OGH 7Ob33/99z

OGH7Ob33/99z14.7.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich, Dr. Tittel, Dr. Huber und Hon-Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Anna S*****, vertreten durch Dr. Alfred Lind und Dr. Klaus Rainer, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei Ingeborg W*****, vertreten durch Dr. Rene Hirschenhauser, Rechtsanwalt in Oberwart, wegen Aufkündigung infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 17. Dezember 1998, GZ 3 R 307/98h-22, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Hartberg vom 10. Juli 1998, GZ 2 C 821/97a-17 bestätigt wurde in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung über die Berufung der klagenden Partei an das Gericht zweiter Instanz zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Klägerin ist Eigentümerin der Liegenschaft EZ *****, auf der ein Wohngebäude mit einem Nebentrakt errichtet ist. Die diesem Nebentrakt (samt Mitbenützung des Gartens) betreffende gerichtliche Aufkündigung richtete die Klägerin zunächst gegen Franz und Ingeborg W*****. Die Klägerin brachte vor, daß das Ehepaar W***** den Nebentrakt ausschließlich als Ferienwohnung in Bestand genommen und genützt habe. Der Bestandgegenstand unterliege daher nicht dem MRG. Hilfsweise werde geltend gemacht, daß die Klägerin die Bestandräumlichkeiten zur Befriedigung eigener Wohnbedürfnisse benötige.

Die Beklagten wendeten ein, daß der Mietvertrag auf Lebenszeit abgeschlossen worden sei. Es sei auch nicht vereinbart worden, daß der Bestandgegenstand ausschließlich als Zweitwohnsitz benützt werden dürfe. Das Vorliegen eines dringenden Wohnbedürfnisses der Klägerin werde bestritten.

In der Folge machte die Klägerin als weiteren Kündigungsgrund die nicht ordnungsgemäße Bezahlung der Betriebskosten geltend, der von den Beklagten ebenfalls bestritten wurde.

In der Tagsatzung vom 19. 2. 1998 zog die Klägerin ihre Aufkündigung gegenüber Franz W***** zurück.

Das Erstgericht hob die Aufkündigung auf und wies das Klagebegehren ab. Es stellte unter anderem fest: Die Beklagte Ingeborg W***** hat mit der Klägerin einen mündlichen Mietvertrag abgeschlossen. Sie mußte die Bestandräumlichkeiten sanieren, um darin überhaupt wohnen zu können. Zwischen den Streitteilen wurde vereinbart, daß die Beklagte den Mietgegenstand bewohnen könne, solange sie lebe. Die Beklagte habe nie vorgehabt, ihren ständigen Wohnort in den Bestandgegenstand zu verlegen. Sie halte sich dort während ihrer Urlaubszeit und auch an dienstfreien Tagen auf.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, daß von den Parteien eine Mietdauer auf Lebenszeit vereinbart worden sei. Da die Klägerin der Beklagten keine Belege über die Betriebskosten, insbesondere über die Heizungskosten übermittelt habe, habe die Beklagte deren ordnungsgemäße Abrechnung nicht prüfen können. Der Klägerin sei der Nachweis von offenen Betriebskosten nicht gelungen, sodaß ihr daher kein Aufhebungsrecht nach § 1118 ABGB zustehe.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Auf die Beweisrüge der Berufung sei nicht einzugehen, weil die Rechtssache schon aufgrund des übereinstimmenden Parteienvorbringens, daß die Klägerin das Bestandobjekt an Franz und Ingeborg W***** vermietet habe, spruchreif sei. Mehrere Mitmieter bildeten eine einheitliche Streitpartei im Sinne des § 14 ZPO. Durch die Zurückziehung der Aufkündigung gegenüber einem der Mieter fehle es an der Sachlegitimation der verbliebenen gekündigten Mitmieterin. Dies müsse ohne Prüfung der Anwendbarkeit der Kündigungsbestimmungen des MRG und des geltend gemachten Kündigungsgrundes zur Aufhebung der Aufkündigung führen.

