OGH 1Ob627/93

OGH1Ob627/933.5.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schlosser, Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker und Dr. Rohrer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Bank ***** AG, ***** vertreten durch Dr. Siegfried Legat, Rechtsanwalt in Bruck/Mur, wider die beklagte Partei Harry K*****, vertreten durch Dr. Gerald Kleinschuster, Dr. Hans Günther Medwed, Dr. Gerd Kleinschuster, Rechtsanwälte in Graz, wegen S 263.109,84 sA, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 14. Oktober 1993, GZ 3 R 34/93-14, womit das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 14. Dezember 1992, GZ 13 Cg 191/92-9, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Beklagte akzeptierte am 9.12.1991 einen von der A***** Gesellschaft mbH ausgestellten Wechsel über den Betrag von S 310.154,- -. Diese Summe stellte die offene Restforderung aufgrund zweier Rechnungen vom 4.12.1991 der A***** Gesellschaft mbH über S 812.314,05 und über S 303.574,80 für im Betrieb des Beklagten geleistete Tischlerarbeiten dar. Als Ausstellungsdatum wurde im Wechsel der 15.2.1992, als Fälligkeit der 15.5.1992 bestimmt. An diesem Tag bezahlte der Beklagte der A***** Gesellschaft mbH einen Teilbetrag von S 160.154,- -. Hinsichtlich des Restbetrages von S 150.000,-- wurde der Wechsel bis 15.8.1992 prolongiert. Mit Schreiben vom 18.12.1991 verständigte die Klägerin den Beklagten, daß eine Forderung der A***** Gesellschaft mbH gegen den Beklagten von S 263.109,84 an sie abgetreten worden sei.

Mit ihrer am 8.7.1992 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte die Klägerin zuletzt, den Beklagten zur Zahlung des Betrages von S 263.109,84 schuldig zu erkennen. Die A***** Gesellschaft mbH habe der Klägerin zwei Rechnungen vom 3.12.1991 für dem Beklagten erbrachte Leistungen über S 807.250,64 und S 255.859,20 übergeben und den nach Zahlungen des Beklagten von insgesamt S 800.000,-- offenen Restbetrag von S 263.109,84 an die Klägerin abgetreten. Beide Rechnungen seien mit einem Zessionsvermerk versehen gewesen. Aufgrund der Verständigung vom 18.12.1991 hätte der Beklagte schuldbefreiend nur an die Klägerin leisten dürfen. Der über die Zahlung hinausgehende Betrag sei nach Ablauf der Prolongationsfrist fällig.

Der Beklagte bestritt das Klagebegehren und beantragte dessen Abweisung. Er habe von der A***** Gesellschaft mbH zwei Rechnungen vom 4.12.1991 über die Beträge von S 812.314,05 und S 303.574,80 erhalten. Bei einem Baustellenbesuch F***** am 9.12.1991 sei die erste Rechnung wegen diverser Mängel auf S 806.570,30 korrigiert worden. Der nach Teilzahlungen von insgesamt S 800.000,-- offene Restbetrag von S 310.154,-- sei in Form eines Wechsels sichergestellt worden. Der Beklagte habe den Wechsel zu einem Zeitpunkt unterfertigt, zu dem ihm die Zession noch nicht bekannt gewesen sei. Er habe daher „keine weitere Maßnahme mehr setzen können“.

Das Gericht erster Instanz wies das Klagebegehren ab. Es traf die eingangs wiedergegebenen Feststellungen und führte zur rechtlichen Beurteilung aus, daß die Zahlungspflicht des Beklagten gegenüber der A***** Gesellschaft mbH mit Übergabe des Wechsels am 9.12.1991 erloschen sei. Der Beklagte sei verpflichtet gewesen, die abstrakte Wechselschuld gegenüber dem Wechselinhaber zu erfüllen.

