OGH 8Ob213/99b

OGH8Ob213/99b23.11.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer als Vorsitzende sowie durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer, Dr. Spenling und Dr. Kuras als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Horst S*****, Kaufmann, ***** vertreten durch Schuppich, Sporn & Winischhofer, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei E***** AG, ***** vertreten durch Wolf, Theiss & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 6,714.638,23 sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 20. Mai 1999, GZ 1 R 78/99v-10, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 1. Februar 1999, GZ 18 Cg 70/98b-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 34.875,-- bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 5.812,50 Umsatzsteuer) binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die nunmehrige beklagte Partei erwirkte als Ausstellerin und Remittentin eines vom Sohn des Klägers Leopold S***** akzeptierten und vom Kläger als Bürge für den Akzeptanten unterfertigten Wechsels einen mit 7. Oktober 1997 datierten Wechselzahlungsauftrag über einen Betrag von S 6 Mio sA, der in Rechtskraft erwuchs. Der Blankowechsel war von der beklagten Partei entsprechend einer vom Kläger und seinem Sohn unterfertigten Wechselwidmungserklärung vervollständigt worden. Auf Grund dieses Wechselzahlungsauftrages erhielt die beklagte Partei aus dem Veräußerungserlös von von ihr gepfändeten Geschäftsanteilen des Klägers am 29. Juli 1998 eine Zahlung von insgesamt S 6,714.638,23.

Der Kläger begehrt, die beklagte Partei zur Zahlung dieses Betrages samt 10,25 % Zinsen seit 29. Juli 1998 zu verpflichten. Die Ehefrau des Klägers und Mutter seiner vier Kinder sei verstorben und habe ihren Kindern eine Liegenschaft in Frankreich vererbt. Der Kläger sei mit seinem erheblich verschuldeten Sohn Leopold S***** bezüglich seines Anwartschaftsrechtes auf ein Viertel dieser Liegenschaft übereingekommen, dass ihm dieser darauf eine Option einräume und der Kläger nach Ausübung der Option den Kaufpreis von 6 Mio S auf das Kreditkonto seines Sohnes bei der beklagten Partei überweisen solle. Tatsächlich habe Leopold S***** dem Kläger einen von ihm am 16. Dezember 1996 unterschriebenen Optionsvertrag übergeben. Dies sei im Einvernehmen und über Empfehlung der Mitarbeiter der beklagten Partei geschehen, die ausdrücklich darauf bestanden hätten, dass eine Kaufpreiszahlung nur dann schuldbefreiend sein sollte, wenn sie auf das bei der beklagten Partei geführte Kreditkonto des Leopold S***** erfolge. Offenbar, um eine nachträgliche Vertragsänderung zwischen dem Kläger und Leopold S***** zu verhindern, habe die beklagte Partei den Kläger zur Übernahme der Blankowechselbürgschaft für Leopold S***** veranlasst, die jedoch nach Maßgabe der Wechselwidmungserklärung nicht nur auf den Kaufpreis von 6 Mio S betraglich eingeschränkt sei, sondern darüber hinaus folgende Bestimmung enthalte: "Die Erklärung hat nur Gültigkeit im Zusammenhang mit dem beiliegenden Optionsvertrag vom 16. 12. 1996."

