OGH 10ObS49/00d

OGH10ObS49/00d18.4.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr und Dr. Fellinger sowie die fachkundigen Laienrichter OMr. Ing. Mag. Gustav Liebhart (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Dr. Renate Klenner (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Karoline S*****, ohne Beschäftigung, ***** vertreten durch Dr. Hans Otto Schmidt, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, 1092 Wien, Roßauer Lände 3, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Invaliditätspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 24. November 1999, GZ 8 Rs 326/99s-41, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 25. März 1999, GZ 34 Cgs 21/98x-36, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die am 4. 11. 1960 geborene Klägerin hat den Beruf einer Frisörin erlernt und war in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag ausschließlich in diesem Beruf tätig.

Im Jahr 1991 erlitt die Klägerin auf Kreta bei einem Unfall als Beifahrerin einen sehr komplizierten Bruch der linken Hand. Auf Grund dieses Leidenszustandes bezog die Klägerin von der beklagten Partei eine bis 31. 12. 1996 befristete Invaliditätspension.

Über jeweilige Aufforderung durch die beklagte Partei wurde die Klägerin am 8. 2. 1994, am 1. 12. 1994 und am 11. 1. 1996 beim chefärztlichen Dienst-Rehabilitation der beklagten Partei vorstellig. Bei den Gesprächsterminen im Jahr 1994 wurden mit der Klägerin ausschließlich medizinische Maßnahmen zur Rehabilitation besprochen. Sowohl am 8. 2. 1994 als auch am 1. 12. 1994 erklärte die Klägerin, wegen ihres schlechten Gesundheitszustandes kein Interesse an einer Umschulung zu haben. Beim Gespräch am 11. 1. 1996 teilte sie der zuständigen Referentin der Rehabiliationsabteilung mit, dass sie aus privaten Gründen in medizinischer Behandlung stehe und daher an beruflichen Rehabilitationsmaßnahmen kein Interesse habe.

Am 7. 1. 1997 kam die Klägerin gemeinsam mit ihrem Gatten über Aufforderung neuerlich in das Rehabilitationsreferat der beklagten Partei und wurde über die Ziele und Möglichkeiten einer beruflichen Rehabilitation informiert. Die zuständige Referentin hat dabei keine konkreten Rehabilitationsberufe genannt, sondern der Klägerin mitgeteilt, dass sie sich aussuchen könne, welche Umschulungsmaßnahmen (Lehre, Studium oder eine andere Form der Ausbildung) sie ergreifen möchte. Es wurde ihr auch erklärt, dass im Falle einer Nichtvermittelbarkeit im umgeschulten Beruf Arbeitslosigkeit drohe. Die Klägerin teilte erneut mit, dass sie sich wegen einer In-vitro-Fertilisation in Behandlung befinde und zu diesem Zeitpunkt keine Umschulungsmaßnahmen durchführen wolle. Vordringlichstes Anliegen sei derzeit ihr Kinderwunsch. Bei der beklagten Partei ist es nicht üblich, einem Versicherten bereits beim ersten Gespräch über die Möglichkeiten einer beruflichen Rehabilitation konkrete Berufsvorschläge zu unterbreiten. Es wird vielmehr zunächst mit dem Rehabilitanden unter Beiziehung eines Psychologen und eines Mitarbeiters des Arbeitsmarktservices ein Eignungstest durchgeführt.

Die Klägerin ist auf Grund ihres näher festgestellten Leidenszustandes in der Lage, alle körperlichen Arbeiten zu den üblichen Arbeitszeiten und -pausen unter städtischen und ländlichen Anmarschbedingungen auszuüben, bei denen lediglich einfache Haltefunktionen der linken Hand erforderlich sind. Feinmotorische Verrichtungen können nicht bewerkstelligt werden. Der Klägerin sind alle geistigen Arbeiten - der Ausbildung gemäß - zumutbar, allerdings unter Ausschluss eines ständig besonderen Zeitdruckes (Akkord- und Fließbandarbeit). Anlernbarkeit, Einordenbarkeit und Vermittelbarkeit sind gegeben. Lang andauernde Krankenstände, die zu einem Ausschluß vom allgemeinen Arbeitsmarkt führen würden, sind nicht zu erwarten. Dieses seit 1994 bestehende Leistungskalkül ist als endgültig anzusehen und es wird auch durch weitere Anpassung und Gewöhnung zu keiner wesentlichen Änderung mehr kommen. Im Jänner 1997 waren der Klägerin berufliche Umschulungsmaßnahmen unter der Voraussetzung zumutbar, dass diese im Rahmen eines 8 Stunden-Normalarbeitstages - unterbrochen durch eine Pause - durchgeführt werden. Weiters durften diese Maßnahmen nicht in Form einer Kasernierung erfolgen.

