OGH 2Ob15/00w

OGH2Ob15/00w23.11.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am 12. April 1999 verstorbenen Dr. Erika C*****, über den Revisionsrekurs 1. des Witwers Keith Brian C***** und der Kinder 2. Michael Robert C*****, beide in *****, Großbritannien, und 3. Bettina Anne B*****, Großbritannien, alle vertreten durch Dr. Gert Seeber, Rechtsanwalt in Klagenfurt, gegen den Beschluss des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgericht vom 9. September 1999, GZ 1 R 174/99d-9, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 20. Juli 1999, GZ 4 A 199/99a-5, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Erblasserin, die britische Staatsangehörige Dr. Erika C***** hatte keinen Wohnsitz in Österreich; ihr letzter Wohnsitz war in England. Sie hinterließ den Witwer Keith Brian C***** und die Kinder Michael Robert und Bettina Anne. Die Erblasserin ernannte in ihrem Testament vom 9. März 1994 ihren Ehemann zum Testamentsvollstrecker und Nachlassverwalter. Für den Fall, dass dieser nicht dazu in der Lage oder willens sein sollte, ernannte sie ihre Kinder zu Testamentsvollstreckern und Nachlassverwaltern.

Die Erblasserin war Gesellschafterin der Firma "E***** OHG" in Ebental. Das Unternehmen wird seit 1995 in der Rechtsform einer GmbH & Co KG geführt. Persönlich haftende Gesellschafterin (Komplementärin) dieser KG ist die A*****gesellschaft mbH, deren Gesellschafterin unter anderem die Erblasserin mit einer Stammeinlage von S 63.000 war. Sie war auch Kommanditistin der erwähnten GmbH & Co KG mit einer Vermögenseinlage von S 63.000. Die Erblasserin "vermachte und hinterließ" in ihrem Testament die Geschäftsanteile an der (im Zeitpunkt der Testamentserrichtung noch bestehenden) E***** OHG zu gleichen Teilen ihren Kindern.

Der Witwer und die Kinder der Erblasserin stellten den Antrag, die Durchführung des Verlassenschaftsverfahrens bezüglich des in Österreich befindlichen (beweglichen) Vermögens der Erblasserin im schriftlichen Eingabenweg verlassenschaftsbehördlich zu genehmigen. Sie verwiesen auf die oben dargestellten Gesellschaftsanteile der Erblasserin und darauf, dass diese auch Eigentümerin eines Sparbuches bei der Raiffeisenlandesbank gewesen sei. Hinsichtlich dieses inländischen Vermögens der Erblasserin sei das Verlassenschaftsverfahren gemäß § 23 AußStrG in Österreich durchzuführen.

Das Erstgericht wies diesen Antrag ab. Nach § 23 AußStrG habe die inländische Behörde mangels anderslautender staatsvertraglicher Vereinbarungen die Abhandlung in Ansehung des im Inland befindlichen beweglichen Nachlasses eines Ausländers unter anderem dann der zuständigen ausländischen Behörde zu überlassen, wenn der Verstorbene im Inland weder einen Wohnsitz noch eine Niederlassung gehabt habe. Die Erblasserin habe dauernd in England gelebt, im Inland habe auch keine Niederlassung bestanden, weshalb das österreichische Gericht nicht zur Abhandlung berufen sei.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 260.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Es erörterte im Wesentlichen rechtlich, die Erblasserin habe keine "Niederlassung im Inland" gehabt. Eine inländische Niederlassung setze Geschäfts- oder Berufssitz im Inland oder qualifizierte Gesellschafterstellung in einer inländischen Personenhandelsgesellschaft voraus. Eine Erweiterung des Gerichtsstandes der Niederlassung von persönlich haftenden Gesellschaftern einer Personenhandelsgesellschaft auf die Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft entspreche nicht dem Sinn und Zweck dieser Norm. Danach vermöge weder der Umstand, dass die Erblasserin Gesellschafterin der A*****gesellschaft mbH, des Komplementärs der E***** Gesellschaft mbH & Co KG noch der Umstand, dass sie Kommanditistin der GmbH & Co KG, in beiden Fällen also nicht persönlich haftende Gesellschafterin gewesen sei, eine Niederlassung in Österreich zu begründen. Auch die Voraussetzungen für die subsidiäre Durchführung des Abhandlungsverfahrens in Österreich im Sinn des § 23 Abs 3 lägen nicht vor. In England und Wales gehe der Nachlass nicht unmittelbar vom Erblasser auf die Erben oder Legatare über, sondern zunächst auf einen "personal representative" oder "executor", welcher den Nachlass als treuhändischer Eigentümer übernehme. Erben und Legatare seien zunächst nur Anspruchsberechtigte ("beneficiary") und ihr Anspruch sei kein dingliches Recht, sondern ein Forderungsrecht. Liege - wie hier - ein Testament vor, dann werde dieses von dem darin eingesetzten executor dem entsprechenden Probate Registry (hier: District probate regristry in Ipswich) vorgelegt. Wenn das Testament als formgültig anerkannt werde, erhalte der executor eine mit dem Gerichtssiegel versehene Kopie des Testaments ("probate copy"), die dem executor als Ausweis diene. Dieser Vorgangsweise entsprechend sei, wie sich aus der der Todfallsaufnahme beiliegenden Kopie des Testamentsvollstreckungszeugnisses des Nachlassgerichtes Ipswich ergebe, auch im vorliegenden Fall vorgegangen woren. Der executor habe dem Gericht ein genaues Inventar über das Nachlassvermögen einzureichen, den Nachlass zu ordnen, Nachlassschulden zu bezahlen, Forderungen einzutreiben und schließlich den Nachlass den Erben bzw Legataren ins Eigentum zu übertragen. Die Befugnisse des executors erstreckten sich nach englischem Recht auch auf das in Österreich befindliche bewegliche Nachlassvermögen. Executor sei im vorliegenden Fall der erblasserische Witwer, dem das Nachlassgericht Ipswich das Testamentsvollstreckungszeugnis ausgestellt habe. Seine Aufgabe sei es, dem englischen Verlassenschaftsgericht ein Inventar über das Nachlassvermögen - darunter das in Österreich befindliche bewegliche Vermögen der Erblasserin - einzureichen und es erstreckten sich seine Befugnisse auch auf das in Österreich bewegliche Nachlassvermögen.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zuzulassen, weil eine ausdrückliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage des Bestehens einer Niederlassung der Erblasserin im Inland im Sinne des § 23 Abs 2 und 3 AußStrG auf Grund ihrer Eigenschaft als Kommanditistin einer GmbH (& Co KG) fehle.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus den dargelegten Gründen zulässig, aber nicht berechtigt.

