OGH 9ObA257/98d

OGH9ObA257/98d23.12.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Spenling sowie durch die fachkundigen Laienrichter MR Mag. Gerhard Puschner und Mag. Karl Dirschmied als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Hannes H*****, Fleischhauer, ***** vertreten durch Dr. Peter Zöchbauer, Rechtsanwalt in St. Pölten, wider die beklagten Parteien 1. Hans A*****, Fleischhauer, ***** vertreten durch Dr. Karl Haas und Dr. Georg Lugert, Rechtsanwaltspartnerschaft in St. Pölten,

2. Christine A*****, Geschäftsfrau, ***** vertreten durch Dr. Stefan Gloß und andere, Rechtsanwälte in St. Pölten, wegen S 135.068,45 brutto sA, infolge Revision der erstbeklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. Mai 1998, GZ 7 Ra 84/98v-20, womit infolge Berufung der erst- und zweitbeklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten als Arbeits- und Sozialgericht vom 17. September 1997, GZ 6 Cga 23/97m-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die erstbeklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S

8.112 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 1.352 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht hat zutreffend die Rechtswirksamkeit des Entlassungsausspruches durch die Zweitbeklagte bejaht und Verfall bzw Verjährung der geltend gemachten Ansprüche verneint. Insoweit reicht es daher aus, auf die Richtigkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung hinzuweisen (§ 510 Abs 3 zweiter Satz ZPO).

Dem Revisionswerber ist ergänzend folgendes entgegenzuhalten:

Eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist keine juristische Person und auch keine Gesellschaft des Handelsrechts. Sie kann daher mangels eigener Rechtspersönlichkeit von vornherein nicht Arbeitgeber sein. Arbeitgeber sind nur die einzelnen Gesellschafter, die im eigenen Namen Arbeitgeberfunktionen ausgeübt haben (DRdA 1994/37 [Kürner]; WBl 1994, 408). Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist auch nicht parteifähig. Im Prozeß haben die Gesellschafter als Prozeßparteien aufzutreten (SZ 53/2; 2 Ob 2398/96b). Dabei bilden die Gesellschafter als materielle Streitgenossen nur dann auch eine einheitliche Streitgenossenschaft im Sinne des § 14 ZPO, wenn sich die Wirkung des zu fällenden Urteiles kraft Beschaffenheit des streitigen Rechtsverhältnisses auf alle Streitgenossen erstreckt; wenn also ein den Streitgenossen gemeinschaftliches Rechtsverhältnis nur für oder gegen alle festgestellt werden kann (SZ 53/9, 1 Ob 727/85), weil wegen Nichterfassung aller Beteiligter die Gefahr unlösbarer Verwicklungen durch divergierende Entscheidungen besteht (MietSlg 41.537; 2 Ob 526/95 ua). Die Gesellschafter bürgerlichen Rechts handeln im Rechtsverkehr nach außen persönlich. Soweit das gemeinsame Recht oder die gemeinsame Verpflichtung einen teilbaren Gegenstand betrifft, erfolgt eine Zerlegung in Teilrechte oder Teilpflichten der Gesellschafter, allenfalls unter Berücksichtigung der solidarischen Berechtigung oder Verpflichtung aller. Dies führt aber noch nicht zu einer einheitlichen Streitgenossenschaft (Kralik, Streitgenossen als einheitliche Streitparteien ÖJZ 1963, 113 ff [117]). Ob die Wirkung des Urteils sich auf sämtliche Streitgenossen erstrecken muß, richtet sich nach der besonderen Gestaltung des Rechtsverhältnisses, sohin nach dem materiellen bürgerlichen Recht (Holzhammer, Bemerkungen zur einheitlichen Streitpartei ÖJZ 1959, 619).

Im vorliegenden Fall ist nicht das gemeinsame Rechtsverhältnis der Gesellschafter zum Kläger Gegenstand des Verfahrens, sondern Geldansprüche aus diesem Rechtsverhältnis, so daß Urteile, die dem einen Gesellschafter gegenüber den Anspruch bejahen und dem anderen gegenüber nicht, keine Unverträglichkeit in ihren Wirkungen nach sich ziehen (Kralik aaO 114). Schadenersatzansprüche bzw Vertragsleistungen begründen infolge der materiellen Verfügungs- und Gestaltungsberechtigung der einzelnen Gesellschafter durch Anerkenntnis bzw Vergleich etc nicht die Befürchtung unlösbarer Verwicklungen (MietSlg 44.725).

