OGH 16Ok8/00

OGH16Ok8/009.10.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Kartellrechtssachen durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Birgit Langer als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Manfred Vogel und Dr. Gerhard Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Kommerzialräte Dr. Fidelis Bauer, Dkfm. Joachim Lamel, Dkfm. Dr. Erich Zeillinger und Dkfm. Dr. Thomas Lachs in der Kartellrechtssache der Antragstellerin und gefährdeten Partei E***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Stefan Köck, Rechtsanwalt in Wien, wider die Antragsgegnerinnen und Gegnerinnen der gefährdeten Partei 1. A*****-GesmbH, *****, 2. A*****-Organisationsgesellschaft mbH, *****, beide vertreten durch Schönherr, Barfuß, Torggler und Partner, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung und einstweiliger Verfügung, über den Rekurs der Antragstellerin und gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Kartellgericht vom 16. März 2000, GZ 27 Kt 390, 391/99-13, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Antragsgegnerinnen und Gegnerinnen der gefährdeten Partei haben die Kosten ihrer Rekursbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Verpackungsverordnung BGBl 1996/648 (VerpackVO) verpflichtet Hersteller, Importeure, Abpacker und Vertreiber von Transport- und Verkaufsverpackungen, nachweislich sämtliche von ihnen in Verkehr gesetzten Verpackungen nach Gebrauch unentgeltlich zurückzunehmen, aktive Rücknahmemaßnahmen zu setzen und die Letztverbraucher über die Rückgabemöglichkeiten zu informieren. Die betroffenen Unternehmen können an einem Sammel- und Verwertungssystem teilnehmen, das die Sammel- und Verwertungsverpflichtungen für sie übernimmt. Durch die Teilnahme an einem derartigen System werden die Unternehmen von ihren eigenen Verpflichtungen aus der VerpackVO entbunden ("entpflichtet"). In Österreich besteht das "ARA-System" als flächendeckendes Sammel- und Verwertungssystem iSd VerpackVO. Die A***** Aktiengesellschaft (ARA) koordiniert und organisiert die Sammlung und Verwertung von Verpackungsstoffen, ohne selbst gebrauchte Verpackungen ihrer Vertragspartner zurückzunehmen und zu verwerten. Sie schließt vielmehr mit den einzelnen Branchenrecycling-Gesellschaften (BRG) entsprechende Entsorgungsverträge, nach denen die BRG zur Sammlung und/oder Verwertung der Verpackungen der Vertragspartner der ARA verpflichtet sind. Gleichzeitig schließt die ARA im eigenen Namen Entpflichtungs- und Lizenzvereinbarungen mit Inverkehrbringern von Verpackungen ab, in denen sie zusagt, als Treuhänderin ihrer Vertragspartner mit Branchenrecycling-Gesellschaften Entsorgungsverträge zu schließen. Die BRG nehmen ihre Sammel- und Verwertungspflichten nicht unmittelbar selbst wahr, sondern schließen zur Erfüllung ihrer Aufgaben Verträge mit Entsorgungs- und Verwertungsunternehmen ("Regionalpartnern") ab. ARA und die BRG treten als geschlossenes System auf. ARA ist an der Erstantragsgegnerin und an der Zweitantragsgegnerin als Gesellschafterin beteiligt. Alle Gesellschaften des "ARA-Systems" arbeiten nicht gewinnorientiert. Das System der Regionalpartner ist in Österreich flächendeckend. Die Regionalpartner nehmen nicht alle ihnen zukommenden Aufgaben unmittelbar selbst wahr, sondern kooperieren teilweise ihrerseits mit Subunternehmen, die insbesondere als Übernahmestellen auf lokaler Ebene oder als Sammler in einer Region tätig werden.

Die Antragstellerin betreibt in Österreich ein Sammel- und Verwertungssystem im Sinn der VerpackVO, beschränkt auf Verpackungen, die im gewerblichen Bereich anfallen. Sie besitzt die dazu erforderliche Genehmigung gemäß § 7a Abfallwirtschaftsgesetz BGBl 1990/325 (AWG) iVm § 11 VerpackVO.

