OGH 6Ob206/00p

OGH6Ob206/00p30.8.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Birgit S*****, vertreten durch Dr. Helmut Klement, Dr. Annemarie Stipanitz-Schreiner, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei S***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Mag. Vinzenz Fröhlich und Dr. Maria Christina Kolar-Syrmas, Rechtsanwälte in Graz, wegen Wiederherstellung und Unterlassung (Streitwert 55.000 S), über den Rekurs der klagenden Partei und den Kostenrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 29. März 2000, GZ 3 R 20/00h-40, womit aus Anlass der Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 5. November 1999, GZ 6 C 140/97g-33, und das vorangegangene erstinstanzliche Verfahren als nichtig aufgehoben und die Klage zurückgewiesen wurden, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat der beklagten Partei die mit 4.058,88 S (darin 676,48 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Der in der Revisionsbeantwortung der beklagten Partei enthaltene Kostenrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Klägerin mietete in einem Haus der Beklagten ein Geschäftslokal "samt dem Recht der Mitbenützung einer Toilette sowie eine Toilette". Der Mietvertrag enthält keine Regelungen über eine Entlüftung des Geschäftslokals. Toiletteanlagen befinden sich in einem Nebenlokal sowie im ersten Stock des Hauses. Die Beklagte wollte in ihrem Haus ursprünglich Eigentumswohnungen errichten, führte dann aber für einen Hotelbetrieb erforderliche Umbauarbeiten durch. Im Zuge dieser Umbauarbeiten wurde ein Durchgang zwischen dem Mietobjekt der Klägerin und den allgemeinen Teilen des Hauses sowie ein auf die Straße führendes Entlüftungsloch zugemauert.

Die Klägerin begehrt, gestützt auf ihren Mietvertrag, die Wiederherstellung der Zutrittsmöglichkeit zu den Toiletteanlagen durch Entfernen der Mauer, die Freilegung des dem Mietobjekt zugeordneten Kamins und die Unterlassung sämtlicher Eingriffe in das Bestandobjekt, insbesondere des Zumauerns des Zuganges zu den Toiletteanlagen.

Die Beklagte wendet ua die Unzulässigkeit des Rechtsweges ein.

Das Erstgericht wies nach einem umfangreichen Beweisverfahren das Klagebegehren mit der wesentlichen Begründung ab, dass der Klägerin kein Recht auf die Benützung der an das Bestandobjekt angrenzenden Toiletteanlagen habe. Die Nutzung eines Kamins sei der Klägerin nicht zugesichert worden.

Das Berufungsgericht hob aus Anlass der Berufung der Klägerin das angefochtene Urteil und das diesem vorausgegangene Verfahren als nichtig auf und wies die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurück. Ansprüche aus Erhaltungs-, Verbesserungs-, Änderungs- und Errichtungsarbeiten (§ 8 MRG) seien gemäß § 37 MRG in das außerstreitige Verfahren verwiesen, soweit die Ansprüche nicht auf besondere vertragliche Vereinbarungen gestützt werden. Dies gelte auch für den Anspruch auf Beseitigung vorgenommener Veränderungen. Maßgeblich für die Beurteilung, ob der Rechtsweg zulässig oder ob im außerstreitigen Verfahren zu entscheiden sei, seien der Wortlaut des Entscheidungsbegehrens und die zu seiner Begründung vorgebrachten Sachverhaltsbehauptungen. Auf die Einwendungen des Gegners komme es nicht an. Die Klägerin behaupte Eingriffe in ihr Mietrecht nach Beginn des Mietverhältnisses. Sie stütze sich nicht auf besondere, über das vereinbarte Mietverhältnis hinausgehende Vereinbarungen. Der Mietvertragsabschluss selbst genüge aber noch nicht für die Annahme, das Begehren sei auf eine Vereinbarung gestützt. Die durchgeführten Bauarbeiten zur Errichtung eines Hotels seien mit einem Dachbodenausbau vergleichbar und unterlägen dem Begriff der Verbesserungs- und Änderungsarbeiten im § 8 MRG. Über die Ansprüche der Klägerin sei im außerstreitigen Verfahren zu entscheiden. Das erstinstanzliche Verfahren leide am Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 6 ZPO. Eine Überweisung an das Außerstreitgericht komme nicht in Frage, weil für den Anspruch nach § 8 Abs 2 und 3 MRG zunächst die Schlichtungsstelle des Magistrats zu befassen sei, an die eine Überweisung der Rechtssache nicht in Frage komme.

Die Klägerin beantragt mit ihrem Rekurs die Aufhebung des Beschlusses des Berufungsgerichtes und die Abänderung dahin, dass dem Klagebegehren stattgegeben werde.

