OGH 11Os105/99-11 (11Os106/99)

OGH11Os105/99-11 (11Os106/99)11.4.2000

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. April 2000 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Holzweber, Dr. Zehetner und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Graf als Schriftführer, in der Strafsache gegen Ing. Ernest K***** und andere Verurteilte wegen des Vergehens der fahrlässigen Krida nach § 159 Abs 1 Z 1 StGB als leitende Angestellte nach § 161 Abs 1 (§ 309 Abs 2) StGB, AZ 11d EVr 8311/97 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, über die vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen die Urteile des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 13. März 1998, GZ 11d EVr 8311/97-27 und des Oberlandesgerichtes Wien vom 7. Juli 1998, AZ 21 Bs 184/98 (= ON 38 des Strafaktes), nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Fabrizy sowie der Verteidiger Mag. Podovsovnik für Ing. Ernest K***** und Dr. Ainedter für Ing. Hansjörg K*****, jedoch in Abwesenheit der Verurteilten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Im Verfahren 11d EVr 8311/97 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien verletzen die Urteile des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 13. März 1998 (ON 27) und des Oberlandesgerichtes Wien vom 7. Juli 1998, AZ 21 Bs 184/98 (ON 38) das Gesetz in der Bestimmung des § 159 Abs 1 Z 1 StGB, das zweitgenannte Urteil überdies in der Bestimmung des § 473 Abs 2 StPO.

Beide Urteile werden aufgehoben. Dem Landesgericht für Strafsachen Wien wird die neuerliche Verhandlung und Entscheidung über den Strafantrag des öffentlichen Anklägers gegen Ing. Ernest K*****, Ing. Harald W***** und Ing. Hansjörg K***** aufgetragen.

Text

Gründe:

Mit dem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 13. März 1998, GZ 11d EVr 8311/97-27, wurden Ing. Ernest K*****, Ing. Harald W***** und Ing. Hansjörg K***** des Vergehens der fahrlässigen Krida nach § 159 Abs 1 Z 1 StGB als leitende Angestellte nach § 161 Abs 1 (§ 309 Abs 2) StGB schuldig erkannt.

Darnach haben sie von Mai 1995 bis 31. Dezember 1996 in Wien als Geschäftsführer der "E*****gmbH", die Schuldnerin mehrerer Gläubiger war, mithin als leitende Angestellte (§ 161 Abs 1 StGB), fahrlässig deren Zahlungsunfähigkeit dadurch herbeigeführt, dass sie die genannte Gesellschaft mit zu geringem Eigenkapital ausstatteten sowie unverhältnismäßig und leichtsinnig Kredit benutzten.

Vom Vorwurf, von Oktober 1996 bis 13. Februar 1997 in zumindest fahrlässiger Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens fahrlässig die Befriedigung derer Gläubiger dadurch vereitelt bzw geschmälert zu haben, dass sie keine Sanierungsschritte setzten, zumindest eine neue Schuld eingingen und die Geschäftsaussicht, das Ausgleichsverfahren oder die Eröffnung des Konkurses nicht rechtzeitig beantragten, wurden die Angeklagten hingegen gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen, weil sie (innerhalb der sechzigtägigen Frist des § 69 Abs 2 KO und somit) rechtzeitig durch Stellen eines Insolvenzantrages reagiert haben.

In der Begründung des Schuldspruches ging das Erstgericht auf die Verantwortung der Angeklagten, dass die Gesellschaft mit Februar oder März 1996 bei der E***** einen Kredit über 1,8 Mio S aufnahm, für den die Geschäftsführer (die zum Teil auch Anteilseigner waren) zu je einem Drittel bürgten und mit dem ein vom Angeklagten Ing. K***** bei der Gründung der Gesellschaft gewährtes Gesellschafterdarlehen von 2,4 Mio S (K*****: ca 3 Mio S) abgelöst wurde (S 145 f iVm S 339; S 67 in ON 13; S 123 in ON 15), nicht ein und traf hiezu auch keine Feststellungen.