Die Antragsgegnerinnen sind BRG im Rahmen des "ARA-Systems" und verfügen über Genehmigungen als Sammel- und Verwertungssystem zur VerpackVO gemäß § 7a AWG. Die Erstantragsgegnerin sammelt und sortiert Verpackungen aus Kunststoff, Metall, Holz, Textilien, Keramik und Materialverbunden; die Zweitantragsgegnerin sammelt und verwertet Verpackungen aus Papier, Karton, Pappe und Wellpappe. Die Antragsgegnerinnen vereinbaren in ihren Verträgen mit Regionalpartnern regelmäßig eine Meistbegünstigungsklausel folgenden Wortlauts:

"Unbeschadet der vereinbarten Entgelte und Konditionen räumt der Partner der ... [ARGV/ARO] ... eine Meistbegünstigung in der Form ein, dass der Partner Dritten keine Entsorgungsleistungen, die mit den Leistungen aufgrund dieses Vertrages vergleichbar sind, zu günstigeren Entgelten und/oder Konditionen anbietet oder für Dritte durchführt. Sollte der Partner dies dennoch tun, so mindert sich automatisch das von der ... [ARGV/ARO] ... zu bezahlende Entgelt im selben Ausmaß. Eine solche Entgeltkürzung tritt rückwirkend bis zu dem Zeitpunkt ein, zu dem der Partner nachweislich Dritten die besten Entgelte und/oder Konditionen eingeräumt hat.

Die Meistbegünstigungsklausel gilt gegenüber anderen Sammel- und Verwertungssystemen für Verpackungen. Sie gilt auch für den Fall, daß der Partner solchen Sammel- und Verwertungssystemen nur Teile von Entsorgungsleistungen, die mit den Leistungen aufgrund dieses Vertrages vergleichbar sind, direkt oder indirekt anbietet oder für diese durchführt."

Der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie hat mit Bescheid eine monopolartige Stellung für das Sammelsystem der Erstantragsgegnerin im Bereich Haushalt/Metallverpackungen festgestellt. Die Antragstellerin und die Antragsgegnerinnen sind drei der zehn gemäß § 7a AWG genehmigten bzw kraft Übergangsregelung gemäß § 45 Abs 1 AWG bestehenden Sammel- und Verwertungssysteme. Die Antragsgegnerinnen und drei weitere Systembetreiber kooperieren im ARA-System, das gegenüber jenen Unternehmen, die eine Entpflichtung nach der VerpackVO wünschen, einheitlich auftritt. Der räumliche Tätigkeitsbereich aller Systembetreiber ist das Bundesgebiet der Republik Österreich. Die Erstantragsgegnerin hat im gewerblichen Bereich drei Mitbewerber, die ein Sammelsystem betreiben. Die Antragstellerin begehrt, den Antragsgegnerinnen mit einstweiliger Verfügung aufzutragen, es zu unterlassen, mit Entsorgungsunternehmen am österreichischen Markt Verträge mit Meistbegünstigungsklausel abzuschließen und bei bereits bestehenden Verträgen mit Entsorgungsunternehmen am österreichischen Markt, die eine Meistbegünstigungsklausel enthalten, auf die Einhaltung dieser Klausel zu bestehen. Die Antragsgegnerinnen hätten auf dem Markt der Entsorgerleistungen für gebrauchte Verpackungen eine überragende Marktstellung. Vom jährlich von der Entsorgungsbranche in Österreich erzielten Umsatz von 12 Mrd S entfielen auf die privatwirtschaftlich tätigen Unternehmen, die als Vertragspartner der Antragstellerin in Frage kämen, rund 8 Mrd S, hievon rund 2,4 Mrd S auf Entsorgungsleistungen betreffend Verpackungen. Die Erstantragsgegnerin erziele einen Umsatz von 1.517,500.000 S, die Zweitantragsgegnerin einen solchen von 468,200.000 S. Der Marktanteil der Antragsgegnerinnen in der Nachfrage nach Entsorgungsleistungen für gebrauchte Verpackungen betrage demnach mehr als 80 %. Die beiden nächstgrößeren Mitbewerber in diesem Bereich außerhalb des "ARA-Systems" seien die Antragstellerin und die B***** KG mit Umsätzen von rund 8,5 Mio S bzw rund 15 Mio S. Praktisch alle potentiellen Vertragspartner der Antragstellerin seien durch die Meistbegünstigungsklauseln der Antragsgegnerinnen gebunden. Auf die gebundenen Unternehmen sei die Antragstellerin zur Erbringung einer flächendeckenden Dienstleistung in Österreich angewiesen. Die Antragsgegnerinnen setzten die Meistbegünstigungsklausel als Mittel des Nichtleistungswettbewerbs gezielt zur Verhinderung eines Marktzutritts der Antragstellerin oder anderer neuer Wettbewerber ein. Die Meistbegünstigungsklausel liefe auf eine unzulässige Ausschaltung jeglichen Preiswettbewerbs im Entsorgermarkt hinaus. Entsorgungsunternehmen hätten die Kooperation mit der Antragstellerin unter Verweis auf die Meistbegünstigungsklausel der Antragsgegnerinnen verweigert.

