OGH 8Ob522/93

OGH8Ob522/9329.4.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon-Prof.Dr.Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.E.Huber, Dr.Jelinek, Dr.Rohrer und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Pflegschaftssache mj. Margit M*****, infolge Revisionsrekurses der zum Sachwalter bestellten Bezirkshauptmannschaft S*****-Jugendamt gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgerichtes vom 27.Jänner 1993, GZ 3 R 589/92-135, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Spittal/Drau vom 28.Oktober 1992, GZ P 453/86-131, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird die Ergänzung des Verfahrens und eine neuerliche Entscheidung aufgetragen.

Text

Begründung

Die aufgrund des Schenkungsvertrages vom 16.10.1985 seit 12.6.1986 im bücherlichen Eigentum der Minderjährigen gestandene ideelle Liegenschaftshälfte der EZ***** wurde am 29.4.1987 im Zwangsversteigerungsverfahren ***** des Bezirksgerichtes Stockerau von der Mutter der Minderjährigen um das Meistbot von S 356.000,-- erstanden. Im Zeitpunkt der Exekutionsbewilligung war noch der Geschenkgeber, der außereheliche Vater der Minderjährigen, bücherlicher Eigentümer dieser Liegenschaftshälfte. Er wurde vom Exekutionsgericht bis zuletzt als Verpflichteter behandelt. Deshalb wurde ihm auch mit dem in Rechtskraft erwachsenen Meistbotsverteilungsbeschluß vom 27.11.1987 der Meistbotsrest von S 100.426,62 samt Zinsen angewiesen.

Mit Beschluß des Erstgerichtes vom 7.6.1988 wurde die Bezirkshauptmannschaft S***** für die Minderjährige zum besonderen Sachwalter für das Zwangsversteigerungsverfahren und zur Wahrung der Rechte des Kindes betreffend die sich daraus ergebende Hyperocha bestellt. In der Folge händigte der Vater der Mutter einen Scheck über S 100.426,62 aus, welche diesen einlöste.

Seit 1.1.1991 leistet der Vater der Minderjährigen für diese monatliche Unterhaltszahlungen von S 1.500,--.

Am 19.2.1992 stellte der Sachwalter den Antrag, die Ausgaben der Mutter aus dem Vermögen der Minderjährigen von S 66.410,-- als gerechtfertigt zu genehmigen sowie den Restbetrag von S 34.026,62 für den monatlichen Unterhalt des Kindes von S 2.000,-- im Zeitraum März 1991 bis Juli 1992 "freizustellen". Von den S 66.410,-- seien S 9.230,-- für eine Brille und Bekleidung des Kindes aufgewendet worden, der Rest von S 57.180,-- für die ersteigerte Liegenschaftshälfte (Vadium: S 40.000,--, Fahrtspesen: S 12.362,--, Verpflegungskosten S 3.600,-- und Kosten für das Aufbrechen des ersteigerten Hauses S 1.218,--). Die Unterhaltszahlungen des Vaters reichen für die Deckung der Bedürfnisse des 14jährigen Mädchens bei weitem nicht aus, es sei daher die Heranziehung des Stammvermögens mit monatlich S 2.000,-- gerechtfertigt.

Beide Vorinstanzen wiesen den Antrag ab. Der Meistbotsverteilungsrest sei zinsbringend anzulegen, sodaß dem Kind monatlich rund S 500,-- an Zinserträgen zukämen. Den Differenzbetrag dazu und zum Unterhalt des Vaters auf den Regelbedarf von rund S 3.200,-- könne die Mutter aus ihrem monatlichen Einkommen von S 8.000,-- bestreiten.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobene Revisionsrekurs ist zulässig (§ 14 Abs.1 AußStrG) und berechtigt.

Nach § 149 Abs.1 ABGB haben die Eltern das Vermögen eines minderjährigen Kindes mit der Sorgfalt ordentlicher Eltern zu verwalten. Sie haben es in seinem Bestand zu erhalten und nach Möglichkeit zu vermehren. Aus § 193 AußStrG ergibt sich, daß die Stellung der Eltern als Verwalter des Vermögens ihrer Kinder im allgemeinen freier ist als die des Vormundes oder eines sonstigen gesetzlichen Vertreters. In diesem Sinne ist § 150 Abs.1 ABGB einschränkend dahin auszulegen, daß die jährliche Rechnungslegungspflicht der Eltern nur solches Vermögen betrifft, das nicht mehr geringfügig ist, dessen Erträgnisse somit voraussichtlich die Unterhaltskosten übersteigen (Pichler in Rummel ABGB2 §§ 149, 150 Rdz 5). Allerdings sind die Eltern im Einzelfall dann der gerichtlichen Überwachung unterworfen, wenn das Wohl des Kindes gefährdet ist (Pichler aaO Rdz 12 zu §§ 230 bis 230 e). Mißbräuchliche Verwendung des Vermögens durch die Eltern zugunsten anderer aber auch zu ihren eigenen Gunsten stellt einen solchen Gefährdungstatbestand dar (JBl. 1992, 586; RZ 1990/111). Gemäß § 166 ABGB gelten diese Regeln über die Vermögensverwaltung auch für die Mutter als gesetzlicher Vertreter des unehelichen Kindes (Pichler aaO § 166 Rdz 1).