Die nur von den Angeklagten Ing. K***** und Ing. W***** erhobenen Berufungen wegen Nichtigkeit wies das Oberlandesgericht Wien mit Urteil vom 7. Juli 1998, AZ 21 Bs 184/98 (= ON 38 des Strafaktes) zurück und gab jenen wegen Schuld und Strafe nicht Folge.

Die in der Rechtsrüge (Z 9 lit a) vorgebrachte Kritik an der Nichtberücksichtigung der für die Rechtsfrage der ausreichenden Kapitalausstattung und angemessenen Kreditbenützung wesentlichen eigenkapitalersetzenden Kreditsicherung wies das Berufungsgericht mit folgender Begründung zurück:

"Ein eigenkapitalersetzendes Darlehen ist nach seinen Rechtsfolgen zu definieren. Wird ein Unternehmen durch in den Büchern als Fremdkapital ausgewiesene, insolvenzrechtlich als Eigenkapital zu qualifizierende Gelder finanziert, so unterliegen sie im Konkurs einem Rückzahlungsverbot. Demnach ist bezüglich der übrigen Gläubiger die Zahlungsfähigkeit besser, als es aufgrund der buchmäßigen Darstellung den Anschein hat, was zur Folge haben kann, dass eine Insolvenz überhaupt nicht oder erst viel später als zunächst angenommen, eingetreten ist.

Bei dem Kredit von 1,8 Mio S handelte es sich allerdings keinesfalls um ein von den Gesellschaftern zur Verbesserung der Eigenkapitalbasis des Unternehmens aufgenommenes Darlehen, sondern trat als Kreditnehmerin die "E*****gesmbH" auf (S 146), wobei die Angeklagten lediglich die persönliche Haftung für die Rückzahlung übernahmen, weswegen die Gesellschaft nicht bloß rechnerisch, sondern auch faktisch mit den Rückzahlungen belastet und die Forderung der E***** keinesfalls denjenigen aller anderer Unternehmensgläubiger nachrangig war. Hiezu kommt, dass die Kreditvaluta zur Abdeckung eines weiteren Darlehens von 2,4 Mio S verwendet wurde, wobei Darlehensgeber eine Gesellschaft war, an der der Angeklagte Ing. K***** mit 10 % beteiligt ist (S 410). Bei noch dazu bloß zur Hälfte eingezahltem, bereits einige Monate nach Beginn des Geschäftsbetriebes aufgebrauchtem Mindeststammkapital kann somit von einem zur vollständigen Schuldentilgung auch nur annähernd ausreichendem Eigenkapital wahrlich nicht die Rede sein, wozu noch kommt, dass dieses im Wesentlichen nur aus Anlagevermögen bestand. Im Hinblick auf den konstatierten Eintritt der Zahlungsunfähigkeit vermögen somit die ins Treffen geführten Bürgschaften an der Tatbestandsmäßigeit des Ing. K***** und Ing. W***** angelasteten Verhaltens nichts ändern

..."

Beide Urteile stehen, wie der Generalprokurator mit seiner deshalb erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend aufzeigt, mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Rechtliche Beurteilung

Zunächst verletzt das Urteil des Berufungsgerichtes das Gesetz in der Bestimmung des § 473 Abs 2 StPO. Darnach darf das Berufungsgericht (in Entsprechung der Grundsätze der Unmittelbarkeit und Mündlichkeit) im Fall, dass das Erstgericht rechtlich erhebliche Feststellungen nicht getroffen hat, die erforderlichen Konstatierungen nur nachholen, wenn es die für die Beurteilung der betreffenden Tatumstände in Betracht kommenden Beweise im Wege einer Wiederholung oder Ergänzung des Beweisverfahrens selbst aufnimmt (SSt 49/61, 52/55 ua); andernfalls kommt nur eine Zurückverweisung der Strafsache an das Erstgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung in Frage (14 Os 26/91). Indem das Berufungsgericht vorliegend Feststellungen zu dem von der Gesellschaft aufgenommenen Kredit über 1,8 Mio S (aber auch zur Gewährung eines Kredites von 2,4 Mio S durch eine Gesellschaft, an welcher der Angeklagte Ing. K***** beteiligt war) allein aufgrund der Aktenlage traf, ist es dieser Verpflichtung nicht nachgekommen.

