OGH 7Nd510/00 (7Nd511/00, 7Nd512/00)

OGH7Nd510/00 (7Nd511/00, 7Nd512/00)3.8.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel und Dr. Kuras als weitere Richter in den Pflegschaftssachen der mj. Paulina W*****, Isabella B***** und David K*****, geboren am *****, alle vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land, 4021 Linz, Kärntnerstraße 16, als Obsorgeberechtigte, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die mit Beschluss des Bezirksgerichtes Enns vom 21. Juni 2000, GZ 3 P 90/99b-46, GZ 3 P 91/99z-47, GZ 3 P 72/99-52, verfügte Übertragung der Zuständigkeit zur Führung der Pflegschaftssachen der mj. Paulina W*****, Isabella B***** und David K***** an das Bezirksgericht Langenlois wird gemäß § 111 Abs 2 JN genehmigt.

Text

Begründung

Die Minderjährigen halten sich seit 13. April 2000 ständig im Kinderheim Dr. P***** auf. Ihre Mutter ist in Wien wohnhaft. Die drei verschiedenen Kindesväter haben ihren Wohnsitz nicht im Sprengel des Bezirksgerichtes Enns. Die Obsorge über die Kinder wurde der Mutter gemäß § 176a ABGB mit rechtskräftigem Beschluss des Bezirksgerichtes Enns vom 15. 9. 1999 entzogen und dem Jugendwohlfahrtsträger übertragen. Die Kinder waren bis 13. 4. 2000 auf einem Krisenpflegeplatz in St. Marien untergebracht und befinden sich seither in der "K*****" (Sprengel Bezirksgericht Langenlois). Nunmehr sind Anträge der Mutter auf Rückübertragung der Obsorge anhängig. Weiters haben teilweise auch die Väter Anräge auf Übertragung der Obsorge eingebracht. Auf Grund von Rekursentscheidungen des Landesgerichtes Steyr hinsichtlich der Regelung des Besuchsrechtes der Mutter vom 9. Mai 2000, 1 R 167/00-51 und vom 14. 6. 2000, 1 R 168/00-45 und 1 R 169/00x-46 wurde dem Erstgericht eine Verfahrensergänzung unter Einbindung sämtlicher Beteiligter aufgetragen. Dieses fasste daraufhin am 21. 6. 2000 den Beschluss auf Übertragung der Pflegschaftssache gemäß § 111 Abs 1 JN an das Bezirksgericht Langenlois. Das Bezirksgericht Langenlois lehnte mit seinem Beschluss vom 11. 7. 2000 die Übernahme der Zuständigkeit zur Besorgung der Pflegschaftssache ab. Es stützte sich dabei darauf, dass im Hinblick auf den Heimaufenthalt und die anhängigen Anträge auf Übertragung der Obsorge noch nicht von einem stabilen Aufenthaltsort der Kinder auszugehen sei. Auch könne das bisher zuständige Bezirksgericht Enns die bereits gewonnenen Eindrücke am besten verwerten.

Daraufhin legte das Bezirksgericht Enns die Pflegschaftsakten dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung über die Übertragung der Zuständigkeit vom Bezirksgericht Enns an das Bezirksgericht Langenlois gemäß den § 111 Abs 1 und 2 JN vor.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Bezirksgericht Enns verfügte Übertragung ist gerechtfertigt.

Nach § 111 Abs 1 JN kann das Pflegschaftsgericht seine Zuständigkeit einem anderen Gericht übertragen, wenn dies im Interesse des Pflegebefohlenen gelegen erscheint, insbesondere, wenn dadurch die wirksame Handhabung des dem Pflegebefohlenen zugedachten Schutzes voraussichtlich gefördert wird. Diese Voraussetzungen liegen in der Regel vor, wenn die Pflegschaftssache dem Gericht übertragen wird, in dessen Sprengel der Mittelpunkt der Lebensführung des Kindes liegt (EFSlg 75.979, 72.819, 69.749, 66.880, 1 Nd 501/95, 3 Nd 502/97 uva). Auch offene Anträge sind kein grundsätzliches Übertragungshindernis (EFSlg 75.992, 72.832, 69.764, 66.885; 1 Nd 501/95, 3 Nd 502/97 uva; Mayr in Rechberger, Rz 4 zu § 111 JN mwN); es hängt von den Umständen des einzelnen Falles ab, ob die Entscheidung über einen solchen Antrag durch das bisherige Gericht zweckmäßiger ist (EFSlg 75.993, 66.886, 54.970; 1 Nd 501/95 uva).

Die hier noch offenen Anträge auf Übertragung der Obsorge bzw Regelung des Besuchsrechtes stellen kein Hindernis für eine Übertragung der Zuständigkeit dar. Dem übertragenden Gericht kommt zur Entscheidung auf Grund der bisherigen unvollständigen Beweisaufnahmen hierüber nicht wesentlich mehr Sachkenntnis zu als dem übernehmenden Gericht. Auch das bisher zuständige Gericht konnte keinen Einblick in die persönlichen Verhältnisse der Pflegebefohlenen gewinnen, die sich nun nicht mehr in seinem Sprengel aufhalten. Auch die Lebensverhältnisse der Mutter haben sich geändert. Eine Veränderung des Aufenthaltsortes der Kinder ist nicht konkret absehbar. Allein der Umstand, dass eine möglicherweise in der Zukunft vorzunehmende neuerliche Übertragung der Obsorge auch zu einer Veränderung des Aufenthaltsortes der Minderjährigen führten könnte, ist nicht ausschlaggebend. Ein besonderer Vorteil ist unter diesen Umständen aus der Sachbearbeitung durch das bisherige Gericht nicht zu erwarten (vgl 5 Nd 502/95). Wegen der Verlegung des Aufenthalts des Pflegebefohlenen und damit des Lebensmittelpunktes in den Sprengel des Bezirksgerichtes Langenlois entspricht die Übertragung der Zuständigkeit dem nach ständiger Rechtsprechung (EFSlg 75.980, 72.818; 1 Nd 501/95 uva) allein maßgeblichen Kindeswohl.

Der entsprechende Beschluss des Bezirksgerichtes Enns ist daher zu genehmigen.

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