OGH 1Ob168/00p

OGH1Ob168/00p29.8.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Heinrich O*****, Rechtsanwalt in W*****, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der ***** H***** Gesellschaft mbH wider die beklagte Partei M***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Michael Metzler, Rechtsanwalt in Linz, wegen S 1,484.682,10 sA infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 22. März 2000, GZ 1 R 12/00s-18, womit das Urteil des Landesgerichts Wels vom 11. November 1999, GZ 1 Cg 256/98m-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit S 24.048,-- (darin S 4.008,-- USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die ***** H***** Gesellschaft mbH (in der Folge Gemeinschuldnerin) unterhielt seit dem Jahre 1996 Geschäftsbeziehungen zur beklagten Partei. Diese verkaufte der Gemeinschuldnerin Baustahl, die für die beklagte Partei Verlegearbeiten durchführte. Dafür wurden zwar wechselseitig auf Zahlung gerichtete Rechnungen gelegt, doch wurden die Geschäfte de facto so abgewickelt, dass die wechselseitigen Forderungen "gegenverrechnet" wurden. "Bis Oktober 1997 waren die gegenseitigen Verrechnungssalden im Wesentlichen ausgeglichen". In der Zeit von Oktober bis Dezember 1997 lieferte die beklagte Partei der Gemeinschuldnerin größere Mengen an Baustahl, weshalb Anfang Jänner 1998 ein (großteils) fälliger Saldo von etwa 5,7 Mio S zu Gunsten der beklagten Partei entstanden war. Daraufhin teilte ein Mitarbeiter der beklagten Partei dem Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin noch im Jänner 1998 mit, weitere Warenlieferungen könnten nur mehr "gegen direkte Fakturierung und Bezahlung seitens der Endkunden der Gemeinschuldnerin erfolgen"; die beklagte Partei werde der Gemeinschuldnerin erst wieder dann Baustahl auf Kredit liefern, wenn die Verbindlichkeiten abgebaut sein würden. Der Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin war zur Zusammenarbeit weiterhin bereit und kündigte an, dass der Rückstand durch fortlaufende Arbeitsleistungen abgebaut werden würde. Ein konkretes Zahlungsziel wurde der Gemeinschuldnerin nicht vorgegeben. Von Jänner bis März 1998 erbrachte die Gemeinschuldnerin für die beklagte Partei Verlegearbeiten, die insgesamt mit S 1,484.682,10 in Rechnung gestellt wurden. Am 27. 4. 1998 wurde über das Vermögen der bereits seit November 1997 zahlungsunfähigen Gemeinschuldnerin der Konkurs eröffnet und der Kläger zum Masseverwalter bestellt.

Der Kläger begehrte, die im Jänner 1998 zwischen der Gemeinschuldnerin und der beklagten Partei getroffene Vereinbarung, wonach die offenen Forderungen der beklagten Partei von der Gemeinschuldnerin abzuarbeiten seien, und die in der Folge durch die tatsächlich erbrachten Leistungen geschaffene Aufrechnungslage zwischen der Forderung der beklagten Partei und den Rechnungen der Gemeinschuldnerin den Konkursgläubigern gegenüber als unwirksam zu erklären, und - daraus folgend - die Zahlung von S 1,484.682,10 sA. Dem Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin sei deren Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit bereits im Jahre 1997 bewusst gewesen. Der beklagten Partei seien die Zahlungsunfähigkeit der Gemeinschuldnerin und auch deren Begünstigungsabsicht (bei Erbringung der Arbeitsleistungen) bekannt gewesen; diese Umstände hätten ihr zumindest aber bekannt sein müssen. Dennoch sei vereinbart worden, dass Materiallieferungen der beklagten Partei künftig nur mehr direkt an die Endkunden der Gemeinschuldnerin (bei direkter Verrechnung und Bezahlung durch diese) erfolgen würden und dass das bestehende Debet durch Arbeitsleistungen der Gemeinschuldnerin "abgearbeitet" werden sollte. Diese Vereinbarung sei gemäß § 31, aber auch nach § 30 KO anfechtbar. Die Anfechtung wegen Begünstigung sei deshalb berechtigt, weil die beklagte Partei inkongruente Deckung im Sinne des § 30 Abs 1 Z 1 KO erhalten habe. Es sei ihr gegenüber der Gemeinschuldnerin nur ein Geldzahlungsanspruch zugestanden, nicht aber ein Anspruch auf Befriedigung ihrer Forderung durch Erbringung von Arbeitsleistungen.