In der - von den Untergerichten bejahten - Frage der fahrlässigen Herbeiführung der Zahlungsunfähigkeit hinwieder ließ das Erstgericht das durch die Verantwortung der Angeklagten indizierte Problem eigenkapitalersetzender Gesellschafterleistungen gänzlich unbeachtet, während das Berufungsgericht in diesem Punkte einem grundlegendem Irrtum unterlag:

Für die Beurteilung zureichender Eigenkapitalausstattung spielt, wie der Beschwerde beizupflichten ist, das - vor allem für die GmbH bedeutsame - Eigenkapitalersatzrecht eine wesentliche Rolle.

Ausgehend einerseits davon, dass das Eigenkapital einer Gesellschaft haftungsgebunden ist, während Fremdkapital selbst in der Krise der Gesellschaft frei rückzahlbar ist und andererseits die Gesellschafter in der Wahl, ob sie der Gesellschaft Mittel in Form von Eigen- oder Fremdkapital zuführen, grundsätzlich frei sind, tendieren Gesellschafter, die die Gesellschaft zwar weiter am Leben erhalten, aber gerade kein Risikokapital gewähren wollen, vor allem dazu, der Gesellschaft nicht Eigenkapital, sondern ein Darlehen, also nominell Fremdkapital zur Verfügung zu stellen, um sich im Falle eines endgültigen Scheiterns der Gesellschaft als gewisse Absicherung eine Gläubigerposition zu sichern (Karollus/Schulyok, Eigenkapitalersetzende Leistungen, Linde-Verlag 1998, S 25).

Die Zielsetzung des Eigenkapitalersatzrechtes besteht nun in einer Einschränkung dieser Wahlfreiheit: Unter bestimmten Voraussetzungen werden Mittel, welche die Gesellschafter - und solche Personen, die eine "gesellschafterähnliche" Position inne haben (Karollus/Schulyok aaO S 26; Ostheim, GesRZ 1989, 184; Schummer, ÖJZ 1996 S 246) der Gesellschaft nach dem Willen der Beteiligten als Fremdkapital zuführen, in Risikokapital (genauer: nachrangiges Kapital) - umqualifiziert, mit der Konsequenz, dass sie als Eigenkapital anzusehen sind, demnach ungeachtet ihrer Bestimmung als Fremdkapital bis zur nachhaltigen Sanierung der Gesellschaft nicht zurückgezahlt werden dürfen und im Konkurs der Gesellschaft den übrigen Gläubigerforderungen (zumindest) im Range nachstehen.

Das Eigenkapitalersatzrecht ist in Österreich - anders als in Deutschland - gesetzlich nicht geregelt.

In der Grundsatzentscheidung vom 8. Mai 1991 (8 Ob 9/91 = SZ 64/53 = WBl 1991, 398 mit Anm Ostheim) hat der Oberste Gerichtshof für die GmbH ausdrücklich die Übernahme der "im deutschen Recht entwickelten Grundsätze über Eigenkapital ersetzende Darlehen" erklärt, in Folgeentscheidungen (trotz gewichtiger Gegenstimmen in der Lehre wie zB Koppensteiner: Kritik des Eigenkapitalersatzrechtes, WBl 1997, 489 und Schummer: Das Eigenkapitalersatzrecht, Notwendiges Rechtsinstitut oder Irrweg, Orac-Verlag 1998) vertieft und auf weitere Anwendungsfälle ausgedehnt. Damit wird die vom BGH entwickelte Finanzierungsfolgenverantwortung - die Verantwortung für die Folgen einer getroffenen Finanzierungsentscheidung - als Rechtsgrund übernommen, jedoch auf § 74 GmbHG (Kapitalbindung für Nachschüsse) als normative Analogiegrundlage gestützt (SZ 64/53; JBl 1992, 444, 446): Das Darlehen unterliegt demnach dem in dieser Bestimmung determinierten Rückzahlungsverbot; es darf nicht zurückgezahlt werden, soweit eine Unterbilanz besteht oder die Auszahlung zu einer solchen führen würde. Diese bereits vor Eintritt der Insolvenz zu beachtende Regelung gilt erst recht im Konkurs.

