Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.
Die Sachbeschlüsse der Vorinstanzen werden in der Weise abgeändert, dass sie einschließlich des bestätigten Teils wie folgt zu lauten haben:
"Der nach Maßgabe der §§ 12a Abs 2 und Abs 3, § 46a Abs 1 MRG iVm § 16 Abs 1 Z 1 MRG angemessene Hauptmietzins für das von der Antragstellerin zum Betrieb einer Cafe-Konditorei gemietete Geschäftslokal top 1 im Haus ***** beträgt per 1. 11. 1993 S 11.400,-- monatlich netto wertgesichert auf der Basis des Verbraucherpreisindex 1986.
Davon hat die Antragstellerin auf Grund der von der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 26. 4. 1994 begehrten "Fünfzehntelanhebung" bis Ende 1994 (wie bisher) monatlich S 2.040,--, ab 1. 1. 1995 monatlich S 2.664,-- und ab 1. 1. eines jeden Folgejahres monatlich zusätzlich ein weiteres Fünfzehntel der Differenz zwischen S 2.040,-- und dem angemessenen monatlichen Hauptmietzins zu zahlen.
Die Antragsgegnerin ist schuldig, der Antragstellerin binnen 14 Tagen zu Handen ihres Vertreters die mit S 11.666,66 bestimmten anteiligen Sachverständigengebühren zu ersetzen."
Text
Begründung
Zur Vorgeschichte der gegenständlichen Mietrechtssache kann auf die
zu 5 Ob 109/98k (ecolex 1998, 712 = immolex 1998, 263/167 = EWr
I/12a/47 = RdW 1999, 23 = WoBl 1999, 159/71) ergangene Entscheidung
des erkennenden Senates verwiesen werden. Demnach steht fest, dass durch einen Gesellschafterwechsel bei der Antragstellerin am 1. 11. 1993 der Mietzins-Anhebungstatbestand des § 12a Abs 3 MRG verwirklicht wurde. Ein Schreiben der Antragsgegnerin vom 26. 4. 1994, in dem ab 1. 1. 1995 die "Fünfzehntelanhebung" des Hauptmietzinses auf den angemessenen Betrag gefordert wurde, nahm die Antragstellerin zum Anlass, bei der Schlichtungsstelle der Stadt Innsbruck die Überprüfung des Mietzinses zu beantragen. Im Zuge dieses Verfahrens forderte dann die Antragsgegnerin in einem an die Antragstellerin adressierten Schreiben vom 28. 3. 1995 ab 1. 12. 1993 die Anhebung auf den vollen angemessenen Betrag. Am 20. 9. 1996 wurde das Verfahren gemäß § 40 Abs 2 MRG an das Gericht abgezogen.
Im zweiten Rechtsgang nach der zu 5 Ob 109/98k ergangenen Entscheidung war die Höhe des angemessenen Hauptmietzinses für das von der Antragstellerin gemietete Geschäftslokal zu ermitteln und - dem Sinn des Mietzinsüberprüfungsbegehrens entsprechend - festzustellen, was die Antragstellerin auf Grund der am 1. 11. 1993 eingetretenen gesellschaftlichen Veränderungen zu zahlen hat.
Das Erstgericht stellte fest, dass der für das verfahrensgegenständliche Geschäftslokal per 1. 11. 1993 angemessene Mietzins S 11.400,-- monatlich netto wertgesichert auf der Basis des Verbraucherpreisindex 1986 beträgt; das Rekursgericht bestätigte diesen Sachbeschluss, sprach aus, dass der Wert seines Entscheidungsgegenstandes S 130.000,-- übersteigt, und erklärte den Revisionsrekurs für zulässig. Letzteres mit der Begründung, dass noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage vorliege, ob "durchschnittliche" städtische Konditorei- und Restaurantbetriebe, die mit zahlreichen anderen Unternehmen konkurrieren, unter den Begriff des "Nahversorgers" (im engeren Sinn) fallen. Die Frage stellte sich für das Rekursgericht deshalb, weil es seiner Meinung nach zusätzlicher Beweisaufnahmen zur Feststellung des vom Erstgericht angesichts widersprüchlicher Sachverständigengutachten bloß überschlägig nach § 273 Abs 1 ZPO ermittelten Mietzinses bedurft hätte, würde man der Antragstellerin die Position eines privilegierten Nahversorgers im engeren Sinn zubilligen. Sei dies - wie vom Rekursgericht angenommen - nicht der Fall, könne sich die Antragstellerin durch von der Antragsgegnerin unangefochten gelassenen Entscheidung des Erstgerichtes nicht beschwert erachten, weil sie es verabsäumt habe, iSd einschlägigen Judikatur darzulegen, dass ihrer Branche besondere soziale Rücksichtnahme gebührt.