Die beklagte Partei wendete ein, ihr sei weder die Zahlungsunfähigkeit noch die Begünstigungsabsicht der Gemeinschuldnerin bekannt gewesen. Es seien auch keine Anzeichen dafür vorgelegen, dass Insolvenz drohe. Die Abrechnung der wechselseitigen Forderungen sei stets im Wege der Aufrechnung vorgenommen worden, und von einer Begünstigung der beklagten Partei könne deshalb keine Rede sein, weil die beklagte Partei auf die durchgeführten Aufrechnungen bereits vor Eintritt der Zahlungsunfähigkeit bzw vor Konkurseröffnung Anspruch gehabt habe.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte - über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinaus - fest, für die beklagte Partei sei es bei dem Gespräch im Jänner 1998 absehbar gewesen, dass die Gemeinschuldnerin den aushaftenden Saldo durch Erbringung von Arbeitsleistungen "früher oder später" werde abbauen können. Es sei nicht feststellbar, dass die beklagte Partei der Gemeinschuldnerin einen Lieferstopp angedroht habe bzw dass von einem "Gang zum Konkursrichter" die Rede gewesen sei. Die Lage der Gemeinschuldnerin sei von der beklagten Partei "als nicht bedenklich eingestuft" worden, sie habe mit einer Begleichung der Außenstände bis zum Mai 1998 gerechnet. Es könne nicht festgestellt werden, dass die beklagte Partei von der Zahlungsunfähigkeit der Gemeinschuldnerin vor April 1998 gewusst habe; eine von ihr am 19. 3. 1998 eingeholte Auskunft des Kreditschutzverbands habe dem Unternehmen der Gemeinschuldnerin noch eine "mittlere Bonität" attestiert.

In rechtlicher Hinsicht bejahte das Gericht erster Instanz die Verwirklichung des Anfechtungstatbestands des nach § 30 Abs 1 Z 1 KO. Durch die Arbeitsleistungen der Gemeinschuldnerin habe die beklagte Partei inkongruente Deckungen erhalten. Ihr sei nur ein Geldzahlungsanspruch zugestanden; ungeachtet der tatsächlich gepflogenen Verrechnungsmodalität habe die beklagte Partei keinen Anspruch darauf gehabt, dass die Gemeinschuldnerin die bereits früher erbrachten Warenlieferungen durch Arbeitsleistungen begleiche.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Es führte aus, die Gemeinschuldnerin habe durch die Art und Weise der Geschäftsabwicklung mit der beklagten Partei Baustahl für fremde Baustellen beziehen und von den jeweiligen Bauherrn sowohl die Bezahlung der Werkleistungen wie auch des beigestellten Baustahls verlangen können. Mit diesen Barzahlungen sei der Betriebsaufwand der Gemeinschuldnerin finanziert worden. Mit der Vereinbarung vom Jänner 1998, insbesondere durch die Weigerung der beklagten Partei, der Gemeinschuldnerin weiterhin Baustahl zu verkaufen, sei die ursprüngliche (Rahmen-)Vereinbarung erheblich abgeändert worden, denn der Gemeinschuldnerin sei die Möglichkeit genommen worden, für Baustahllieferungen Barzahlung zu erhalten. Die neue Vereinbarung (Abarbeitung des Zahlungsrückstands) habe im Gegensatz zur ursprünglichen Vereinbarung die ausnahmslose Aufrechnung mit bereits bestehenden Forderungen der beklagten Partei gegen neue Werklohnforderungen der Gemeinschuldnerin vorgesehen. Dadurch sei es zu einer Einengung der Geschäftstätigkeit der Gemeinschuldnerin gekommen, was eine für die anderen Konkursgläubiger nachteilige und die beklagte Partei begünstigende Aufrechnungslage herbeigeführt habe. Die beklagte Partei habe letztlich eine Befriedigung ihrer Forderungen im Umfang des Klagsbetrags erlangt, die sie jedenfalls nicht in dieser Art zu beanspruchen gehabt habe.

