OGH 10Ob41/00b

OGH10Ob41/00b23.3.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr, Dr. Steinbauer, Dr. Hopf und Dr. Fellinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D***** GesmbH, *****, vertreten durch Dr. Anton Paul Schaffer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. S***** P***** GesmbH, *****, und 2. Roberto S*****-P*****, dieser vertreten durch Dr. Theodor Strohal, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 1,415.474,70 sA, infolge außerordentlicher Revision der zweitbeklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 17. Dezember 1999, GZ 5 R 206/99x-52, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der zweitbeklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

a) Die Zivilprozessordnung kennt zwei Formen der Streitgenossenschaft: die einfache (formelle oder materielle) Streitgenossenschaft (§ 13 ZPO) und die einheitliche Streitpartei (§ 14 ZPO). Bei der - hier vorliegenden - einfachen Streitgenossenschaft ist im Gegensatz zur einheitlichen Streitpartei jeder Streitgenosse dem Gegner gegenüber selbständig und der Rechtsstreit ist grundsätzlich für jeden Streitgenossen selbständig zu betrachten (RdW 1995, 181 mwN ua). Jeder (einfache) Streitgenosse kann für sich allein auch in Säumnis verfallen (Fucik in Rechberger, ZPO2 Rz 1 zu § 13 mwN). In diesem Fall ist gemäß § 396 ZPO das auf den Gegenstand des Rechtsstreites bezügliche tatsächliche Vorbringen der nicht säumigen Partei, soweit es nicht durch die vorliegenden Beweise widerlegt wird, für wahr zu halten und auf dieser Grundlage auf Antrag der nicht säumigen Partei über das Klagebegehren durch Versäumungsurteil zu erkennen. Dies ist hier in Bezug auf die erstbeklagte Partei geschehen. Durch diese durch § 396 ZPO eingeräumte Möglichkeit des Versäumungsurteiles auch gegen nur einen von mehreren Beklagten auf der Grundlage des Vorbringens in der Klage hat der Gesetzgeber - abgesehen von dem hier nicht vorliegenden Fall der einheitlichen Streitpartei nach § 14 ZPO - selbst einen unterschiedlichen Ausgang des Verfahrens ohne abschließende gemeinsame Beurteilung der Hauptsache in Kauf genommen, wenn sich auf Grund des Beweisverfahrens mit einem weiteren, nicht säumigen Gegner ein gegenteiliger Sachverhalt ergibt.

Auch nach der vom Revisionswerber zitierten Lehrmeinung von Fasching II Anm 2 zu § 13 ZPO können die Urteile gegen mehrere (einfache) Streitgenossen miteinander im Widerspruch stehen, sobald entweder der Sachverhalt nicht gemeinsam ist oder nicht einheitlich der Grundsatz der freien Beweiswürdigung zur Anwendung gelangen kann. Letzteres besagt, dass dann, wenn Verhandlung, Beweisaufnahme und Urteil gemeinsam erfolgen, alle für die Streitgenossen gemeinsamen Beweismittel bei freier richterlicher Beweiswürdigung grundsätzlich auch dieselbe Würdigung finden müssen (Fasching aaO). Mit diesen Ausführungen von Fasching steht die vorliegende Entscheidung nicht im Widerspruch, weil, wie bereits erwähnt, dem gegen die erstbeklagte Partei ergangenen Versäumungsurteil ausschließlich das Tatsachenvorbringen in der Klage zugrunde zu legen war, während dem gegen den Zweitbeklagten ergangenen Urteil der auf Grund eines Beweisverfahrens in freier Beweiswürdigung festgestellte Sachverhalt zugrunde liegt.

b) Das Berufungsgericht ist auch nicht von der ständigen Rechtsprechung abgewichen, wonach der nicht im vorhinein fix vereinbarte Werklohn erst mit der Rechnungslegung fällig wird (vgl MGA, ABGB35 ENr 22 zu § 1170 mwN ua). Nach den Feststellungen wurde nämlich über eigenen Wunsch des Zweitbeklagten vereinbart, dass die Rechnung von der klagenden Partei an die "noch zu gründende tschechische Firma" (gemeint: Firma M***** P***** S***** mit Sitz in Prag) zu legen sei. Die klagende Partei adressierte die Rechnung vereinbarungsgemäß und ließ der tschechischen Firma eine Ausfertigung der Rechnung über Dr. F***** zukommen. Der Zweitbeklagte hat im Verfahren erster Instanz die von der klagenden Partei behauptete Vornahme der Rechnungslegung gegenüber dieser tschechischen Firma nicht - substantiiert - bestritten, sondern lediglich eingewendet, dass eine Rechnungslegung an ihn nicht erfolgt sei. Auf sein diesbezügliches erstmals in der Revision erstattetes Vorbringen ist daher nicht weiter Bedacht zu nehmen.

c) Ob im Hinblick auf den Inhalt der Prozessbehauptungen eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist, ist eine Frage des Einzelfalles, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung keine erhebliche Bedeutung zukommt. Auch ob ein erstattetes Vorbringen soweit spezifiziert ist, dass es als Anspruchsgrundlage hinreicht bzw wie weit ein bestimmtes Vorbringen einer Konkretisierung zugänglich ist, ist eine Frage des Einzelfalles (RIS-Justiz RS0042828 mwN ua). Die Frage, wie im Einzelfall das Tatsachenvorbringen eines Klägers im Verfahren erster Instanz zu verstehen ist und welche Schlussfolgerungen in tatsächlicher Hinsicht aus diesem Vorbringen abzuleiten sind, ist somit keine erhebliche Rechtsfrage (7 Ob 343/99p mwN ua).

Wenn das Berufungsgericht das Vorbringen der klagenden Partei (auch) für die von den Vorinstanzen angenommene Vertragsbeziehung zwischen den Streitteilen als ausreichend und konkretisiert genug erachtete, so war dies weder mit der Aktenlage unvereinbar noch kommt dem eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu.

d) Schließlich kommt auch der Frage, ob das Berufungsgericht in der Frage der gesetzmäßigen Ausführung der Tatsachenrüge von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen ist, schon deshalb keine entscheidungswesentliche Bedeutung zu, weil das Berufungsgericht ohnedies auch inhaltlich zu den in der Berufung enthaltenen Ausführungen zur Tatsachenrüge Stellung genommen hat und die vom Zweitbeklagten bekämpfte Feststellung als Ergebnis einer unbedenklichen und schlüssigen Beweiswürdigung übernommen hat.

Mangels erheblicher Rechtsfragen ist die außerordentliche Revision des Zweitbeklagten zurückzuweisen.

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