OGH 5Ob167/00w

OGH5Ob167/00w27.6.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann, Dr. Baumann und Dr. Hradil und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch als weitere Richter in der Grundbuchssache der Antragstellerin S***** W*****, vertreten durch den Obmann Klaus H*****, wegen Eintragungen in der EZ 16 I (nunmehr EZ 545 und EZ 483 III), Grundbuch Wörgl-Rattenberg, über den Revisionsrekurs des Franz F*****, vertreten durch Dr. Bernhard Hämmerle, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen den Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 28. März 2000, GZ 51 R 65/00h, womit der Rekurs gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Kufstein vom 8. Oktober 1970, TZ 1832/70-2, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und dem Rekursgericht die neuerliche Entscheidung über den Rekurs aufgetragen.

Text

Begründung

Mit Beschluss des Bezirksgerichtes Kufstein vom 8. 10. 1970 wurde zu TZ 1832/70 aufgrund des durch die Antragstellerin überreichten Gesuchs in der damaligen EZ 16 I (nunmehr EZ 545) Grundbuch W***** die Unterteilung der Grundstücksnummer 618 in die Grundstücksnummern 618/1 und 618/2 bewilligt und die lastenfreie Abschreibung der Grundstücksnummer 618/2 von der Liegenschaft EZ 16 I, die Eröffnung einer neuen Einlage (nunmehr EZ 483) und zugleich die Einverleibung des Eigentumsrechts für die Antragstellerin verfügt.

Zugunsten der Liegenschaft des Revisionsrekurswerbers EZ 90017 Grundbuch ***** war auf der gesamten Grundstücksnummer 618 vor der Teilung durch den angeführten Beschluss die Dienstbarkeit der Weide gemäß Servitutenregulierungsurkunde vom 18. 12. 1873 fol. 8/1874 (C-LNr 1a) einverleibt.

Zu GrbNc 10/17 hatte über Antrag des Verkäufers Alois P***** das Bezirksgericht Kufstein zuvor ein Aufforderungsverfahren gemäß § 4 LiegTeilG durchgeführt, in welchem auch der nunmehrige Revisionsrekurswerber als Buchberechtigter aufgefordert wurde, gegen die lastenfreie Abtrennung binnen 30 Tagen Einspruch zu erheben, widrigens die Abschreibung bewilligt werde und der Aufgeforderte sein Recht an dem Trennstück zugleich mit der Abschreibung verliere. Der nunmehrige Revisionsrekurswerber hat keinen Einspruch erhoben. Auch die zuständige Agrarbehörde wurde am Aufforderungsverfahren durch Zustellung beteiligt. Am 17. 9. 1970 erstellte das Bezirksgericht Kufstein, nachdem innerhalb der festgesetzten 30tägigen Frist von keinem der Buchberechtigten ein Einspruch erhoben worden war, auch nicht seitens der Agrarbehörde, eine Amtsbestätigung nach § 8 LiegTeilG.

Dem Revisionsrekurswerber wurde der Beschluss des Bezirksgerichtes Kufstein vom 8. 10. 1970, TZ 1832/70-2, mit dem das Begehren der Antragstellerin um lastenfreie Abschreibung, Eigentumseinverleibung etc bewilligt wurde, erst am 28. 1. 2000 zugestellt.

Den gegen die lastenfreie Abschreibung der Gp 618/2 und der übrigen begehrten Grundbuchseintragungen gerichteten Rekurs wies das Gericht zweiter Instanz zurück.

Es treffe zwar zu, dass eine Zustellung des bezeichneten Beschlusses an den Rekurswerber als Buchberechtigten gemäß § 119 Z 1 GBG geboten gewesen wäre, weil seine bücherlichen Rechte aufgehoben worden seien. Auch sei der erhobene Rekurs rechtzeitig. Das Rekursrecht erlösche überdies erst, wenn die Löschung der Einverleibung mittels Klage nicht mehr begehrt werden könne. Müsste sich die Löschungsklage aber gegen denjenigen richten, der unmittelbar durch die bekämpfte Einverleibung Eigentümer geworden sei, also nicht gegen einen dritten gutgläubigen Rechtsnachfolger, so sei die Frist für das Erlöschen des Rekursrechtes zufolge § 62 GBG nach den zivilrechtlichen Bestimmungen über die Verjährung zu beurteilen. Es greife also die 30jährige Verjährungsfrist des § 1497 ABGB Platz.

Inhaltlich mache der Rekurswerber ausschließlich geltend, die lastenfreie Abschreibung eines Teilstücks des Grundstücks 618 hätte der Bewilligung der Agrarbehörde bedurft. Eine solche Bewilligung sei nicht vorgelegen, weshalb auch das Aufforderungsverfahren nach dem LiegTeilG nicht hätte durchgeführt werden dürfen und auch das Grundbuchsgesuch nicht hätte bewilligt werden dürfen.