Die Revision der beklagten Partei ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Revisionswerberin gerügte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor. Die Ausführungen des Berufungsgerichts, der Gemeinschuldnerin sei es vor Jänner 1998 möglich gewesen, Baustahl für fremde Baustellen zu beziehen und dessen Bezahlung von den jeweiligen Bauherrn zu erlangen, womit sie ihren Betriebsaufwand habe finanzieren können, sind lediglich logische Schlussfolgerungen aus den vom Erstgericht ohnehin getroffenen Feststellungen auf rechtlicher Ebene. Einer weiteren Begründung bedarf die Erledigung der Mängelrüge nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Soweit die beklagte Partei die Ansicht vertritt, im Jänner 1998 sei keine Vereinbarung zwischen ihr und der Gemeinschuldnerin getroffen worden, entfernt sie sich von den Feststellungen der Vorinstanzen: Nach diesen hat der Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin die "Mitteilung" der beklagten Partei, sie werde bis zur Begleichung des aushaftenden Saldos keinen weiteren Baustahl auf Kredit liefern, zur Kenntnis genommen, die Bereitschaft zur weiteren Zusammenarbeit bekräftigt und zugesichert, die Gemeinschuldnerin werde den Rückstand durch fortlaufende Arbeitsleistungen abarbeiten, was von der beklagten Partei akzeptiert wurde. Dass damit eine - vom ursprünglichen Vertrag abweichende - Vereinbarung zustandekam, kann nicht bezweifelt werden. Gewiss stand es im Belieben der beklagten Partei, der Gemeinschuldnerin weiterhin Waren zu liefern oder solche Lieferungen abzulehnen; entscheidungsrelevant ist aber nur, ob sie durch die im Jänner 1998 getroffene Vereinbarung eine Befriedigung erlangte, die sie nicht oder nicht in der Art oder nicht in der Zeit zu beanspruchen hatte, es sei denn, dass sie durch diese Rechtshandlung vor den anderen Gläubigern nicht begünstigt worden wäre.

An sich ist die Aufrechnung im Konkurs keine inkongruente Deckung. Allerdings kann mit der Herbeiführung der für eine Kompensation gemäß den §§ 19 und 20 KO erforderlichen Aufrechnungslage eine gemäß § 30 KO wegen Gläubigerbegünstigung anfechtbare Rechtshandlung verwirklicht werden (ÖBA 2000, 435; ZIK 1998, 198; ÖBA 1998, 798; ÖBA 1997, 548; SZ 69/236; ÖBA 1991, 467; EvBl 1989/41; SZ 61/150 ua). Wenngleich die beklagte Partei und die Gemeinschuldnerin mit ihren wechselseitigen Geldforderungen bereits vor Eintritt deren Zahlungsunfähigkeit aufrechneten, darf nicht übersehen werden, dass diese Aufrechnungslage von der im Jänner 1998 geschaffenen grundverschieden war. Während vorher beide Vertragspartner Leistungen erbrachten, die in Geld abzugelten waren und die zu einer Gegenverrechnung führten, kam es infolge der festgestellten Vereinbarung im Jänner 1998 zu einer wesentlichen Änderung: Ab nun erbrachte die beklagte Partei der Gemeinschuldnerin keine Leistungen mehr, sodass eine Gegenverrechnung (in Geld) gar nicht mehr stattfinden konnte. Vielmehr wurden die Abrechnungsmodalitäten dahin geändert, dass - bis zum Abbau des bestehenden Debetsaldos - allein die Gemeinschuldnerin der beklagten Partei (Arbeits-)Leistungen zu erbringen hatte. Damit wurde aber eine gänzlich andere Aufrechnungslage geschaffen, die zur Folge hatte, dass die Gemeinschuldnerin zur Abgeltung (längst) fälliger Verbindlichkeiten (Arbeits-)Leistungen erbrachte, die die beklagte Partei an Zahlungs Statt annahm. Dies ist aber ein typischer Fall inkongruenter Deckung (ÖBA 1998, 798; vgl ÖBA 1991, 467; SZ 40/35). Ein Anspruch auf Erbringung von Arbeitsleistungen - ohne diese zu bezahlen bzw selbst die ursprünglich vereinbarte Leistung der Lieferung von Materialien zu erbringen - stand der beklagten Partei vor der im Jänner 1998 getroffenen Vereinbarung nicht zu; dieser Anspruch ist also erst nach Beginn der kritischen Frist des § 30 Abs 1 KO entstanden. Eine Gepflogenheit der Vertragspartner, die der Vereinbarung vom Jänner 1998 entsprochen hätte, bestand - wie schon ausgeführt - vor dieser nicht, weshalb das Vorbringen der beklagten Partei, eine (andere) Aufrechnungsmöglichkeit habe bereits vor Eintritt der Zahlungsunfähigkeit bestanden, ins Leere geht (vgl hiezu auch König, Die Anfechtung nach der Konkursordnung2 Rz 241 und 243).

Der Revision der beklagten Partei ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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