Das Gericht zweiter Instanz hob dieses Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Das Berufungsgericht übernahm die Feststellung des Erstgerichtes, daß der Wechsel bereits am 9.12.1991 übergeben worden sei. Ein Wechsel werde allerdings im Zweifel zahlungshalber hingegeben, weshalb die Forderung aus dem Grundgeschäft nicht schon mit der Begebung des Wechsels, sondern erst dann erlösche, wenn dieser eingelöst werde oder der Gläubiger, der den Wechsel seinerseits in Zahlung gegeben hat, vom Nachmann weder wechsel- noch bürgerlich-rechtlich in Anspruch genommen werden kann. Für die Anwendbarkeit der Schutzbestimmung des § 1395 ABGB komme es im gegenständlichen Fall darauf an, ob der Wechsel dem Schuldner vom Wechselnehmer, dem gegenüber Einwendungen aus dem Grundgeschäft möglich sind, oder aber von einem redlichen Indossatar zur Zahlung vorgelegt werde. Gegenüber dem unmittelbaren Wechselnehmer sei der Schuldner verpflichtet, die Honorierung des Wechsels zu verweigern. Eine derartige Einwendungsmöglichkeit bestehe allerdings dem gutgläubigen Indossatar gegenüber nicht. Im Falle der Wechselzahlung an den Indossatar stehe dem Schuldner gegenüber dem Zessionar der Grundforderung zwar nicht die Einrede der rechtzeitigen Bezahlung des Gläubigers, aber doch der Einwand offen, sich mit dem Gläubiger im Sinne des § 1395 ABGB abgefunden zu haben. Er müsse dem Gläubiger nämlich die Kausalforderung nur Zug um Zug gegen Rückgabe des Wechsels bezahlen. Darauf könne sich der Schuldner auch gegenüber dem Zessionar berufen. Das erstinstanzliche Verfahren sei in mehrfacher Hinsicht mangelhaft geblieben, der Erstrichter habe insbesondere gegen die im § 182 ZPO normierte Anleitungspflicht verstoßen. Im zu ergänzenden Verfahren sei festzustellen, wann und auf welche Weise dem Beklagten die Rechnungen vom 4.12.1992 tatsächlich zugekommen seien und ob diese Rechnungen einen Zessionsvermerk aufgewiesen haben. Auch werde zu klären sein, ob die von der Klägerin ihrem Anspruch zugrundegelegten Rechnungen vom 3.12.1991 und die vom Beklagten genannten Rechnung vom 4.12.1991 für idente Leistungen ausgestellt worden seien. Weiters sei festzustellen, ob dem Beklagten die Zession der Forderungen laut Rechnungen vom 3.12.1991 bekannt war oder ob er zumindest berechtigte Zweifel am Umfang der Abtretung haben konnte. Es mangle auch an Feststellungen, welchen Wechsel der Beklagte wem übergeben sowie an wen und auf welcher Grundlage er Zahlungen geleistet habe. Insbesondere sei von ausschlaggebender Bedeutung, ob der Beklagte aufgrund des Wechsels an die A***** Gesellschaft mbH direkt oder an einen Indossatar Zahlung geleistet habe.

Rechtliche Beurteilung

Dem dagegen erhobenen Rekurs des Beklagten kommt keine Berechtigung zu.

Es entspricht ständiger Rechtsprechung, daß ein Wechsel im Zweifel zahlungshalber gegeben und genommen wird. Die zugrundeliegende Forderung bleibt, wenn Gläubiger oder Schuldner nichts Gegenteiliges vereinbart haben, bis zur Befriedigung des Gläubigers bestehen (HS X/XI, 22; SZ 60/13; SZ 64/83; JBl. 1991, 378). Der Hingabe des Wechsels allein kommt daher mangels weiterreichender Vereinbarungen keine Tilgungswirkung zu, weshalb nicht davon gesprochen werden kann, der Gläubiger sei im Sinne des § 1395 ABGB bezahlt oder sonst abgefunden worden.

Der Gläubiger, der von seinem Schuldner einen Wechsel in Zahlung nimmt, hat zwei Ansprüche: den Anspruch aus dem Grundgeschäft und den Anspruch aus dem Wechsel. Beide Ansprüche beruhen auf verschiedenen Rechtsgründen, sind aber aufgrund der von den Parteien getroffenen Zweckvereinbarung, nach der der Schuldner die Wechselverpflichtung erfüllungshalber zwecks Zahlung auf die Grundforderung eingeht, miteinander verkettet. Der Schuldner hat nur einmal zu leisten. Trotz der „Zweigleisigkeit“ kann daher der Gläubiger nicht ohneweiteres die Grundforderung geltend machen. Eine gleichzeitige Inanspruchnahme aus Wechsel und Grundgeschäft würde dem Zweck der erfüllungshalber erfolgten Wechselbegebung widersprechen. Der Gläubiger, der einen Wechsel in Zahlung genommen hat, ist nach dem Sinn dieser Abrede verpflichtet, seine Befriedigung zunächst aus dem Wechsel zu suchen. Die Grundforderung gilt gleichsam als gestundet; einer Klage aus dem Grundgeschäft steht der Einwand der Wechselhingabe entgegen (Baumbach/Hefermehl, Wechselgesetz und Scheckgesetz18 EinlWG Rdz 40 f). Die Haftung aus dem Grundgeschäft ist somit durch die Wechselhingabe zu einer subsidiären geworden; sie wirkt sich erst aus, wenn der Gläubiger keine Befriedigung aus dem Wechsel erlangt hat. Bis dahin „ruht“ die Grundforderung. Die Grundforderung ist erloschen, wenn der in der Hingabe des Wechsels liegende Zahlungsversuch zur endgültigen Befriedigung des Gläubigers geführt hat. Dies ist auch dann der Fall, wenn der Wechselnehmer durch die Weitergabe des Wechsels einen Gegenwert erhalten hat, den er auch behalten darf (SZ 64/83; Baumbach/Hefermehl, aaO, Art. 17 WG Rdz 67c ff; Jacobi, Wechsel- und Scheckrecht 292). Steht die Wechselforderung infolge Indossaments einem anderen Gläubiger zu als die Kausalforderung, kommt es zu einer Trennung von Wechsel- und Kausalforderung. Der Schuldner ist vor doppelter Inanspruchnahme dadurch geschützt, daß er die Kausalforderung nur Zug um Zug gegen die Rückgabe des Wechsels zu bezahlen braucht (SZ 64/83; Hueck-Canaris, Recht der Wertpapiere12 169).

