OGH 9ObA190/00g

OGH9ObA190/00g4.10.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter Edith Matejka und Oberrat Dr. Walter Wotzel als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Günther K*****, Angestellter, *****, vertreten durch Dr. Reinhard Tögl, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei A***** Versicherungs AG, *****, vertreten durch Klein, Wuntschek & Partner, Rechtsanwälte in Graz, wegen Feststellung (Streitwert S 250.000) über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 23. März 2000, GZ 7 Ra 252/99d-22, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Leoben als Arbeits- und Sozialgericht vom 27. September 1999, GZ 25 Cga 133/98k-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S

12.195 (darin S 2.032,50 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht hat die Frage der Wirksamkeit der Kündigung des Klägers zutreffend bejaht. Es reicht daher insofern aus, auf die Richtigkeit der eingehenden Begründung der angefochtenen Entscheidung hinzuweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Ergänzend ist den Ausführungen des Revisionswerbers entgegenzuhalten:

Wenngleich davon auszugehen ist, dass eine Kündigung und somit auch eine "strafweise Kündigung" im Sinne des § 23 Abs 2 Z 4 KVI keine Disziplinarmaßnahme gemäß § 102 ArbVG ist (RdW 1999, 482; DRdA 1995/41 = SZ 67/203), sind die Bestimmungen des Kollektivvertrages, wonach eine Kündigung nur im Rahmen eines Disziplinarverfahrens ausgesprochen werden kann, dennoch vom Dienstgeber zu beachten, widrigenfalls seine Beendigungserklärung rechtsunwirksam wäre (SZ 67/203). Die gerichtliche Überprüfbarkeit eines Disziplinarerkenntnisses und des vorgeschalteten Disziplinarverfahrens besteht nicht nur im Bezug auf die angelasteten Disziplinarvergehen, sondern auch im Hinblick auf Mängel, bei deren Vermeidung die Disziplinarkommission zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können oder gekommen wäre (RdW 1999, 482 mwN). Darunter sind vor allem schwerwiegende Verletzungen unabdingbarer fundamentaler Grundsätze eines Verfahrens zu verstehen, die unabhängig davon, ob die Entscheidung sachlich richtig ist, dem Gewicht von Nichtigkeitsgründen entsprechen (RdW 1999, 482, DRdA 1996, 161). Andere Verfahrensmängel, die Auswirkungen auf die Sachentscheidung haben, denen Relevanz im Hinblick auf diese zukommt und damit den Tatbestand der Dienstverfehlung betreffen, können ohnehin bei der Überprüfung des Disziplinarerkenntnisses berücksichtigt werden (RdW 1999, 482 mwN).

Die Vorinstanzen haben in diesem Zusammenhang bereits auf Abweichungen von der in § 25 KVI geregelten Vorgangsweise hingewiesen, doch kommt diesen Verstößen, was ebenfalls schon zutreffend erkannt wurde, nicht das vom Kläger relevierte Gewicht zu.

Dem Kläger wurde weder das rechtliche Gehör noch die Beiziehung eines Rechtsanwaltes verweigert; vielmehr wurde dem von ihm beigezogenen Rechtsbeistand in der Disziplinarverhandlung Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Durch die Ansetzung der Disziplinarverhandlung schon zu einem Zeitpunkt, wo das Ergebnis der Vorerhebungen (§ 25 Abs 1, 2 und 4 KVI) noch nicht feststand, wurde die Disziplinarkommission nicht präjudiziert, weil dem Arbeitgeber gemäß § 25 Abs 4 KVI immer noch die Möglichkeit offenstand, von der Durchführung des weiteren Disziplinarverfahrens Abstand zu nehmen.

Die weiteren Beweisanträge des Klägers waren der der Disziplinarkommission vor der Beratung und somit vor der Entscheidung zur Kenntnis gebracht wurden, sodass die Kommission auch in der Lage war, bei Bedarf darauf einzugehen. Soweit die Kommission nun die - ohne Zwang und Drohung zustandegekommene - Aussage des Klägers vor dem mit den Vorerhebungen betrauten Funktionär als Tatsachengeständnis gewertet und deshalb die Aufnahme der vom Kläger beantragten Beweise für entbehrlich erachtet hat, mag darin eine vorgreifende Beweiswürdigung ersehen werden. In einer solchen Vorgangsweise liegt aber kein einer Nichtigkeit gleichzuhaltender, sondern allenfalls ein einfacher, jedoch nur bei konkreter Relevanz beachtlicher Mangel, worauf im Folgenden noch eingegangen wird. Ausgehend von den für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen war dem Kläger bekannt, welche Vorwürfe gegen ihn im Rahmen des Disziplinarverfahrens erhoben würden, sodass ein ausdrücklicher Vorhalt der einzelnen Verfehlungen erst im Zuge der Vorerhebungen nicht als unzumutbare Einschränkung der Verteidigungsrechte des Klägers zu werten ist. Soweit der Klägers erstmals in seiner Revision darauf hinweist, dass der von der Direktion entsandte Schriftführer in der Disziplinarkommission nicht hätte mitstimmen dürfen, handelt es sich um eine unzulässige und daher unbeachtliche Neuerung.

Dem Kläger ist es sohin nicht gelungen, fundamentale in ihrer Bedeutung einer Nichtigkeit gleichkommende Verfahrensverstöße aufzuzeigen.

Desgleichen misslingt ihm aber auch der Nachweis dafür, dass es bei korrekter Beachtung der in § 25 KVI vorgesehenen Abfolge zu einem anderen, ihm günstigeren Ergebnis gekommen wäre. Zum einen vermochte er nämlich dem gegen ihn erhobenen Vorwurf, seine Dienstpflichten beharrlich verweigert zu haben, insbesondere in einem Zeitraum von mehr als 2 1/2 Jahren mehrfachen ausdrücklichen, unter Androhung von Disziplinarmaßnahmen erfolgten Weisungen zuwider Gutachten nicht kontinuierlich, sondern immer nur "stoßweise" erstattet zu haben, nichts Erhebliches, insbesondere keine Entschuldigungsgründe entgegenzuhalten. Darüberhinaus ist dem Kläger der ihm obliegende Beweis dafür nicht gelungen, dass die Beiziehung eines ärztlichen Sachverständigen im Disziplinarverfahren zu der Erkenntnis geführt hätte, dass er bei Verweigerung der Ausfolgung des Tätigkeitsbuches am 28. 8. 1998 krank und daher nur eingeschränkt zurechnungsfähig gewesen sei. Im Rahmen der ihm obliegenden Nachprüfungsbefugnis (RdW 1997, 482 ua) ist das Erstgericht vielmehr zur ausdrücklichen "negativen" Feststellung gelangt, wonach eine psychische oder physische Beeinträchtigung des Klägers als nicht erwiesen gilt.

Zusammenfassend ergibt sich somit, dass den im Rahmen des Disziplinarverfahrens begangenen Verfahrensfehlern keine Relevanz zukommt und die Kündigung als solche sachlich berechtigt war.

Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41, 50 Abs 1 ZPO begründet.

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