Im jetzt vorliegenden Revisionsrekurs greift die Antragstellerin die vom Rekursgericht für die Zulassung des Rechtsmittels ins Treffen geführte Frage auf; daneben rügt sie noch die Rechtsansicht der Vorinstanzen, als maßgeblich für die Zahlungspflicht der Antragstellerin sei der zum 1. 11. 1993 angemessene Hauptmietzins festzustellen, obwohl die Antragsgegnerin innerhalb der in § 12a Abs 2 MRG festgesetzten Frist von sechs Monaten nur die Fünfzehntelanhebung verlangt hat. Diese thematischen Einschränkungen lassen es zweckmäßig erscheinen, die jeweiligen Entscheidungsgründe der Vorinstanzen bei der Behandlung der Rechtsmittelgründe wiederzugeben. Der Revisionsrekursantrag geht dahin, den Sachbeschluss des Rekursgerichtes so abzuändern, dass das Mietzinserhöhungsbegehren der Antragsgegnerin abgewiesen wird; hilfsweise wurde ein Aufhebungsantrag gestellt.
Von der Antragsgegnerin liegt dazu eine Revisionsrekursbeantwortung mit dem Antrag vor, dem Rechtsmittel der Antragstellerin nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig, jedoch nur teilweise berechtigt.
Als unstrittig ist zu unterstellen, dass der vom Erstgericht zum Stichtag 1. 11. 1993 festgestellte angemessene Hauptmietzins für das verfahrensgegenständliche Geschäftslokal unter oder zumindest nicht über dem Betrag liegt, der sich ohne Berücksichtigung der Art der im Mietgegenstand ausgeübten Geschäftstätigkeit gemäß § 16 Abs 1 Z 1 MRG ergäbe. Eine Korrektur dieser Entscheidung könnte sich daher nur daraus ergeben, dass die Art der Geschäftstätigkeit, wie sie die Antragstellerin ausübt, einen Abschlag rechtfertigt. Hier wiederum blieb das Argument des Rekursgerichtes unwidersprochen, die Antragstellerin habe nicht dargetan, warum ihrer Branche - falls man sie nicht zu den privilegierten Nahversorgern im engeren Sinn zählt - eine besondere soziale Rücksichtnahme gebühren soll. Das wäre aber, wenn der Kreis jener primär schutzwürdigen Nahversorger verlassen wird, die Sachgüter und Dienstleistungen des täglichen Lebens bereitstellen, Voraussetzung für die Mäßigung des nach § 16 Abs 1 Z 1 MRG angemessenen Hauptmietzinses (SZ 70/74; WoBl 1999, 13/3; WoBl 2000, 37/9 ua). Dem Begehren der Rechtsmittelwerberin, den von ihr zu zahlenden Hauptmietzins niedriger anzusetzen als er sich für Angehörige einer nicht geschützten Branche ergäbe, könnte daher nur dann stattgegeben werden, wenn man eine Cafe-Konditorei, wie sie von der Antragstellerin betrieben wird, als Nahversorger im engeren Sinn anerkennt.
Nach den Feststellungen der Vorinstanzen bietet die Antragstellerin in guter Geschäftslage von Innsbruck - konkurrenziert von einer Vielzahl gleichartiger Betriebe - Konditorei- und Patisseriewaren auf hohem Qualitätsniveau sowie Getränke an, und zwar ohne Ruhetag (also auch an Sonntagen) von 7 Uhr morgens bis 19 Uhr bzw 20 Uhr abends. 1993 erzielte sie einen Nettoerlös von S 3,000.000,--.
