Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass dem Antrag der Eltern der Minderjährigen auf Befreiung von der jährlichen Rechnungslegungspflicht hinsichtlich der Beträge von S 39.000,-- und S 14.000,-- stattgegeben wird.
Text
Begründung
Die beiden Minderjährigen wurden am 14. 8. 1995 bei einem Verkehrsunfall verletzt. Nachdem ihnen als Privatbeteiligten im Strafverfahren gegen die beiden am Unfall beteiligten PKW-Lenker ein Teilschmerzengeld von je S 1.000,-- zuerkannt worden war, wurde ihnen mit Teilanerkenntnisurteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 10. 6. 1999 weiteres Schmerzengeld von S 39.000,-- bzw S 14.000,-- zugesprochen.
Ihre Eltern teilten dem Pflegschaftsgericht mit Schriftsatz vom 5. 7. 1999 mit, dass die gegnerische Versicherung diese Beträge zuzüglich Zinsen überwiesen habe und sie auf Sparbüchern für die Kinder veranlagt würden, wobei sie erwähnten, dass die Veranlagung entsprechend den Vorschriften über die Anlegen von Mündelgeldern zu erfolgen haben werde. Gleichzeitig stellten die Eltern den Antrag, sie im Hinblick auf die Geringfügigkeit der Schmerzengeldbeträge und weil im Sinne des § 150 Abs 2 erster Halbsatz ABGB keine Bedenken gegen ihre ordentliche Verwaltung bestünden, gemäß § 150 Abs 1 zweiter Halbsatz ABGB von der Rechnungslegungspflicht zu befreien.
Das Erstgericht wies diesen Antrag ab. Gemäß § 150 Abs 2 erster Halbsatz ABGB könne eine Befreiung von der Rechnungslegungspflicht erfolgen, soweit keine Bedenken gegen die Vermögensverwaltung bestünden, was zu vermuten sei, wenn das Vermögen ganz oder überwiegend vom Verwaltungsverpflichteten stamme. Im gegenständlichen Fall handle es sich aber um Schadenersatzzahlungen, die den Minderjährigen von dritter Seite zugewendet worden seien. Es handle sich auch nicht um geringfügige Beträge und es sei auch mit weiteren Schmerzengeldzahlungen zu rechnen.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Die Rechnungslegungspflicht der Eltern bestehe grundsätzlich auch bei geringfügiger Höhe von Vermögensstamm und Vermögenserträgnissen. Nach stRsp des Obersten Gerichtshofes sei § 150 Abs 1 ABGB einschränkend dahin auszulegen, dass die jährliche Rechnungslegungspflicht der Eltern nur nicht mehr geringfügiges Vermögen betreffe. Schwierigkeiten bereite die Konkretisierung des Begriffs des geringfügigen Vermögens. Der Unterscheidung hinsichtlich der Zuwendung des Vermögens, ob von den Eltern oder von dritter Seite stammend, komme keine Bedeutung zu. Dass das Vermögen der Kinder im vorliegenden Fall von Schadenersatzzahlungen (Dritter) herrühre, sei für die Frage der Rechnungslegungspflicht der Eltern daher ohne Belang. Entgegen der Ansicht der Eltern könne § 150 ABGB nicht teleologisch dahin reduziert werden, dass "mangels augenscheinlicher Bedenken" die Rechnungslegungspflicht der Eltern über deren Antrag immer zu entfallen habe. Daran werde sich auch nach dem Entwurf zum Kindschaftsrecht-Änderungsgesetz 1999 nichts ändern. Dies sehe nämlich nicht den gänzlichen Wegfall der Rechnungslegung, sondern nur die jährliche Verpflichtung zur Rechnungslegung vor. Das entscheidende Kriterium für die Befreiung der Eltern von der Rechnungslegungspflicht sei, ob es sich um geringfügiges Kindesvermögen handle. Schadenersatzzahlungen in Höhe von S 14.000,-- und S 39.000,-- seien nicht als geringfügig im Sinne der Judikatur zu § 150 ABGB anzusehen. Die (vorläufig noch) jährliche Rechnungslegungspflicht stelle im Hinblick auf die aus § 21 Abs 1 ABGB abzuleitende pflegschaftsgerichtliche Rechtsfürsorgepflicht keine übermäßige Beschwer der Eltern dar. Zur Klärung der Frage, ob die Beträge von S 14.000,-- und S 39.000,-- die Geringfügigkeitsgrenze überschritten bzw ab welchem Betrag von geringfügigem und daher rechnungslegungsfreiem Vermögen gesprochen werden könne, sei der ordentliche Revisionsrekurs zulässig.
