OGH 15Os179/99 (15Os180/99)

OGH15Os179/99 (15Os180/99)17.2.2000

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Feber 2000 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder, Dr. Schmucker, Dr. Zehetner und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Mezera als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Josefine N***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens nach § 28 Abs 2 zweiter und dritter Fall, Abs 3 erster Fall SMG und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Günther S***** sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 5. Oktober 1999, GZ 25 Vr 1084/99-51, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Weiß, der Angeklagten sowie der Verteidiger Dr. Barmüller und Mag. Kraupa zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung des Angeklagten S***** wird nicht, hingegen wird jener der Staatsanwaltschaft Folge gegeben; die verhängten Freiheitsstrafen werden bei Josefine N***** (unter Ausschaltung der Anwendung des § 43 a Abs 3 StPO) auf zweieinhalb Jahre und bei Günther S***** auf drei Jahre erhöht.

Der Beschwerde der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben; gemäß § 53 Abs 1 StGB, § 494a Abs 1 Z 4 StPO werden die Josefine N***** im Verfahren 25 EVr 1368/97 des Landesgerichtes Linz ausgesprochene bedingte Nachsicht einer Geldstrafe und die über Günther S***** im Verfahren 21 Vr 850/98 des Landesgerichtes Linz ausgesprochene bedingte Nachsicht eines Teils einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von acht Monaten widerrufen.

Gemäss § 390 a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Josefine N***** des Vergehens nach § 27 Abs 1 sechster Fall, Abs 2 Z 2 erster Fall SMG (I 1 bis 4 a und b) und des Verbrechens nach § 28 Abs 2 zweiter und dritter Fall, Abs 3 erster Fall SMG (II) sowie Günther S***** des teils als Beitragstäter nach § 12 dritter Fall StGB begangenen, teilweise im Stadium des Versuchs nach § 15 StGB verbliebenen Vergehens nach § 27 Abs 1 sechster Fall, Abs 2 Z 2 erster Fall SMG (I 2, 3 und 4 c) und des Verbrechens nach § 28 Abs 2 zweiter und dritter Fall, Abs 3 erster Fall SMG (II) schuldig erkannt.

Danach haben (zusammengefasst und den missverständlichen Urteilsspruch des Erstgerichtes im Sinne von US 3 und 15 korrigierend wiedergegeben) in Linz und anderen Orten den bestehenden Vorschriften zuwider

I. Suchtgifte (mit einem im Urteil jeweils detailliert angeführten Reinheitsgrad) gewerbsmäßig durch Verkauf und Übergabe anderen überlassen bzw zu überlassen versucht, und zwar

1. Josefine N***** Mitte Februar 1999 0,2 Gramm Heroin an einen verdeckten Ermittler,

2. Josefine N***** und Günther S***** als Beteiligter nach § 12 dritter Fall StGB am 10. Mai 1999 0,4 Gramm Heroin an einen verdeckten Ermittler,

3. Josefine N***** und Günther S***** als Beteiligter nach § 12 dritter Fall StGB am 25. Mai 1999 0,5 Gramm Heroin, 0,5 Gramm Kokain und 2,4 Gramm Cannabisharz an einen verdeckten Ermittler,

4. am 7. Juli 1999

a) und b) Josefine N***** und Günther S***** im einverständlichen Zusammenwirken in zwei Angriffen insgesamt 40,4 Gramm Heroin an einen verdeckten Ermittler,

c) Günther S***** 10,4 Gramm Heroin an Klaus K*****, wobei die Tat infolge Einschreitens der Sicherheitsbehörden beim Versuch geblieben ist;

II. Josefine N***** und Günther S***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken Suchtgift in einer großen Menge (§ 28 Abs 6 SMG) gewerbsmäßig durch Schmuggel von den Niederlanden aus- und nach Österreich eingeführt, und zwar

1.) am 24. Mai 1999 50 Gramm Kokain und eine unbekannte Menge Heroin,

2.) am 6. Juli 1999 50,8 Gramm Heroin, 51,5 Gramm Kokain, 4,6 Gramm Amphytamin, rund 60,2 Gramm Cannabisharz (brutto) und rund 3,2 Gramm Cannabisharz (netto).

