OGH 5Ob283/00d

OGH5Ob283/00d21.11.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann, Dr. Baumann und Dr. Hradil und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ursula S*****, vertreten durch Dr. Harold Schmid und Mag. Helmut Schmid, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei S***** GmbH, ***** vertreten durch Dr. Gert Seeber, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen Feststellung des Bestehens einer Servitut, Zustimmung zur Einverleibung und Unterlassung (Revisionsstreitwert: S 300.000), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 26. Juli 2000, GZ 6 R 90/00b-38, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Gleich ob den bücherlichen Eigentümern der Liegenschaft EZ 217 Grundbuch ***** von den Voreigentümern der Liegenschaft EZ 85 rechtsgeschäftlich eine Servitut des Fahr- und Abstellrechts über bzw an letzterer Liegenschaft eingeräumt (aber nicht verbüchert) worden war oder bereits 24 Jahre hindurch ein solches Recht unwidersprochen ausgeübt wurde, mussten es die Brüder D***** als Erwerber der "dienenden" Liegenschaft nur dann gegen sich gelten lassen, wenn die Offenkundigkeit der Servitut ihr Vertrauen auf den Grundbuchsstand und damit ihre Gutgläubigkeit beseitigt hätte. Dass ihnen eine von den Voreigentümern vertraglich übernommene Servitutsverpflichtung überbunden worden wäre, wurde nicht behauptet.

Rechtliche Beurteilung

Wer einen gültigen Titel besitzt, ist bei offenkundigen Dienstbarkeiten, bei denen das Eintragungsprinzip sohin durchbrochen wird, trotz Nichtverbücherung geschützt (7 Ob 286/99f ua; RS0034803).

Ein neuer bücherlicher Eigentümer erwirbt frei von einer laufenden oder schon vollendeten Ersitzung, wenn er die Ausübung der Dienstbarkeit nicht kennen musste, also eine offenkundige Dienstbarkeit nicht vorlag (SZ 26/289; SZ 28/256; RS0034803).

Diese Grundsätze sind durch ständige höchstgerichtliche Rechtsprechung geklärt.

In Bezug auf Dienstbarkeiten hat das Grundbuch von vornherein eine geringere Aussagekraft, weil sich ihre Verbücherung nicht immer lückenlos durchführen lässt. Der Erwerber einer Liegenschaft ist allerdings zu Nachforschungen nur dann verpflichtet, wenn sich aus den besonderen Umständen Bedenken gegen die Vollständigkeit des Grundbuchs ergeben (7 Ob 209/98f; 10 Ob 291/99p; RZ 1962/83 ua). Nachforschungen über die Richtigkeit des Grundbuchsstands sind vom Ersteher nur bei Vorliegen besonderer, von den Umständen des Einzelfalls abhängender Gegebenheiten zu verlangen. Nur wer in Kenntnis einer nicht völlig geklärten Rechtlage eine Liegenschaft erwirbt, kann sich weder allein auf den Grundbuchsstand noch auf die Zusage der Lastenfreiheit durch den Voreigentümer berufen, sondern hat zumutbare Nachforschungen anzustellen (1 Ob 150/99m; RS0011676). Wenn also vom dienenden Grundstück aus bei einiger Aufmerksamkeit Einrichtungen oder Vorgänge wahrgenommen werden können, die das Bestehen einer Dienstbarkeit vermuten lassen, wird ein Vertrauen auf den Grundbuchsstand oder die Zusage der Lastenfreiheit nicht geschützt (1 Ob 416/97a; RS0034803).

Ob im Einzelfall aufgrund von Aufklärungsbedürftigkeit oder vorhandener Einrichtungen oder Vorgänge ein gutgläubiger Erwerb ausgeschlossen ist, ist jeweils gesondert zu prüfen.

Im vorliegenden Fall haben die Vorinstanzen eine Offenkundigkeit des Servitutsrechts der Klägerin deshalb verneint, weil sichtbare Anlagen und Einrichtungen auf der Liegenschaft wie ein Privatweg und Abstellplätze mehreren Berechtigten zur Verfügung standen und von diesen auch genützt wurden, und die Erwerber, die von diesen Rechten Kenntnis hatten, erst durch Nachforschung der Zulassungsbesitzer der einzelnen Fahrzeuge eine Rechsausübung auch durch die Klägerin in Erfahrung hätten bringen können.

Die Vorinstanzen haben dadurch, dass sie eine Erkundigungspflicht der Erwerber der Liegenschaft diesfalls verneinten den ihnen zustehenden Beurteilungsspielraum nicht verlassen und insofern keine Rechtsansicht vertreten, die einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedürfte.

Das hatte zur Zurückweisung des außerordentlichen Rechtsmittels der klagenden Partei zu führen.

Stichworte