Dies - so meint das Rekursgericht - rechtfertige nicht die Annahme, die Antragstellerin sei in einer Branche tätig, bei der wegen ihrer Nahversorgungsaufgaben die für die Mietzinsermäßigung geforderte soziale Schutzwürdigkeit iSd einschlägigen Judikatur (SZ 70/74 ua) zu vermuten ist. Die Antragstellerin erfülle zwar soziale Funktionen, indem sie sogar an Wochenenden Konditorei- und Patisseriewaren anbietet und als urbane Kommunikationsstätte fungiert, doch könne daraus nicht abgeleitet werden, sie sei ein Nahversorger im engeren Sinn. Dass sie - ihren eigenen Angaben zufolge - die Bevölkerung "mit Kuchen, Pralinen, Schokoladen und Eis" auch am Wochenende versorge, führe nicht dazu, eine vom Gesetzgeber als schützenswert anerkannte soziale Aufgabe in den Versorgungsstrukturen des betreffenden Gebietes zu erfüllen, zumal das Warenangebot der Antragstellerin, mag diese auch einen kleinen Restaurantbetrieb führen, nicht unter den Begriff der Sachgüter und Dienstleistungen des täglichen Lebens falle, sondern vielmehr der Befriedigung von (wenn auch von einem großen Teil der Bevölkerung in Anspruch genommenen) Luxusbedürfnissen diene. Dem gegenüber gelte der Schutz der Mietzinsregelung aber primär den kleingewerblichen Nahversorgern, als jenen, die Grundbedürfnisse der Bevölkerung abdecken. Diese Voraussetzungen träfen auf eine durchschnittliche Cafe-Konditorei (noch dazu seit 1995 ohne eigene Erzeugung) selbst unter Zugrundelegung der vom Erstgericht besonders gewürdigten Bedeutung als "Kommunikationsstätte" nicht zu. So sehr es auch wünschenswert sei, spezielle Geschäftszweige, die ja den Reiz der innerstädtischen Angebotsvielfalt ausmachen, am Leben zu erhalten, müsse doch darauf geachtet werden, dass daraus nicht generell eine Pflicht einzelner Vermieter zur Erbringung (gleichheitswidriger) Sonderopfer abgeleitet wird (Dirnbacher in WoBl 1999, 16). Die Schutzwürdigkeit einzelner Branchen aus sozialen Gründen dürfe nicht zu weit ausgelegt werden; sie sei - dem Zweck des Gesetzes folgend - auf Nahversorger im engeren Sinn einzuschränken.
Gegen diese Argumente führt die Antragstellerin in ihrem Revisionsrekurs neuerlich ins Treffen, sie sei als Nahversorgerin im aufgezeigten Sinn anzuerkennen, weil sie durchgehend - auch an Sonntagen - Lebensmittel verkaufe (wobei Konditoreiwaren, Pralinen, Eis etc keineswegs unter Luxuswaren fielen) und den Bewohnern und Besuchern der Innenstadt eine Kommunikationsstätte biete. Damit sind jedoch die überzeugenden, auch vom erkennenden Senat gebilligten Rechtsausführungen des Rekursgerichtes nicht zu widerlegen. Sie entsprechen dem bereits mehrfach judizierten Grundsatz, dass der besondere Schutz der Mietzinsregelung des § 12a Abs 2 MRG, die Art der im Mietobjekt ausgeübten Geschäftstätigkeit zinsmindernd zu berücksichtigen, primär jenen kleingewerblichen Nahversorgern zugedacht ist, die Sachgüter und Dienstleistungen des täglichen Lebens bereitstellen, also Grundbedürfnisse der Bevölkerung abdecken (SZ 70/74; WoBl 1999, 13/3; WoBl 2000, 37/9 ua). Bei Mietern, die das Mietobjekt für die Erfüllung dieser besonderen Versorgungsaufgaben nutzen, wird die soziale Schutzwürdigkeit vermutet, wogegen andere Mieter die besondere Schutzwürdigkeit ihrer Branche darzulegen haben, um die in § 12a Abs 2 MRG vorgesehene Mäßigung des Mietzinses in Anspruch nehmen zu können (vgl zu den bereits zitierten Entscheidungen auch WoBl 1998, 214/130; SZ 71/17; WoBl 1999, 128/58). Dass eine Cafe-Konditorei mit gehobenem Angebot an Süß- und Backwaren, die am konkreten Standort mit einer Vielzahl anderer gleichartiger Betriebe konkurriert, nicht zu diesem engen Kreis der Nahversorger im engeren Sinn zählt, entspricht dem vorgegebenen Leitbild. Zu bemerken bleibt in diesem Zusammenhang, dass die Beurteilung, ob eine kleingewerbliche Geschäftstätigkeit der Nahversorgung mit Sachgütern und Dienstleistungen des täglichen Lebens dient und deshalb besonders schutzwürdig ist, immer auch die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen hat. Regionale Unterschiede, die Ausbreitung branchenübergreifender Geschäftstätigkeiten etc zwingen dazu, den Gerichten auch in der Frage, ob die vom Mieter im Mietobjekt ausgeübte Geschäftstätigkeit der Nahversorgung im engeren Sinn zuzurechnen ist, einen Beurteilungsspielraum einzuräumen, der die Möglichkeit einer Anrufung des Obersten Gerichtshofes gemäß § 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm § 528 Abs 1 ZPO auf die Korrektur grober Beurteilungsfehler einschränkt.