Die Antragsgegnerinnen beantragen, den Sicherungsantrag abzuweisen. Sie hätten am relevanten Markt für die Beschaffung von Entsorgungsleistungen in Österreich, der sich nicht auf Entsorgungsleistungen von Verpackungen beschränke, keine marktbeherrschende Stellung. Das Volumen des Entsorgungsmarktes betrage zumindest 12 Mrd S. Umsätze kommunaler Entsorger seien hievon nicht abzuziehen; diese öffentlichen Unternehmen träten nämlich ebenso wie private Entsorger am Markt auf. Das mengenmäßige Marktvolumen betrage etwa 7,9 Mio t. Die Anzahl der potentiellen Anbieter von Entsorgungsleistungen übertreffe die Anzahl der etablierten Regionalpartner bei weitem. Die Meistbegünstigungsklausel verhindere nicht, dass der Regionalpartner auch Leistungen für die Antragstellerin erbringe. Die Klausel solle nur verhindern, dass die Antragsgegnerinnen von ihren Regionalpartnern dadurch benachteiligt würden, dass diese Leistungen an Dritte unter vergleichbaren Bedingungen zu günstigeren Konditionen als an die Antragsgegnerinnen erbrächten. Die Preise, die die Antragsgegnerinnen ihren Regionalpartnern zahlten, deckten die gesamten mit der Leistungserstellung verbundenen fixen und variablen Kosten der Entsorgungsunternehmen. Da die Abdeckung der Fixkosten durch die Antragsgegnerinnen gewährleistet erscheine, bestehe eine erhebliche Gefahr, dass die Regionalpartner gleichwertige Leistungen an andere Nachfrager zu Grenzkosten anbieten könnten. Es sei auch nicht wünschenswert, wenn sich die Antragstellerin oder andere Sammel- und Verwertungssysteme auf Kosten der Antragsgegnerinnen Vorteile sichern könnten. Da die Antragsgegnerinnen non-profit-Organisationen seien, würde eine Diskriminierung durch die Entsorgungspartner zwangsläufig dazu führen, dass die Lizenzpartner des ARA-Systems höhere Tarife zu bezahlen hätten, als die Kunden der Antragstellerin. Damit würde das ARA-System das System der Antragstellerin quersubventionieren. Dies hätte Verzerrungen des Wettbewerbs zur Folge.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Es traf umfangreiche Feststellungen zum Abfallaufkommen und zur Organisation der Abfallwirtschaft im Inland sowie zum Umsatz der auf dem österreichischen Markt tätigen Entsorgungsunternehmen und stellte fest, dass die Antragsgegnerinnen ihren Regionalpartnern deren Entsorgungsleistungen nach einem Vollkostenansatz vergüteten, wodurch sämtliche mit der Leistungserstellung verbundenen fixen und variablen Kosten der Entsorgungsunternehmen abgegolten seien. In rechtlicher Hinsicht vertrat es die Ansicht, es sei nicht weiter zu prüfen, auf welchem Markt die Antragsgegnerinnen tätig seien und ob sie auf dem relevanten Markt eine marktbeherrschende Stellung als Nachfrager innehätten, weil die beanstandete Vereinbarung und Anwendung der Meistbegünstigungsklausel selbst dann nicht als missbräuchliche Verhaltensweise zu beurteilen wäre, falls die Antragsgegnerinnen auf dem relevanten Markt marktbeherrschende Nachfrager wären. Unter missbräuchlicher Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung im Sinn des § 35 Abs 1 KartG seien alle Verhaltensweisen eines Unternehmers in beherrschender Stellung zu verstehen, die die Struktur des Marktes beeinflussen könnten, auf dem der Wettbewerb gerade wegen der Anwesenheit des fraglichen Unternehmers bereits geschwächt sei, und die die Aufrechterhaltung des auf dem Markt noch bestehenden Wettbewerbs oder dessen Entwicklung durch die Verwendung von Mitteln behinderten, welche von den Mitteln eines normalen Produkt- oder Dienstleistungswettbewerbs auf der Grundlage der Leistungen der Marktbürger abwichen. Die Erlangung und Behauptung einer marktbeherrschenden Stellung für sich alleine sei keine vom Gesetz verpönte Verhaltensweise. Auch Unternehmen in beherrschender Stellung sei es nicht verboten, ihre eigenen geschäftlichen Interessen zu wahren, wenn diese angegriffen würden. Die Behinderung von Wettbewerbern durch einen marktbeherrschenden Unternehmer sei nicht per se missbräuchlich; es komme darauf an, ob der Marktbeherrscher zu anderen Mitteln als jenen des Leistungswettbewerbs greife. Bei der Prüfung, ob eine missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung vorliege, seien stets die einander widerstreitenden Interessen sorgfältig abzuwägen, wobei