Aus der Analogie zur Nachschussregelung ergibt sich darüberhinaus, dass gegen die Bindung nach § 74 Abs 1 GesmbHG verstoßende Auszahlungen vom Empfänger zurückzugewähren sind (§ 74 Abs 4 iVm § 83 GmbHG).

Auch der Gesetzgeber hat seit dem Insolvenzrechtsänderungsgesetz 1997 durch die Formulierung des § 21 des Unternehmensreorganisationsgesetzes, in dem Reorganisationsmaßnahmen explizit vom Kapitalersatzrecht freigestellt werden, iVm mit der Definition solcher Maßnahmen in § 20 Abs 1 URG das Eigenkapitalersatzrecht prinzipiell akzeptiert (vgl Dellinger ÖBA 1998, 601 ff), nachdem der Versuch einer allgemeinen Kodifikation des Eigenkapitalersatzrechts (Ministerialentwurf für ein IRÄG 1993) gescheitert war.

In Anlehnung an die deutschen "Rechtssprechungsregeln", die bereits vor einer späteren Kodifizierung weite Teile des Eigenkapitalersatzrechtes aus den allgemeinen Kapitalerhaltungsgrundsätzen des Gesellschaftsrechtes abgeleitet wurden und neben den gesetzlichen Bestimmungen insbesondere der GmbH-Novelle 1980 ("Novellenregeln") in Deutschland weiterhin Geltung haben ("zweistufiges" Konzept des Kapitalersatzrechtes) wird für den eigenkapitalersetzenden Charakter eines Gesellschafterdarlehens (neben dem Sanierungskredit und dem sog Finanzplankredit: s Koppensteiner Komm zum GmbHG § 74 Rz 12; Schummer, Eigenkapitalersatzrecht S 67) vor allem die (in Bezug auf den konkreten Kredit zu beurteilende: Karollus, ÖBA 1997, 105 ff) objektive Kreditunwürdigkeit der Gesellschaft im Zeitpunkt der Darlehensgewährung (als notwendige und hinreichende Bedingung) vorausgesetzt. Diese (nicht leicht zu ermittelnde und in der Lehre deshalb als Abgrenzungskriterium vielfach kritisierte: Schummer Eigenkapitalersatzrecht S 250 ff) Kreditunwürdigkeit ist dann anzunehmen, wenn die Gesellschaft von dritter Seite zu marktüblichen Bedingungen keinen Kredit mehr erhalten hätte und ohne die Zuführung von neuem Kapital liquidiert werden hätte müssen (vgl Karollus, ÖBA 1997, 112 f; 8 ObS 2107/96b, RdW 1997, 130; s auch Regelungsentwurf der Kreditsektion bei der Wirtschaftskammer Österreich in Karollus/Schulyok aaO S 130). Entscheidend ist, ob ein wirtschaftlich vernünftig handelnder Gläubiger, der nicht an der Gesellschaft beteiligt ist und sich auch nicht an ihr beteiligen will, unter denselben Verhältnissen und zu denselben Bedingungen einen solchen Kredit gegeben hätte.