Hier kann von einem solchen Beurteilungsfehler keine Rede sein. Die Feststellung der Vorinstanzen, dass der angemessene Hauptmietzins für das von der Antragstellerin in dem gemäß § 12a Abs 7 MRG maßgeblichen Zeitpunkt der gesellschaftlichen Änderungen S 11.400,-- beträgt, ist daher nicht zu beanstanden. Auch die Wertsicherung (deren Art kein Streitpunkt ist) entspricht der Judikatur (MietSlg 36/34; MietSlg 37/34; MietSlg 39/5 ua).
Das zweite im Revisionsrekurs angeschnittene Rechtsproblem betrifft die Frage, ob die Antragstellerin den festgestellten angemessenen Hauptmietzins auch sogleich - beginnend mit 1. 11. 1993 - in voller Höhe zu zahlen hat, wie die Vorinstanzen offensichtlich unterstellt haben. Die Antragstellerin meint, damit würde über das Mietzinsanhebungsbegehren der Antragsgegnerin vom 26. 4. 1994 hinausgegangen; das spätere Anhebungsbegehren vom 28. 3. 1995 sei verfristet und damit unbeachtlich.
Diesen schon im Rekurs gegen den erstinstanzlichen Sachbeschluss vorgebrachten Argumenten hat das Rekursgericht entgegengehalten, der Umstand, dass die Antragsgegnerin (offenbar in der Meinung, es liege nur der Anhebungstatbestand des § 46a Abs 4 MRG vor) zunächst nur eine Fünfzehntelanhebung des Mietzinses forderte, mache die später beantragte Vollanhebung nicht unzulässig, weil es dem Vermieter freistehe, die gesetzliche Möglichkeit einer Mietzinserhöhung vorerst nur zum Teil auszuschöpfen. Es sei allein entscheidend, ob ein gesetzlicher Anhebungstatbestand verwirklicht und fristgerecht geltend gemacht wird; das zulässige Ausmaß der Mietzinserhöhung ergebe sich aus dem Inhalt der schriftlichen Aufforderung, ab einem bestimmten Zeitpunkt den erhöhten Mietzins zu zahlen.
Diese Rechtsausführungen beziehen sich zwar auf die den Vorinstanzen in 5 Ob 109/98k überbundene Rechtsansicht des erkennenden Senats, interpretieren sie aber nicht richtig. In 5 Ob 109/98k wurde zum Ausdruck gebracht, dass ein vom Vermieter irrtümlich dem § 46a Abs 4 MRG unterstellter und zur Geltendmachung einer Fünfzehntelanhebung des Mietzinses genutzter Sachverhalt auch zur Mietzinsanhebung nach § 12a Abs 3 iVm § 46a Abs 1 MRG führen kann, weil es dem Vermieter freisteht (ohne sich auf einen bestimmten gesetzlichen Anhebungstatbestand festzulegen), eine an sich (auf anderer gesetzlicher Basis) gegebene Möglichkeit zur Anhebung des Mietzinses nur teilweise auszuschöpfen. Subsumtionsfehler führen also nicht zum gänzlichen Ausschluss der Mietzinsanhebungsmöglichkeit; das zulässige Ausmaß der Mietzinserhöhung ergibt sich jedoch aus dem Inhalt des fristgerechten schriftlichen Anhebungsbegehrens.
Hier hat die Antragsgegnerin innerhalb der sechsmonatigen Frist des § 12a Abs 2 MRG (von der nie behauptet wurde, dass sie wegen einer Verletzung der Anzeigepflicht über den 30. 4. 1994 oder gar bis zum 28. 3. 1995 gelaufen wäre) anlässlich der am 1. 11. 1993 eingetretenen gesellschaftlichen Änderungen bei der Antragstellerin nur die Fünfzehntelanhebung des Hauptmietzinses ab 1. 1. 1995 begehrt. Es war daher auch nur nach Maßgabe dieses Anhebungsbegehrens die Zahlungspflicht der Antragstellerin festzustellen, wenngleich eine (von der Antragsgegnerin eben nicht wirksam in Anspruch genommene) Vollanhebung möglich gewesen wäre. Bemerkt sei noch, dass selbst eine Vollanhebung auf Grund des Schreibens vom 26. 4. 1994 gemäß § 46b MRG frühestens am 1. 6. 1994 und auf Grund des Schreibens vom 28. 3. 1995 frühestens am 1. 5. 1995 (keinesfalls also am 1. 11. 1993) wirksam geworden wäre.
Aus diesen Gründen war wie im Spruch zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 37 Abs 3 Z 19 Satz 2 MRG iVm § 43 Abs 1 ZPO. Die teilweise Stattgebung des Revisionsrekurses bietet keinen Anlass, vom erstinstanzlichen Kostenaufteilungsschlüssel abzugehen.
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