Während die Angeklagte N***** den Schuldspruch in Rechtskraft erwachsen ließ, bekämpft der Angeklagte S***** den ihn treffenden Schuldspruch mit Nichtigkeitsbeschwerde gestützt auf die Z 5, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO.

Rechtliche Beurteilung

Als Begründungsmangel (Z 5) rügt der Beschwerdeführer die unterbliebene Erörterung eines aus der Untersuchungshaft an einen Bekannten gerichteten, in der Hauptverhandlung verlesenen (S 435 I) Schreibens (S 355 f I), ohne jedoch einen von seinen mündlichen Angaben abweichenden Inhalt auch nur zu behaupten. Mit der leugnenden Verantwortung des Angeklagten in der Hauptverhandlung und im Vorverfahren hat sich das Erstgericht jedoch auseinandergesetzt und sie insbesondere unter Hinweis auf die Angaben des verdeckten Ermittlers der Polizei, die Ergebnisse der Telefonüberwachung, den Inhalt von Kalenderaufzeichnungen und das bei der Festnahme des Beschwerdeführers sichergestellte Suchtgift schlüssig als unglaubwürdig verworfen (US 11 bis 15). Die vermisste Erörterung war daher als für die Entscheidung unwesentlich nicht geboten.

Die Feststellungsmängel zur objektiven und subjektiven Tatseite bei allen Punkten des Schuldspruches, "zumindest aber hinsichtlich der Fahrt des Zweitangeklagten im Mai 1999 nach Holland" (gemeint: Punkt II 1 des Schuldspruches) reklamierende Rechtsrüge (Z 9 lit a) ist nicht prozessordnungsgemäß ausgeführt. Einerseit hat es der Beschwerdeführer verabsäumt, darzulegen, welche Konstatierungen das Erstgericht infolge rechtsirrtümlicher Gesetzesauslegung unterlassen habe (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 9a E 5c), andererseits übergeht er die vom Erstgericht sehr wohl - wenn auch zum Teil erst im Rahmen der Beweiswürdigung und der rechtlichen Erwägungen - zu sämtlichen Schuldspruchfakten getroffenen, zur Tatbestandsverwirklichung hinreichenden Feststellungen (vgl US 10/11, 12 und 15).

Entgegen der Subsumtionsrüge (Z 10) verblieben die in I 2 und 3 festgestellten Suchtgiftverkäufe nicht im Versuchsstadium. Ein Suchtgift wird dann "einem anderen überlassen" (§ 27 Abs 1 SMG), wenn der (bisherige) Gewahrsamsinhaber einem anderen durch einen tatsächlichen oder rechtlichen Vorgang zumindest zeitweilig Gewahrsam daran, somit die Verfügungsgewalt über dieses verschafft hat (SSt 50/43), und zwar unbeschadet dessen, dass es sich beim Übernehmer um einen verdeckten Ermittler handelt und das Suchtgift letztlich sicherheitsbehördlich sichergestellt wurde (zuletzt 11 Os 118/99 bezüglich des mit dem Überlassen im Sinne des § 27 Abs 1 SMG inhaltsgleichen - vgl 13 Os 76/95 - Inverkehrsetzen nach § 28 Abs 2

SMG).

Der in der Beschwerde hervorgehobene Rechtssatz, wonach die Übergabe von Suchtgift an einen verdeckten Fahnder der Polizei bloß versuchtes Inverkehrsetzen sei (RZ 1989/6 = SSt 59/40), gilt schon nach der zitierten Entscheidung ("unter den konstatierten konkreten Begleitumständen") nicht allgemein, vielmehr ist jeder derartige Tathergang fallbezogen zu beurteilen. Die geltend gemachte Gesetzesauslegung kommt jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn - wie hier - der verdeckte Fahnder den Alleingewahrsam am Suchtgift erlangt hat und ein behördlicher Zugriff auf den Täter nicht anlässlich der Übergabe erfolgt ist (vgl US 6, 7).

Die teils unbegründete, teils nicht dem Gesetz gemäß ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte jeweils unter Anwendung von § 28 Abs 1 StGB nach § 28 Abs 3 SMG über Josefine N***** unter Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB auf das Urteil des Bezirksgerichtes Linz vom 12. Juli 1999, AZ 18 U 779/98, eine (Zusatz-)Freiheitsstrafe von 23 Monaten und über Günther S***** eine Freiheitsstrafe von 24 Monaten.