Von allen Beteiligten - auch von den Vertretern der beklagten Partei - sei dies dahin verstanden worden, dass die Wechselbürgschaft des Klägers überhaupt nur wirksam werden sollte, wenn und sobald zwischen dem Kläger und Leopold S***** ein wirksamer verbücherungsfähiger Kaufvertrag zustande komme. Mit Schreiben vom 17. Jänner 1997 sei der Kläger vom Anwalt der geschiedenen Frau des Leopold S*****, Ursula S*****, in Kenntnis gesetzt worden, dass dieser bereits mit Notariatsakt vom 28. Oktober 1994 alle seine Rechte an der in Frankreich gelegenen Liegenschaft an Ursula S***** übertragen habe und nicht mehr berechtigt sei, über diese Liegenschaft zu verfügen. Der Kläger habe die beklagte Partei hievon in Kenntnis gesetzt, habe auch die Fertigung der Optionsurkunde unterlassen und sei davon ausgegangen, dass damit auch seine Wechselbürgschaft nicht zustande gekommen sei. Obwohl somit die Wechselbürgschaft des Klägers niemals rechtswirksam geworden sei habe die beklagte Partei gegen den Kläger (am 3. Oktober 1997) eine Wechselklage eingebracht und einen Wechselzahlungsauftrag erwirkt. Ungeachtet des Umstandes, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Zustellung des Wechselzahlungsauftrages nicht am Zustellort anwesend gewesen sei, sei dieser mangels rechtzeitiger Behebung bei der Post in Rechtskraft erwachsen. Anträge des Klägers auf Aufhebung der Vollstreckbarkeit und neuerliche Zustellung der Wechselklage seien ohne Erfolg geblieben. Mit notariellem Abtretungsvertrag vom 25. Juni 1998 habe der Kläger seinen Geschäftsanteil an der P***** Verwaltungs GmbH an die ***** Industrie GmbH veräußert; der Abtretungspreis sei erst nach Pfandfreimachung dieses Geschäftsanteils zur Zahlung fällig gewesen. Da die beklagte Partei ihre Zustimmung zur Einstellung der Exekution bezüglich des Geschäftsanteiles von der gänzlichen Bezahlung der titulierten Forderung samt Zinsen und Kosten abhängig gemacht habe, habe sich der Kläger entschlossen, die Käuferin des Geschäftsanteiles anzuweisen, den gesamten von der beklagten Partei geforderten Betrag von S 6,714.638,23 für Rechnung des Klägers mit dem Vorbehalt der Rückforderung an die beklagte Partei zu überweisen. Dieser Anweisung sei am 29. Juli 1998 entsprochen worden. Soweit die beklagte Partei den Standpunkt vertrete, die Klagsführung sei infolge "res iudicata" unzulässig, übersehe sie, dass Gegenstand dieser Entscheidungen Klagen aus den zugrunde liegenden Rechtsgeschäften, nicht aber Wechselklagen gewesen seien. Die Wechselklage steht aber mit der Klage aus dem Grundgeschäft nicht in einem Verhältnis der Identität, sodass der Klagsführung "entschiedene Streitsache" nicht entgegenstehe.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Der Kläger schulde der beklagten Partei den eingeklagten Betrag auf Grund eines rechtskräftigen Titels. Dem Begehren des Klägers, das darauf abziele, die Rechtsfolgen der rechtskräftigen Entscheidung zu beseitigen, stehe die Bindungswirkung entgegen. Dessen ungeachtet sei die Behauptung des Klägers, seine Wechselbürgschaft sei nie wirksam geworden, verfehlt. Der vom Kläger handschriftlich auf die Wechselwidmungserklärung gesetzte Zusatz habe lediglich die Bedeutung gehabt, dass bei Ausübung der Option durch den Kläger und Auszahlung des Kaufpreises an die beklagte Partei die Wechselbürgschaft des Klägers gegenstandslos sei; keinesfalls sei die Gültigkeit der Wechselbürgschaft von der Ausübung der dem Kläger eingeräumten Option abhängig gemacht worden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Einem rechtskräftigen Wechselzahlungsauftrag komme als materiell und formell rechtskräftiger gerichtlicher Entscheidung sowohl die Einmaligkeitsals auch die Bindungswirkung zu. Das Gericht sei in einem weiteren Prozess bei Beurteilung dieser Vorfrage an die zwischen den Parteien ergangene rechtskräftige Entscheidung, mit der darüber als Hauptsache entschieden worden sei, gebunden. Die im gegenständlichen Verfahren aufgeworfene Frage, wie die Wechselwidmungserklärung zu verstehen sei und ob die beklagte Partei zu Recht einen Wechselzahlungsauftrag erwirkt habe, wäre im Wechselmandatsverfahren zu klären gewesen. Überdies sei eine selbständige Klage zur Beseitigung der Rechtskraft unter Berufung auf einen materiell-rechtlichen Tatbestand ausgeschlossen. Der Kläger hätte seine nunmehr erhobenen Einwendungen im Wechselmandatsverfahren geltend machen können und müssen.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Gegenstand der materiellen Rechtskraft sei die anhand des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhaltes und seiner rechtlichen Qualifikation festgestellte Rechtsfolge. Jeder bejahende Urteilsspruch verneine sein kontradiktorisches Gegenteil. Der Kläger mache keinen Anspruch aus dem Grundgeschäft geltend, über den im Wechselmandatsverfahren nicht entschieden worden sei. Er stütze sich vielmehr darauf, dass der Wechselzahlungsauftrag zu Unrecht erlassen worden sei, weil die Wechselbürgschaft in Wahrheit niemals rechtswirksam geworden sei und die hier beklagte Partei die Erlassung des Wechselzahlungsauftrages unter Verletzung der Wechselwidmungserklärung erwirkt habe. Diese Fragen wären im Wechselverfahren zu klären gewesen, in dem zu untersuchen gewesen sei, ob der dortige Beklagte eine Haftung gegenüber der dortigen Klägerin eingegangen sei und ob der Haftungsfall unter Zugrundelegung der zwischen den Streitteilen getroffenen Vereinbarungen eingetreten sei. Stünden sich, wie im vorliegenden Fall, im Wechselmandatsverfahren Gläubiger und Schuldner des Grundgeschäftes gegenüber, dürfe der Wechselschuldner auch Einwendungen aus dem Grundgeschäft erheben. Würden sie jedoch nicht erhoben, sei es der im Wechselverfahren rechtskräftig unterlegenen Partei verwehrt, sie in einem neuen Prozess geltend zu machen, um das kontradiktorische Gegenteil des Vorprozesses zu erreichen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erst- bzw an das Berufungsgericht zurückzuverweisen; in eventu, es im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern.