"Überlagert" wird die Kreditunwürdigkeit durch die letzterer regelmäßig erst nachfolgende Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit:

War die Gesellschaft zum maßgeblichen Zeitpunkt bereits zahlungsunfähig oder (- bei negativer Fortbestehungsprognose -) überschuldet, dann gelten an sie erbrachte Gesellschafterleistungen jedenfalls als Eigenkapitalersatz; auf die Kreditunwürdigkeit kommt es in diesem Fall nicht mehr an (Schummer, Kapitalersatzrecht S 252).

In subjektiver Hinsicht verlangt die Rechtssprechung, dass der Gesellschafter die kritische Lage der Gesellschaft kannte oder kennen musste (s SZ 69/208; WBl 1998, 93; vgl auch Schummer ÖJZ 1996, 245 f; Achatz/Jabornegg/Karollus: Eigenkapitalersatz im Gesellschafts-, Steuer- und Arbeitsrecht, Manz 1999 S 22 FN 20). Ein zur Überbrückung bloß vorübergehend angenommener Liquiditätsschwierigkeiten gewährtes Darlehen wird deshalb nicht erfasst (vgl Ostheim, GesRZ 1989, 181 mN).

Nach herrschender Ansicht kommt auch einem Gesellschafterdarlehen, welches noch vor der kritischen Zeit gewährt, aber nach Eintritt der Kreditunwürdigkeit (verstanden als "Belassungsunwürdigkeit" des Altkredits) trotz Fälligkeit, Kündigungs- oder Liquidationsmöglichkeit nicht abgezogen, sondern "stehen gelassen" wurde, eigenkapitalersetzende Funktion zu (Karollus/Schulyok aaO S 61 f), wobei es auch hier (vornehmlich im Gläubigerschutzinteresse Dritter) ausreicht, dass der Gesellschafter die Umstände, welche die Kreditunwürdigkeit bewirken, kennen musste (konnte) und eine rechtsgeschäftliche Abrede (Stundungsvereinbarung) oder bewusste Finanzierungsentscheidung (so noch 8 Ob 28/93 und 1 Ob 568/95) nicht erforderlich ist, sondern bloßes Nichthandeln des Gläubigers - unter Zubilligung einer angemessenen Entscheidungsfrist - genügt (8 Ob 254/97d = GesRZ 1998, 72).

Das "Stehenlassen" spielt auch bei sonstigen, von der (deutschen und österreichischen) Judikatur als kapitalersetzend gewerteten Leistungen eine entscheidende Rolle, so etwa bei Lieferantenforderungen, Gehaltsansprüchen und Nutzungsüberlassungen (Karollus/Schulyok aaO 65).

Schließlich kommt auch die Besicherung von Gesellschaftsschulden durch Gesellschafter unter bestimmten Voraussetzungen als Eigenkapitalersatz in Betracht (vgl Krejci, ecolex 1993, 311; Karollus, RdW 1996, 5; OGH 8 Ob 336/97p; Achatz/Jabornegg/Karollus aaO S 12 ff; Dellinger, ÖBA 1998, 601): Wurde ein ansonsten am freien Markt nicht mehr erhältliches Darlehen von Dritten nur gegen die Leistung von Sicherheiten durch Gesellschafter gewährt, dann ist nicht das Darlehen selbst, sondern das Sicherheitsrisiko des Gesellschafters kapitalersetzend (Karsten Schmidt GesRZ 1993, 89; 8 Ob 336/97p). Denn wirtschaftlich ist dieser Fall jenem gleichzuhalten, indem der Gesellschafter selbst das Darlehen vergibt, weshalb jedenfalls im Verhältnis zwischen dem Gesellschafter und der Gesellschaft die Rechtsfolgen des Kapitalersatzrechtes eingreifen:

Wurde die gestellte Sicherheit in Anspruch genommen, hat der Gesellschafter keinen Regress gegen die Gesellschaft. Wurde der Drittgläubiger aber von der Gesellschaft befriedigt und damit die Sicherheit frei, hat die Gesellschaft ihrerseits gegen den Gesellschafter einen - mit dem Wert der Sicherheit beziehungsweise mit dem gegebenenfalls geringeren aushaftenden Betrag begrenzten - Erstattungsanspruch (Achatz/Jabornegg/Karollus aaO S 12 f).

