OGH 8Ob166/70

OGH8Ob166/708.9.1970

SZ 43/145

Normen

ABGB §484
ABGB §484

 

Spruch:

Der vom Eigentümer des dienenden Grundstückes an der Ausübung seines Wegerechtes Behinderte ist nicht berechtigt, ein anderes Grundstück des Verpflichteten als Ersatzweg zu benützen

OGH 8. September 1970, 8 Ob 166/70 (LG Klagenfurt 2 R 163/70; BG Wolfsberg C 615/69 )

Text

Der Kläger begehrte die Feststellung des Nichtbestandes einer Dienstbarkeit des Fahrrechtes auf dem Grundstück 270/6 Privatweg EZ 6 KG P als dienendem Grundstück zugunsten der Beklagten und die Verurteilung der Beklagten zur Unterlassung aller Handlungen, die sich als Ausübung einer solchen Dienstbarkeit darstellen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Daß den Beklagten auf dem Weg 270/6 keine Dienstbarkeit eingeräumt worden sei, stehe unbestritten fest. Festgestellt werde, daß den Beklagten eine Servitut auf dem Weg 269/2 nicht eingeräumt worden sei. Aber auch dann, wenn man die Einräumung einer Servitut auf dem Weg 269/2 annehmen wollte, wäre die Benützung des Weges 270/6 (die infolge der Unmöglichkeit der Benützung des östlichen Teiles des Weges 269/2 erfolge) eine unzulässige Erweiterung der allenfalls bestehenden Servitut, weil ein Wegerecht auf einen neuen Weg nicht erstreckt werden könne.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 15.000 S übersteige. In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht aus: Wegerechte bezögen sich nicht auf die belastete Liegenschaft als Ganzes, sondern nur auf einen bestimmten Weg. Der Berechtigte dürfe daher seine Dienstbarkeit selbst dann nicht auf ein anderes als das im Titel bestimmte Grundstück des Verpflichteten ohne dessen Zustimmung ausdehnen, wenn der Verpflichtete rechtswidrig die Ausübung der Servitut unmöglich mache. Dem Dienstbarkeitsberechtigten stunden in einem solchen Fall bestimmte Rechtsbehelfe zur Verfügung, er dürfe aber nicht eigenmächtig einen anderen Teil der Liegenschaft des Verpflichteten benützen. Die Beklagten hätten nicht behauptet, daß der Kläger ihnen das Recht eingeräumt habe, den Weg 270/6 zu benützen. Zu ihrer Behauptung, daß die Öffentlichkeit ein Geh- und Fahrtrecht an diesem Weg ersessen habe, seien vom Erstrichter keine Feststellungen getroffen worden, dieser Mangel sei aber nicht bekämpft worden und außerdem wäre dieser Umstand aus rechtlichen Gründen bedeutungslos gewesen. Da die Beklagten den Weg 270/6 titellos benützten, wären sie dazu auch dann nicht berechtigt, wenn ihre Behauptung, daß der Kläger ihnen die Dienstbarkeit des Geh- und Fahrrechtes am Bergbauweg 269/2 eingeräumt habe, zuträfe. Die Ausführungen der Revision zur Bekämpfung der Beweiswürdigung und der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes in der Frage der Dienstbarkeit der Beklagten am Weg 269/2 gingen daher ins Leere. Die Ansicht der Revisionswerber, daß sie wegen der Sperre des östlichen Teiles des Weges 269/2 durch den Kläger ohne weiteres das Recht erworben hätten, auf dem Weg 270/6 zu gehen und zu fahren, sei unrichtig. Das Vorgehen der Beklagten könne auch nicht als gerechtfertigte Selbsthilfe im Sinne der §§ 19, 344 ABGB angesehen werden.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Parteien nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Beklagten bekämpfen vor allem die Ansicht des Berufungsgerichtes, es komme auf die Frage, ob ihnen ein Geh- und Fahrtrecht über den Privatweg 269/2 des Klägers zustehe oder nicht, überhaupt nicht an und, da unbestritten feststehe, daß den Beklagten eine Servitut auf dem Weg 270/6 nie eingeräumt, auch die Ersitzung einer solchen Servitut nicht behauptet worden sei, eine titellose Benützung des Weges 270/6 auch dann vorliegen würde, wenn die behauptete Dienstbarkeit am Weg 269/2 bestunde. Die Beklagten vertreten die Meinung, der Kläger müsse die Benützung des Weges 270/6 durch sie dulden, da er sie widerrechtlich an der Weiterbenützung des Weges 269/2 hindere. Es kann den Beklagten aber nicht zugestimmt werden, daß sie für den Fall, daß ihnen auf dem Weg 269/2 eine Dienstbarkeit eingeräumt worden wäre, berechtigt wären, nach Aufreißung des östlichen Teiles dieses Weges durch den Kläger einfach ein anderes Weggrundstück des Klägers zu benützen. Wohl kann der Verpflichtete die Ausübung einer räumlich beschränkten Dienstbarkeit in einer dem Berechtigten unschädlichen Weise verlegen, nicht aber auf ein anderes als das belastete Grundstück, selbst wenn dieses mit dem belasteten Grundstück eine wirtschaftliche Einheit bilden würde, übertragen (Klang in Klang[2] II 565, zu § 844 ABGB, 3 d bei FN 31, 32). Es mag auch das von den Beklagten in der Revision angeführte Beispiel zutreffen, daß die Beklagten berechtigt wären, einen vom Kläger auf dem Servitutsweg aufgerichteten Erdhügel neben dem Servitutsweg zu umfahren. Im vorliegenden Fall handelt es sich aber bei dem Vorgehen der Beklagten um etwas ganz anderes. Dieses Beispiel ist daher nicht geeignet, das Vorgehen der Beklagten zu rechtfertigen. Die Untergerichte sind mit Recht davon ausgegangen, daß der Kläger den Beklagten auch nach deren eigenem Vorbringen, eine Dienstbarkeit auf dem Weg 270/6 nicht eingeräumt hat. Schon aus diesem Grund ist das Begehren des Klägers gerechtfertigt. Der Umstand allein, daß der Kläger die Beklagten daran hindert, einen von ihnen bisher benützten Weg weiter zu gebrauchen, gibt den Beklagten nicht das Recht, über einen anderen Weg des Klägers ohne dessen Erlaubnis zu gehen oder zu fahren. Das Berufungsgericht hat zutreffend ausgeführt, daß die Beklagten gerichtliche Hilfe hätten in Anspruch nehmen können. Wenn sie dies - aus welchem Gründe immer, außer es wäre dieser schuldhaft vom Kläger veranlaßt worden, was nicht behauptet wurde - versäumt haben, müssen sie die Folgen tragen.

Der Revision war somit keine Folge zu geben.

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