OGH 6Ob185/00z

OGH6Ob185/00z5.10.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Baumann, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache des Antragstellers Dr. Georg Z*****, wegen Bestellung zum Abwesenheitskurator für Zwangsarbeiter aus Polen, Russland, Ukraine und anderen Ostgebieten während der NS-Zeit, über den Revisionsrekurs des Antragstellers sowie den Revisionsrekurs des Antragsgegners Dr. Lothar H*****, gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 5. April 2000, GZ 45 R 156/00z-60, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 4. Februar 2000, GZ 9 P 151/99v-15, abgeändert und der Rekurs des Antragsgegners Dr. Lothar H***** gegen diesen Beschluss zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Beide Revisionsrekurse werden zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der antragstellende Rechtsanwalt strebt seine Bestellung zum Kurator für sämtliche unbekannten Zwangsarbeiter und namentlich bekannten Zwangsarbeiter mit unbekanntem Aufenthalt an, insbesondere für die Personengruppen der polnischen Zwangsarbeiter, der ehemals russischen Zwangsarbeiter, sämtlicher anderer sogenannter Ostarbeiter und der jüdischen Zwangsarbeiter. Er möge zur außergerichtlichen Geltendmachung von Ersatzansprüchen für die (räumlich) in Österreich in der Zeit von 1939 bis 1945 geleisteten Zwangsarbeiten und zur Vertretung zur Einbringung und Wahrung der Rechte der angeführten Personengruppen durch Schadenersatz- und Feststellungsklagen beauftragt werden. Aus der näheren Begründung des Antrages ist hervorzuheben, dass sich der Antragsteller auf Grund seiner bisherigen beruflichen Tätigkeit in Verfahren nach dem Verbotsgesetz, seiner Kontakte zu jüdischen Organisationen, einer Bevollmächtigung durch eine polnische Vereinigung von im "Dritten Reich" geschädigten Personen und seiner Zusammenarbeit mit einer in Entschädigungssachen besonders versierten amerikanischen Rechtsanwaltskanzlei für die Aufgaben des Kurators als besonders geeignet erachtet. Im Hinblick auf das hohe Alter der betroffenen Personengruppen liege eine Gefährdung ihrer Rechte im Sinne des § 276 ABGB vor.

Das Erstgericht gab dem Antrag statt und bestellte den Antragsteller gemäß § 276 ABGB zum Abwesenheitskurator für unbekannte Zwangsarbeiter, insbesondere für die Personengruppe der polnischen Zwangsarbeiter, der ehemals russischen Zwangsarbeiter, sämtlicher anderer "orig. Ostarbeiter" und der jüdischen Zwangsarbeiter, und zwar auch dann, wenn diese als KZ-Insassen oder Kriegsgefangene zum Arbeitseinsatz gezwungen worden waren, mit dem Wirkungskreis der außergerichtlichen Geltendmachung von Forderungen für auf dem Gebiet der Republik Österreich in der Zeit von 1939 bis 1945 geleisteten Zwangsarbeiten. Eine etwaige gerichtliche Geltendmachung der Forderung behielt das Erstgericht vor. Die Ansprüche auf Entschädigung für Zwangsarbeit seien evident. Es gebe einen gesellschaftlichen Konsens, in Verhandlungen einzutreten. Die Zusammenfassung der Ansprüche für die Geltendmachung und Durchsetzung sei zweckmäßig. Es werde Aufgabe des Kurators sein, mit den betroffenen Staaten und Organisationen in Verbindung zu treten, um die Abwesenden mit unbekanntem Aufenthalt, bzw unbekannten Teilnehmern an dem Geschäft im Sinne des § 276 ABGB zu eruieren. Die Auswahl des Kurators basiere auf seinen Vorarbeiten im angeführten Bereich.

Das Rekursgericht hatte über insgesamt zehn gegen die Kuratorbestellung gerichtete Rekurse zu entscheiden. Es wies die Rekurse von acht Rekurswerbern, davon in Ansehung von sieben Rekurswerbern unangefochten, zurück und gab mit dem angefochtenen Beschlussteil den Rekursen von zwei österreichischen Unternehmen Folge und änderte den erstinstanzlichen Beschluss dahin ab, dass der Antrag auf Bestellung zum Abwesenheitskurator abgewiesen wurde. Das Rekursgericht führte in rechtlicher Hinsicht aus, dass die Rekurslegitimation der beiden österreichischen Unternehmen zu bejahen sei. Der Oberste Gerichtshof habe zwar zu 6 Ob 744/89 und zu 6 Ob 832/81 einem Vertragspartner oder Prozessgegner die Rekurslegitimation gegen einen Beschluss auf Bestellung eines Kurators gemäß § 276 ABGB abgesprochen, weil die materielle Rechtsposition einer Person völlig gleich bleibe, wenn sein Prozessgegner, Mitverfahrensbeteiligter oder Rechtsgeschäftspartner nicht selbst, sondern durch einen für ihn bestellten gesetzlichen Vertreter handle. Diese Rechtsauffassung sei aber einer kritischen Prüfung zu unterziehen. In Erlagssachen sei der Oberste Gerichtshof in jüngster Zeit von seiner ständigen Rechtsprechung abgegangen, dass ein Erlagsgegner nicht legitimiert sei, den Annahmebeschluss im Erlagsverfahren zu bekämpfen (4 Ob 218/98g). Die rekurrierenden Unternehmen wiesen richtig darauf hin, dass sie durch den angefochtenen Beschluss in ihrem Recht, mit den Zwangsarbeitern zu verhandeln und allenfalls Vergleiche abzuschließen, insofern beeinträchtigt seien, als aus dem angefochtenen Beschluss nicht bestimmbar sei, für welche Zwangsarbeiter künftig der Abwesenheitskurator einschreite. Zwar sei der verwendete Begriff "Zwangsarbeiter" ausreichend individualisiert, der Bestellung zum Kurator stehe aber die mangelnde Abgrenzbarkeit der zum Zeitpunkt der Vertretungshandlung des Kurators unbekannten Zwangsarbeiter von den hiedurch nicht erfassten zu diesem Zeitpunkt bekannten Zwangsarbeitern entgegen. Es könne eine Beeinträchtigung der Rechtsposition der Vertragspartner von abwesenden oder gänzlich unbekannten Personen auch deshalb entstehen, weil im Falle einer zu Unrecht erfolgten Bestellung eines Kurators das gesamte abgewickelte Verfahren und sämtliche vorgenommenen Rechtshandlungen gegebenenfalls nichtig wären. Dies gelte insbesondere für bekannte Zwangsarbeiter mit unbekannten Aufenthalt. Die erhobenen Rekurse seien materiell berechtigt. Die Frage, ob die Rechte der Zwangsarbeiter im Sinne des § 276 ABGB durch Verzug gefährdet seien, könne dahingestellt bleiben. Denkbar sei jedenfalls, dass ehemalige Zwangsarbeiter bisher bewusst keine Ansprüche gestellt hätten und weiterhin auch nicht stellen wollten. Die mangelnde Bestimmbarkeit des von einem Abwesenheitskurator vertretenen Personenkreises unbekannter Zwangsarbeiter führe zur Abweisung des Antrages.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes 260.000 S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs wegen Vorliegens erheblicher Rechtsfragen, insbesondere zur Rekurslegitimation, zulässig sei.