nicht nur die betriebswirtschaftlichen Interessen der beteiligten Unternehmer, sondern auch gesamtwirtschaftliche Aspekte zu berücksichtigen seien. Die von der Antragstellerin beanstandete Meistbegünstigungsklausel verhindere nicht schlechthin den Zugang der Antragstellerin zu Leistungen der Regionalpartner. Denn diese würden nicht von einem Vertragsabschluss mit der Antragstellerin oder anderen Betreibern eines Sammel- und Verwertungssystems abgehalten, wenn jene bereit wären, gleich hohe Entgelte wie die Antragsgegnerinnen für gleiche Leistungen zu zahlen. Die vereinbarte Meistbegünstigung bewirke, dass in Konkurrenz zu den Antragsgegnerinnen stehende Betreiber eines Sammel- und Verwertungssystems keinen Wettbewerbsvorteil aufgrund geringerer an die Regionalpartner zu zahlenden Entgelte erzielen könnten. Dies erschwere zwar den Wettbewerb der kleineren Betreiber eines Sammel- und Verwertungssystems über den Preis, den sie den Abnehmern ihrer Leistungen bieten könnten, schließe jedoch einen Wettbewerb nicht völlig aus, weil es dem kleineren Betreiber möglich sei, andere Kostenvorteile (etwa durch eine effizientere Organisation) zu erzielen und dies in die Tarifgestaltung einfließen zu lassen. Dieselbe Wirkung trete aber auch dann ein, wenn Regionalpartner gesetzlich verpflichtet seien, ihre Vertragspartner bei Vorliegen gleicher Voraussetzungen gleich zu behandeln; diese Verpflichtung ergäbe sich für die Regionalpartner schon aus § 2 Abs 1 NahVG, der nach seinem Wortlaut für jeden, nicht nur für marktmächtige Unternehmer gelte und das Prinzip des leistungsgerechten Wettbewerbs sichern solle. Deckten die von den Antragsgegnerinnen ihren Regionalpartnern bezahlten Entgelte die gesamten, mit der Leistungserstellung verbundenen fixen und variablen Kosten der Entsorgungsunternehmer, sei es ein berechtigtes Interesse der Antragsgegnerinnen, sich vertraglich durch die Meistbegünstigung dagegen zu sichern, dass ein Regionalpartner bei Ausweitung seiner Tätigkeit durch Erbringung von Leistungen für andere (kleinere) Betreiber eines Sammel- und Verwertungssystems seiner Kalkulation des Entgelts nur den Zuwachs der variablen Kosten zu Grunde lege, zur Deckung seiner fixen Kosten also nicht alle Vertragspartner gleichmäßig beitragen lasse. Insofern verhindere die Meistbegünstigung eine Wettbewerbsverzerrung zu Lasten der Antragsgegnerinnen, die sie auch als Unternehmer in beherrschender Stellung abwehren dürften. Die Erstantragsgegnerin habe eine gemäß § 7e Abs 1 AWG festgestellte monopolartige Stellung bei der Übernahme von Pflichten zur Sammlung und Verwertung von Metallverpackungen im Haushaltsbereich inne. Sie unterliege deshalb der Preisaufsicht gemäß § 7e Abs 3 AWG. Im Aufsichtsverfahren sei insbesondere die Angemessenheit des Aufwands zu prüfen. Unangemessen wäre der Aufwand dann, wenn die von der Erstantragsgegnerin ihren Regionalpartnern bezahlten Entgelte über dem Marktpreis lägen, der sich insbesondere dadurch bildete, dass Regionalpartner mit anderen nachfragenden Betreibern eines Sammel- und Verwertungssystems geringere Entgelte für gleiche Leistungen vereinbarten. Zur Erreichung des Ziels, die an die Regionalpartner zu zahlenden Entgelte auf angemessenem Niveau zu halten, sei die Vereinbarung der Verpflichtung, einem anderen Betreiber eines Sammel- und Verwertungssystems eingeräumte günstigere Entgelte nachträglich auch der Erstantragsgegnerin zu gewähren, kein missbräuchliches Mittel.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der Antragstellerin ist nicht berechtigt. Die Antragstellerin vertritt die Ansicht, die Meistbegünstigungsklausel sei eine wettbewerbsverzerrende Maßnahme des Verdrängungswettbewerbs und werde von den Antragsgegnerinnen gezielt dazu eingesetzt, den Markt zu "verstopfen" und damit einen Marktzutritt der Antragstellerin zu verhindern. Die beanstandete Vereinbarung sei leistungsfremd, weil sie sich nur gegen Wettbewerber richte und ausschließlich dazu diene, das Entstehen von Wettbewerb auf dem Markt zu verhindern. Es liege eine unzulässige Vertragsbindung vor, die auch durch betriebswirtschaftliche Argumente nicht gerechtfertigt werden könne und den Tatbestand des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung verwirkliche. Dazu ist zu erwägen:

