OGH 2Ob69/00m

OGH2Ob69/00m30.3.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. DI Hans H***** und 2. Dorothea H*****, vertreten durch Dr. Dieter Poßnig, Rechtsanwalt in Villach, wider die beklagten Parteien 1. Franz L*****, 2. Alois E***** und 3. Christian Z*****, alle vertreten durch Dr. Gottfried Hammerschlag und Dr. Wilhelm Dieter Eckhart, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen Unterlassung, infolge Revision der erst- und der drittbeklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgericht vom 1. Dezember 1999, GZ 3 R 266/99y-43, womit infolge Berufung der Kläger das Urteil des Bezirksgerichtes Spittal an der Drau vom 23. Juni 1999, GZ 4 C 2438/97z-35, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichtes hinsichtlich der Abweisung des gegen den Erst- und den Drittbeklagten gerichteten Klagebegehrens wiederhergestellt wird.

Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, dem Erst- und dem Drittbeklagten die mit S 32.344,19 bestimmten Kosten des Verfahrens (darin enthalten Umsatzsteuer von S 5.289,75 und Barauslagen von S 605,67) bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die klagenden Parteien sind weiters schuldig, dem Erst- und dem Drittbeklagten die mit S 21.557,12 bestimmten Kosten der Rechtsmittelverfahren (darin enthalten Umsatzsteuer von S 2.489,52 und Barauslagen von S 6.620) bestimmten Kosten der Rechtsmittelverfahren binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Kläger begehren, die Beklagten dazu zu verurteilen, die Benützung der Forststraße auf ihren Grundstücken Nr 760 und 800 der EZ 31 GB ***** D***** mit Fahrzeugen zum Zwecke der Jagd, insbesondere zum Zwecke des Transportes von Wild, ab sofort zu unterlassen.

Sie brachten dazu vor, die Beklagten hätten die über ihre Grundstücke Nr 760 und 800 verlaufende Forststraße unberechtigt zum Zwecke des Transportes von Wild benützt.

Die Beklagten wendeten ua Ersitzung einer sie dazu berechtigenden Dienstbarkeit ein.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, wobei im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen wurden:

Die Kläger sind Miteigentümer der Liegenschaft EZ 31 GB ***** D***** ua mit den Grundstücken 760 und 800. In das D*****tal führte seit jeher ein Weg, welcher zunächst als öffentlicher Ortschaftsweg über die öffentliche Wegparzelle 807 verlief. Auf Grund der Geländegegebenheiten entlang des Baches änderte sich der Verlauf des einzigen in das obere D*****tal führenden Weges während der Zeit geringfügig und führte dann nicht mehr exakt der Mappengrenze entlang des öffentlichen Wegegrundstückes, sondern wich von diesem an verschiedenen Teilstücken bis zu mehreren Metern ab, wodurch er zum Teil auch über die Parzellen 760 und 800 verlief. Dieser Weg wurde seit jeher, also seit mehr als 50 Jahren, von jedermann, insbesondere von jenen Grundeigentümern, welche Liegenschaften in der D***** haben, uneingeschränkt für alle Zwecke, also auch für Jagdzwecke benutzt. 1983 beabsichtigte die KELAG im D*****tal ein Kraftwerk zu errichten, wobei die Rohrtrasse auf dem Ortschaftsweg 807 geführt werden sollte. Wegen der Abweichung des Weges ersuchte die KELAG den Rechtsvorgänger der Kläger um Erlaubnis, die Rohrleitung entlang der in der Natur vorhandenen Wegtrasse, also zum Teil auch auf den Grundstücken 760 und 800 verlegen zu dürfen. Es kam auch zum Abschluss eines entsprechenden Entschädigungsabkommens zwischen dem Rechtsvorgänger der Kläger und der KELAG. Die von der KELAG sodann errichtete Trasse weicht vom "alten Weg" in mehreren Bereichen ab. Auf der Parzelle 760 wurde sie großteils bergwärts davon in der Nordböschung des D*****tales errichtet, wobei die Trasse maximal 10 bis 12 m vom ursprünglichen Weg abweicht. In manchen Teilbereichen ist sie mit dem ursprünglichen Weg fast ident, es konnte aber nicht festgestellt werden, in welchen Teilbereichen und um exakt wieviele Meter sie von diesem abweicht. Der "alte Weg" wurde im Zuge der Errichtung der Forststraße gänzlich verschüttet. Im Bereich der Parzelle 800 weicht der "alte Weg" maximal ein paar Meter von der Trasse der nunmehrigen Forststraße ab. Nach Fertigstellung der Baustraße wurde diese von dritten Personen so wie bisher uneingeschränkt benützt, weshalb der Rechtsvorgänger der Kläger bzw diese in der Folge selbst, gegen verschiedene Wegbenützer Gerichtsverfahren anstrebten. Die Kläger verboten auch den Jagdausübungsberechtigten eines Eigenjagdgebietes den gegenständlichen Weg für Jagdzwecke zu benützen, weshalb diesen ein Jägernotweg eingeräumt wurde. 1996 kam es zwischen den Klägern und der KELAG zu einer Vereinbarung über die Benützung und Erhaltung des gegenständlichen Weges. Dabei wurde auch der Kreis der Wegbenützungsberechtigten festgelegt, welche - mit gewissen Ausnahmen - den Weg ausschließlich zu land- und forstwirtschaftlichen Zwecken benützen sollten. Ein Großteil der im Übereinkommen angeführten Grundeigentümer, darunter auch der Bruder des Erstbeklagten, weigerten sich, dieses zu unterfertigen, weil sie darin eine Einschränkung ihrer seit Jahren ausgeübten Nutzungsbefugnisse sahen. Der Erstbeklagte benutzte den strittigen Weg seit jeher uneingeschränkt, wobei er auch fallweise Wild aus dem Jagdgebiet mittels Fahrzeugen für Dritte abtransportierte.