Unstrittig ist, dass besondere staatsvertragliche Nachlassabkommen nicht bestehen. Die Nachlassabhandlungsjurisdiktion, d.h. die Frage, ob und inwieweit die inländischen Gerichte in Verlassenschaftsangelegenheiten mit Auslandsbezug einzuschreiten haben, wird vom autonomen österreichischen Recht durch §§ 21 bis 25 AußStrG abgegrenzt. Nach § 23 Abs 2 AußStrG hat die inländische Behörde die Abhandlung und Entscheidung über streitige Erbansprüche in Ansehung des im Inland befindlichen beweglichen Nachlasses eines Ausländers der zuständigen ausländischen Behörde zu überlassen und sich auf die Sicherung des Nachlasses und die in den §§ 137 bis 139 AußStrG vorgesehenen Vorkehrungen zu beschränken, wenn der Verstorbene einem Staat angehört, der den gleichen Grundsatz befolgt oder im Inland weder einen Wohnsitz noch eine Niederlassung hatte. Die Erblasserin hatte in Österreich keinen Wohnsitz, aber auch keine Niederlassung. Da § 23 AußStrG Verfahrensrecht regelt, kann zur Klärung des Begriffs der Niederlassung die Bestimmung über den Wahlgerichtsstand der Niederlassung des § 87 Abs 1 und 2 JN herangezogen werden (1 Ob 524/92). Ein solches setzt voraus, dass physische oder juristische Personen außerhalb des Gerichtssprengels ihres Wohnsitzes oder ihres Sitzes eine gewerbliche Niederlassung oder sonstige Erwerbsstätte oder Zweigniederlassung haben (Fasching, Lehrbuch2 Rz 297). Für eine Niederlassung genügt das Bestehen einer nach ihrer äußeren Einrichtung auf Dauer berechneten, vom Sitz des Unternehmens örtlich getrennten Abteilung, die im Wesentlichen unter selbständiger Leitung steht, zu selbständigem Handeln im geschäftlichen Verkehr berechtigt ist und auf diese Weise, wenngleich häufig in nur sehr eingeschränktem Umfang Mittelpunkt eines Kreises von Rechtsbeziehungen des Unternehmens zu dritten Personen ist (SZ 51/29; Fasching I2 Rz 4-17 zu § 87 JN). Wie bereits vom Rekursgericht ausgeführt, setzt eine inländische Niederlassung den Geschäfts- oder Berufssitz im Inland oder qualifizierte Gesellschafterstellung in einer inländischen Personenhandelsgesellschaft voraus (Schwimann, Überblick über das internationale Erbrecht Österreichs NZ 1979, 102 [104] FN 18 mwN). Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass eine Erweiterung des Gerichtsstandes der Niederlassung von persönlich haftenden Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft auf den Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft nicht dem Sinn und Zweck dieser Norm gerecht und auch der Tatsache nicht gerecht wird, dass die Niederlassung weder vom Erblasser selbst noch auf seinen Namen betrieben wurde (1 Ob 524/92).

Entgegen der Rechtsansicht der Revisionsrekurswerber sind diese Rechtssätze auch auf den Kommanditisten einer KG anzuwenden. Dieser ist weder Kaufmann noch Arbeitgeber noch Unternehmer (Koppensteiner in Straube HGB2 Rz 6 zu § 161 mwN). Seine Außenhaftung ist mit der Vermögenseinlage beschränkt. Seine Haftung für Gewerbe- und Lohnsummensteuer sowie ein allfälliges Widerspruchsrecht gegen die über den gewöhnlichen Betrieb hinausgehenden Geschäfte führen auch nicht dazu, dass er, wie für den Begriff einer Niederlassung erforderlich, zu selbständigem Handeln im geschäftlichen Verkehr berechtigt ist.

Das Rekursgericht hat daher zutreffend auch die Stellung der Erblasserin als Kommanditistin nicht als ausreichend angesehen, um eine "Niederlassung" im Sinn des § 23 AußStrG im Inland anzunehmen. Die weiteren Überlegungen im Rekurs, es wäre im Hinblick auf die nach österreichischem Recht zu beurteilenden gesellschaftsrechtlichen Fragen und auf den Umstand, dass die Gesellschaftsverträge zum Zwecke der Durchführung der Abhandlung in Großbritannien erst in die englische Sprache übersetzt werden müssten, sinnvoller, die Abhandlung im Inland durchzuführen, orientierten sich nicht am Erfordernis eines inländischen Wohnsitzes oder einer inländischen Niederlassung des Erblassers gemäß § 23 Abs 2 AußStrG.

Auf die vom Rekursgericht ausführlich dargestellten Überlegungen zum englischen Abhandlungsrecht wird im Revisionsrekurs nicht zurückgekommen, weshalb darauf nicht weiter einzugehen war.

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