Im deutschen Schrifttum ist die Frage umstritten, ob die Vereinbarung einer Meistbegünstigungspflicht als Wettbewerbsbeschränkung zu beurteilen ist (vgl die Übersicht bei Grabitz/Hilf, Kommentar zur EU, Art 85 Rz 260). BGH und BKartA vertreten dazu übereinstimmend die Ansicht, Meistbegünstigungsklauseln verstießen gegen § 15 GWB, wenn dem gebundenen Teil von vornherein ausdrücklich oder konkludent jede Besserstellung Dritter untersagt werde (Nachweise bei Immenga/Mestmäcker, GWBý § 15 Rz 62).

Nun trifft es zwar zu, dass mit einer Meistbegünstigungsklausel stets eine wirtschaftliche Bindung des verpflichteten Teils hinsichtlich der Gestaltung der Zweitverträge verbunden ist, denn jede Einräumung günstigerer Preise oder Konditionen in den Zweitverträgen ist für den durch die Klausel Verpflichteten mit dem wirtschaftlichen Nachteil verbunden, anschließend dieselben Preise oder Konditionen dem begünstigen Teil in Abweichung vom Erstvertrag einräumen zu müssen; seine Inhaltsfreiheit wird hinsichtlich der Zweitverträge somit eindeutig beschränkt. Immenga/Mestmäcker (aaO) vertreten deshalb die Ansicht, in der Durchsetzung derartiger Klauseln gegen den Willen des gebundenen Teils könne auch ein Missbrauch iSd § 22 Abs 4 GWB liegen (ähnlich Giefers, Kartellrechtliche Beurteilung von Meistbegünstigungsklauseln, WRP 1966, 126 ff).