Der Zweitbeklagte ist Jagdausübungsberechtigter eines Eigenjagdgebietes. Er und der Drittbeklagte begaben sich am 31. 8. 1997 dorthin um zu jagen. Dabei kamen sie beim Anwesen des Bruders des Erstbeklagten vorbei, wo sie den Erstbeklagten antrafen. Dieser bot ihnen an, für den Fall, dass sie Wild erlegten, dieses mit einem Traktor über den gegenständlichen Weg abzutransportieren. Er teilte ihnen auch mit, dass er schon immer Wild mit dem Traktor über den strittigen Weg abtransportiert habe und hiezu auch berechtigt sei. Der Zweit- und Drittbeklagte nahmen dieses Angebot an. Der Erstbeklagte transportierte in der Folge das Wild mit einem Traktor über den strittigen Weg, wobei der Zweit- und Drittbeklagte hinter dem Traktor zu Fuß gingen.

In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Ansicht, der Erstbeklagte haben den "alten Weg" seit mehr als 30 Jahren uneingeschränkt benützt und somit ein entsprechendes Wegerecht ersessen. Die Verlegung bzw Änderung des Wegverlaufes habe die Identität des Rechtsobjektes nicht berührt, weil es sich hiebei jedenfalls um eine in mäßigen und zumutbaren Grenzen gehaltene Veränderung des Servitutsweges gehandelt habe. Die alten Rechte seien auf die neue Weganlage übergegangen. Da sich der Erstbeklagte auf Ersitzung berufen könne, sei er auch berechtigt gewesen, für den Zweit- und Drittbeklagten Wild abzutransportieren.

Das von den Klägern angerufene Berufungsgericht hob das Urteil des Erstgerichtes hinsichtlich des Zweitbeklagten und das vorangegangene Verfahren als nichtig auf und wies die Klage insoweit zurück, weil insoweit bereits eine rechtskräftige Entscheidung ergangen sei.

Im Übrigen (sohin hinsichtlich des Erst- und des Drittbeklagten) änderte es das Urteil des Erstgerichtes dahin ab, dass dem Klagebegehren stattgegeben wurde. Das Berufungsgericht sprach aus, der Wert des Entscheidungsgegenstandes übersteige ingesamt S 52.000, jedoch nicht S 260.000, die ordentliche Revision sei zulässig.