Das bedeutet, daß mangels einer einheitlichen Streitgenossenschaft das Unterbleiben eines Rechtsmittels der zweitbeklagten Partei die Erledigung der Revision des Erstbeklagten nicht hindert und sich diese auch nicht auf die Zweitbeklagte erstreckt.

Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist nicht Angelegenheit eines einzelnen Gesellschafters, sondern fällt in den Kompetenzbereich der gemeinsamen Vertretung aller Gesellschafter oder bedarf einer sonstigen einvernehmlichen Handlung der Gesellschafter (Krejci, Das Recht der Arbeitsgemeinschaften in der Bauwirtschaft 110) bzw ist bei Vollmachtsüberschreitung durch einen Gesellschafter eine nachträgliche Genehmigung der übrigen erforderlich (Schwarz, Arbeitsgemeinschaften im Baugewerbe, DRdA 1953 (9), 20).

Ob die Zweitbeklagte im Innenverhältnis der Gesellschaft berechtigt war, den Kläger zu entlassen, ist hier nicht mehr von Belang.

Der Erstbeklagte bestreitet im wesentlichen nämlich nicht die Befugnis der Zweitbeklagten zur Auflösung des Dienstverhältnisses des Klägers mit Wirkung für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts der beklagten Parteien. Er meint nur, daß durch die Übereinkunft zwischen ihm und dem Kläger nach Ausspruch der Entlassung, daß das Arbeitsverhältnis zum Erstbeklagten fortgesetzt werde und der Kläger nicht mehr für die Zweitbeklagte arbeiten werde, die Rechtswirkung der Entlassung einvernehmlich beseitigt worden sei. Dem ist entgegenzuhalten, daß ein Widerruf der Entlassung nur sofort unmittelbar nach Abgabe der Erklärung, was hier nicht zutrifft, oder in beiderseitigem Einvernehmen zulässig ist (Arb 11.014). Der Erstbeklagte hat die Entlassung durch die Zweitbeklagte aber weder rückgängig gemacht, noch sonst zum Ausdruck gebracht, daß er ihre Erklärung nicht genehmige, sondern ist davon ausgegangen, daß der Kläger sich wegen seiner Ansprüche aus der Beendigung des Arbeitsverhältnisses an die Zweitbeklagte halten soll. Er ersuchte den Kläger, ihm noch bis zur Schließung des Fleischerbetriebes zu helfen. Der Kläger erklärte darauf ausdrücklich, nur noch für den Erstbeklagten zu arbeiten. Daraus ergibt sich aber, daß entgegen dem der Entscheidung Arb 11.014 = SZ 65/30 zugrundeliegenden Fall nicht eine Fortsetzung des zur Gesellschaft bürgerlichen Rechts bestandenen Arbeitsverhältnisses beabsichtigt war, sondern sich der einvernehmliche Wille auf Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses nunmehr nicht zur Gesellschaft bürgerlichen Rechts, sondern zum Erstbeklagten persönlich im Rahmen dessen Betriebsteils richtete. Es wurde daher das einheitliche Arbeitsverhältnis nicht wieder in Funktion gesetzt und die Rechtswirkungen der Entlassung hinsichtlich der Gesellschaft bürgerlichen Rechts nicht beseitigt, sondern der Erstbeklagte hat die Entlassung durch die Zweitbeklagte insoferne auch genehmigt. Für die Ansprüche gegenüber der Gesellschaft bürgerlichen Rechts haftet daher der Erstbeklagte weiterhin solidarisch (Schwarz aaO 20 f; Welser die Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Gläubiger und Schuldner GesRZ 1978, 141 f).

Ob die Entlassung berechtigt war, ist nicht zu prüfen.

Der Revisionswerber übersieht nämlich, daß beide Beklagte in erster Instanz keine Rechtfertigungsgründe für die Entlassung behauptet haben. Der Erstbeklagte ging in erster Instanz sogar von einer zu Unrecht ausgesprochenen Kündigung (Entlassung) vom 20. 8. 1996 aus. Die Zweitbeklagte brachte nur vor, daß sie nicht zur Entlassung berechtigt gewesen sei. Da sohin den entlassungsabhängigen Ansprüchen des Klägers die Berechtigung der Entlassung und gerechtfertigte Gründe hiefür nicht entgegengesetzt wurden, stehen diese Ansprüche, weil auch die Verjährung nicht eingetreten ist, dem Kläger zu.

Die überschießenden Feststellungen der Vorinstanzen über den Entlassungsgrund nützen dem Erstbeklagten selbst unter Berücksichtigung des Umstandes nichts, daß die in der gegenüber der Zweitbeklagten rechtskräftigen Entscheidung gelöste Vorfrage der Entlassung ihm gegenüber nicht in Rechtskraft erwuchs und auch mangels Parteienidentität keine Bindungswirkung erzeugte und sohin grundsätzlich selbständig geprüft werden könnte (SZ 68/2; 1 Ob 536/94; 9 ObA 103/95; 5 Ob 2267/96k). Auf "überschießende Feststellung" ist nur dann Bedacht zu nehmen, wenn sie in den Rahmen eines bestimmten Klagegrundes oder einer bestimmten Einwendung fallen (SZ 61/135; RIS-Justiz RS0037972). Der für die anspruchsvernichtende Berechtigung der Entlassung beweispflichtige, bereits in erster Instanz qualifiziert vertretene Erstbeklagte (Kuderna Entlassungsrecht2 49) hat in erster Instanz hiezu nichts vorgebracht. Seine diesbezüglichen Ausführungen im Rechtsmittelverfahren sind daher nicht mehr beachtlich.

Die außergerichtliche Geltendmachung der Ansprüche des Arbeitnehmers zur Vermeidung der Rechtswirkungen des Verfalls bedarf in der Regel keiner ziffernmäßigen Konkretisierung. Es muß dem Arbeitgeber nur erkennbar sein, welche Ansprüche ihrer Art nach gemeint sind (Schwarz/Löschnigg, Arbeitsrecht6 359 mwN; 8 ObA 2341/96i; 9 ObA 80/98z ua). Da der Kläger dem Erstbeklagten gegenüber anläßlich der Entlassung durch die Zweitbeklagte erklärt hat, daß ihm aufgrund der ungerechtfertigten Entlassung alle Ansprüche, wie zB die Abfertigung zustehen, war damit für den Erstbeklagten als Dienstgeber auch erkennbar, daß damit alle entlassungsabhängigen bzw alle durch die unberechtigte Entlassung fällig werdenden Ansprüche gemeint sind. Eine weitere Konkretisierung war daher nicht erforderlich. Im Hinblick auf die am 20. 8. 1996 ausgesprochene Entlassung und die Klageeinbringung am 5. 2. 1997 kann kein Zweifel bestehen, daß die nicht verfallenen Ansprüche auch innerhalb der dreijährigen Verjährungszeit des § 20 des Bundeskollektivvertrages geltend gemacht wurden. Feststellungen über den Zeitpunkt von Vergleichsverhandlungen, die eine Hemmung der Verjährung bewirkt hätten, waren daher entbehrlich.

Da die Verjährung des Urlaubsanspruches erst eintreten kann, wenn mindestens drei Jahre überhaupt kein Urlaub verbraucht worden ist, andererseits die Urlaubsübertragung nicht verbrauchten Urlaubes automatisch vor sich geht, immer der alte Urlaub vor dem neuen Urlaub verbraucht wird (Kuderna Urlaubsrecht2 Rz 34 zu § 4; Cerny Urlaubsrecht7 145 f), ergibt sich von selbst, daß bei dem festgestellten offenen Urlaubsausmaß von 52 Tagen aus den Vorjahren und 6 Urlaubstagen aus 1996 Verjährung nicht vorliegen kann. Da der im neuen Urlaubsjahr 1996 angetretene Urlaub von 19 Urlaubstagen auf einen nicht verbrauchten und verjährten Urlaubsrest anzurechnen ist (Kuderna aaO Rz 34) und den laufenden Urlaubsanspruch 1996 nicht schmälert, ist bei 58 offenen Urlaubstagen (Urlaubsrest aus den Vorjahren und aus 1996) eindeutig, daß bei einem Urlaubsanspruch des Klägers von jährlich 25 Arbeitstagen nur die Urlaube 1994, 1995 und 1996 auf ihre Verjährung zu prüfen sind. Da dem Arbeitnehmer aber für den Verbrauch des Urlaubs drei Jahre zur Verfügung stehen, liegt Verjährung ungeachtet des Umstandes, ob Vergleichsverhandlungen gepflogen wurden, nicht vor.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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