Mit Bescheid vom 14. 2. 1997 lehnte die beklagte Partei den Antrag der Klägerin auf Weitergewährung der mit 31. 12. 1996 befristeten Invaliditätspension mit der Begründung ab, dass Rehabilitationsmaßnahmen die Wiedereingliederung in das Berufsleben bewirken könnten. Da die Klägerin Rehabilitationsmaßnahmen verweigere, bestehe für die Dauer der Weigerung kein Pensionsanspruch.

Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin rechtzeitig Klage mit dem Begehren auf Weitergewährung der Invaliditätspension im gesetzlichen Ausmaß über den 31. 12. 1996 hinaus. Sie sei weiterhin invalide im Sinne des § 255 ASVG und habe Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation zu Recht abgelehnt, weil ein gelernter Arbeiter nicht verpflichtet sei, sich im Wege der Rehabilitation einer Umschulung auf einen völlig neuen Beruf zu unterziehen, und die Klägerin von der beklagten Partei auch nicht über einen in Aussicht genommenen neuen Beruf, die Dauer der Umschulung, Anforderungen, Arbeitsmarktsituation und Berufsschutz im neuen Beruf aufgeklärt worden sei. Darüber hinaus befinde sich die Klägerin wegen ihres dringenden Kinderwunsches in Behandlung und es seien ihr auf Grund der In-vitro-Fertilisation-Behandlung berufliche Umschulungsmaßnahmen aus psychischen Gründen derzeit nicht zumutbar. In der Tagsatzaung vom 25. 3. 1999 brachte die Klägerin vor, dass sie derzeit nicht in Behandlung stehe, ihr daher nunmehr die Durchführung einer Rehabilitationsmaßnahme psychisch zumutbar sei und sie dazu derzeit auch bereit sei.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete im Wesentlichen ein, die Klägerin sei über die Ziele und Möglichkeiten einer beruflichen Rehabilitation informiert worden. Sie habe aber Umschulungsmaßnahmen mit der Begründung abgelehnt, dass ihr solche wegen ihrer extremen psychischen Belastung zur Zeit nicht zumutbar seien. Da jeder Antrag auf Invaliditätspension als Antrag auf Rehabilitation gelte, sei eine Zustimmung der Versicherten zur Einleitung von Maßnahmen der Rehabilitation nicht mehr erforderlich. Bei Vereitelung von zumutbaren Rehabilitationsmaßnahmen gebühre weder Übergangsgeld noch Pension.

Das Erstgericht wies ausgehend vom eingangs wiedergegebenen Sachverhalt das Klagebegehren ab. Rechtlich beurteilte es diesen Sachverhalt dahin, dass die Klägerin invalid im Sinne des § 255 Abs 1 ASVG sei, weil sie nicht mehr in der Lage sei, den von ihr erlernten und in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag ausgeübten Frisörberuf zu verrichten. Der Antrag auf eine Pension aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit gelte auch als Antrag auf Leistung der Rehabilitation. Im Sinne einer gerechten und effizienten Umsetzung des Grundsatzes "Rehabilitation vor Pension" müsse auch der Antrag auf Weitergewährung der Pension als Antrag auf Leistung der Rehabilitation gewertet werden. Sowohl für den Verlust der Ansprüche auf Übergangsgeld, Zuschüsse und Zulagen als auch für den Nichtanfall der Pension wegen verminderter Arbeitsfähigkeit gelte, dass sie nur dann eintreten, wenn dem Versicherten die Rehabilitationsmaßnahmen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs seiner Ausbildung zumutbar seien. Es sei zwar richtig, dass vor Durchführung von beruflichen Rehabilitationsmaßnahmen die konkrete Ausbildungs-, Berufs- und Lebenssituation des Pensionswerbers geklärt werden müsse, da eine berufliche Rehabilitation auch eine Chance zur Wiedereingliederung in das Erwerbsleben ermöglichen müsse. Allerdings habe die Klägerin jede berufliche Rehabilitation von vornherein abgelehnt, weil für sie ihr Kinderwunsch im Vordergrund gestanden sei. Unter dieser Voraussetzung sei dem Versicherungsträger keine Verletzung der Aufklärungspflicht vorzuwerfen, und zwar auch nicht, dass er keine konkreten Berufe mit allen Einzelheiten genannt habe. Vielmehr habe die Klägerin unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass sie derzeit keine Umschulung durchführen wolle. Da ihr solche Maßnahmen aber medizinisch zumutbar gewesen seien, könne sie sich nicht auf eine aufwendige Kinderwunschbehandlung berufen, um sich damit von ihrer generellen Mitwirkungspflicht zu dispensieren. Feststellungen zu zumutbaren Berufen und zur Frage, ob dabei eine konkrete oder abstrakte Betrachtungsweise vorzunehmen sei, hätten daher entfallen können, weil die Weigerung der Klägerin zur Durchführung von Rehabilitationsmaßnahmen bereits im Vorfeld eine Ablehnung der Weitergewährung der Invaliditätspension rechtfertige.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin keine Folge. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes und vertrat die Auffassung, dass ein verständlicher Kinderwunsch einer Versicherten in ihre Privatsphäre falle, in seinen Auwirkungen auf die Rehabilitation die Allgemeinheit der Versicherten aber nicht belasten dürfe.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die auf die Revisionsgründe der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision der Klägerin mit dem Antrag, die Urteile der Vorinstanzen im Sinn einer Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

In ihren Ausführungen zum Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens macht die Klägerin im Wesentlichen das Vorliegen sekundärer Feststellungsmängel geltend, welche der Rechtsrüge zuzuordnen sind. In ihren Rechtsausführungen wiederholt sie ihren Prozessstandpunkt, dass ihr eine berufliche Rehabilitation nicht zumutbar sei, weil für sie nur eine berufliche Rehabilitation auf einen völlig neuen Beruf in Frage komme, wodurch sie ihren bisherigen Berufsschutz verlieren würde. Auch nach den Bestimmungen des Strukturanpassungsgesetzes 1996 seien in Fällen eines bestehenden Berufsschutzes berufliche Rehabilitationsmaßnahmen nur mit Zustimmung des Versicherten möglich. Weiters sei der Versicherte gemäß § 305 ASVG über das Ziel und die Möglichkeiten der Rehabilitation nachweislich in geeigneter Weise zu informieren und zu beraten. Dadurch solle dem Versicherten die Beurteilung der Frage, ob die angebotenen Maßnahmen für ihn zumutbar seien, ermöglicht werden. Dieser Aufklärungsverpflichtung habe die beklagte Partei nicht entsprochen und die beklagte Partei habe auch keinen (anfechtbaren) Bescheid erlassen, in welchem die gewährten Rehabilitationsmaßnahmen angeführt werden. Darüber hinaus sei die Klägerin über die Folgen ihrer Weigerung, an Rehabilitationsmaßnahmen mitzuwirken, nicht schriftlich belehrt worden. Die Weigerung der Klägerin sei überdies berechtigt gewesen, weil der Kinderwunsch nicht nur eine Frage privaten Glücks sei, sondern dessen Verwirklichung im besonderen Interesse des Staates und auch der Versichertengemeinschaft liege. Schließlich hätten die Vorinstanzen nicht berücksichtigt, dass sich die Klägerin in der Tagsatzung vom 25. 3. 1999 ausdrücklich bereit erklärt habe, an zumutbaren beruflichen Rehabilitationsmaßnahmen mitzuwirken.

Diese Ausführungen sind nicht berechtigt.

Es ist im vorliegenden Fall nicht strittig, dass bei der Entscheidung über einen rechtzeitigen Antrag auf Weitergewährung einer befristeten Invaliditätspension neu zu prüfen ist, ob nach Ablauf der Frist Invalidität weiter besteht (SSV-NF 10/46 mwN uva; RIS-Justiz RS0085389).

Mit den hier bereits anzuwendenden Bestimmungen des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl 201, wurde auch im Bereich der Versicherungsfälle der geminderten Arbeitsfähigkeit (Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit) der Grundsatz "Rehabilitation vor Pension" im österreichischen Sozialversicherungsrecht verankert. Danach ist seither ein Antrag auf eine Pension aus einem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit gemäß § 361 Abs 1 letzter Satz ASVG gleichzeitig als Antrag auf Rehabilitation zu werten. Die Einholung der Zustimmung des Versicherten zur Einleitung von Maßnahmen der Rehabilitation ist - im Gegensatz zur früheren Rechtslage (vgl § 305 ASVG idF 32. ASVG-Novelle, BGBl 1976/704) - nicht mehr erforderlich (EB zur RV 72 BlgNR 20. GP, 248 f; Jabornegg/Resch, Rehabilitation vor Rente, ZAS 1999, 65 ff [69] ua). Auch ein Antrag auf Weitergewährung einer Invaliditätspension ist zugleich als Antrag auf Rehabilitation zu werten (Karl, Rehabilitation und Pension, DRdA 1999, 12 ff [22]). Dem Grundsatz "Rehabilitation vor Pension" liegt der Gedanke zugrunde, bevor dem in seiner Arbeitsfähigkeit geminderten Versicherten als Ausgleich der Folgen der Herabsetzung der Arbeitsfähigkeit die Pension gewährt wird, soll versucht werden, die Arbeitsfähigkeit wiederherzustellen. Rehabilitationsmaßnahmen sind somit auszuschöpfen, bevor wegen verminderter Arbeitsfähigkeit eine Pension zu leisten ist. Nur wenn Rehabilitationsmaßnahmen keine Aussicht auf Erfolg haben, soll als ultima ratio die Pension in Betracht kommen (Karl aaO 14 mwN; 10 ObS 314/99w).

Nach § 300 Abs 1 ASVG treffen die Pensionsversicherungsträger Vorsorge für die Rehabilitation von Versicherten und Beziehern einer Pension aus einem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit, ausgenommen eine Knappschaftspension, die an einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung leiden. Nach Abs 3 dieser Gesetzesstelle umfasst die Rehabilitation medizinische und berufliche Maßnahmen und, soweit dies zu ihrer Ergänzung erforderlich ist, soziale Maßnahmen mit dem Ziel, Behinderte bis zu einem solchen Grad ihrer Leistungsfähigkeit herzustellen oder wiederherzustellen, der sie in die Lage versetzt, im beruflichen und wirtschaftlichen Leben und in der Gemeinschaft einen ihnen angemessenen Platz möglichst dauernd einnehmen zu können. Nach § 301 Abs 1 ASVG dienen die Maßnahmen gemäß den §§ 302 bis 304 zur Erreichung dieses Zieles. Die Pensionsversicherungsträger gewähren diese Maßnahmen nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der Neigung, Eignung und der bisherigen Tätigkeit des Behinderten, bei den im § 300 Abs 1 bezeichneten Pensionsbeziehern auch unter Berücksichtigung des Alters, des Zustandes des Leidens oder Gebrechens sowie der Dauer des Pensionsbezuges, sofern und solange die Erreichung dieses Zieles zu erwarten ist. Bei den beruflichen Maßnahmen handelt es sich gemäß § 303 ASVG um die in § 198 Abs 2 Z 1 und 3 aufgezählten Maßnahmen, wie insbesondere die berufliche Ausbildung zur Wiedergewinnung oder Erhöhung der Erwerbsfähigkeit und, insoweit der Versehrte durch den Arbeitsunfall oder die Berufskrankheit in der Ausübung seines Berufes oder eines Berufes, der ihm zugemutet werden kann, wesentlich beeinträchtigt ist, die Ausbildung für einen neuen Beruf ... (Z 1).

Nach § 305 ASVG ist der Behinderte vom Versicherungsträger über das Ziel und die Möglichkeiten der Rehabilitation nachweislich in geeigneter Weise zu informieren und zu beraten. Der Behinderte hat bei der Durchführung der Maßnahmen der Rehabilitation entsprechend mitzuwirken. Der Pensionsversicherungsträger hat gemäß § 306 Abs 1 ASVG dem Versicherten für die Dauer der Gewährung von medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation oder einer Ausbildung gemäß § 198 Abs 2 Z 1 ein Übergangsgeld zu leisten. Entzieht sich der Behinderte den Maßnahmen der Rehabilitation oder vereitelt oder gefährdet er durch sein Verhalten ihren Zweck, so sind, wenn ihm diese Maßnahmen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfanges seiner Ausbildung sowie der von ihm bisher ausgeübten Tätigkeit zumutbar sind, das Übergangsgeld und allfällige Zuschüsse und Zulagen zu versagen (§ 307b ASVG).

Werden dem Versicherten Maßnahmen der Rehabilitation gewährt und sind ihm diese Maßnahmen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfanges seiner Ausbildung sowie der von ihm bisher ausgeübten Tätigkeit zumutbar, so fällt die Pension aus den Versicherungsfällen der geminderten Arbeitsfähigkeit erst dann an, wenn durch die Rehabilitationsmaßnahmen die Wiedereingliederung des Versicherten in das Berufsleben nicht bewirkt werden kann (§ 86 Abs 3 Z 2 ASVG; vgl dazu 10 ObS 314/99w).

Nach der dargestellten Gesetzeslage hat der Versicherungsträger auf Grund eines Antrages auf Invaliditätspension, der gleichzeitig als Antrag auf Rehabilitation zu werten ist, sowohl die Invalidität zum Stichtag als auch die Sinnhaftigkeit der Rehabilitation zu prüfen. Dabei hat er unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfanges der Ausbildung des Versicherten sowie der von ihm bisher ausgeübten Tätigkeit, aber auch seines Alters, zu beurteilen, ob das Rehabilitationsziel überhaupt erreichbar ist. Kommt der Versicherungsträger zu dem Ergebnis, dass er Rehabilitationsmaßnahmen gewährt, hat er über das Vorliegen der Invalidität zu entscheiden, gleichzeitig aber auch auszusprechen, dass die Invaliditätspension wegen Gewährung von Maßnahmen der Rehabilitation vorläufig nicht anfällt (vgl Gründler, Die Pension2 133; Karl aaO 18). Auf die Frage, ob durch den im Bereich der Pensionsversicherung nunmehr verankerten Grundsatz "Rehabilitation vor Pension" und die damit verbundene Antragsfiktion auch ein individueller klagbarer Anspruch des Versicherten auf Rehabilitation geschaffen wurde und insoweit nunmehr eine Bescheidpflicht des Versicherungsträgers besteht (vgl Jabornegg/Resch aaO 71 ff; Karl aaO 18), ist hier nicht weiter einzugehen, weil die Klägerin keinen Anspruch auf Rehabilitation geltend macht, sondern vielmehr die Mitwirkung an der von der beklagten Partei beabsichtigten beruflichen Rehabilitation verweigert hat. Es ist aber in Lehre und Rechtsprechung nicht strittig, dass der Rechtszug an das Arbeits- und Sozialgericht jedenfalls bei Versagung von Geldleistungen offen steht, wobei hier die Frage der Zumutbarkeit von Rehabilitationsmaßnahmen - so wie auch die Frage der Zumutbarkeit von Heilbehandlungen - als Vorfrage zu beurteilen ist (Jabornegg/Resch aaO 70 und 73; SSV-NF 8/35 zum Übergangsgeld).

Die Vereitelung der Rehabilitation ist zwar nach dem Gesetz (§ 307b ASVG) ausdrücklich nur mit dem Verlust des Übergangsgeldes sanktioniert, wenn die Rehabilitationsmaßnahmen dem Versicherten unter billiger Berücksichtigung der Dauer und des Umfanges seiner Ausbildung sowie der von ihm bisher ausgeübten Tätigkeit zumutbar sind. Eine besondere Versagung der Pension - im Sinne der früheren Bestimmung des § 307b ASVG idF 32. ASVG-Novelle (BGBl 1976/704) - ist nicht mehr vorgesehen. Dies bedeutet allerdings nicht, dass der Versicherte trotz einer Vereitelung der Rehabilitation Anspruch auf Pension hat. Könnte nämlich die Arbeitsfähigkeit des Versicherten beispielsweise durch eine zumutbare Heilbehandlung so verbessert werden, dass ihm die Ausübung einer Erwerbstätigkeit möglich wird, trifft den Versicherten nach ständiger Rechtsprechung eine

entsprechende Mitwirkungspflicht (SSV-NF 6/13; SSV-NF 6/14 = DRdA

1993/4 [Oberbauer]; SSV-NF 5/42 = SZ 64/43 = DRdA 1992/8 [Schrammel]

ua). Auch die Verweigerung einer möglichen und zumutbaren medizinischen oder beruflichen Rehabilitation, die dem Versicherten wieder eine Berufsausübung ermöglichen und damit zu einem Wegfall des Risikos der geminderten Arbeitsfähigkeit führen würde, hat zur Folge, dass der Pensionsantrag des Versicherten abschlägig beschieden wird. Der Versicherte hat es daher nicht in der Hand, durch Vereitelung der Rehabilitation seine Wiedereingliederung in das Berufsleben auszuschließen und damit den Anfall der Pension zu erreichen (Schrammel, Möglichkeiten eines "schlankeren" Schutzes der Arbeitsfähigkeit in der österreichischen Sozialversicherung in Tomandl (Hrsg), Wiener Beiträge zum Arbeits- und Sozialrecht: "Wie schlank kann soziale Sicherheit sein?" 65 ff [77 f] mwN sowie in Tomandl, SV-System 8. Erg-Lfg 168; RV 72 BlgNR 20. GP 249).

Auch der weiteren Ansicht der Klägerin, der durch das Strukturanpassungsgesetz 1996 eingeführte Grundsatz "Rehabilitation vor Pension" gelte nicht für Versicherte, denen ein Berufsschutz zukomme, und berufliche Rehabilitationsmaßnahmen kämen daher bei Vorliegen eines Berufsschutzes so wie bisher nur mit Zustimmung des Versicherten in Frage, kann nicht gefolgt werden. Eine solche Einschränkung ist den gesetzlichen Bestimmungen ebensowenig zu entnehmen wie eine Einschränkung dahingehend, dass dem Versicherten im Rahmen der beruflichen Rehabilitation nur eine Berufsausübung im Rahmen des (bisherigen) Verweisungsfeldes ermöglicht werden soll (so Schrammel aaO 78). Nach § 303 ASVG gilt für die Gewährung der beruflichen Maßnahmen der Rehabilitation im Bereich der Pensionsversicherung § 198 entsprechend mit der Maßgabe, dass Zuschüsse im Sinne des § 198 Abs 2 Z 2 nicht gewährt werden. Nach der somit auch im Bereich der Pensionsversicherung anzuwendenden Bestimmung des § 198 Abs 1 ASVG soll der Versicherte durch die beruflichen Maßnahmen der Rehabilitation in die Lage versetzt werden, seinen früheren oder, wenn dies nicht möglich ist, einen neuen Beruf auszuüben (vgl auch Karl aaO 17). Die Rehabilitation knüpft somit nicht notwendigerweise am bisherigen Beruf an. Die beruflichen Maßnahmen der Rehabilitation ermöglichen dem Versicherten vielmehr auch die Ausbildung für eine neue berufliche Tätigkeit.

Macht ein Versicherter von dieser Möglichkeit erfolgreich Gebrauch, ist der Berufsschutz nicht mehr nur auf seine ursprüngliche Tätigkeit, zu deren Ausübung er nach wie vor nicht in der Lage ist, abgestellt. Der Gesetzgeber hat die Verweisbarkeit ausgedehnt. Der Versicherte ist bei Prüfung der Voraussetzungen für die Invalidität jedenfalls auf Tätigkeiten verweisbar, für die er unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfanges seiner Ausbildung sowie der von ihm bisher ausgeübten Tätigkeit durch Leistungen der beruflichen Rehabilitation mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden ist (§ 255 Abs 4 ASVG). Konsequenz dieser erweiterten Verweisbarkeit ist, dass Invalidität nicht mehr gegeben ist, wenn der Versicherte die Tätigkeit, auf die er rehabilitiert worden ist, ausüben kann (vgl Karl aaO 17; Teschner in Tomandl, SV-System 9. Erg-Lfg 375; BMAS 11. 12. 1996, 21.891/161-2/96 - veröffentlicht in ARD 4812/24/97). Wurde dem Versicherten durch Maßnahmen der Rehabilitation die Ausübung eines neuen Berufes ermöglicht, dann gilt er aber auch dann als invalid, wenn seine Arbeitsfähigkeit in den Berufen, zu denen ihn die Rehabilitation befähigt hat, auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich und geistig gesunden Versicherten von ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten in jedem dieser Berufe herabgesunken ist (§ 255 Abs 5 ASVG).

Im Rahmen der beruflichen Rehabilitation kann es daher - über den Umfang einer Nachschulung hinaus (vgl SSV-NF 8/75 ua) - grundsätzlich auch zu einer Umschulung eines überwiegend in erlernten Berufen tätig gewesenen Versicherten auf einen anderen vergleichbar qualifizierten Beruf mit anderer Ausbildung und anderen zur Ausübung erforderlichen Kenntnissen und Fähigkeiten kommen. Die Ansicht der Klägerin, eine berufliche Rehabilitation komme von vornherein nur innerhalb des Verweisungsfeldes ihres bisher ausgeübten Berufes als Frisörin in Betracht, ist jedenfalls zu eng. Allerdings hat der Versicherte nicht alle Rehabilitationsmaßnahmen zu dulden. Er kann kraft ausdrücklicher Anordnung jedenfalls ihm nicht zumutbare Rehabilitationsmaßnahmen verweigern. Sowohl für den Verlust seiner Ansprüche auf Übergangsgeld, Zuschüsse und Zulagen als auch für den Nichtanfall seiner Pension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit gilt nämlich, dass sie nur dann eintreten, wenn dem Versicherten die Rehabilitationsmaßnahmen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfanges seiner Ausbildung sowie der von ihm bisher ausgeübten Tätigkeit zumutbar sind (§§ 86 Abs 3 Z 2 letzter Satzund 307b ASVG). Bei der jeweils unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles zu beurteilenden Frage der Zumutbarkeit einer (beruflichen) Rehabilitationsmaßnahme werden somit die Ausbildung und die bisherige Tätigkeit des Versicherten, ein bestehender Berufsschutz sowie Inhalt und Dauer der ins Auge gefassten Rehabilitationsmaßnahme eine wesentliche Rolle spielen. Die Frage, auf welchen Beruf eine Umschulung erfolgen soll, hängt auch wesentlich von den dem Versicherungsträger zur Disposition stehenden Einrichtungen ab. Es besteht kein Anspruch des Versicherten auf eine bestimmte Rehabilitationsmaßnahme, sondern der Versicherungsträger muss eine angemessene Rehabilitationsmaßnahme gewähren. Auch Arbeitsmarktprognosen sind bei der Zumutbarkeitsfrage mit zu berücksichtigen. So würde beispielsweise eine bloße Risikoumverteilung auf die Arbeitslosenversicherung dem gesetzlichen Auftrag nicht gerecht werden (Jabornegg/Resch aaO 73; Karl aaO 16 mwN).

Gemäß § 305 ASVG ist der Versicherte vom Versicherungsträger über das Ziel und die Möglichkeiten der Rehabilitation nachweislich in geeigneter Weise zu informieren und zu beraten. Der Versicherte hat bei der Durchführung der Maßnahmen der Rehabilitation entsprechend mitzuwirken. Der Hauptverband hat für die Koordinierung der Aufgaben der Versicherungsträger bei der Gewährung der Rehabilitation, für die praktische Durchführung der gesetzlich vorgesehenen Rehabilitationsmaßnahmen sowie im Interesse einer einheitlichen Vorgangsweise der Versicherungsträger verbindliche Richtlinien aufgestellt (vgl SozSi 1979, 319 - abgedruckt in Teschner/Widlar, MGA ASVG, 64. Erg-Lfg Anm 2 zu § 305). Dem Versicherten sind danach alle sachdienlichen Auskünfte über Voraussetzungen, Art, Umfang und Verfahren der Rehabilitation zu erteilen, soweit dies ohne weitere Erhebungen möglich ist. Die Beratung hat in einem persönlichen Gespräch mit dem Versicherten zu erfolgen, in dem gegebenenfalls unter Verwertung medizinischer, arbeitstechnischer und psychologischer Grundlagen konkrete Entscheidungshilfen anzubieten sind. Dabei ist auf die Persönlichkeitsstruktur des Versicherten, ferner auf die Notwendigkeit, Zweckmäßigkeit und Erfolgsaussichten der Rehabilitationsmaßnahmen Bedacht zu nehmen. Ziel dieser Beratung ist es, dem Versicherten durch Vermittlung von Sachinformationen verantwortliche Entscheidungen über individuelle Rehabilitationsmöglichkeiten zu erleichtern. Das Ergebnis der Information und der Beratung ist in Form einer Niederschrift festzuhalten.

