OGH 1Ob266/99w

OGH1Ob266/99w22.2.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Wilhelm Noverka, Rechtsanwalt, Wien 17, Hernalser Hauptstraße 116, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der H***** Gesellschaft mbH, wider die beklagten Parteien 1) M***** Aktiengesellschaft, ***** 2) J.***** Gesellschaft mbH, ***** 3) C***** Gesellschaft mbH, ***** und 4) S***** Gesellschaft mbH, ***** erst- und drittbeklagte Partei vertreten durch Putz & Partner, Rechtsanwälte in Wien, zweit- und viertbeklagte Partei vertreten durch Schuppich, Sporn & Winischhofer, Rechtsanwälte in Wien, wegen 9,184 Mio S sA infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgerichts vom 20. Mai 1999, GZ 1 R 74/99f-11, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 18. Juni 1999, GZ 1 R 74/99f-12, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 16. November 1998, GZ 23 Cg 180/98s-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Akten werden dem Erstgericht zurückgestellt.

Text

Begründung

Die nun durch den klagenden Masseverwalter vertretene Gemeinschuldnerin und die vier beklagten Formkaufleute hatten sich zur Errichtung diverser haustechnischer Anlagen des Wiener Allgemeinen Krankenhauses (AKH) zur Arbeitsgemeinschaft Heizung Lüftung Klima Neubau Allgemeines Krankenhaus Wien (im folgenden nur ARGE) zusammengeschlossen. Die ARGE hatte ihre Tätigkeit in den 70er Jahren aufgenommen und das letzte Gewerk 1991 übergeben. Anlässlich der Sitzung des Firmenrats der ARGE am 3. November 1993 beschlossen die Gesellschafter im Hinblick auf allenfalls verdeckte Mängel des erstellten Gewerks zur Sicherstellung der Regressansprüche gegen den für den Mangel verantwortlichen Gesellschafter die Beibringung einer Bankgarantie durch alle Gesellschafter in Höhe von 0,75 % der jeweiligen Nettoabrechnungssumme. Diese Bankgarantien wurden ordnungsgemäß bei einem Treuhänder hinterlegt. Am 16. März 1994 schlossen die Streitteile die "Vereinbarung betreffend Absicherung künftiger Schadenersatzansprüche aus der ARGE ..." Beilage 2 mit folgendem hier wesentlichen Inhalt:

"1. Vorbemerkung

Die auf der Seite 3 dieser Vereinbarung angeführten ehemaligen Partner der ARGE ... sind sich einig darüber, dass infolge der seit Abschluss des ARGE-Vertrags geänderten Rechtsprechung zum Thema "Gewährleistung in Konkurrenz zum Schadenersatz" über den Gewährleistungszeitraum hinaus für den Auftraggeber, die ARGE ... der Republik Österreich und der Gemeinde Wien, die Möglichkeit besteht, für in den nächsten 27 Jahren auftretende verborgene Mängel, die auf schuldhaftes Verhalten eines ARGE-Partners oder seines Subunternehmens oder Lieferanten zurückzuführen sind, Schadenersatz zu begehren. Wegen der Grösse des Bauvorhabens können solche Schäden beträchtlich sein; sie sind als Schäden am eigenen Gewerk durch die Haftpflichtversicherung nicht gedeckt.

2. Sicherstellung

Die ehemaligen Partner der ARGE ... kommen überein, sich gegenseitig gegen solche Schadenerstzansprüche in einem vernünftigen Mass abzusichern. Sie werden daher als Absicherung Bankgarantien oder Versicherungsbriefe in Höhe von 0,75 % der jeweiligen Netto-Auftragssumme für zunächst 5 Jahre ab dem 1.1.1994 zur Verfügung stellen.

3. Inanspruchnahme der Sicherstellung

3.1 Die vertragschliessenden Partner kommen überein, dass im Falle der Insolvenz oder der Liquidation eines Partners dessen Sicherstellung als pauschalierter Schadenersatz zu Gunsten der dann noch verbleibenden Partner verfällt. Diese Vertragsstrafe ist verschuldensunabhängig und unterliegt keinem richterlichen Mäßigungsrecht.

..."

Nachdem über das Vermögen der (späteren) Gemeinschuldnerin mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 28. November 1995 der Konkurs eröffnet und der Kläger zum Masseverwalter bestellt worden waren, nahmen die beklagten Parteien die von der Gemeinschuldnerin in Auftrag gegebene Bankgarantie von 9,184 Mio S in Anspruch.

Der Kläger begehrte von den beklagten Parteien die Rückzahlung des von ihnen in Anspruch genommenen Bankgarantiebetrags, weil Punkt 3.1 der Vereinbarung Beilage 2 aus im einzelnen genannten Gründen sittenwidrig sei und zu einem unbegründeten Vermögensvorteil der beklagten Parteien führe, zumal auf Klagsseite die Bereitschaft bestehe, konform mit den anderen ARGE-Partnern weiterhin Sicherheit durch Beibringung entsprechender Bankgarantien zu leisten. Überdies verstoße die vertragliche Regelung gegen § 21 KO, weil sie dem Masseverwalter das Wahlrecht nehme, Verträge aufrecht zu erhalten oder von diesen zurückzutreten, was ebenfalls Nichtigkeit nach sich ziehe.

Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab, die beklagten Parteien seien zur gesamten Hand schuldig, dem Kläger 9,184 Mio S sA "Zug um Zug gegen Übergabe einer Bankgarantie einer österreichischen Großbank mit einem Höchstbetrag von" 9,184 Mio S "und einer Laufzeit bis 31. Dezember 1998 oder einen allenfalls späteren Termin, wenn die Beklagten einen alle Arbeitsgesellschafter gleichmäßig treffenden Mehrheitsbeschluss über eine solche Verlängerung gefasst haben sollten", hilfsweise Zug um Zug "gegenüber (gemeint: "gegen Übergabe") einer Bankgarantie einer österreichischen Großbank mit einem Höchstbetrag" von 9,184 Mio S "mit einer Laufzeit bis zum 31. Dezember 2021" zu bezahlen.

Rechtliche Beurteilung

a) Zeitgleich mit der Verfügung der Aktenvorlage durch das Erstgericht (13. September 1999), somit noch vor der Vorlage der Noten an den Obersten Gerichtshof zur Entscheidung über die von der klagenden Partei erhobene ordentliche Revision, wurde über das Vermögen der zweitbeklagten Partei mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 13. September 1999, GZ 42 S 422/99m-1, der Anschlusskonkurs eröffnet und Rechtsanwalt Dr. Hans Rant zum Masseverwalter bestellt.

Das Verfahren ist daher gemäß § 7 Abs 1 KO seit 13. September 1999 unterbrochen. Die Konkurseröffnung ist auch im Rechtsmittelverfahren von Amts wegen zu berücksichtigen (SZ 63/56 ua). Verfällt eine der Parteien nach Erhebung der Revision in Konkurs, so ist über dieses Rechtsmittel, sofern - wie hier - ein zur Konkursmasse gehöriges Vermögen Gegenstand des Rechtsstreits ist, während der gemäß § 7 Abs 1 KO eintretenden Unterbrechung nicht zu entscheiden; die Akten sind vielmehr vorerst unerledigt dem Erstgericht zurückzustellen (stRspr: JBl 1968, 528 = EvBl 1968/244 unter Ablehnung der gegenteiligen Lehre; SZ 56/32, SZ 59/45 uva; zuletzt 1 Ob 371/98k uva, RIS-Justiz RS0036752). Die Ausnahmebestimmung des § 163 Abs 3 ZPO, wonach durch die nach Schluss einer mündlichen Verhandlung eintretende Unterbrechung die Verkündung der auf Grund dieser Verhandlung zu erlassenden Entscheidung nicht gehindert wird, ist entgegen der Auffassung von Fasching (zuletzt in Lehrbuch2 Rz 598) nach nun stRspr (ecolex 1992, 557; RZ 1992/21, je mwN ua, zuletzt 1 Ob 371/98k) nicht im Wege einer ausdehnenden Auslegung auch auf Entscheidungen über die vor der Konkurseröffnung eingebrachten Rechtsmittel, über die in nichtöffentlicher Sitzung zu entscheiden ist, anzuwenden.

b) Auf Streitgenossen des Gemeinschuldners wirkt zufolge § 7 Abs 1 zweiter Satz ZPO die nach § 7 KO eintretende Verfahrensunterbrechung nur dann, wenn sie mit dem Gemeinschuldner eine einheitliche Streitpartei nach § 14 ZPO bilden. Eine solche einheitliche Streitpartei bilden Streitgenossen dann, wenn sich die Wirkung des zu fällenden Urteils kraft der Beschaffenheit des streitigen Rechtsverhältnisses oder kraft gesetzlicher Vorschrift auf sämtliche Streitgenossen erstreckt. Das ist dann der Fall, wenn für sämtliche Streitgenossen aus der Einheitlichkeit des rechtserzeugenden Sachverhalts ein allen Streitgenossen gemeinsames Begehren abgeleitet wird, wie etwa bei vollständiger Identität des Streitgegenstands, oder wenn die Kläger nur gemeinschaftlich über den strittigen Anspruch verfügen können, oder wenn das allen Streitgenossen gemeinschaftliche Rechtsverhältnis seiner Natur nach nur gegen alle oder für alle einheitlich festgestellt oder gestaltet werden kann (EvBl 1976/67; SZ 51/4, SZ 53/9; 8 Ob 103/98z uva; Fucik in Rechberger2, § 14 ZPO Rz 1 mwN; Fasching II 194 und Lehrbuch2 Rz 374) bzw wenn wegen der Nichterfassung aller Beteiligten durch divergierende Entscheidungen die Gefahr unlösbarer Verwicklungen heraufbeschworen würde (SZ 53/2; EvBl 1996/3 uva; RIS-Justiz RS0035479; Fucik aaO Rz 1).

