OGH 2Ob173/00f

OGH2Ob173/00f29.6.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Johann K*****, vertreten durch Dr. Hans Kröppel, Rechtsanwalt in Kindberg, wider die beklagten Parteien 1. Dipl. Ing. Erich P*****, und 2. ***** Versicherungs AG, ***** vertreten durch Dr. Günther Forenbacher, Rechtsanwalt in Graz, wegen Zahlung von S 413.165,41 sA und einer monatlichen Rente von S 24.103,49, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 16. März 2000, GZ 4 R 1/00z-118, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Leoben vom 30. September 1999, GZ 8 Cg 310/93m-110, in der Hauptsache bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit S

12.573 (darin enthalten Umsatzsteuer von S 2.095,50, keine Barauslagen) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die beklagten Parteien haften aufgrund des Teilanerkenntnisurteiles des Kreisgerichtes Leoben vom 2. 6. 1987, 7 Cg 394/86, zur ungeteilten Hand für alle künftigen Schäden des Klägers aus dem Verkehrsunfall vom 26. 7. 1985, die Zweitbeklagte jedoch nicht nur bis zur Höhe der Versicherungssumme des Haftpflichtversicherungsvertrages.

Der Kläger begehrt die Zahlung eines rückständigen Verdienstentganges für die Zeit vom 1. 1. 1996 bis 31. 8. 1999 in der Höhe von 413.165,41 sowie einer monatlichen Rente von S 24.103,49 seit 30. 9. 1989.

Das Erstgericht verurteilte die beklagten Parteien zur Zahlung von S

97.716 sA sowie einer monatlichen Rente von S 17.784,12 ab 30. 9. 1989 bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres des Klägers; das Mehrbegehren auf Zahlung von S 315.449,41 sA sowie einer weiteren monatlichen Rente von S 6.319,37 ab 30. 9. 1999 wurde abgewiesen.

Dabei wurden - soweit für das Revisionsverfahren noch relevant - folgende Feststellungen getroffen:

Der Kläger arbeitete ab 1974 für verschiedene österreichische Transportunternehmen als Fernfahrer im Bereich der Güterbeförderung. Im Sommer 1985 wurde er nach Zerwürfnissen mit seinem Dienstgeber entlassen. Im Anschluss daran ging er auf Urlaub, während der Urlaubszeit ereignete sich der Unfall. Ohne den Unfall hätte er jederzeit einen gleichwertigen Arbeitsplatz als Fernfahrer erhalten. Die Ausübung des Berufes ist nicht an ein Alterslimit gebunden. Der Kläger erzielt seit dem Unfall neben der von ihm erhaltenen Pensionsleistung keinen Verdienst. Seine Invaliditätspension betrug zwischen S 6.588,20 und S 5.632,20. Dazu erhielt er Sonderzahlungen.

Im Güterverkehrsgewerbe ist eine Bezahlung der Fernfahrer über dem Kollektivlohn unüblich, es werden auch keine freiwilligen Treueprämien über gesetzlich vorgeschriebene Prämien hinaus ausgeschüttet. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der Kläger relevante Nebeneinkünfte durch private Geschäftsabwicklungen im Zuge von Fernfahrten im relevanten Zeitraum ab 1996 erzielt hätte. Reisegebühren sind grundsätzlich streng kalkuliert und für den Eigengebrauch bestimmt. Es ist aber einem Fernfahrer möglich, bei Setzung eines Finanzzieles unter Bemühungen und Hinnahme persönlicher Einschränkungen 58,4 % der an ihn ausbezahlten Diäten einzusparen, sodass ihm dieser Anteil als Einkommen verbleibt.