Einer Geltendmachung dieser Umstände stehe aber die fehlende Beschwer des Rechtsmittelwerbers entgegen. Die Zustellung eines Grundbuchsbeschlusses allein begründe noch kein Anfechtungsrecht. In Ermangelung einer besonderen Regelung im GBG sei die Rekurslegitimation nach den Bestimmungen des Verfahrens außer Streitsachen, insbesondere nach § 9 AußStrG, zu beurteilen. Rekursberechtigt sei daher derjenige, dem ein Rechtsschutzinteresse zuzubilligen sei. Dieses fehle dem Rechtsmittelwerber, der im Aufforderungsverfahren nach § 4f LiegTeilG infolge Unterlassung der Erhebung eines Einspruchs binnen 30 Tagen seine Rechte an dem Trennstück zugleich mit der Abschreibung verloren habe. Das Aufforderungsverfahren diene dazu, rechtsgeschäftliche Zustimmungserklärungen der Buchberechtigten zur lastenfreien Abschreibung von Trennstücken einer Liegenschaft zu substituieren. Es liege also seine Zustimmung zur lastenfreien Abschreibung des Trennstücks 618/2 vor, gleich als ob er hinsichtlich dieses Teilstücks eine Freilassungserklärung abgegeben hätte. Es fehle ihm daher an der die Voraussetzung für die Rechtsmittelzulässigkeit bildenden Beschwer.

Das Rekursgericht wies daher den Rekurs des Franz F***** zurück.

Gleichzeitig sprach es aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes nicht S 260.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Rekurslegitimation eines Buchberechtigten vorliege, der im Aufforderungsverfahren nach den §§ 4 ff LiegTeilG keinen Einspruch erhoben habe.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Revisionsrekurs des Franz F*****, der aus den vom Rekursgericht bezeichneten Gründen zulässig ist.

Der Revisionsrekurs ist auch im Sinn seines Aufhebungsantrags berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Wird ohne Zustimmung des Servitutsberechtigten und ohne Aufforderungsverfahren ein Teil einer Liegenschaft lastenfrei abgeschrieben, obwohl sich eine Servitut auch auf diesen Teil erstreckt, ist der Servitutsberechtigte in seinen bücherlichen Rechten verletzt (RS0060791), was zur Stattgebung seines Rekurses zu führen hätte. Im vorliegenden Fall hatte der Revisionsrekurswerber im Aufforderungsverfahren nach § 4 Abs 1 LiegTeilG die Möglichkeit, binnen 30 Tagen durch Erhebung eines Einspruchs zu verhindern, dass seine Rechte am Trennstück zugleich mit der Abschreibung verloren gehen. Weil das in den §§ 4 ff LiegTeilG vorgesehene Aufforderungsverfahren dazu dient, rechtsgeschäftliche Zustimmungserklärungen der Buchberechtigten zur lastenfreien Abschreibung von Trennstücken einer Liegenschaft zu substituieren (vgl SZ 66/180; zuletzt 1 Ob 63/99t), ist die Unterlassung eines Einspruchs in diesem Verfahren einer rechtsgeschäftlichen Zustimmung zur lastenfreien Abschreibung gleichzuhalten.

Zutreffend hat das Rekursgericht in diesem Zusammenhang erkannt, dass die Unterlassung eines Einspruchs im Aufforderungsverfahren nach § 4 Abs 1 LiegTeilG jenem Fall gleichzuhalten ist, in dem ein bücherlich Berechtigter eine Freilassungserklärung abgibt. Die Rechte des Buchberechtigten erlöschen allerdings erst mit der Abschreibung (§ 4 Abs 1 letzter Halbsatz, § 25 LiegTeilG). Deshalb muss der Beschluss, mit dem die Abschreibung bewilligt wird, für den bücherlich Berechtigten anfechtbar sein, weil ja seine Rechte durch die Eintragung aufgehoben werden (§ 122 GBG iVm § 9 AußStrG). Der inhaltlichen Prüfung wiederum unterliegt, ob die erteilte Zustimmung zur Aufhebung eines Rechts einer Stattgebung des Rekurses entgegensteht. Eine Verneinung der Beschwer desjenigen, dessen bücherliche Rechte durch eine Eintragung aufgehoben werden, würde zur Unüberprüfbarkeit der Voraussetzungen des Bewilligungsbeschlusses führen.

Damit erweist sich die Zurückweisung des Rechtsmittels durch das Gericht zweiter Instanz als verfehlt. Spruchgemäß war daher mit einer Aufhebung des rekursgerichtlichen Beschlusses und dem Auftrag an das Rekursgericht vorzugehen, den Rekurs einer inhaltlichen Überprüfung zu unterziehen.

Der Revisionsrekurs des Antragstellers war insofern berechtigt.

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