericht die Einstellung der Exekution nach § 39 Abs. 1 Z. 2 EO. mit der Begründung, daß eine Verwertung des Unternehmens des Verpflichteten zufolge des Vorliegens der Voraussetzungen des § 341 EO. ausgeschlossen sei und es nicht angehe, die Exekution als bloßes Sicherungsmittel zu dem Zwecke aufrechtzuerhalten, um den Verpflichteten unter ständigem Druck zu halten.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurse der betreibenden Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Begründung
Der Rekurs ist nicht begrundet. § 341 Abs. 1 EO. bestimmt, daß bei handwerksmäßigen und bei solchen konzessionierten Gewerben, zu deren Antritt eine besondere Befähigung erforderlich ist, die Exekution durch Zwangsverwaltung oder Verpachtung nicht stattfindet, wenn das Gewerbe vom Gewerbeinhaber allein oder mit höchstens vier Hilfsarbeitern ausgeübt wird. Der Wortlaut dieser Bestimmung ist darauf zurückzuführen, daß bei Erlassung der Exekutionsordnung, wie die Entstehungsgeschichte zeigt, nicht beabsichtigt war, bei der Unternehmensexekution die Begründung eines Pfandrechtes vorzusehen, sondern die Exekution nach dem Vorbild der Zwangsverwaltung von Liegenschaften zu gestalten (vgl. Kollross, Die Exekution auf Vermögensrechte und Unternehmungen, S. 15 f.). Der Umstand, daß bei der Unternehmensexekution nicht wie bei jener auf Liegenschaften die Begründung des Befriedigungsrechtes durch eine bücherliche Anmerkung fixiert und äußerlich erkennbar gemacht werden kann, wodurch dem Verpflichteten die Möglichkeit gegeben wäre, bis zur Entscheidung über den Verwertungsantrag Verfügungen über das Exekutionsobjekt zu treffen, führte dazu, die Geltung der Vorschrift des § 331 EO. auch für die Unternehmensexekution anzuerkennen (vgl. Plenarentscheidung vom 25. Juni 1912, GlUNF. 5982, JB. 198). Aber nicht nur die Entstehungsgeschichte der Exekutionsordnung, sondern auch der Wortlaut des § 341 Abs. 1, 2. Satz EO., läßt erkennen, daß es sich bei dieser Vorschrift nicht bloß um ein Verwertungsverbot handelt, da z. B. § 334 Abs. 1 EO. von einer Bewilligung der Zwangsverwaltung und § 340 Abs. 1 EO. von einer Anordnung der Verwertung durch Verpachtung spricht, § 341 Abs. 1 Satz 2 jedoch die Exekution durch Zwangsverwaltung oder Verpachtung verbietet. Diese Vorschrift ist daher zweifellos so zu verstehen, daß bei Vorliegen der dort bezeichneten Voraussetzungen nicht bloß die Verwertung, sondern überhaupt die Exekution auf das Unternehmen unzulässig und daher nach § 39 Abs. 1 Z. 2 EO. einzustellen ist. Daß nach der bestehenden Übung nicht schon vor Bewilligung der Pfändung, sondern erst vor der Entscheidung über den Verwertungsantrag zu prüfen ist, ob die Exekution nach § 341 EO. zulässig ist, ergibt sich daraus, daß im Sinne der §§ 3 und 331 EO. über den Antrag auf Bewilligung der Pfändung ohne vorherige Erhebungen zu entscheiden ist, damit nicht der Verpflichtete noch vorher von der drohenden Exekution Kenntnis erlangt und sie durch Verfügungen über das Exekutionsobjekt vereiteln oder zumindest erschweren kann. Die nach § 331 Abs. 2 EO. vor der Entscheidung über den Verwertungsantrag durchzuführende Vernehmung des Verpflichteten gibt dann ohnehin Gelegenheit zur Prüfung, ob nicht etwa die Exekution nach § 341 Abs. 1 Satz 2 EO. unzulässig ist. Da das bloße Verfügungsverbot nach § 331 Abs. 1 EO. den Verpflichteten an der Fortführung des Betriebes nicht hindert, kann diese amtswegige Prüfung bis zur Behandlung des Verwertungsantrages aufgeschoben werden, zumal es dem Verpflichteten freisteht, schon vorher die Einstellung der Exekution zu beantragen. Einem solchen Antrage ist aber nach § 39 Abs. 1 Z. 2 EO. stattzugeben, sofern die Voraussetzungen für die Unzulässigkeit der Exekution nach § 341 Abs. 1 EO. gegeben sind, auch wenn der betreibende Gläubiger noch keinen Verwertungsantrag gestellt hat (vgl. hiezu die Entsch. v. 3. August 1925, SZ. VII/254, Kollross a. a. O., S. 55; Walker, Österreichisches Exekutionsrecht, 4. Aufl., S. 329; Pollak, ZPR., 2. Aufl., S. 831; Heller - Trenkwalder, Die österreichische Exekutionsordnung, 3. Aufl., S. 1210, Anmerkung 2, S. 1214, Anmerkung 4; Neumann - Lichtblau, Kommentar zur Exekutionsordnung, 3. Aufl., II, S. 1064). Dafür, daß bei der Anwendung der Vorschrift des § 341 Abs. 1 Satz 2 EO. gerade nur die Verhältnisse zur Zeit der Entscheidung über den Verwertungsantrag maßgebend sind, fehlt es an einer entsprechenden gesetzlichen Vorschrift. Da die betreibende Partei gar nicht bestreitet, daß es sich um ein handwerksmäßiges Gewerbe handelt, das der Verpflichtete allein ohne Hilfskräfte ausübt, ist der angefochtene Beschluß zutreffend und war daher dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.
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