Der Kläger hätte 1996 ein fiktives Nettoeinkommen von S 227.201,44 erzielt; von der Pensionsversicherung erhielt er S 92.149,80, von der zweitbeklagten Partei monatlich S 14.307,06, sohin insgesamt S 171.684,72. 1977 hätte er ein fiktives Nettoeinkommen von S 283.329,12 erzielt. Von der Pensionsversicherung erhielt er S 85.900,10 und von der zweitbeklagten Partei S 171.684,72. 1998 hätte der Kläger ein fiktives Nettoeinkommen von S 290.771,72 erzielt, von der Pensionsversicherungsanstalt erhielt er S 85.453,20 und von der zweitbeklagten Partei S 171.684,72. Im Zeitraum Jänner bis August 1989 hätte er ein fiktives Nettoeinkommen von S 194.840,76 erzielt. Er erhielt von der Pensionsversicherungsanstalt S 55.412,70 und von der zweitbeklagten Partei S 114.456,45.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, es könne davon ausgegangen werden, dass der Kläger unmittelbar nach seiner Entlassung neuerlich Arbeit gefunden hätte. Sein Verdienstentgang sei in der Weise zu errechnen, dass der von ihm für den gesamten in Betracht kommenden Zeitraum erzielte tatsächliche Verdienst von jenem Betrag abgezogen werde, den er ohne Körperverletzung erzielt hätte. Zulagen zählten wohl zum Verdienstentgang, doch sei in den Fällen, in denen sie der Aufwandsbestreitung dienten, nur jener Betrag zu ersetzen, der über dem Aufwand liege. Grundsätzlich werde eine Ermittlung des Verdienstentganges aufgrund von Diäten nicht ohne Heranziehung der Vorschrift des § 273 ZPO möglich sein. Tatsächlich zählten die verfahrensrelevanten Diäten zu solchen, die der Aufwandsbestreitung dienten. Es sei daher nur jener Betrag zu ersetzen, den der Kläger unter Verzichtsleistung von den Diäten erspart hätte. Da Diäten nur den erhöhten Lebensaufwand bei der Dienstverrichtungen abdeckten, komme es zu keiner Anrechnung einer Essensersparnis zu Hause.

Gegen die Abweisung des Begehrens auf Bezahlung von S 311.372,16 sA sowie einer monatlichen Rente von S 6.319,37 erhob der Kläger Berufung. Das Berufungsgericht gab diesem Rechtsmittel in der Hauptsache nicht Folge und sprach zunächst aus, die ordentliche Revision sei nicht zulässig.

Das Berufungsgericht verneinte eine vom Kläger geltend gemachte Aktenwidrigkeit und führte in rechtlicher Hinsicht aus, als entgangener Verdienst sei nur die Differenz zwischen der Reisezulage und dem daraus zu bestreitenden Mehraufwand anzusehen (RIS-Justiz RS0030927). Bei Zulagen, die der Aufwandsbestreitung dienten, sei nur jener Betrag zu ersetzen, der über dem Aufwand liege. Es sei daher im Sinne der zutreffenden Rechtsansicht des Erstgerichtes nur darauf abzustellen, ob den Reisezulagen tatsächliche Aufwendungen während der Dienstreisen gegenüberstünden. Den Kläger treffe die Behauptungs- und Beweislast dafür, dass die vom Arbeitgeber bezahlten Diäten in Wahrheit sein Nettoeinkommen vermehrten, weil ihnen keine oder nur geringere Aufwendungen gegenüberstünden, zumal Diäten üblicherweise als Aufwandsentschädigung bezahlt würden. Der Beweis, dass die ihm in seiner hypothetischen Berufslaufbahn nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge von seinem Dienstgeber bezahlte Diäten sein Nettoeinkommen um mehr als die vom Erstgericht festgestellten 58,4 % vermehrt hätten, sei dem Kläger nicht gelungen.

Über Antrag des Klägers änderte das Berufungsgericht den Ausspruch nach § 500 Abs 2 Z 3 iVm § 502 Abs 1 ZPO in seinem Urteil vom 16. 3. 2000 dahin ab, dass die ordentliche Revision doch nach § 502 Abs 1 zulässig sei.

Es begründete dies damit, dass der Geltendmachung des Revisionsgrundes des § 503 Abs 1 Z 3 ZPO zwar nach einem Teil der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht das Gewicht einer erheblichen Rechtsfrage des Verfahrensrechtes zukomme, weil die Frage der Aktenwidrigkeit zum Tatsachenbereich gehöre. In jüngerer Zeit habe der Oberste Gerichtshof aber im Interesse der Rechtssicherheit wahrgenommen, wenn die Entscheidung des Rechtsmittelgerichtes auf aktenwidriger Grundlage beruht habe. Wenngleich das Berufungsgericht weiterhin die Auffassung vertrete, dass dem Erstgericht keine Aktenwidrigkeit unterlaufen sei, seien die Überlegungen des Antragstellers zur Aktenwidrigkeit nicht gänzlich unvertretbar. Im Hinblick darauf, dass der Judikatur des Obersten Gerichtshofes eine ausdrückliche Beantwortung der Frage, ob unter dem aus den Diäten zu bestreitenden "Mehraufwand" bzw "Aufwand" bloß die tatsächlichen Ausgaben während der Dienstreise oder doch nur der über dem Verbrauch im eigenen Haushalt liegende Aufwand zu verstehen sei, nicht zu entnehmen sei, komme der Beurteilung auch dieser Rechtsfrage erhebliche Bedeutung zu.