Der Revisionsrekurs ist zulässig und auch berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 149 Abs 1 ABGB haben die Eltern das Vermögen eines mj. Kindes mit der Sorgfalt ordentlicher Eltern zu verwalten. Sie haben es in seinem Bestand zu erhalten und nach Möglichkeit zu vermehren; Geld ist nach den Vorschriften über die Anlegung von Mündelgeld anzulegen. Gemäß § 150 Abs 1 ABGB haben die Eltern über das Vermögen des mj. Kindes dem Gericht jährlich Rechnung zu legen; über die Erträgnisse jedoch nur, soweit sie nicht für den Unterhalt des Kindes verwendet worden sind. Nach Abs 2 leg cit kann das Gericht die Eltern von der Rechnungslegung ganz oder zum Teil befreien, soweit keine Bedenken bestehen, dass sie das Vermögen des Kindes ordentlich verwalten werden; dies ist in der Regel zu vermuten, wenn sie selbst das Vermögen oder dessen überwiegenden Teil dem Kind zugewendet haben. Nach dem Gesetzestext ist also eine betragsmäßige Untergrenze für die Rechnungslegungspflicht nicht vorgesehen. Schwimann (in Schwimann I2 Rz 1 zu § 150 ABGB) vertritt die Ansicht, dass sie auch bei "geringfügigerer" Höhe von Vermögensstamm und Vermögenserträgnissen bestehe, bei den Erträgnissen allerdings nur, sofern sie nicht für den Kindesunterhalt verwendet wurden (JBl 1992, 586).
Schon aus Gründen der Praktikabilität und Effizienz der durch die Rechnungslegung bezweckten Überwachung der elterlichen Vermögensverwaltung (das Pflegschaftsgericht hat auf Grund der aus § 21 Abs 1 ABGB abzuleitenden Fürsorgepflicht Maßnahmen der Eltern für ihre mj. Kinder nicht nur auf ihre Gesetzmäßigkeit, sondern auch auf ihre Zweckmäßigkeit hin zu prüfen - vgl EvBl 1994/67) kann aber wohl kein Zweifel daran bestehen, dass geringfügiges Vermögen von der Rechnungslegungspflicht des § 150 ABGB nicht umfasst ist. Zur Frage, wann Vermögen im Sinne der zitierten Gesetzesstelle (noch) als geringfügig anzusehen ist, wurde vom Obersten Gerichtshof zu 8 Ob 522/93 = ÖA 1993, 147 = EF 71.761) die Ansicht vertreten, § 150 Abs 1 ABGB sei einschränkend dahin auszulegen, dass die jährliche Rechnungslegungspflicht der Eltern nur solches Vermögen betrifft, das nicht mehr geringfügig ist, "dessen Erträgnisse somit voraussichtlich die Unterhaltskosten übersteigen". Diese Definition des geringfügigen und daher rechnungslegungsfreien Vermögens folgt Pichler, der in Rummel2 Rz 4 zu §§ 149, 150 ABGB ausführt, weder über die Gegenstände des persönlichen Gebrauchs, noch über jenes (weitere) Vermögen, dessen Erträgnisse voraussichtlich die Unterhaltskosten nicht übersteigen, sei Rechnung zu legen. Schwimann hält aaO die zu 8 Ob 522/93 erfolgte Festlegung einer Geringfügigkeitsgrenze für verfehlt; dies würde durchschnittlich ein Sparbuchvermögen von S 1,376.500,-- betreffen. Wie Pichler aaO hinweist, sah die RV im § 150 Abs 2 betragsmäßige Untergrenzen für die Rechnungslegungspflicht vor, nämlich S 200.000,-- für den Stamm und S 50.000,-- jährlich für Erträgnisse, ausgenommen die für den Unterhalt verwendeten (RV 60 BlgNR 14. GP, 3). In den Erl., 30 wurde dazu ausgeführt, dass dieser Regelung die Annahme zugrundeliege, dass Eltern im Allgemeinen über die für die Verwaltung eines solchen Vermögens notwendigen Kenntnisse und Erfahrungen verfügten, sodass es einer regelmäßigen Überwachung nicht bedürfe. Treffe dies im Einzelfall nicht zu oder bestehe sonst der Verdacht, dass die Eltern in den Angelegenheiten der Vermögensverwaltung weniger pflichtbewusst, säumig oder ungeschickt seien, so könne ihnen das Gericht dennoch die Rechnungslegung auftragen. Vom JA wurde diese Regelung von Wertgrenzen dann allerdings weggelassen, "weil diese wegen ihrer Starrheit nicht den Verhältnissen des Einzelfalles Rechnung trügen und überdies vom Gesetzgeber von Zeit zu Zeit dem Geldwert angepasst werden müssten". Die (nunmehrige gesetzliche) Bestimmung sehe zwar - ohne Rücksicht auf den Wert des Vermögens - eine grundsätzliche Pflicht der Eltern zur Rechnungslegung vor, und zwar sowohl bezüglich des Stammes des Vermögens als auch bezüglich seiner - den Aufwand für den Unterhalt des Kindes überschießenden - Erträgnisse; dem Gericht sei es jedoch gestattet, die Eltern von dieser Pflicht zu befreien, wenn keine Bedenken bestünden, dass sie das Vermögen ordentlich verwalten werden.