Hingegen kommt die nach deutschem Recht (nur auf § 32a Abs 2 dGmbHG gestützte) gegen den Drittkreditgeber gerichtete Rechtsfolge, dass dieser sich zunächst an den Sicherheitsgeber halten muss und im Konkurs der Gesellschaft nur den verbleibenden Ausfall anmelden kann, mangels einer entsprechenden gesetzlichen Anordnung im öGmbHG nicht zur Anwendung (Karollus/Schulyok aaO S 106 f mwN; 8 Ob 336/97p). Im Konkurs der GmbH ist er an der vollen Forderungsanmeldung daher nicht gehindert.

Vorliegend beruht der Schuldspruch der Angeklagten auf dem Vorwurf, als verantwortliche Geschäftsführer einer GmbH deren Zahlungsunfähigkeit durch unzureichende Eigenkapitalausstattung sowie durch unverhältnismäßige und leichtsinnige Kreditaufnahme fahrlässig herbeigeführt zu haben (§ 159 Abs 1 Z 1 StGB).

Zwar verbietet das Gesetz, welches nur die Erhaltung des fixen Nennkapitals als Haftungskapital verlangt und auch keine Pflicht zur angemessenen Eigenkapitalausstattung nach Art einer Mindestkapitalquote kennt (siehe aber die "Vermutung" eines Reorganisationsbedarfes bei einer Eigenkapitalquote von weniger als 8 % und einer fiktiven Schuldentilgungsdauer von mehr als 15 Jahren nach § 1 Abs 3 URG) keinesfalls die Abwicklung selbst von Geschäften, deren Umsätze weit über den durch das Stammkapital gezogenen Rahmen hinausgehen. Zur Realisierung solcher Geschäfte können sich die Geschäftsführer deshalb beliebiger Finanzierungsmöglichkeiten bedienen, solange erwartet werden kann, dass das Stammkapital aus den Gewinnen restitutierbar ist. Der vom Oberlandesgericht aus der Tatsache, dass das bloß zur Hälfte einbezahlte Stammkapital bereits einige Monate nach Geschäftsbeginn aufgebraucht war, gezogene Schluss auf mangelnde Eigenkapitalausstattung und der darin begründete Vorwurf kridaträchtigen Verhaltens ist in dieser Form daher nicht zwingend.

Ungeachtet dessen kommt der Eigenkapitalausstattung in Verbindung mit der Inanspruchnahme von Fremdkapital Bedeutung zu: Ob diese unverhältnismäßig oder leichtsinnig erfolgte, ist in jedem Einzelfall gesondert unter Einbeziehung sämtlicher betriebswirtschaftlicher und sonstiger relevanter Faktoren sowie unter Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes zu beurteilen. Demnach kann eine Kreditaufnahme auch bei bestehender Unterkapitalisierung aus der Sicht ex ante vertretbar sein (10 Os 46/86 ua), andererseits kann sich ein Eigenkapital in der gesetzlichen Höhe als unzureichend erweisen (Leukauf/Steininger Komm3 § 159 RN 13).

Nach den oben dargelegten Grundsätzen sind nun bei der Beurteilung der Angemessenheit der Eigenkapitalausstattung eigenkapitalersetzende Leistungen grundsätzlich dem Eigenkapital zuzurechnen. Für die Frage der Verhältnismäßigkeit oder der Leichtsinnigkeit der Kreditbenutzung hat dies zur Folge, dass ein höheres (wirtschaftliches) Eigenkapital auch höhere Fremdkapitalaufnahmen zu rechtfertigen vermag.