Diese Grundsätze können jedoch nicht undifferenziert auf den österreichischen Rechtsbereich übertragen werden. Einerseits fehlt im österreichischen Recht eine § 15 GWB vergleichbare Bestimmung, andererseits hat es der deutsche Gesetzgeber abgelehnt, ein allgemeines Diskriminierungsverbot unabhängig von vorhandener Marktmacht zu erlassen (BGH in WuW/E BGH 1787); auf dem deutschen Markt ist daher die Freiheit, gleichartige Abnehmer auch ohne sachliche Rechtfertigung unterschiedlich zu behandeln, nicht eingeschränkt (BKartA in WuW/E BKartA 1585).

Demgegenüber hat der österreichische Gesetzgeber mit § 2 Abs 1 NahVG einen Spezialtatbestand geschaffen, der schon seinem Wortlaut nach für jeden, also nicht nur für marktmächtige Unternehmen, gilt (Koppensteiner aaO § 30 Rz 11 mwN in FN 26; für eine teleologische Reduktion ders aaO mwN in FN 28). Danach kann auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer als Lieferant gewerberechtlich befugten Wiederverkäufern bei Vorliegen gleicher Voraussetzungen ohne sachliche Rechtfertigung unterschiedliche Bedingungen gewährt oder anbietet. Dieses im materiellen Recht verankerte allgemeine Diskriminierungsverbot dient nach der Lehre der Aufrechterhaltung der Prinzipien des leistungsgerechten Wettbewerbs (Koppensteiner, Österreichisches und europäisches Wettbewerbsrecht3 § 30 Rz 4; Barfuß, Das Bundesgesetz zur Verbesserung der Nahversorgung und der Wettbewerbsbedingungen "NVG", ÖZW 1978, 10 ff [11]; F. Prunbauer, Zur Berechnung des Einstandspreises, MR 1989, 116 ff [120] unter Hinweis auf Z 9 des Wohlverhaltenskatalogs der Bundeswirtschaftskammer vom 10. 10. 1977, ÖBl 1977, 150, gegen den verstößt, wer Zugeständnisse automatisch zuerkennt, die anderen Firmen gewährt werden, ohne Rücksicht auf Vergleichbarkeit der Gegenleistung). Auch nach Auffassung der Rechtsprechung geht der Gesetzgeber bei den Spezialtatbeständen des NVG davon aus, dass sie den

leistungsgerechten Wettbewerb gefährden (JBl 1990, 187 = EvBl 1990/23

= MR 1989, 225 [F. Prunbauer] = ÖBl 1989, 167 - FAMILIA).

