Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben und teils demzufolge, teils aus deren Anlass (§ 290 Abs 1 StPO) das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen des Wole D***** und des Jude I***** zu A II sowie demgemäß auch in den beide Angeklagten betreffenden Strafaussprüchen mit Ausnahme der Vorhaftanrechnung aufgehoben und in diesem Umfang in der Sache selbst erkannt:
II) in Verkehr zu setzen versucht dadurch, dass Wole D***** und Jude I***** am 1. März 1999 in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken zumindest 120 Gramm Kokain einem verdeckten Ermittler verkauften.
Hiedurch haben sie zu
A II das Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall und Abs 3 erster Fall SMG in der Entwicklungsstufe des Versuchs nach § 15 StGB
begangen und werden hiefür, Wole D***** auch für die ihm laut den unberührt bleibenden Teilen des Schuldspruchs zur Last liegenden Taten, jeweils nach § 28 Abs 3 SMG wie folgt verurteilt:
Wole D***** unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und
Jude I***** zu einer Freiheitsstrafe von 2 1/2 Jahren.
Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.
Mit ihren Berufungen werden die Angeklagten auf die Strafneubemessung verwiesen.
Den Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden Wole D***** (A I und II) und Jude I***** (A II) des Verbrechens nach § 28 Abs 2 (vierter Fall) und Abs 3 (erster Fall) SMG, Wole D***** überdies der Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (B) und der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs 2, 224 StGB (C) schuldig erkannt.
Danach haben sie in Linz
(zu A) den bestehenden Vorschriften zuwider gewerbsmäßig Suchtgift in einer großen Menge in Verkehr gesetzt, und zwar dadurch, dass
I) Wole D*****
1) am 27. Jänner 1999 insgesamt 0,8 Gramm Kokain,
2) am 5. Februar 1999 0,5 Gramm Kokain und
3) am 23. Februar 1999 2,2 Gramm Kokain
einem verdeckten Ermittler verkaufte;
II) Wole D***** und Jude I***** am 1. März 1999 in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken zumindest 120 Gramm Kokain einem verdeckten Ermittler verkauften;
(zu B) Wole D***** einen britischen Reisepass, ausgestellt auf "Nicholas Ion F*****", mithin eine Urkunde, über die er nicht alleine verfügen durfte, mit dem Vorsatz an sich genommen und unterdrückt, zu verhindern, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes oder eines Rechtsverhältnisses gebraucht werde;
(zu C) Wole D***** am 14. Dezember 1998 in Linz eine verfälschte ausländische öffentliche Urkunde, welche durch § 1 Abs 4 FremdenG 1997 inländischen öffentlichen Urkunden gleichgestellt ist, nämlich einen britischen Reisepass, in welchem eine Totalfälschung jener Seite, auf welcher das Lichtbild und die persönlichen Daten des Berechtigten angeführt sind, versehen mit dem Foto des Wole D***** und ausgestellt auf den Namen "Gideon O*****", eingefügt war, im Rechtsverkehr zum Beweis seiner Identität gebraucht, indem er sich damit anlässlich einer Personalkontrolle auswies.
Nur der Angeklagte Jude I***** bekämpft das Urteil mit Nichtigkeitsbeschwerde, die nominell auf Z 5, inhaltlich zudem auf Z 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützt ist.
Rechtliche Beurteilung
Entgegen der Mängelrüge (Z 5) sind die Urteilsannahmen zur gewerbsmäßigen Absicht des Angeklagten beim Suchtmittelverbrechen zureichend und vollständig begründet. Die genannte, auch auf große Mengen (§ 28 Abs 6 SMG) bezogene Tendenz (§ 70 StGB) wurde aus dem Gesamtgeschehen, das durch die im Urteil beschriebenen Umstände der Lieferung des Suchtgiftes nach Linz, die besondere Verpackung, das vorübergehende Verstecken und die professionell organisierte, in den Entscheidungsgründen näher dargelegte Zusammenarbeit der beiden Angeklagten bei der Suchtgiftübergabe sowie Angaben über eheste Verfügbarkeit selbst großer Mengen gekennzeichnet ist, einwandfrei abgeleitet (US 12, 15, 21 f, auch 28 f). Für die als unbegründet bemängelte, im Übrigen nicht entscheidende Urteilsannahme, dass das Suchtgift für kurze Zeit vermutlich gemeinsam von beiden Angeklagten im Spülrand einer WC-Muschel versteckt wurde, hat das Erstgericht nachvollziehbar die nicht nur einander belastenden Angaben der Angeklagten herangezogen (US 9).
Ob der Beschwerdeführer "ganz offensichtlich" einer im Raum Wien beheimateten Suchtgifthandelsorganisation zugehört (US 8), ist unerheblich, weil ihm die Qualifikation bandenmäßiger Begehung (§ 28 Abs 3 zweiter Fall SMG) nicht zur Last liegt.