Daraus folgt, dass sich das Erstgericht, wie der Beschwerde beizupflichten ist, aufgrund der Verantwortung der Angeklagten mit dem behaupteten Gesellschafterdarlehen des Angeklagten Ing. K***** und dessen "Umschuldung" durch einen mit Bürgschaften der Angeklagten gesicherten Bankkredit auseinandersetzen und Feststellungen hätte treffen müssen, die eine Beurteilung der Rechtsfrage ermöglicht hätte, ob eigenkapitalersetzende Gesellschafterleistungen vorlagen. Keinesfalls hätte es die im Gutachten des Buchsachverständigen vertretene Auffassung, ein eigenkapitalersetzendes Gesellschafterdarlehen sei "offensichtlich" ausgeschlossen (S 237), unkritisch übernehmen dürfen, zumal der Sachverständige seine - die Grundlage seiner gutächtlichen Äußerungen bildende - "Betriebswirtschaftliche Kennzeichenanalyse" allein auf die Jahresabschlüsse zum 30. September 1995 und zum 30. September 1996 sowie auf die vorläufige Saldenliste zum 22. Jänner 1997 (S 227; vgl auch Berufungsurteil S 5) stützte, ohne einen entsprechenden Befund über die erwähnten Darlehen aufzunehmen. Dabei wäre auch zu beachten gewesen, dass die Bilanz zum 30. September 1995 zeigt, dass das angebliche Gesellschafterdarlehen des Ing. K***** in der Bilanzpost 33000 "Lieferverbindlichkeiten" enthalten sein könnte, desgleichen, inwieweit die starke Reduktion dieses Ansatzes in der Bilanz zum 30. September 1996 mit den übereinstimmenden Angaben der Angeklagten, dass mit dem im Februar oder März 1996 aufgenommenen Bankkredit die Schuld beim Angeklagten Ing. K***** beglichen wurde, im Einklang steht.

Durch die aufgezeigten Unterlassungen litt das Urteil des Erstgerichtes an einem Feststellungsmangel, der seine Nichtigkeit gemäß §§ 281 Abs 1 Z 9 lit a iVm 489 Abs 1 und 468 Abs 1 Z 4 StPO bewirkte.

Diese Nichtigkeit wurde auch durch das Berufungsgericht nicht behoben, das sich nicht damit auseinandersetzte, ob das Gesellschafterdarlehen des Ing. K***** eigenkapitalersetzend war und rechtsirrig einer Bürgschaft der Gesellschafter für das der GmbH gewährte Bankdarlehen von vornherein keinen eigenkapitalersetzenden Charakter zubilligte.

Ließen aber die - zur Klärung dieser Frage zu ergänzenden - Feststellungen die Annahme zu, dass im Sinne der obigen Ausführungen bereits das Gesellschafterdarlehen des Ing. K***** (auch in Form von stehen gelassenen oder von vornherein als Eigenkapitalersatz gedachten Lieferantenforderungen: vgl BGH ZIP 1995, 23) als eigenkapitalersetzend anzusehen wäre - woran nichts ändert, dass Ing. K***** nach den Konstatierungen des Berufungsgerichtes nur zu 10 % an der kreditgebenden Gesellschaft beteiligt war (vgl Karollus/Schulyok aaO S 54 zum Innenkonsortialkredit) - dann wäre es jedenfalls dem Rückzahlungsverbot unterlegen. Die dennoch durch einen durch eigenkapitalersetzende Gesellschafterbürgschaften abgesicherten Neukredit finanzierte Rückzahlung führt im Konkurs der Gesellschaft aber, wenn die kreditgebende Bank am Konkurs als gleichberechtigter Gläubiger teilnimmt, entgegen der Beschwerdeauffassung zwingend zu einer Schmälerung der Quoten der übrigen Gläubiger und damit zu deren Benachteiligung, weil der Gesellschaftergläubiger erst nach vollständiger Befriedigung aller übrigen Gläubiger zum Zug gekommen wäre. Eine solche Benachteiligung würde nur dann nicht eintreten, wenn die Bank sich an den Bürgen schadlos gehalten oder, wegen des oben dargelegten Rückgewährungsanspruches (die Werthaltigkeit der Bürgschaft vorausgesetzt), die Gesellschaft die Bankschulden teilweise oder zur Gänze befriedigt hätte.