Mit seinem Revisionsrekurs beantragt der Antragsteller die Abänderung dahin, dass die Rekurse der beiden österreichischen Unternehmen zurückgewiesen werden und die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt werde.

Der Antragsgegner Dr. Lothar H***** beantragt mit seinem Revisionsrekurs die Abänderung dahin, dass die Zurückweisung seines Rekurses aufgehoben und diesem stattgegeben werde, hilfsweise die Aufhebung zur Verfahrensergänzung.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Antragstellers ist mangels Rekurslegitimation, der des Antragsgegners mangels erheblicher Rechtsfragen unzulässig. Im außerstreitigen Verfahren unterliegt auch ein Revisionsrekurs gegen eine zurückweisende Entscheidung der zweiten Instanz dem § 14 Abs 1 AußStrG (EFSlg 88.567 uva).

In merito wären zwar erhebliche Rechtsfragen sowohl zu den Voraussetzungen einer Abwesenheitskuratel nach § 276 ABGB als auch zu der relevierten Rechtsfrage zu klären, ob den künftigen Prozessgegnern (Vertragspartnern) eine Rechtsmittellegitimation gegen die Kuratorbestellung überhaupt zusteht.

Es ist dem Obersten Gerichtshof aber verwehrt, die sachliche Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung und die Frage der Rekurslegitimation der Antragsgegner zu prüfen, weil beiden Revisionsrekurswerbern nach ständiger oberstgerichtlicher Rechtsprechung eine Rechtsmittelbefugnis nicht zukommt. Diese steht grundsätzlich gemäß § 9 Abs 1 AußStrG nur dem zu, in dessen rechtlich geschützte Interessen der angefochtene Beschluss eingreift (1 Ob 103/98y = EFSlg 88.471 uva). Der rekurrierende Antragsgegner begründet seine Einschreitungsbefugnis nur mit der Betroffenheit eines jeden österreichischen Staatsbürgers von der Durchsetzung vermögensrechtlicher Ansprüche der Zwangsarbeiter, für die letztlich (auch) der Steuerzahler herangezogen werden könnte. Damit wird kein Eingriff in die Rechtssphäre, sondern ein bloß wirtschaftliches Interesse releviert. Die Zurückweisung des Rekurses ist daher frei von Rechtsirrtum. Erhebliche Rechtsfragen im Sinne des § 14 Abs 1 AußStrG liegen insoweit nicht vor. Es ist aber auch ein Eingriff in die Rechtssphäre des Antragstellers nach der von ihm selbst zitierten Rechtsprechung für den Prozessgegner oder Vertragspartner, der sich gegen eine Kuratorbestellung zur Wehr setzt, grundsätzlich zu verneinen. Dies muss aber auch für den Kurator selbst gelten, hat er doch keineswegs einen Anspruch auf die Bestellung zum Kurator. Mit der Abweisung seines Antrages wird nicht in eine geschützte Rechtssphäre des Antragstellers eingegriffen. Schon in der Entscheidung 2 Ob 314/58 = JBl 1959, 291 wurde hervorgehoben, dass die Pflegschaft zur Wahrung fremder Interessen und nicht derjenigen des Kurators geführt werde. Die fremden Interessen könne der Antragsteller aber vor der Rechtskraft seiner Vertretungsmacht nicht wahrnehmen. Diese auch in der Entscheidung JBl 1954, 516 vertretene Auffassung wurde in der Folge in zahlreichen weiteren Entscheidungen aufrecht erhalten. Der Antrag, zum Kurator bestellt zu werden, verschafft dem Antragsteller keinen Rechtsanspruch, weshalb ihm die Rekurslegitimation gegen die Abweisung seines Antrages nicht zukommt (7 Ob 101/72; 7 Ob 692/85 = EFSlg 52.562; 4 Ob 548/95 = EFSlg 79.547 ua). Dies gilt auch für den gleichgelagerten Fall, dass die Abweisung des Antrages erst durch das Gericht zweiter Instanz erfolgt (2 Ob 262/65).

Die Revisionsrekurse des Antragstellers und des Antragsgegners sind aus den angeführten Gründen zurückzuweisen.

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