Spruch:
1. Für die von George E***** in der Zeit vom 27. Mai 1999, 11,45 Uhr, bis zum 29. Mai 1999, 10,00 Uhr, erlittene strafgerichtliche Anhaltung sind die Voraussetzungen eines Ersatzanspruches nach § 2 Abs 1 lit a und Abs 3 StEG nicht gegeben.
2. Hinsichtlich der gesetzwidrigen Anhaltung des George E***** in Untersuchungshaft vom 29. Mai 1999, 10 Uhr bis zum 10. Juni 1999, 10,30 Uhr steht dem Genannten ein Ersatzanspruch nach § 2 Abs 1 lit a StEG zu.
3. In Ansehung der gesetzwidrigen Anhaltung des George E***** in Untersuchungshaft vom 29. Mai 1999, 10,00 Uhr, bis zum 28. Juli 1999, 15,15 Uhr liegen die in § 3 lit a und b StEG bezeichneten Ausschlussgründe nicht vor.
Text
Gründe:
In der oben bezeichneten Strafsache wurde über George E***** - nach der am 27. Mai 1999, 11,45 Uhr erfolgten Festnahme (S 17) - am 29. Mai 1999, 10,00 Uhr, die Untersuchungshaft aus den Gründen der Flucht-, Verdunkelungs- und Tatbegehungsgefahr gemäß § 180 Abs 1 und Abs 2 Z 1, 2 und 3 lit b StPO iVm § 35 JGG verhängt (ON 6 und S 91). George E***** stand ursprünglich im Verdacht, neben den Vergehen der Geldwäscherei nach § 165 Abs 2 StGB und des Diebstahls nach § 127 StGB (in eventu der Hehlerei nach § 164 Abs 2 StGB) auch das Verbrechen nach § 28 Abs 2 und Abs 3 erster Fall SMG begangen zu haben.
Mit Beschluss vom 1. Juli 1999, AZ 10 Bs 258/99 (ON 23), gab das Oberlandesgericht Graz einer Haftbeschwerde des George E***** gegen die vom Landesgericht für Strafsachen Graz am 10. Juni 1999, 10,30 Uhr (S 119) angeordnete Fortsetzung der Untersuchungshaft nicht Folge und dehnte die zulässige Dauer dieser Haft bis zum 1. September 1999 aus.
In Stattgebung einer Grundrechtsbeschwerde des George E***** gegen diese Rechtsmittelentscheidung hat der Oberste Gerichtshof mit Erkenntnis vom 28. Juli 1999, AZ 11 Os 87/99 (ON 49), ausgesprochen, dass der Genannte durch die betreffende Entscheidung im Grundrecht auf persönliche Freiheit verletzt worden ist, weil die bisherige Aktenlage die Annahme eines dringenden Tatverdachts weder in Richtung des Verbrechens nach § 28 Abs 2 und Abs 3 erster Fall SMG noch hinsichtlich des Vergehens der Geldwäscherei nach § 165 Abs 2 StGB zuließe. Zudem könnte die über ein Monat andauernde Untersuchungshaft bei dem jugendlichen Ersttäter selbst unter Beachtung des (nicht als haftbegründend anzusehenden) Diebstahls - bzw Hehlereifaktums nicht mehr als verhältnismäßig zu der zu erwartenden Strafe angesehen werden. Demgemäß wurde George E***** am 28. Juli 1999, 15,15 Uhr, enthaftet (ON 43).
Da das Oberlandesgericht Graz noch während dieses anhängigen Grundrechtsbeschwerdeverfahrens, und zwar mit Beschluss vom 15. Juli 1999, AZ 10 Bs 314/99 (ON 39), abermals einen erstgerichtlichen Beschluss auf Fortsetzung der Untersuchungshaft im Rechtsmittelweg bestätigt und seinerseits auf Haftfortsetzung erkannt hatte, stellte der Oberste Gerichtshof auf Grund einer dagegen gerichteten Grundrechtsbeschwerde des George E***** mit Erkenntnis vom 21. September 1999, AZ 11 Os 107/99 (ON 64), unter Hinweis auf seine Ausführungen im erwähnten Vorerkenntnis vom 28. Juli 1999 die dem Oberlandesgericht auch mit dieser Entscheidung unterlaufene Grundrechtsverletzung fest.
In der Folge wurde George E***** mit (rechtskräftigem) Urteil vom 11. November 1999 (ON 71) von den gegen ihn schließlich nur mehr wegen der Vergehen der Geldwäscherei nach § 165 Abs 2 StGB, des Diebstahls nach § 127 StGB (in eventu der Hehlerei nach § 164 Abs 2 StGB) und nach § 27 Abs 1 SMG erhobenen Strafantrag gemäß § 259 Z 3 StPO (zur Gänze) freigesprochen.
Nachdem das Oberlandesgericht Graz mit Beschluss vom 6. Juli 2000, AZ 10 Bs 191/00 (ON 82), in Stattgebung einer Beschwerde der Staatsanwaltschaft den Beschluss des Landesgerichtes für Strafsachen Graz, womit George E***** ein Ersatzanspruch für die Haftzeit nach dem 10. Juni 1999 gemäß "§ 2 Abs 1 lit c StEG" zuerkannt worden war (ON 79), aufgehoben und dem Erstgericht die Vernehmung des Freigesprochenen zur Präzisierung seines Entschädigungsbegehrens aufgetragen hatte, macht der Genannte auf Grund gerichtlicher Anleitung - auch - einen Ersatzanspruch für die erlittene Haft nach § 2 Abs 1 lit a StEG mit der Begründung geltend, dass er niemals einer in die Zuständigkeit der Gerichte gehörigen strafbaren Handlung dringend verdächtig gewesen und die Verhängung der Haft über ihn von Anfang an gesetzwidrig gewesen wäre (ON 84).