Damit stellt sich die Frage, ob die Außerachtlassung allenfalls eigenkapitalersetzender Gesellschafterleistungen bei der Beurteilung des gegen die Angeklagten als Geschäftsführer der GmbH erhobenen Fahrlässigkeitsvorwurfes diesen zum Nachteil gereichte: Einerseits ist nicht auszuschließen, dass eine Wertung der Fremdfinanzierung als Eigenkapitalersatz die Annahme schuldhafter Sorgfaltswidrigkeit maßgeblich beeinflussen hätte können; andererseits ist die Rückzahlung des Bankkredits von 1,8 Mio S durch die GmbH selbst oder durch die Bürgen weder festgestellt noch durch die Verfahrensergebnisse indiziert, weshalb bei Annahme einer eigenkapitalersetzenden Bürgschaft die übrigen Gläubiger im Konkurs, wie oben ausgeführt, durch die Ablöse eines eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehens durch ein mittels eigenkapitalersetzende Bürgschaften gesichertes Fremddarlehen bei fehlender Werthaltigkeit der Bürgschaft Quotennachteile in Kauf nehmen müssen und damit durch die "Umschuldung" jedenfalls schlechtergestellt und geschädigt sind.

Bei Beurteilung der Strafbarkeit des Verhaltens der Geschäftsführer kommt es entscheidend auf die subjektive Tatseite an. Die Kreditunwürdigkeit im Zeitpunkt der Aufnahme eines Kredites und der dadurch finanzierten Rückzahlung eines Gesellschafterdarlehens als notwendige Voraussetzung für die Annahme eines Eigenkapitalersatzes muss zwar subjektiv zumindest erkennbar sein, doch ist die Kreditunwürdigkeit nicht unbedingt mit der Überschuldung oder der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft gleichzusetzen, sondern dieser regelmäßig vorgelagert. Für eine bei Wegfall der unverhältnismäßigen und leichtsinnigen Kreditaufnahme nur nach § 159 Abs 1 Z 2 StGB mögliche Verurteilung ist aber die bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit und deren Kenntnis oder zumindest fahrlässige Unkenntnis erforderlich. Erst unter dieser Voraussetzung würde die Bezahlung einer Schuld - hier der Forderung des Gesellschafters Ing. K***** - bzw das Eingehen einer neuen Verbindlichkeit als Gläubigerschädigung strafbar sein. Der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit wurde aber vom Erstgericht - unbekämpft - mit 31. Dezember 1996 und damit jedenfalls nach den hier in Rede stehenden Abwicklungen festgestellt.

Daraus erhellt, dass der Rechtsirrtum der Untergerichte sich für die Angeklagten im Ergebnis nachteilig auswirken kann, weshalb ein Vorgehen des Obersten Gerichtshofes gemäß § 292 letzter Satz StPO geboten ist.

Weil das Berufungsgericht nur die Angeklagten Ing. K***** und Ing. W***** betrifft, ist auch das Urteil erster Instanz aufzuheben. Im erneuerten Verfahren wird das Erstgericht somit Beweise zur Eigentümerstruktur der Gesellschaft sowie zu den vom Angeklagten Ing. K***** bzw von der Gesellschaft, an welcher dieser beteiligt war, und von der E***** gewährten Krediten aufzunehmen haben, welche eine Beurteilung dahin ermöglichen, ob diese Kredite den Regeln des Eigenkapitalersatzes unterliegen. Sodann wird ein ergänzendes Sachverständigengutachten einzuholen sein, das eine neuerliche Prüfung des Fahrlässigkeitsvorwurfes der Führung des Geschäftsbetriebes mit unzureichendem Eigenkapital sowie unverhältnismäßiger und leichtsinniger Kreditbenutzung ermöglicht.

Der Beschwerde war daher Folge zu geben und wie im Spruch zu entscheiden.

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