Den Vorinstanzen ist in der Ansicht beizupflichten, die Gestionen der Mutter lege die Vermutung nahe, daß das Kindeswohl im Zusammenhang mit dem Vermögenserwerb durch Schenkung nicht ausreichend gewährleistet ist. Die Tatsache, daß die Mutter der Minderjährigen die Liegenschaftshälfte beträchtlich über ihrem Verkehrswert (der nach dem unter ON 125 erliegenden Schätzungsgutachten unter Berücksichtigung des einverleibten Fruchtgenußrechtes bei S 231.000,-- liegt) ersteigert hat, darf - selbst wenn das Motiv das Erreichen eines möglichst hohen Erlöses für die Tochter gewesen sein sollte - nicht dazu führen, daß nur aus dem Vermögen des Kindes die Kosten des Vadiums und sonstiger mit dem Zwangsversteigerungsverfahren verbundener Kosten, die sämtlich der Vermögensbildung der Mutter dienten, beglichen werden. Insoweit hat die Mutter das Vermögen der Minderjährigen mißbräuchlich verwendet und damit die Pflicht des Gerichtes zur Überwachung der Vermögensverwaltung ausgelöst.

Den Vorinstanzen kann aber nicht darin gefolgt werden, daß nach den bisherigen Verfahrensergebnissen die Heranziehung des Vermögensstamms zur Deckung des Unterhaltes des Kindes gemäß § 149 Abs.2 ABGB auszuschließen wäre. Das festgestellte monatliche Nettoeinkommen der Mutter von S 8.000,--, das aus Gelegenheitsarbeiten bezogen wird, kann nämlich in Anbetracht der Rückzahlungsverpflichtung des zum Erwerb der Liegenschaftshälfte aufgenommenen, mit derzeit rund S 700.000,-- aushaftenden Darlehens sowie der von den Vorinstanzen angenommenen Zahlungspflicht an die Minderjährige hinsichtlich des vereinnahmten Vermögens keinesfalls als zur Leistung von Unterhaltszuschüssen an die Minderjährige ausreichend angesehen werden. Wenngleich die Darlehensrückzahlung als nicht der Deckung dringender Wohn- oder Berufsbedürfnisse dienend, die Unterhaltsbemessungsgrundlage nicht schmälern könnte, ist doch niemand verpflichtet, Unterhalt zu leisten, wenn er selbst nicht über die Mittel verfügt, den eigenen dürftigen Unterhalt zu decken und auch außerstande ist, sich diese Mittel zu verschaffen (3 Ob 535/92).

Ist die Mutter aufgrund ihrer - vom Sachwalter angedeuteten - körperlichen Verfassung nicht in der Lage, zumutbarerweise einem Erwerb nachzugehen, um so zu ihrer im § 140 Abs.2 ABGB normierten Pflicht zur vollen Unterhaltsdeckung nachzukommen, und kann auch vom Vater kein höherer Unterhalt erlangt werden, kann ausschließlich für Unterhaltszwecke des Kindes, und zwar auch rückwirkend bis zum Zeitpunkt der Zuzählung des Betrages, der Vermögensstamm angegriffen werden. Hiebei kann der Regelbedarfssatz nur eine ungefähre Richtlinie bilden, da es primär auf die konkreten Lebensverhältnisse der Eltern und des Kindes ankommt. Das Erstgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Vaters und der Mutter ebenso zu erforschen haben, wie welcher Unterhaltsbedarf konkret für die Minderjährige besteht und welche Beträge ihr aus dem Vermögen bisher tatsächlich aus diesem Titel zugewendet wurden. Insbesondere zur Klärung dieser für die zweckgewidmete Verwendung der Gelder sehr bedeutsamen Frage wird das Pflegschaftsgericht auf die Hilfe des Sachwalters zurückgreifen können (§ 215 Abs.2 ABGB), der durch Hausbesuch, allenfalls auch durch Nachfrage in der Schule, die Lebensverhältnisse der Minderjährigen konkret erforschen kann. Das Erstgericht wird weiters festzustellen haben, ob und welches höhere Einkommen die Mutter zumutbarerweise erzielen könnte, sowie ob und in welcher Höhe der aushaftende Kaufpreisrest aus dem Verkauf der Eigentumswohnung als Vermögen der Mutter realisierbar ist. Erst nach Klärung dieser Fragen wird verläßlich darüber entschieden werden können, inwieweit der Vermögensstamm der Minderjährigen für Unterhaltszwecke verwendet werden darf. Selbst wenn die Voraussetzungen dazu gegeben sind, heißt das aber nicht, daß der Mutter die zukünftigen Beträge pauschal überlassen werden dürfen; vielmehr ist sie anzuleiten, nach ihrer Leistungsfähigkeit allenfalls ratenweise das noch nicht gerechtfertigterweise verbrauchte Vermögen auf ein zu sperrendes Sparbuch (§ 193 AußStrG) einzuzahlen, damit das Gericht einen verläßlichen Überblick über die zweckentsprechende Verwendung der Gelder erlangen kann. Entgegen der Ansicht des Sachwalters vermag die Tatsache, daß die Mutter möglicherweise gegen ihren Willen die Liegenschaftshälfte ersteigert hat, nichts daran zu ändern, daß die Hyperocha Vermögen des Kindes darstellt. Allerdings ist schon jetzt darauf zu verweisen, daß zwar die Einbringlichmachung von Vermögen, das sich in Händen Dritter befindet, im ordentlichen Rechtsweg zu erfolgen hat (RZ 1991/58); jedoch nach ständiger Rechtsprechung der Herausgabeanspruch des Kindes gegenüber den Eltern im Außerstreitverfahren vor dem zuständigen Pflegschaftsgericht geltend zu machen ist (EvBl. 1989/32; Pichler in Rummel ABGB2 §§ 149, 150 Rdz 7).

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