Gemäß § 43a Abs 3 StGB sah es bei Josefine N***** einen Teil der Freiheitsstrafe von 16 Monaten für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nach.

Gleichzeitig fasste es gemäß § 494a Abs 6 StPO den Beschluss, vom Widerruf der Josefine N***** im Verfahren 25 EVr 1368/97 und Günther S***** im Verfahren 21 Vr 850/98 jeweils des Landesgerichtes Linz gewährten bedingten Strafnachsichten abzusehen, in letzterem Fall verlängerte es die Probezeit auf fünf Jahre.

Bei der Strafzumessung wertete das Erstgericht bei Josefine N***** als erschwerend das Zusammentreffen von einem Verbrechen mit einem Vergehen, die einschlägige Vorverurteilung, den raschen Rückfall und die erhebliche Überschreitung der Grenzmenge, als mildernd die Gewöhnung an Suchtmittel; bei Günther S***** als erschwerend das Zusammentreffen von einem Verbrechen mit einem Vergehen, die einschlägigen Vorverurteilungen, den raschen Rückfall sowie die erhebliche Überschreitung der Grenzmenge, als mildernd das teilweise Versuchsstadium und die Gewöhnung an Suchtmittel.

Günther S***** ficht den ihn betreffenden Strafausspruch mit Berufung an und beantragt die Verhängung einer tat- und schuldangemessenen teilbedingten Freiheitsstrafe. Die Staatsanwaltschaft bekämpft den Strafausspruch über beide Angeklagten mit Berufung, gegen den Beschluss gemäß § 494 a StPO erhebt sie Beschwerde. Sie beantragt, die Freiheitsstrafen schuldangemessen zu erhöhen, bei Josefine N*****iedermayr die Anwendung des § 43 a Abs 3 StGB auszuschalten und die den Angeklagten gewährten bedingten Strafnachsichten zu widerrufen.

Von den Berufungen kommt nur jener der Staatsanwaltschaft Berechtigung zu.

Die Strafzumessungsgründe sind bei Josefine N***** insoweit zu ergänzen, als ihr im Hinblick auf das Faktum des vorhergehenden Urteils die Begehung von zwei Vergehen zusätzlich als erschwerend anzulasten ist. Überdies ist zu berücksichtigen, dass sie schon wegen zwei auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender Taten verurteilt worden ist, weil § 107 StGB (auch) gegen dasselbe Rechtsgut, nämlich die körperliche Integrität anderer gerichtet ist, wie ein Vergehen oder Verbrechen nach dem Suchtmittelgesetz.

Der Berufung des Angeklagten S***** ist zwar zuzugestehen, dass er teilweise in untergeordneter Weise tätig war, jedoch wird dies dadurch weit aufgewogen, dass beim Suchtgiftschmuggel (Faktum II) gerade er als führender Mittäter beteiligt war.

Berücksichtigt man bei beiden Angeklagten den hohen Unrechtsgehalt der Taten, welcher im Strafrahmen von einem bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe seinen Ausdruck findet, die Begehung der strafbaren Handlungen in steigender Intensität, ihr getrübtes Vorleben und ihr Verhalten nach der Tat, so werden die vom Erstgericht ausgesprochenen Strafen dem Unrechts- und Schuldgehalt der Taten nicht gerecht. Die Freiheitsstrafen waren daher auf das im Spruch angeführten Ausmaß zu erhöhen.

Die genannten Umstände begründen aber auch keineswegs eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass die Angeklagten in Zukunft keine weiteren strafbaren Handlungen begehen werden. § 43a Abs 4 StPO konnte daher keine Anwendung finden. Damit ist aber auch der Josefine N***** von den Tatrichtern erteilten Weisung die Rechtsgrundlage entzogen.

Der Anklagebehörde ist auch darin zuzustimmen, dass insbesondere im Hinblick auf die Begehung der strafbaren Handlungen kurz nach einschlägigen Verurteilungen und durch Josefine N***** noch während eines laufenden Strafverfahrens der Widerruf der bedingten (bzw teilbedingten) Vorverurteilungen geboten sind, um die Angeklagten von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten. Es war daher auch der Beschwerde Folge zu geben.

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