Es darf daher davon ausgegangen werden, dass nur relativ nieder anzusetzende Beträge von wenigen S 1.000,-- sozusagen absolut aus der Rechnungslegungspflicht auszuscheiden sind. Der Gesetzgeber meinte offenbar, ein Ausufern der Rechnungslegungspflicht durch die Möglichkeit eines Befreiungsantrags verhindern zu können, dem immer dann stattgegeben werden kann (und im Sinne einer gesetzeskonformen Anwendung des Ermessensspielraums des Gerichts auch stattzugeben ist), wenn im Einzelfall gegen eine ordentliche Verwaltung der Eltern keine Bedenken obwalten. Solche Bedenken sind einerseits in Richtung einer missbräuchlichen Verwendung des Kindesvermögens oder aber mangelnder Kenntnisse und Fähigkeiten denkbar. Ersteres wird nur bei Vorliegen von Verdachtsmomenten, die im Regelfall nicht vorhanden sind, einen Hinderungsgrund für eine Befreiung von der jährlichen Rechnungslegungspflicht bilden. Betreffend den zweiten Hinderungsgrund sind heute bei einem Durchschnittsbürger die für eine Vermögensverwaltung notwendigen Kenntnisse und Erfahrungen sicherlich eher in einem größeren Maße vorauszusetzen, als dies zum Zeitpunkt der RV 1975 der Fall war. Bewegt sich das Kindesvermögen daher im Bereich der von der RV gewählten Untergrenze - mit entsprechender Aufwertung auf Grund der inzwischen stattgefundenen Geldentwertung - ist im Regelfall eine entsprechende Eignung der Eltern vorauszusetzen und kann daher eine regelmäßige Überwachung unterbleiben.
Im vorliegenden Fall sind daher die Voraussetzungen für eine Befreiung der Eltern von der Rechnungslegungspflicht gegeben:
Einerseits sind keinerlei Umstände aktenkundig, die an eine missbräuchliche Verwendung des Kindesvermögens denken ließen; andererseits liegen die verfahrensgegenständliche Geldbeträge weit unter jenen Vermögenswerten, deren zweckmäßige Verwaltung von jedermann erwartet werden könnte. Wollte man "Durchschnittseltern" eine regelmäßige Überwachung solch relativ geringer Vermögenswerte zusinnen, müsste dies im Hinblick auf das zu unterstellende Naheverhältnis zwischen kleinen Kindern und ihren Eltern wohl als Ausdruck unerklärlichen massiven Misstrauens, wenn nicht gar als obrigkeitliche Gängelung empfunden werden.
Im Hinblick auf den vom Rekursgericht erwähnten Entwurf eines Kindschaftsrechts- Änderungsgesetzes 1999 ist im Regelfall eine Rechnungslegungspflicht für Vermögensbeträge wie die gegenständlichen de lege ferenda umso weniger in Betracht zu ziehen. Ergänzende Erhebungen darüber, ob die Antragsteller im vorliegenden Fall, wie dies nach der Aktenlage anzunehmen ist, zumindest als "Durchschnittseltern" angesehen werden können, sind schon deshalb nicht erforderlich, weil im Falle diesbezüglich auftretender Bedenken, die Befreiung ja jederzeit widerrufen werden könnte (vgl Pichler aaO Rz 5; Schwimann aaO Rz 2). Dies gilt selbstverständlich auch für den Fall einer wesentlichen Erhöhung des Kindesvermögens, weshalb auch der Hinweis des Erstgerichts, es sei noch mit weiteren Schmerzengeldzahlungen an die Minderjährigen zu rechnen, ins Leere geht. Eine im Rahmen der von den Eltern ausdrücklich angekündigten mündelsicheren Veranlagung der betreffenden Geldbeträge vorzunehmende Sperre der - allenfalls bereits eröffneten - Sparbücher wird das Erstgericht aber noch zu veranlassen haben.
In Stattgebung des Revisionsrekurses war dem Antrag der Eltern auf Befreiung von der jährlichen Rechnungslegung hinsichtlich der ihren Söhnen überwiesenen Schmerzengeldbeträge von S 39.000,-- und S 14.000,-- daher Folge zu geben.
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