Die dagegen erhobene außerordentliche Revision der Klägerin ist zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Klägerin rügt darin zu Recht, daß das Berufungsgericht bei seinen rechtlichen Ausführungen nicht von dem vom Erstgericht festgestellten und seiner Entscheidung zugrundegelegten Sachverhalt ausgegangen ist. Die vom Erstgericht einerseits als Außerstreitstellung bezeichnete und nochmals im Rahmen der Feststellungen wiederholte Tatsache, daß der Mietvertrag zwischen der Klägerin als Vermieterin und (nur) Ingeborg W***** als Mieterin zustandegekommen sei, wurde von den Parteien im Berufungsverfahren nicht bekämpft. Die Klägerin hat in ihrer Berufung mehrmals auf den zwischen ihr und der Beklagten (also Ingeborg W*****) geschlossenen Mietvertrag Bezug genommen und auch die Rechtsrüge auf Basis dieser eingangs wiedergegebenen Feststellungen ausgeführt. Auch die Beklagte geht in ihrer Berufungsbeantwortung von diesen Feststellungen aus und betont, daß an der Richtigkeit der Feststellung, daß die Beklagte den Mietgegenstand benützen könne, solange sie lebe, kein Zweifel bestehen könne.

Gemäß § 468 Abs 2 ZPO in der Fassung WG 1997 ist der Berufungsgegner - vorbehaltlich des § 473a ZPO - nicht gehalten, für ihn nachteilige Feststellungen oder zu seinen Lasten vorgefallene Verfahrensfehler mit der Berufungsbeantwortung zu rügen. Dies gilt jedoch nur, soweit sich der Berufungswerber nicht ausdrücklich auf Feststellungen des Erstgerichtes bezieht (§ 468 Abs 2 Satz 2 erster Halbsatz ZPO). Da in der Berufung mehrmals der zwischen der Klägerin und Ingeborg W***** geschlossene Mietvertrag, insbesondere im Zusammenhang mit der vereinbarten Dauer, zitiert wurde, hätte die Beklagte im Sinn des § 468 Abs 2 Satz 2 erster Halbsatz ZPO in ihrer Berufungsbeantwortung die Feststellung des Erstgerichtes über die Vertragsparteien des Mietvertrages bekämpfen müssen, um das Berufungsgericht in die Lage zu versetzen, deren aktenkonformes Zustandekommen zu überprüfen (vgl zur Auslegung des § 468 Abs 2 Satz 2 ZPO in Verbindung mit § 473a Abs 1 ZPO die jüngst ergangene Entscheidung 1 Ob 41/99g mit ausführlicher Auseinandersetzung mit den Gesetzesmaterialien und der Lehre hiezu).

Da das Berufungsgericht ohne Anlaß von der insoweit unbekämpften, von beiden Parteien in ihren Rechtsmittelschriften zugrundegelegten Sachverhaltsgrundlage des Erstgerichtes abgewichen und von einem anderen Sachverhalt ausgegangen ist, ist ihm in einem wesentlichen Punkt eine Aktenwidrigkeit unterlaufen. Im Sinne des Schutzes der Rechtssicherheit und Rechtseinheit kommt auch einem solchen Fehler des Berufungsgerichtes erhebliche Bedeutung zu, liegt es doch auch im allgemeinen Interesse, daß Fehlentscheidungen vermieden werden (Kodek in Rechberger, ZPO, Rz 3 zu § 502 ZPO).

Anstelle der aus den aufgezeigten Gründen aktenwidrigen Feststellung des Berufungsgerichtes, daß der Mietvertrag zwischen der Klägerin und den beiden ursprünglich Beklagten zustandegekommen sei, ist daher davon auszugehen, daß der Mietvertrag zwischen der Klägerin und (nur) der Beklagten Ingeborg W***** geschlossen wurde.

Das Berufungsgericht wird sich daher im fortgesetzten Verfahren auf dieser Tatsachengrundlage mit der Berufung der Klägerin und der Berufungsbeantwortung der Beklagten auseinanderzusetzen haben. Eine abschließende rechtliche Beurteilung der Streitsache ist derzeit insbesondere deshalb noch nicht möglich, weil das Berufungsgericht die in der Berufung der Klägerin enthaltene Beweisrüge betreffend die Vereinbarung über die Dauer des Mietverhältnisses nicht behandelt hat. Das angefochtene Berufungsurteil war daher aufzuheben und dem Berufungsgericht eine neuerliche Entscheidung aufzutragen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte