OGH 9ObA250/99a

OGH9ObA250/99a16.2.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Fritz Miklau und Mag. Hans Herold als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Michael M*****, Arbeiter, *****, vertreten durch Dr. Georg Grießer ua, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei G***** AG, *****, vertreten durch Dr. Gerfried Höfferer, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 6.165,-- sA und der Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei Republik Österreich (Österreichischer Bundestheaterverband), vertreten durch die Finanzprokuratur, Singerstraße 17-19, 1011 Wien, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 9. Juli 1999, GZ 8 Ra 191/99p-36, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 46 Abs 1 ASGG zurückgewiesen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionswerberin stützt die Zulässigkeit ihrer außerordentlichen Revision primär auf die Frage des rechtlichen Charakters eines Dienstzettels und meint, dass dazu Ausführungen des Obersten Gerichtshofes fehlen bzw. unklar seien. Symptomatisch für die auf diesem Gebiet bestehenden Unklarheiten sei, dass der Oberste Gerichtshof in seiner in ARD 4846/23/97 veröffentlichten Entscheidung vom 28. 11. 1997 (richtig: 1996) von "im Dienstzettel vereinbarten Kündigungsterminen" spreche. Es sei daher unklar, inwieweit der Dienstzettel von Vertragsurkunden abzugrenzen sei.

Die von der Revisionswerberin angenommenen Unklarheiten bestehen nicht. § 2 Abs 1 AVRAG normiert, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer unverzüglich nach Beginn des Arbeitsverhältnisses eine schriftliche Aufzeichnung über die wesentlichen Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsvertrag (Dienstzettel) auszuhändigen hat. Die Angabe, die der Dienstzettel zu enthalten hat, sind in § 2 Abs 2 Z 1 bis 12 AVRAG geregelt. Durch § 2 AVRAG wird die Richtlinie des Rates vom 14. 10. 1991 über die Pflicht des Arbeitgebers zur Unterrichtung des Arbeitnehmers über die für seinen Arbeitsvertrag oder sein Arbeitsverhältnis geltenden Bedingungen (91/533/EWG; sog Nachweisrichtlinie) ins österreichische Arbeitsrecht umgesetzt. Die Motivation für die Nachweisrichtlinie besteht laut Präambel darin, angesichts der Entwicklung neuer Arbeitsformen und der daraus resultierenden Vielfalt der Arten von Arbeitsverhältnissen Maßnahmen in Richtung einer gewissen Formbindung zu treffen, die darauf abzielen, die Arbeitnehmer besser vor etwaiger Unkenntnis ihrer Rechte zu schützen und den Arbeitsmarkt transparenter zu gestalten. Auch der Zweck des § 2 AVRAG ist demgemäß darin zu sehen, einerseits den Arbeitnehmern über die Hauptpunkte des Vertrages zu informieren und ihm andererseits ein Instrument zur Beweissicherung in die Hand zu geben (Holzer/Reissner, AVRAG 43 f mwN; vgl auch Martinek/M. Schwarz/W. Schwarz, AngG7 Anm 12 zu § 6). Die generelle Dienstzettelpflicht bedeutet eine Ausweitung des österreichischen Arbeitsrechtsbestands, da ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Überreichung eines Dienstzettels vorher nur für bestimmte Arbeitnehmergruppen gesetzlich geregelt war (AngG, AÜG, JournG etc).

