OGH 10Ob83/00d

OGH10Ob83/00d18.4.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr, Dr. Steinbauer, Dr. Hopf und Dr. Fellinger als weitere Richter in der Pflegschaftssache der minderjährigen Kinder 1. Eva R*****, geboren am 17. März 1988, und 2. Ralf R*****, geboren am 26. September 1989, in Obsorge der Mutter Barbara F*****, und vertreten durch den Magistrat der Stadt Wels als Unterhaltssachwalter, infolge Revisionsrekurses des Unterhaltssachwalters gegen den Beschluss des Landesgerichtes Wels als Rekursgericht vom 9. Februar 2000, GZ 21 R 28/00t-85, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Wels vom 17. Jänner 2000, GZ 1 P 252/99s-77, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der Vater wurde zuletzt mit Beschluss des Erstgerichtes vom 18. 12. 1997 zu monatlichen Unterhaltsleistungen von S 2.100,-- für den am 26. 2. 1986 geborenen Rene, S 1.900,-- für die am 3. 3. 1987 geborene Silke, S 1.600,-- für die am 17. 3. 1988 geborene Eva und von S 1.400,-- für den am 26. 9. 1989 geborenen Ralf verpflichtet. Dieser Unterhaltsfestsetzung lag ein monatliches Durchschnittseinkommen des Vaters von S 13.500,-- netto zugrunde.

Der Vater, den außer den Sorgepflichten für seine vier ehelichen Kinder keine weiteren Sorgepflichten treffen, ist als Sägearbeiter beschäftigt. Während der Wintermonate von etwa Dezember bis März/April ist er saisonbedingt arbeitslos. Im Zeitraum vom 1. 12. 1998 bis 30. 11. 1999 bezog der Vater unter Berücksichtigung der Sonderzahlungen, des Arbeitslosengeldes und der Lohnexekutionen im Monatsdurchschnitt ein Einkommen von S 12.668,-- netto.

Am 19. 11. 1999 beantragte der Unterhaltssachwalter, den Vater beginnend ab 1. 11. 1999 zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von jeweils S 1.800,-- für die beiden minderjährigen Kinder Eva und Ralf zu verpflichten.

Der Vater sprach sich gegen die Erhöhung der Unterhaltsleistung aus. Sein Einkommen erlaube ihm nicht, einen höheren als den derzeitigen Unterhaltsbetrag zu erbringen.

Das Erstgericht gab dem Unterhaltserhöhungsbegehren statt. Nach der Rechtsprechung hätten die beiden Kinder einen Unterhaltsanspruch im Ausmaß von je 14 % der Bemessungsgrundlage, was dem begehrten monatlichen Unterhaltsbetrag von S 1.800,-- entspreche.

Das Rekursgericht wies über Rekurs des Vaters das Erhöhungsbegehren ab. Bei einem geringen Einkommen des Unterhaltspflichtigen und mehreren konkurrierenden Unterhaltspflichten könne es vorkommen, dass der nach der Prozentwertmethode ermittelte Unterhaltsbedarf den Unterhaltspflichtigen über Gebühr belasten würde, was zur Vermeidung von Existenzgefährdung und Verminderung der Erwerbsmotivation des Verpflichteten vermieden werden müsse. Seit der EO-Novelle 1991 orientiere sich der Oberste Gerichtshof bei Beurteilung der der Vermeidung einer ungebührlichen Belastung des Unterhaltspflichtigen dienenden Belastungsgrenze an den Freibeträgen des § 291b EO bzw der Existenzminimumverordnung, lasse aber deren Unterschreitung im Einzelfall zu. Dem Verpflichteten habe nur ein Betrag zu verbleiben, der zur Erhaltung seiner Körperkräfte und seiner geistigen Persönlichkeit notwendig sei, wobei ein Ermessenspielraum bestehe. In den beiden jüngst ergangenen Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes 2 Ob 258/98z und 2 Ob 122/99a sei es dem Höchstgericht nicht unangemessen erschienen, dem unterhaltspflichtigen Vater lediglich einen Betrag von S 4.200,-- zu belassen bzw sei ausgesprochen worden, dass ein Betrag von S 5.700,-- jedenfalls über der Belastungsgrenze liege. In diesen beiden Fällen sei allerdings der geldunterhaltspflichtige Elternteil jeweils nicht in den Arbeitsprozess eingegliedert gewesen, sondern habe Arbeitslosengeld, in der Folge Invaliditätspension bzw Notstandshilfe und Karrenzgeld bezogen. Der Rekurswerber sei hingegen mit Unterbrechungen in den Wintermonaten laufend als Sägearbeiter beschäftigt. Ein in einen laufenden Arbeitsprozess eingegliederter Unterhaltspflichtiger habe nach Ansicht des Rekursgerichtes zur Erhaltung seiner Körperkräfte und seiner geistigen Persönlichkeit einen doch etwas höheren Aufwand als ein Elternteil, der Notstandshilfe, Invaliditätspension oder Karrenzgeld beziehe und nicht gezwungen sei, täglich für zumindest acht Stunden einer geregelten Arbeit außer Haus nachzugehen. Insbesondere sei zu berücksichtigen, dass jemand, der noch dazu eine körperlich anstrengende Arbeit verrichte, sich in der Regel zumindest einmal täglich außer Haus verpflegen müsse und zweifellos auch einen höheren Bedarf an Kleidung, Schuhen etc habe. Dazu könnten noch Aufwendungen für den Weg zum Arbeitsplatz kommen, die bei nichtberufstätigen Personen ebenfalls wegfallen. Im konkreten Fall betrage das monatliche Durchschnittseinkommen des Unterhaltspflichtigen S 12.667,--, wovon er schon bisher S 7.000,-- an Unterhaltsbeiträgen zu leisten habe. Der verbleibende Betrag von nicht einmal ganz S 5.700,-- sei nach Ansicht des Rekursgerichtes zur Aufrechterhaltung der Körperkräfte und der geistigen Persönlichkeit eines einer geregelten Arbeit außer Haus nachgehenden Unterhaltspflichtigen unbedingt erforderlich.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil das Rekursgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Belastbarkeit eines Unterhaltspflichtigen, insbesondere von der Entscheidung 2 Ob 258/98z abgewichen sei.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Revisionsrekurs des Unterhaltssachwalters mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt werde.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