Nach den Feststellungen kam die Klägerin über Aufforderung der beklagten Partei am 7. 1. 1997 gemeinsam mit ihrem Gatten in das Rehabilitationsreferat der beklagten Partei. Sie wurde dort über Ziele und Möglichkeiten einer beruflichen Rehabilitation informiert, wobei ihr angeboten wurde, sie könne sich aussuchen, welche Umschulungsmaßnahmen (Lehre, Studium oder eine andere Form der Ausbildung) sie in Anspruch nehmen möchte. Konkrete Berufsvorschläge wurden ihr damals noch nicht gemacht, weil üblicherweise zunächst mit dem Rehabilitanden unter Beiziehung eines Psychologen und eines Mitarbeiters des Arbeitsmarktservice ein Eignungstest durchgeführt wird. Die Klägerin erklärte damals jedoch wiederum, dass sie sich wegen einer In-vitro-Fertilisation in Behandlung befinde und daher derzeit keine Umschulungsmaßnahmen durchführen wolle. Auf Grund dieser - jedenfalls für die Dauer der In-vitro-Fertilisation ausgesprochenen - Weigerung, bei der von der beklagten Partei beabsichtigten beruflichen Rehabilitation mitzuwirken, konnten der Klägerin auch keine konkreten, für sie in Betracht kommenden Rehabilitationsberufe genannt werden, da dies sinnvollerweise die vorherige Durchführung eines Eignungstests voraussetzen würde. Eine Verletzung der Informations- und Beratungspflicht durch die beklagte Partei liegt daher nicht vor, sodass auf die Frage, ob der Klägerin überhaupt ein Anspruch auf Weitergewährung der Invaliditätspension bei einer Verletzung der Informations- und Beratungspflicht durch die beklagte Partei zustehen würde, nicht weiter einzugehen ist. Es besteht aber auch kein Anhaltspunkt dafür, dass der Klägerin eine Umschulung auf einen anderen, vergleichbar qualifizierten Beruf von vornherein nicht zumutbar wäre. Der von ihr dazu ins Treffen geführte Kinderwunsch ist zwar allgemein verständlich, doch fällt die Abdeckung von durch eine Behandlung zur Erfüllung dieses Kinderwunsches bedingten Einkommensausfällen nicht in den Aufgaben- und Risikobereich der Pensionsversicherung (vgl §§ 221 f ASVG). Dass gegen die Durchführung beruflicher Rehabilitationsmaßnahmen damals - abgesehen von der In-vitro-Fertilisation-Behandlung - keine sonstigen medizini- schen Bedenken bestanden haben, wird auch von der Klägerin nicht in Zweifel gezogen. Für die weitere Annahme, der beklagten Partei wäre es bei Durchführung der beabsichtigten beruflichen Rehabilitation der Klägerin nur um eine Risikoumverteilung zu Lasten der Arbeitslosenversicherung gegangen, fehlt ebenfalls jeder Anhaltspunkt. Die Klägerin kann sich durch das Fehlen einer diesbezüglichen Feststellung sowie einer Feststellung, dass sie über die Folgen einer Weigerung, sich der Rehabilitation zu unterziehen, nicht schriftlich belehrt worden sei, auch schon deshalb nicht beschwert erachten, weil sie ein entsprechendes Prozessvorbringen im Verfahren erster Instanz nicht erstattet hat. Sofern die Klägerin schließlich noch darauf verweist, dass sie vor Schluss der Verhandlung in der Tagsatzung vom 25. 3. 1999 ihre Weigerung, bei der Durchführung der Maßnahmen der Rehabilitation entsprechend mitzuwirken, aufgegeben habe und ihre nunmehrige Bereitschaft dazu erklärt habe, ist darauf zu verweisen, dass zunächst im Verfahren vor dem Sozialversicherungsträger unter Beiziehung eines Psychologen und eines Mitarbeiters des Arbeitsmarktservice mit der Klägerin ein Eignungstest durchgeführt wird und der Klägerin erst danach vom Sozialversicherungsträger unter Berücksichtigung ihrer Berufswünsche konkrete Berufsvorschäge unterbreitet werden. Dieses für die Entscheidungsfindung des Sozialversicherungsträgers notwendige Verfahren kann nicht im gegenständlichen Sozialrechtsverfahren vor dem Arbeits- und Sozialgericht nachgeholt werden, sodass die von der Klägerin vor Schluss der Verhandlung erklärte Bereitschaft zur Mitwirkung bei der Durchführung der beruflichen Rehabilitation keinen neuen Stichtag für ihr Begehren auf Gewährung der Invaliditätspension auslöst.

Zusammenfassend ergibt sich somit, dass die Revisionsausführungen der Klägerin nicht berechtigt sind und die darin geltend gemachten sekundären Feststellungsmängel nicht vorliegen, sodass die Revision erfolglos bleiben musste.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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