Der Dienstzettel darf aber nicht mit dem Arbeitsvertrag verwechselt werden. Schon an der gesetzlichen Definition, wonach der Dienstzettel eine "schriftliche Aufzeichnung über die wesentlichen Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsvertrag" darstellt, ist zu ersehen, dass dieser als deklaratorisches Schriftstück dem konstitutiv das Arbeitsverhältnis begründenden Arbeitsvertrag gegenüberzustellen ist (Schwarz/Löschnigg, Arbeitsrecht7 226; Holzer/Reissner aaO 44). Der Dienstzettel soll also als Beweisurkunde den Inhalt des Dienstvertrages wiedergeben (ecolex 1995, 825; ZAS 1985, 182 [insoweit zust Reischauer]). Der Dienstzettel ist damit eine "Wissenserklärung des Arbeitgebers über die Rechtslage" bzw. "Vorstellungsmitteilung", also etwas "Faktisches", das vom rechtlichen Phänomen des Arbeitsvertrages, der aus übereinstimmenden Willenserklärungen, mit denen Rechtsfolgen herbeigeführt werden sollen, streng zu unterscheiden ist. Dienstzettel geben nur etwas bereits Vereinbartes wieder und vermögen daher gemachte Vereinbarungen nicht abzuändern oder zu ersetzen (Holzer/Reissner aaO 45).

Die von der Revisionswerberin der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 28. 11. 1996, 8 ObA 2306/96t, unterstellte Unklarheit der Abgrenzung von Dienstzettel und Arbeitsvertrag ist nicht gegeben. Richtig ist, dass im zweiten Absatz der Veröffentlichung in ARD 4846/23/97 von "im Dienstzettel vereinbarten Kündigungstermine" die Rede ist, wobei die Revisionswerberin vor allem das Wort "im" betont und daraus ableiten will, dass die Parteien des Arbeitsverhältnisses "im" Dienstzettel etwas vereinbart hätten. Was (von der Veröffentlichung) gemeint ist, folgt aber ohnehin aus dem im ersten Absatz veröffentlichten Leitsatz, der lautet: "Werden in einem neuerlichen Dienstverhältnis beim selben Arbeitgeber die Arbeitsbedingungen entsprechend dem früheren Dienstzettel - soweit dessen Bedingungen noch erheblich sind, d. h. ohne neuerliche Probezeit und Befristung zur Probe - vereinbart, ist davon auszugehen, dass auch die in diesem Dienstzettel enthaltenen Kündigungstermine wieder Vertragsinhalt werden." Im Übrigen findet sich aber im authentischen Volltext der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 28. 11. 1996, 8 ObA 2306/96t, die beanstandete Formulierung gar nicht, sondern - soweit für die von der Revisionswerberin angestellten Überlegungen relevant - nur eine Bezugnahme auf eine Feststellung des Erstgerichtes, die lautete: "Das Erstgericht hat festgestellt, dass beim Neubeginn des zweiten Arbeitsverhältnisses vom Geschäftsführer der beklagten Partei auf die im früher ausgestellten Dienstzettel aufgezeichneten Vereinbarungen verwiesen wurde und der Kläger dem zugestimmt hat."

Ob im konkreten Fall ein bloßer Dienstzettel oder ein schriftlicher Arbeitsvertrag vorliegt, ist von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles abhängig. In der Praxis kann dabei eine ausdrückliche Bezeichnung des Schriftstückes hilfreich sein (Holzer/Reissner aaO 45). Ob die Auslegung im Einzelfall richtig ist, stellt nur dann eine erhebliche Rechtsfrage dar, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RIS-Justiz RS0042776, RS0042936, RS0044298, RS0044358 ua). Ein solches wird jedoch von der Revisionswerberin nicht aufgezeigt. Ob eine andere Auslegung vertretbar gewesen wäre, hat keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung und ist daher keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 46 Abs 1 ASGG (9 ObA 168/99t; 4 Ob 171/97v). Aus Überlegungen der Revisionswerberin, dass Parteien mitunter ihren Arbeitsvertrag unrichtig als "Dienstzettel" bezeichnen oder beide den Dienstzettel unterfertigen, ist für die Lösung des vorliegenden Falles nichts zu gewinnen. Es bestehen nämlich weder zwingende Anhaltspunkte für eine Falschbezeichnung, noch kann den Feststellungen des Erstgerichtes entnommen werden, dass im vorliegenden Fall beide Teile den (im Verfahren nie vorgelegten) Dienstzettel unterfertigt hätten.

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