Rechtliche Beurteilung
Über diesen Antrag hat der Oberste Gerichtshof ungeachtet des Umstandes zu entscheiden, dass damit die Gesetzwidrigkeit auch schon von der Anordnung der Anhaltung durch den Untersuchungsrichter (Verwahrungshaft) bis zum Fortsetzungsbeschluss vom 10. Juni 1999 geltend gemacht wird (vgl Mayerhofer Nebenstrafrecht4 § 6 StEG E 2a und 3).
Die Anordnung der gerichtlichen Anhaltung (Verwahrungshaft nach §§ 175 ff StPO) setzt voraus, dass die zu verhaftende Person auf Grund bestimmter Tatsachen verdächtig ist, eine gerichtlich strafbare Handlung begangen zu haben. Für eine solche Annahme genügt bei der Verwahrungshaft ein hinreichender Tatverdacht und daher ein geringerer Grad der Wahrscheinlichkeit der Tatbegehung als im Falle der Verhängung der Untersuchungshaft, die insoweit einen dringenden, auf einem höheren Grad von Wahrscheinlichkeit beruhenden Tatverdacht verlangt (vgl Foregger/Fabrizy StPO8 § 175 Rz 1).
Ein solcher für die Erlassung des Haftbefehls hinreichender Tatverdacht war am Vormittag des 27. Mai 1999 sowie während der gesamten Dauer der Verwahrungshaft (auch) in Richtung des ursprünglich angenommenen, vorbezeichneten Verbrechens nach dem Suchtmittelgesetz und des Vergehens nach § 165 Abs 2 StGB, insbesondere im Hinblick auf die Kokainanhaftungen an den beim Festgenommenen sichergestellten Banknoten und deren auffällige Stückelung sowie auf das eine Verschleierung der Reiseroute indizierende Wegwerfen der Fahrkarte durch den Antragsteller während der Amtshandlung (S 31, 43) nach dem damaligen Ermittlungsstand sehr wohl gegeben, woran auch die entlastenden (unüberprüften) Angaben des Samuel A*****, die erst am Nachmittag des Anhaltungstages vorlagen (S 13, 45), infolge weiterer Erhebungstätigkeit nichts ändern. Für die oben bezeichnete Verwahrungshaft fehlt es demnach an der relevierten Voraussetzung eines Ersatzanspruches gemäß § 2 Abs 1 lit a und Abs 3 StEG.
Hingegen war ein Ausspruch über das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen nach § 2 Abs 1 StEG für den Zeitraum der Anhaltung in Untersuchungshaft ab dem Fortsetzungsbeschluss vom 10. Juni 1999, 10,30 Uhr (ON 9, 10) im Hinblick auf § 11 GRBG entbehrlich, weil es nach dieser Bestimmung bei der Anwendung des strafrechtlichen Entschädigungsgesetzes keines Antrages und keiner Beschlussfassung des übergeordneten Gerichtshofes nach § 6 StEG mehr bedarf, soweit der Oberste Gerichtshof aus Anlass seiner Grundrechtsbeschwerde festgestellt hat, dass der Geschädigte im Grundrecht auf persönliche Freiheit verletzt wurde; hat doch der Oberste Gerichtshof mit den vorbezeichneten beiden - über Grundrechtsbeschwerden des George E***** absprechenden - Erkenntnissen vom 28. Juli 1999 und vom 21. September 1999 (ON 49 und 64) die bereits erwähnten Grundrechtsverletzungen (mangelnde Dringlichkeit des Tatverdachts und unverhältnismäßig lange Dauer der Untersuchungshaft) zum Nachteil des Genannten konstatiert. Demzufolge war hinsichtlich des von den Grundrechtsbeschwerden abgedeckten Zeitraumes nur mehr zu erkennen, ob die auf eine gesetzwidrige Anhaltung bezogenen Ausschlussgründe des § 3 lit a und b StEG, deren Vorliegen der Oberste Gerichtshof im Grundrechtsbeschwerdeverfahren nicht prüfen kann, gegeben sind (vgl Hager/Holzweber GRBG § 11 E 2). Dies ist aber nicht der Fall, weil eine Feststellung der vorsätzlichen Verdachtsherbeiführung nicht getroffen werden kann und eine Anrechnung der betreffenden Anhaltung auf eine Strafe bei dem freigesprochenen (unbescholtenen) Antragsteller nicht in Frage kommt.
Da das Fehlen der qualifizierten Verdachtslage bereits ab Verhängung der Untersuchungshaft gegeben war, wie dies aus der Begründung der Grundrechtsbeschwerdeentscheidung vom 28. Juli 1999 (ON 49) hervorgeht, bestehen die Ansprüche des Entschädigungwerbers für die gesetzwidrige Anhaltung auch vom 29. Mai 1999, 10 Uhr bis zum 10. Juni 1999, 10,30 Uhr zu Recht, zumal Ausschlussgründe nach § 3 lit a und b StEG für diesen Zeitraum ebenfalls nicht vorliegen. Mit der Feststellung der Anspruchsvoraussetzungen nach § 2 Abs 1 lit a StEG für die gesamte Dauer der Untersuchungshaft sind die Anträge des öffentlichen Anklägers und des George E***** auf Feststellung der Anspruchsvoraussetzungen nach § 2 Abs 1 lit b StEG insoweit gegenstandslos geworden. Über die auf letztere Bestimmung gegründeten Anträge in Bezug auf die Anhaltung in Verwahrungshaft wird hingegen das Landesgericht für Strafsachen Graz unter Beachtung der an Art 6 Abs 1 MRK orientierten Verfahrensgrundsätze (vgl 13 Os 54, 55/00) endgültig zu befinden haben.
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