Die beklagte Partei beantragt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision als unzulässig zurückzuweisen; in eventu, ihr nicht Folge zu geben.

Die außerordentliche Revision ist zulässig, weil sich die beklagte Partei für ihren Standpunkt auf die zu einem ähnlich gelagerten Sachverhalt ergangene Entscheidung vom 29. September 1987, 2 Ob 600/87, beruft und diese Entscheidung überdies damit verteidigt, dass im Hinblick darauf, dass dem Gläubiger als Kläger zwei Verfahren mit dem gleichen wirtschaftlichen Ziel zur Rechtsverfolgung eingeräumt würden, unter dem Aspekt der Waffengleichheit auch dem Beklagten die Möglichkeit offenstehen müsste, die für seinen Standpunkt sprechenden Tatsachen unabhängig vom Wechselverfahren in einem gesonderten Verfahren vorzubringen, in dem die Mangelhaftigkeit des Grundgeschäftes releviert werden könne.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist jedoch nicht berechtigt.

Gegenstand der vom Revisionswerber zitierten Entscheidung 2 Ob 600/87 war gleichfalls die Rückforderung einer vom Kläger auf Grund eines vom Beklagten erwirkten, in Rechtskraft erwachsenen Wechselzahlungsauftrages geleisteten Zahlung, wobei sich auch dort im Wechselmandatsverfahren die Parteien des Grundgeschäftes gegenübergestanden waren. In dieser Entscheidung wurde dem Kläger, der im Vorprozess rechtskräftig zur Zahlung des Wechselbetrages an den nunmehrigen Beklagten verpflichtet worden war, mit der Begründung, dass "mit dem über die Aufrechterhaltung des Wechselzahlungsauftrages ergehenden Urteil keineswegs auch über den aus dem Grundgeschäft abzuleitenden Anspruch entschieden wird", die Rückforderung des zuerkannten Betrages in einem weiteren Verfahren zugebilligt. Diese Rechtsauffassung wird vom erkennenden Senat nicht geteilt, da in der Entscheidung 2 Ob 600/87 nicht darauf Bedacht genommen wurde, dass dann, wenn der Wechsel nicht begeben wurde und sich im Wechselmandatsverfahren - wie auch im vorliegenden Fall - die Parteien des Grundgeschäftes gegenüberstehen, der Wechselschuldner dem Wechselgläubiger alle Einwendungen aus dem Grundgeschäft entgegensetzen kann (JBl 1958, 551; SZ 55/614; SZ 64/169; zuletzt 1 Ob 627/93). Da der vom Partner des Grundgeschäftes im Wechselmandatsverfahren belangte Beklagte bezüglich seiner Einwendungen aus dem Grundgeschäft daher nicht anders gestellt ist als bei Inanspruchnahme mit Klage aus dem Grundgeschäft, versagt der Hinweis auf die Besonderheiten des Wechselverfahrens jedenfalls als Begründung für die Zulassung einer selbständigen, auf Mängel des Grundgeschäftes gestützten Rückforderungsklage. Hat der Beklagte aber ihm mögliche Einwendungen im Vorprozess nicht erhoben, kann er nach herrschender Auffassung nur - bei Vorliegen der Voraussetzungen nach den §§ 530 ff ZPO - die Wiederaufnahme des rechtskräftig beendeten Verfahrens begehren, aber nicht mit selbständiger Klage unter Berufung auf die im Vorprozess nicht erhobenen Einwendungen die Rückerstattung des rechtskräftig zuerkannten Betrages fordern. Eine im materiellen Recht begründete selbständige Klage auf Beseitigung der durch die Erfüllung der urteilsmäßigen Leistungspflicht herbeigeführten Wirkungen unter Berufung auf einen Tatbestand des materiellen Rechtes, der im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz dem mit der Klage geltend gemachten Anspruch entgegenstand, ist ausgeschlossen (SZ 44/14; SZ 49/81; SZ 67/153; vgl 8 ObA 68/99d; vgl für das Wechselverfahren 3 Ob 456/60, wonach auch im Optionsprozess Einwendungen, die im Wechselverfahren unterlassen wurden, nicht nachgeholt werden können; siehe auch Fasching ZPR2 Rz 1536).

Soweit sich der Revisionswerber gegen die Präklusionswirkung für die ihm möglich gewesenen Einwendungen gegen den vom Kläger im Vorprozess geltend gemachten Anspruch wendet und die Auffassung vertritt, die Waffengleichheit erfordere es, dem Kläger unabhängig vom Wechselverfahren die Möglichkeit zu eröffnen, die für seinen Standpunkt sprechenden Tatsachen in einem gesonderten Verfahren vorzubringen, ist ihm zu erwidern, dass auch den Kläger die Präklusionswirkung trifft, da er im Vorprozess mögliche aber von ihm nicht erstattete Repliken gegen die vom Beklagten eingewendeten anspruchsvernichtenden Tatsachen nicht in einem neuen Prozess nachholen kann (siehe SZ 63/43; 8 ObA 239/99a).

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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