Hat der Gläubiger die Kausalforderung abgetreten und wurde der Schuldner davon nach Begebung des Wechsels jedoch vor Zahlung verständigt, ist, sofern sich der Wechsel noch beim ersten Wechselnehmer (dem Partner des Grundgeschäftes) befindet, der Schuldner (= Zessus) verpflichtet, die Honorierung des Wechsels wegen der veränderten Rechtszuständigkeit zu verweigern (HS X/XI 22). Dazu ist er wechselrechtlich auch in der Lage, da der mit der Begebungsabrede vereinbarte Zweck der Wechselhingabe erfüllungshalber auf die Erfüllung einer Verbindlichkeit aus dem Grundgeschäft gerichtet ist und damit die wechselrechtliche Beschränkung einschließt, daß der Wechselgläubiger nicht aus dem Wechsel vorgehen kann, wenn der Erfüllungsanspruch nicht besteht (GlUNF 5795; SZ 48/115; SZ 61/166; SZ 64/169; ÖBA 1989, 437; Baumbach/Hefermehl, Wechsel- und Scheckgesetz18 Art. 17 Rdz 67c).

Anders liegt der Fall, wenn der Wechselnehmer den Wechsel durch Indossament weitergegeben hat. In einem derartigen Fall stehen dem Schuldner gegen den Indossatar nur im Rahmen des Art. 17 WG Einwendungen aus dem Grundgeschäft zu. Er kann daher trotz Verständigung von der Zession gegenüber dem gutgläubigen Indossatar die Zahlung nicht verweigern. Allerdings darf gemäß § 1394 ABGB als Folge der Abtretung keine Verschlechterung der Stellung des Zessus eintreten (SZ 50/1; JBl. 1987, 183). Der Schuldner behält daher seine Einwendungen gegen den Zedenten, soweit sie bis zur Verständigung entstanden sind (ÖBA 1989, 1128). Es bleibt ihm daher auch der Einwand der Wechselhingabe, den er dem Partner des Grundgeschäftes entgegensetzen konnte, gegenüber dem Zessionar erhalten. Der Beklagte kann daher die Zahlung an den Zessionar von der Herausgabe des Wechsels abhängig machen, was im Falle der endgültigen Verweigerung zur Abweisung des Klagebegehrens führen müßte (SZ 64/83; Aicher in Rummel 2 Rdz 17 zu § 1052). Einer der Sonderfälle des gutgläubigen Forderungserwerbs (vgl. Ertl in Rummel 2 Rdz 2 zu § 1394 ABGB) liegt gegenständlich nicht vor. Hat der Zessus in einem derartigen Fall Zahlung an einen Indossatar geleistet, wirkt diese daher trotz der Verständigung von der Zession schuldbefreiend.

Der Beklagte hat im Verfahren lediglich eingewendet, daß er nach Fertigung des Wechsels „keine weiteren Maßnahmen mehr setzen“ habe können. Damit ist in Wahrheit das Vorbringen des Beklagten unschlüssig geblieben, da ihn die Behauptungs- und Beweislast dafür trifft, daß er trotz Verständigung von der Zession mit schuldbefreiender Wirkung leisten durfte. Dies wäre aber nach der dargestellten Rechtsansicht nur dann der Fall, wenn der Zedent den Wechsel indossiert hätte. Die Zahlung an den Indossatar hätte dann schuldbefreiende Wirkung gehabt. Hinsichtlich des infolge Prolongation noch offenen Restbetrages stünde dem Beklagten der Einwand zu, nur gegen Herausgabe des Wechsels leistungspflichtig zu sein. Da das Erstgericht aus unrichtiger Rechtsansicht entscheidungswesentliche Feststellungen nicht getroffen und auch dem Beklagten keine Möglichkeit gegeben hat, sein allgemein gehaltenes Vorbringen zu präzisieren, hat das Gericht zweiter Instanz das Verfahren zu Recht als ergänzungsbedürftig erachtet (vgl. JBl. 1990, 802; ÖBA 1991, 676).

Es war daher dem Rekurs ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 Abs. 1 ZPO.

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