An dieser Beurteilung ist festzuhalten. Sie entspricht auch der Ansicht der Kommission, wonach die Zusage der Meistbegünstigung normalerweise keine Wettbewerbsbeschränkung ist (Nachweise bei Gleiss/Hirsch, Kommentar zum EG-Kartellrecht4 Art 85 Rz 298). Dieser Grundsatz liegt auch Art 2 Abs 1 Nr 10 GVO Nr 240/96 für Patentlizenz- oder Know-how-Vereinbarungen zugrunde, der Meistbegünstigungsklauseln als allgemein unbedenklich freistellt (Ullrich in Immenga/Mestmäcker, EG-Wettbewerbsrecht I, GRUR Rz 66; ebenso zu den Vorgängerbestimmungen Gleiss/Hirsch aaO Rz 989). Hat demnach der Gesetzgeber im Geltungsbereich des NVG ein allgemeines Diskriminierungsverbot statuiert und damit zu erkennen gegeben, dass er eine Ungleichbehandlung von Vertragspartnern nur aus sachlichen Gründen für gerechtfertigt hält, kann zur Vermeidung eines Wertungswiderspruchs die Vereinbarung einer Meistbegünstigungsklausel - auch außerhalb des von § 2 Abs 1 NVG geregelten Verhaltens - nicht als tatbestandsmäßig iSd § 35 KartG beurteilt werden. Bei dieser Sachlage bedürfen die betriebswirtschaftlichen Argumente der Antragsgegnerinnen sowie deren Verweis auf § 7e AWG, wonach Sammel- und Verwertungssysteme mit monopolartiger Stellung nur volkswirtschaftlich angemessene Entgelte festlegen dürfen, weshalb sie im Aufsichtsverfahren hinsichtlich der Effizienz der Betriebsführung, insbesondere der Angemessenheit des Aufwandes und der Altstofferlöse, einer behördlichen Überprüfung unterliegen, keiner weiteren Untersuchung. Damit ist aber auch ohne Belang, wie die von den Regionalpartnern verlangten Entgelte kalkuliert sind und welche Kosten damit gedeckt werden. Auf diese - im Rekurs unter dem Gesichtspunkt der unrichtigen und unvollständigen Tatsachenfeststellung aufgeworfenen - Fragen ist somit ebensowenig einzugehen wie auf das von der Antragstellerin zuletzt angeschnittene Thema des relevanten Markts und einer allfälligen marktbeherrschenden Stellung der Antragsgegnerinnen.

Dem Rekurs war ein Erfolg zu versagen.

Gemäß § 45 KartG sind unter anderem im Verfahren nach §§ 35 ff KartG die Bestimmungen der ZPO über den Kostenersatz sinngemäß anzuwenden. Die ZPO enthält keine Bestimmungen über den Kostenersatz bei einstweiligen Verfügungen; die einstweiligen Verfügungen sind in §§ 378 ff EO geregelt. Es ist nicht anzunehmen, dass der Gesetzgeber im Provisorialverfahren in Kartellsachen keinen Kostenersatz vorsehen wollte; für einen solchen Ausschluss fehlt jede sachliche Rechtfertigung. Es muss daher eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes angenommen werden, die durch analoge Anwendung der Bestimmungen über den Kostenersatz im Provisorialverfahren nach der EO zu schließen ist (16 Ok 1/00 im Anschluss an Okt 3/93 zu § 45 KartG idF vor der Novelle 1993). Ein Kostenersatzanspruch des Antragsgegners im kartellrechtlichen Provisorialverfahren als einem vom Hauptverfahren losgelösten Zwischenstreit könnte sich daher auf §§ 402, 78 EO, §§ 41, 50 ZPO stützen (16 Ok 1/99 = ÖBl 1999, 297 - One). Eine Kostenersatzpflicht tritt aber nach § 45 Abs 2 KartG in Verfahren nach den §§ 35 ff KartG nur soweit ein, als die Rechtsverfolgung oder -verteidigung mutwillig war; für ein im Zusammenhang eines solchen Hauptverfahrens durchgeführtes Provisorialverfahren muss - entgegen der Ansicht der Antragsgegnerinnen in ihrer Rekursbeantwortung - dieselbe Einschränkung gelten (so schon 16 Ok 1/00). Eine mutwillige Rechtsverfolgung ist hier nicht zu erkennen; ein Kostenersatzanspruch der Antragsgegnerinnen kommt damit nicht in Betracht.

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