Entsprechend dem Gebot gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) war das Erstgericht entgegen der Beschwerdeauffassung nicht verhalten, sich mit allen Einzelheiten der insgesamt mit eingehender Begründung verworfenen Verantwortung der Angeklagten zu befassen (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 5 E 105). Den Erhebungsberichten zuwiderlaufende Angaben über die Vereinbarung der Suchtgiftübergabe mit dem vermeintlichen Abnehmer (vgl US 8) bedurften demnach keiner gesonderten Erörterung (US 14 ff).
Ein Begründungsmangel liegt daher nicht vor.
Zu Recht macht der Beschwerdeführer jedoch (formal im Rahmen der Berufung, der Sache nach aus dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 10 StPO) geltend, dass die ihm zu A II als vollendet angelastete Straftat beim Versuch geblieben ist: Die Übergabe von Suchtgift an einen verdeckten Fahnder der Polizei stellt im vorliegenden Fall, in welchem mit dem behördlichen Zugriff bis zu einem fortgeschrittenen Ausführungsstadium der Tat zugewartet wurde, ohne dass der verdeckte Fahnder bereits Alleingewahrsam am verfahrensverfangenen Suchtgift erlangt hatte (US 14; vgl S 9, 50), bloß versuchtes Inverkehrsetzen dar (SSt 59/40, 50/30).
Weil der aufgezeichnete Subsumtionsfehler auch den Angeklagten Wole D***** belastet, der nur Berufung erhoben hat, war die damit gegebene Nichtigkeit (Z 10) gemäß § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO auch zu Gunsten dieses Angeklagten von Amts wegen wahrzunehmen.
Für die von der Generalprokuratur vorgeschlagene Maßnahme nach § 290 Abs 1 StPO auch in Ansehung der vom Erstgericht in die Qualifikation einer großen Menge nach § 28 Abs 2 SMG einbezogenen, für sich allein dieses Ausmaß nicht erreichenden Teilmengen der Fakten A I 1 bis 3 des Schuldspruches sah sich der Oberste Gerichtshof hingegen nicht veranlasst. Zu Recht nämlich sah das Schöffengericht die (nur) im Zusammenhang mit dem Faktum A II erzielte Gesamtmenge als qualifikationsbegründend an, weil in einer Gesamtschau des festgestellten deliktischen Verhaltens des Angeklagten Wole D***** die unter A I angeführten Verkäufe von ersichtlich bloßen Testmengen an verdeckte Ermittler in Verbindung mit dem durch den anschließend (versuchten) Verkauf von 120 Gramm Kokain gesehen werden müssen. Diese Annahme findet in den - wenngleich vordergründig zur Frage der gewerbsmäßigen Begehensweise, so doch ihrem Inhalt nach auch zur fortgesetzten Begehung von Suchtgiftgeschäften und dem damit verbundenen Additionseffekt getroffenen - Feststellungen zur subjektiven Tatseite (s US 5, 7, 21 f, 28) hinreichend Deckung. Daraus ist der für die Zurechnung einer großen Menge erforderliche Vorsatz auf kontinuierliche Tatbegehung zur stufenweisen Inverkehrsetzung einer insgesamt großen Menge (von hier 15 Gramm Reinsubstanz) hinreichend deutlich zu entnehmen. Angesichts dessen kann der von der Generalprokuratur vorgenommenen isolierten Betrachtungsweise nicht beigetreten werden.
Der in der Stellungnahme der Generalprokuratur vertretenen Auffassung zuwider verblieben die in A I 1 bis 3 angeführten Verkäufe auch nicht im Versuchsstadium. Denn ein Suchtgift ist mit seiner Überlassung in den Gewahrsam eines anderen unter Aufgabe des Gewahrsams des Überlassenden in Verkehr gesetzt, unbeschadet dessen, dass es sich beim Übernehmer um einen verdeckten Ermittler handelt.
Bei der demnach nach § 28 Abs 3 SMG vorzunehmenden Neubemessung der Strafen war als erschwerend bei Wole D***** das Zusammentreffen verschiedener Vergehen mit einem Verbrechen, bei Jude I***** nichts zu werten. Als mildernd war beiden Angeklagten neben ihrer bisherigen Unbescholtenheit der Umstand zugutezuhalten, dass die Suchtmitteldelikte (teilweise) nur versucht wurden, dem Angeklagten I***** zudem seine geständige Verantwortung.
Bei Abwägung dieser Strafzumessungsgründe ist bei D***** eine Freiheitsstrafe von drei Jahren, bei I***** eine solche von zweieinhalb Jahren tat- und schuldgerecht.
Unter den gegebenen Umständen ist eine auch nur teilweise bedingte Nachsicht dieser Strafen aus general- und spezialpräventiven Gründen nicht angebracht.
Die Kostenenscheidung ist in § 390a StPO begründet.
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