Die Beklagte beantragt, dem Rekurs der Klägerin nicht Folge zu geben und stellt ferner einen Antrag auf Abänderung der Kostenentscheidung zu ihren Gunsten.

Rechtliche Beurteilung

Der Kostenrekurs der Beklagten ist unzulässig.

Der Rekurs der Klägerin ist zulässig, weil die Nichtigerklärung des erstinstanzlichen Verfahrens und die Zurückweisung der Klage durch das Berufungsgericht (§ 519 Abs 1 Z 1 ZPO) stets anfechtbar ist (Kodek in Rechberger ZPO2 Rz 3 zu § 519). Das Rekursverfahren ist zweiseitig (§ 521a Abs 1 Z 3 ZPO).

Der Rekurs ist aber nicht berechtigt.

Die Klägerin macht Veränderungen ihres Mietobjekts im Zuge von Umbauarbeiten der Vermieterin, also einen Sachverhalt geltend, wie er im § 8 Abs 2 Z 1 und 2 MRG geregelt ist. Alle Streitigkeiten darüber sind gemäß § 37 Abs 1 Z 5 MRG in das außerstreitige Verfahren verwiesen. Dazu gehören nicht nur die Streitigkeiten über die Duldungspflicht des Mieters, sondern auch seine Unterlassungs- und Wiederherstellungsansprüche (RZ 1988/63; WoBl 1992/140 ua; Würth/Zingher, Miet- und Wohnrecht20 Rz 11 zu § 8 MRG und Rz 16 zu § 37 MRG). Ausgenommen ist nur die Durchsetzung konkreter vertraglicher Ansprüche (EvBl 1988/134). Ob ein Kläger einen im Rechtsweg durchzusetzenden vertraglichen Anspruch oder einen nach § 37 MRG in das außerstreitige Verfahren verwiesenen Anspruch nach § 8 MRG geltend macht, hängt vom Wortlaut des Entscheidungsbegehrens und dem zu seiner Begründung vorgetragenen Sachverhalt ab (SZ 55/184 uva; Würth/Zingher aaO Rz 4 zu § 37 MRG mwN). Das Berufungsgericht hat im Einklang mit der oberstgerichtlichen Rechtsprechung zutreffend darauf verwiesen, dass es für die Bejahung der Zulässigkeit des Rechtswegs noch nicht ausreicht, dass sich der Kläger auf seinen Mietvertrag stützt, andernfalls doch bei jedem dem Tatbild des § 8 MRG (und vergleichbar auch des § 9 MRG) entsprechenden Sachverhalt immer der Rechtsweg zulässig wäre, liegt doch den aus Verbesserungs- und Erhaltungsarbeiten zugrunde liegenden Ansprüchen immer ein Mietvertrag als gesetzlicher Vertragstyp mit den im Gesetz normierten Rechten und Pflichten zu Grunde. Die oberstgerichtliche Rechtsprechung hat daher zur Abgrenzung des Rechtsweges vom außerstreitigen Verfahren den Grundsatz entwickelt, dass nur konkrete bindende Absprachen über die in den §§ 8 und 9 MRG angeführten Rechte und Pflichten die Zulässigkeit des Rechtswegs auslösen können (EvBl 1988/134), nicht aber die im Gesetz vorgesehenen genormten Inhalte eines jeden Mietvertrags, wie etwa das Recht des Mieters auf Erhaltung des Mietobjektes in brauchbarem Zustand (§ 1096 ABGB). Wenn der Mietvertrag über das Gesetz hinausgehende Regelungen nicht enthält, ist der Anspruch im außerstreitigen Verfahren durchzusetzen (RZ 1991/42). Ohne die angeführte konkrete Vereinbarung stützt ein Mieter, der sich auf seinen Mietvertrag beruft, seinen Anspruch dennoch in Wahrheit auf das Gesetz (5 Ob 61/98a = WoBl 1998/239 [Dirnbacher]). Da sich die Klägerin hier nicht einmal im Rekursverfahren auf eine konkrete, über den gesetzlichen Inhalt eines jeden Mietvertrags hinausgehende Absprache (hier also über die Baumaßnahmen der Beklagten und die daraus abgeleiteten Duldungsrechte) beruft, hat das Berufungsgericht zutreffend und im Einklang mit den in vergleichbaren Fällen ergangenen oberstgerichtlichen Entscheidungen (RZ 1988/63; WoBl 1992/140) die Zulässigkeit des Rechtswegs verneint.

Der in der Rekursbeantwortung der Beklagten gestellte Antrag auf Abänderung der Kostenentscheidung des Berufungsgerichtes ist unzulässig. Kostenrekurse an den Obersten Gerichtshof sind stets absolut unzulässig (Kodek aaO Rz 5 zu § 528).

Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens fußt auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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