Arbeitsgemeinschaften sind Gesellschaften bürgerlichen Rechts (GesbR), denen keine Rechtspersönlichkeit zukommt. Zurechnungssubjekte der Rechte und Pflichten sind vielmehr deren Gesellschafter, die auch Vertragspartner des Dritten sind (SZ 52/109 ua). Sind die Gesellschafter - wie hier - (Form)Kaufleute, haften sie gemäß § 1203 zweiter Satz ABGB dem Bauherrn und Werkbesteller solidarisch für die ordnungsgemäße Erfüllung. Soweit der Regressberechtigte und der Regresspflichtige dem geschädigten Dritten gegenüber solidarisch haften, gilt § 896 ABGB (vgl dazu auch Jabornegg/Resch in Schwimann, ABGB2 § 1203 Rz 10).

Im vorliegenden Fall ist die von den Partnern der ARGE und somit Gesellschaftern einer GesbR getroffene Vereinbarung Beilage 2 inhaltlich als Ergänzung des Gesellschaftsvertrags für den möglichen Regressfall, dass ein Gesellschafter von den Werkbestellern in Anspruch genommen wird anzusehen. Das Begehren des Masseverwalters kann nur dann erfolgreich sein, wenn Punkt 3.1 der Vereinbarung Beilage 2 insgesamt, somit allen anderen - nun beklagten - Gesellschaftern, gegenüber aus den von ihm behaupteten Rechtsgründen keine Rechtswirksamkeit entfaltet. Zwar wurde in 9 ObA 257/98d (= ARD 5020/6/99 = RdW 1999, 548 zu entlassungsabhängigen Geldansprüche gegen die Gesellschafter eines GesbR) ausgesprochen, Schadenersatzansprüche bzw Vertragsleistungen begründeten infolge der materiellen Verfügungs- und Gestaltungsberechtigung der einzelnen Gesellschafter durch Anerkenntnis bzw Vergleich etc nicht die Befürchtung unlösbarer Verwicklungen, doch ist der vorliegende Fall dem dort zu beurteilenden Sachverhalt nicht vergleichbar: Ist das Ausmaß der gesellschaftlichen Beteiligung an einer GesbR Prozessgegenstand, so bilden die Gesellschafter auf der Kläger- bzw Beklagtenseite eine einheitliche Streitpartei iSd § 14 ZPO (GesRZ 1985, 32; RIS-Justiz RS0035458; Strasser in Rummel2, § 1175 ABGB Rz 29 mwN; Jabornegg/Resch in Schwimann2, § 1175 ABGB Rz 23). Der vorliegende Fall ist dem vergleichbar, geht es doch inhaltlich um das in Gestalt der ihren Gesellschaftsvertrag ergänzenden Vereinbarung Beilage 2 zu beurteilende Rechtsverhältnis der Gesellschafter der GesbR untereinander, das seiner Natur nach nur gegen alle oder für alle Gesellschafter (Streitparteien) einheitlich festgestellt werden kann: Würde dem Klagebegehren gegen die drei nicht im Konkursverfahren beklagten Gesellschaften stattgegeben werden, weil das Gericht Punkt 3.1 der Vereinbarung vom 16. März 1994 (Beilage 2) als sittenwidrig bzw gegen zwingendes Konkursrecht verstoßend und damit als unwirksam beurteilte, würde es indes gegen die zweitbeklagte Partei (in einem fortgesetzten Verfahren) abgewiesen werden, weil das Gericht dort die Wirksamkeit der erwähnten Vertragsbestimmung bejahte, so zeitigte der unterschiedliche Ausgang der Verfahren das Ergebnis, dass das den "verbleibenden Partnern" zwar gemeinsam zugestandene Recht (Verfall der Sicherstellung als pauschalierter Schadenersatz zu deren Gunsten) einzelnen Partnern wirksam, den anderen hingegen ohne Rechtswirksamkeit eingeräumt worden wäre. Bei Streitigkeiten zwischen Personen, die untereinander in Rechtsgemeinschaft stehen, wird deshalb auch - wie schon erwähnt -, regelmäßig eine einheitliche Streitpartei gemäß § 14 ZPO angenommen (GesRZ 1985, 32 mwN). Auf die Befürchtung unlösbarer Verwicklungen infolge divergierender Entscheidungen in Ansehung der prozessbeteiligten Gesellschafter der GesbR kommt es demnach gar nicht mehr an.

Es besteht somit ein Hindernis, auch über die Revision der klagenden Partei im Verfahren gegen die übrigen drei beklagten Parteien zu entscheiden, weshalb die Unterbrechung des Verfahrens infolge Eröffnung des Konkurses über die zweitbeklagte Partei als eine der Gesellschafterinnen des GesbR auch zur Unterbrechung des Verfahrens gegen die anderen Gesellschafter führen muss.

Demnach sind die Akten dem Erstgericht zurückzustellen.

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