Dagegen richtet sich die Revision des Klägers mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren im Umfang des Berufungsantrages stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagten Parteien haben in der ihnen freigestellten Revisionsbeantwortung beantragt, das Rechtsmittel des Klägers zurückzuweisen, in eventu ihm keine Folge zu geben.

Entgegen der in der Revisionsbeantwortung vertretenen Ansicht wäre die Entscheidung des Berufungsgerichtes nicht mit einer außerordentlichen Revision zu bekämpfen gewesen. Als Wert des Rechtes auf den Bezug von Renten wegen Körperbeschädigung oder eines Menschen ist nämlich gemäß § 58 Abs 1 JN das Dreifache der Jahresleistung, bei bestimmter Dauer aber der Gesamtbetrag der künftigen Bezüge, jedoch in keinem Fall mehr als das Zwanzigfache der Jahresleistung anzunehmen. Gesondert begehrte, bereits fällig gewordene Ansprüche sind grundsätzlich nicht neben diesem Dreifachen zu bewerten (5 Ob 67/99k, 2 Ob 76/99m). Der Wert des Entscheidungsgegenstandes liegt daher unter dem in § 502 Abs 3 ZPO genannten höheren Betrag.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aber wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage - der gegenteilige Ausspruch des Berufungsgerichtes ist nicht bindend - nicht zulässig. Es ist nämlich weder dem Beschluss des Berufungsgerichtes vom 18. 5. 2000, mit dem dieses die ordentliche Revision doch für zulässig erklärt hat, noch der Revision ein erhebliche Rechtsfrage zu entnehmen.

Richtig ist zwar, dass der Oberste Gerichtshof ausgesprochen hat, dass einer Aktenwidrigkeit des Berufungsurteiles im Sinne des Schutzes der Rechtssicherheit und Rechtseinheit erhebliche Bedeutung zukomme (7 Ob 33/99z). Hier geht es aber nicht darum, ob dem Berufungsgericht eine Aktenwidrigkeit unterlaufen ist, sondern darum, ob das Berufungsgericht zu Recht eine solche des Erstgerichtes verneinte. Eine Aktenwidrigkeit des Berufungsurteiles wird gar nicht geltend gemacht, sondern wird unter dem Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit lediglich versucht, die Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes zu bekämpfen.

Aber auch der Frage, ob unter dem aus den Diäten zu bestreitenden "Mehraufwand" bzw "Aufwand" bloß die tatsächlichen Ausgaben während der Dienstreise oder doch nur der über dem Verbrauch im eigenen Haushalt liegende Aufwand zu verstehen sei, kommt keine erhebliche Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zu. Die Berechnung eines Vermögensschadens erfolgt nach ständiger Rechtsprechung durch Vergleich des Geldwertunterschiedes zweier Zustände, nämlich des tatsächlichen Zustands vor und nach der Beschädigung. Der Verdienstentgang ist in der Weise zu errechnen, dass der vom Verletzten für den gesamten in Betracht kommenden Zeitraum erzielte tatsächliche Verdienst von jenem Betrag abgezogen wird, den der Verletzte ohne die Körperverletzung erzielt hätte. Zu vergleichen sind das fiktive Einkommen, das der Verletzte ohne die Verletzung erzielt hätte und das nach der Verletzung tatsächlich erzielte. Diäten sind wohl zum Verdienstentgang zuzuzählen, zu ersetzen ist aber nur jener Betrag, der über dem Aufwand liegt (2 Ob 153/89), abzustellen ist dabei auf den tatsächlichen Aufwand (1 Ob 216/99t). Die Entscheidung des Berufungsgerichtes entspricht dieser Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, weshalb insoweit eine erhebliche Rechtsfrage nicht vorliegt. Aber auch in der Revision des Klägers wird eine solche nicht dargetan. Der Kläger versucht in seinem Rechtsmittel im Wesentlichen bloß die Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes zu bekämpfen, worauf vom Obersten Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, nicht einzugehen ist. Res iudicata liegt schon deshalb nicht vor, weil der Kläger hier andere Ansprüche geltend macht als im Vorprozess. Im Übrigen würde eine rechtskräftige Entscheidung in derselben Sache (res iudicata) ein Prozesshindernis darstellen (Rechberger/Frauenberger in Rechberger2, ZPO Rz 7 Vor § 226), die Klage wäre daher in einem solchen Fall zurückzuweisen und das Verfahren für nichtig zu erklären, ein Erfolg, der vom Kläger wohl nicht angestrebt wird.

Das Rechtsmittel des Klägers war sohin zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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