Gemäß § 140 ABGB haben die Eltern zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse des Kindes anteilig beizutragen. Bei der Unterhaltsbemessung kommt es vor allem auf die Bedürfnisse des Unterhaltsberechtigten an; es ist aber auch die konkrete Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen zu berücksichtigen. Einen Anhaltspunkt dafür, nach welchen Kriterien der Beitrag der Eltern zu ermitteln ist, gibt das Gesetz durch Verknüpfung der Bedürfnisse des Kindes mit den Lebensverhältnissen der Eltern. Ein konkretes Berechnungssystem kann dem Gesetz, das die Bemessungskriterien nur durch unbestimmte Rechtsbegriffe umschreibt, nicht entnommen werden. Es kann daher auch der Oberste Gerichtshof nur jene Umstände aufzeigen, auf die es im Einzelfall ankommt. Auch in Unterhaltssachen ist die Anrufung des Obersten Gerichtshofes vom Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage abhängig. Dies gilt auch für die hier entscheidungswesentliche Frage, ob die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners durch den begehrten Unterhaltsbetrag überschritten wird (vgl 9 Ob 399/97k; 1 Ob 2383/96i mwN uva; RIS-Justiz RS0007204).

Das Rekursgericht ist bei seiner Entscheidung von der ständigen Rechtsprechung ausgegangen, wonach die Bestimmungen der EO als Orientierungshilfe bei der Ermittlung der Belastungsgrenze im Rahmen der Unterhaltsbemessung dienen können, die Grenze des § 291b EO jedoch im Hinblick auf § 292b EO nicht als Untergrenze der Belastung des Unterhaltsschuldners bei der Unterhaltsbemessung herangezogen werden kann. Die Unterhaltsbemessung kann vielmehr darüber hinaus gehen, doch ist zu berücksichtigen, dass der Unterhaltspflichtige nicht soweit belastet wird, dass er in seiner wirtschaftlichen Existenz gefährdet wäre. Dem Verpflichteten hat ein Betrag zu verbleiben, der zur Erhaltung seiner Körperkräfte und seiner geistigen Persönlichkeit notwendig ist. Eine genaue Berechnung dieses Betrages ist nicht möglich, es ist vielmehr im Einzelfall eine nach den gegebenen Umständen für den Unterhaltsschuldner und den Unterhaltsberechtigten noch am ehesten tragbare Regelung zu treffen. Diese Grundsätze eröffnen den Gerichten somit einen Ermessensspielraum (SZ 68/38; SZ 67/47; SZ 67/162; RZ 1994/57 mwN uva; RIS-Justiz RS0047455; RS0047523; RS008667; RS0013458).

Demgemäß hat es der Oberste Gerichtshof in der vom Rekursgericht erwähnten Entscheidung 2 Ob 258/98z als nicht unangemessen beurteilt, dem unterhaltspflichtigen Vater lediglich einen Betrag von S 4.200,-- zu belassen, und wurde in der Entscheidung 2 Ob 122/99a ausgesprochen, dass ein Betrag von S 5.700,-- monatlich über der Belastungsgrenze liege (vgl auch die weiteren Judikaturbeispiele in Schwimann, Unterhaltsrecht2 42 mwN). Es hat bereits das Rekursgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass für die Festlegung der Belastungsgrenze die Umstände des Einzelfalles maßgebend sind und die beiden erwähnten Entscheidungen teilweise einen anderen Sachverhalt betroffen haben. Die Beurteilung des Rekursgerichtes im vorliegenden Fall, dass der Unterhaltspflichtige bei einem monatlichen Durchschnittseinkommen von S 12.667,-- netto durch seine bisherigen Unterhaltszahlungen von S 7.000,-- monatlich im Rahmen seiner Möglichkeiten zum Unterhalt seiner Kinder beiträgt und durch eine höhere Unterhaltsverpflichtung seine existentiellen Bedürfnisse in unzumutbarer Weise gefährdet wären, läßt eine Überschreitung des erwähnten Ermessensspielraumes nicht erkennen. Das Rekursgericht folgte bei der Belassung von S 5.667,-- für den Eigenbedarf des Unterhaltspflichtigen den oben dargelegten Grundsätzen; die Ausmittlung des Betrages im Einzelfall stellt keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung dar (vgl 3 Ob 1574/95 ua).

Das vom Rekursgericht zugelassene Rechtsmittel ist demnach mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG gemäß § 16 Abs 3 AußStrG iVm § 510 ZPO zurückzuweisen.

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