In rechtlicher Hinsicht führte es aus, zur Annahme einer Ersitzung durch den Erstbeklagten sei die Identität des zu ersitzenden Rechtsobjektes während der Ersitzungszeit erforderlich, wobei eine in mäßigen und zumutbaren Grenzen gehaltene Veränderung des Servitutsweges kein Hindernis sei. Für das Recht zum Eingriff treffe den Erstbeklagten die Behauptungs- und Beweislast. Bei einer - wenn auch nur in Teilbereichen gegebenen - möglichen Abweichung von 10 bis 12 m sei dem Erstbeklagten der von ihm zu erbringende Nachweis der Identität des Rechtsobjektes nicht gelungen. Er könne sich daher nicht mit Recht auf Ersitzung des von den Klägern bestrittenen Wegerechtes berufen, weshalb deren Eigentumsfreiheitsklage gerechtfertigt sei. Dies wirke sich auch gegen den Drittbeklagten als mittelbaren Störer aus.

Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht für zulässig, weil eine Rechtsprechung zur Frage, welches Ausmaß die Abweichung eines Wegeverlaufes erreichen dürfe, um im Hinblick auf eine allfällige Ersitzung noch von einer Identität des Rechtsobjektes sprechen zu können, fehle.

Dagegen richtet sich die Revision des Erst- und des Drittbeklagten mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass insoweit das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt werde.

Die Kläger haben Revisionsbeantwortung erstattet und beantragt, das Rechtsmittel der Beklagten zurückzuweisen, in eventu, ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und auch berechtigt.

Auszugehen ist davon, dass der Erstbeklagte auf dem "alten Weg" eine Dienstbarkeit ersessen hat, die ihn auch dazu berechtigte, die gegenständlichen Grundstücke der Kläger mit Fahrzeugen zum Zwecke der Jagd, insbesondere zum Zwecke des Transportes von Wild, zu benützen. Die Errichtung des "neuen Weges" erfolgte nicht während der laufenden Ersitzungszeit, sondern nach deren Ablauf. Im Falle einer unzulässigen Sperre darf zwar der Berechtigte nicht eigenmächtig einen anderen Weg in Anspruch nehmen (SZ 43/145; SZ 59/50). Allerdings verändert eine in mäßigen und zumutbaren Grenzen gehaltene Veränderung des Verlaufes eines Servitutsweges die Identität des Rechtsobjektes als solches nicht (RIS-Justiz RS0011751; zuletzt 1 Ob 833/99i). Eine einmal ersessene Dienstbarkeit erlischt durch die Errichtung einer neuen Baustraße, die im Wesentlichen dem alten Wegverlauf folgt, nicht infolge Unterganges der dienenden Sache, sondern kommt bloß während der Bauzeit zum Ruhen und lebt nach Eröffnung des Verkehrs auf der Baustraße wieder auf (6 Ob 645, 646/88).

Entspricht ein örtlich veränderter Servitutsweg voll oder im Wesentlichen dem ursprünglichen Weg, dann wird durch diese Veränderung die Identität des Rechtsobjekts auch nicht für die Ersitzung berührt (Petrasch in Rummel, ABGB**2, Rz 5 zu § 484). Diese Verlegung des Servitutsweges bringt die Servitut nicht zum Erlöschen (Petrasch aaO Rz 1 zu § 525). Im vorliegenden Fall liegt nun entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes eine in mäßigen und zumutbaren Grenzen gehaltene Veränderung des Servitutsweges vor. Schließlich weicht die Trasse des "neuen Weges" auf der Parzelle 800 maximal ein paar Meter von der Trasse des "alten Weges" ab, auch auf der Parzelle 780 beträgt die Abweichung maximal 10 bis 12 m. Dazu kommt, dass der "neue Weg" zwar mit Zustimmung der Grundeigentümer, nicht aber mit Zustimmung der Servitutsberechtigten errichtet wurde und dieser Weg auch der einzige ist, der in das obere D*****tal führt. Berücksichtigt man all diese Umstände, so kann nicht gesagt werden, die Veränderung durch den "neuen Weg" habe sich nicht in mäßigen und zumutbaren Grenzen gehalten und sei der "neue Weg" mit dem "alten Weg" nicht ident.

Es war daher der Revision stattzugeben und das gegen den Erst- und den Drittbeklagten (letzterer kommt nur als mittelbarer Störer in Frage) abzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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