OGH 1Ob334/99w

OGH1Ob334/99w14.1.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Dr. Hansjörg Heiter, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Renate B*****, vertreten durch Dr. Erich Kafka, Dr. Manfred Palkovits, Dr. Robert Steiner und Mag. Boris Knirsch, Rechtsanwälte in Wien, wegen 130.000 S sA infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 18. August 1999, GZ 36 R 234/99z-39, womit das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 3. März 1999, GZ 21 C 97/98t-34, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 8.112 S (darin 1.352 S USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu bezahlen.

Text

Begründung

Die Beklagte ist Alleineigentümerin eines Hauses, von dessen Dach sich am 27. 1. 1995 ein Kaminsockel löste. Dieser stürzte auf einen bei der klagenden Partei versicherten PKW, an dem dadurch Totalschaden eintrat. Die klagende Partei zahlte ihrem geschädigten Versicherungsnehmer 130.000 S.

Die klagende Partei begehrte die Erstattung der von ihr bezahlten Summe unter Berufung auf § 67 VersVG aus dem Rechtsgrund des § 1319 ABGB. Der Kamin habe sich auf Grund mangelhafter Betreuung und Wartung des Gebäudes in desolatem Zustand befunden, sodass er bei stärkerer Windeinwirkung herabgefallen sei.

Die Beklagte wendete ein, sämtliche Vorkehrungen getroffen zu haben, um das Auftreten von Schäden zu verhindern. Im Zuge der Neuerrichtung eines Hauses auf einer Nachbarliegenschaft seien im Jahre 1990 von dem mit dem Bau befassten Unternehmen Kaminverlängerungen auch auf dem im Jänner 1995 herabgestürzten Kaminkopf angebracht und mittels Drahtseilen verspannt worden. Es sei weder für die Beklagte noch für den von ihr bestellten Hausverwalter erkenn- oder vorhersehbar gewesen, dass diese Kaminverlängerungen nicht ordnungsgemäß verankert gewesen seien.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Eine Haftung gemäß § 1319 ABGB sei zu verneinen, weil die Mangelhaftigkeit der Seilverspannungen bei den Kaminhochführungen für einen noch so sorgfältigen Hausverwalter nicht erkennbar gewesen sei. Es habe keine sichtbaren Anzeichen dafür gegeben, dass die Kaminhochführungen starkem Wind nicht standhalten würden. Die Betrauung eines mit Statikproblemen befassten Fachmanns sei der Beklagten bzw deren Hausverwalter nicht zumutbar gewesen, zumal ein statisches Problem für diese Personen gar nicht erkennbar gewesen sei. Ein Überwachungsverschulden der Beklagten liege nicht vor. Zur allfälligen Untüchtigkeit des Hausverwalters habe die klagende Partei gar keine Behauptungen aufgestellt.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die Revision zulässig sei. Es vertrat gleichfalls die Auffassung, dass die ungenügende Standsicherheit der Kaminhochführung für einen (durchschnittlichen) Hausverwalter nicht erkennbar gewesen sei. Dann habe aber auch keine Notwendigkeit bestanden, bestimmte Fachleute mit Spezialwissen beizuziehen. Der für die Beklagte tätige Hausverwalter habe alle ihm zumutbaren Vorkehrungen gegen den Schadenseintritt unternommen. Es habe auch keinen Grund gegeben, der Auskunft des Vorstandsdirektors des Bauunternehmens, das mit dem benachbarten Neubau befasst gewesen sei, dass die Kaminhochführungen ordnungsgemäß verspannt worden seien, zu misstrauen. Zur Frage eines Überwachungsverschuldens der Beklagten oder zu deren Haftung gemäß § 1315 ABGB mangle es schon an entsprechendem Vorbringen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der klagenden Partei ist unzulässig.

Der Besitzer eines Werkes haftet gemäß § 1319 ABGB, wenn das Schadensereignis die Folge der mangelhaften Beschaffenheit des Werkes ist und er nicht beweist, dass er alle zur Abwendung der Gefahr erforderliche Sorgfalt angewendet hat. Erforderlich sind jene Schutzvorkehrungen und Kontrollmaßnahmen, die vernünftiger Weise nach der Verkehrsauffassung erwartet werden können. Dabei ist ein objektiver Maßstab anzuwenden. Es ist zu prüfen, welche Schutzvorkehrungen und Kontrollen ein sorgfältiger Eigentümer getroffen hätte. Zu den Pflichten eines sorgfältigen Besitzers zählt es, dass er bei erkennbaren Gebrechen für eine Behebung des Mangels alsbald Sorge trägt. Das Maß der Zumutbarkeit geeigneter Vorkehrungen gegen den Schadenseintritt richtet sich dabei immer nach den Umständen des Einzelfalls (1 Ob 16/98d; 1 Ob 277/97k; 6 Ob 155/97f; ecolex 1997, 842; SZ 59/121). Die Haftung des Besitzers setzt jedenfalls Erkennbarkeit oder doch Voraussehbarkeit der Gefahr und damit eine Verletzung der objektiven Sorgfaltspflicht voraus (10 Ob 2444/96a). War der Mangel - wie hier - äußerlich nicht erkennbar, und musste dieser Mangel dem Besitzer auch nicht erkennbar sein, weil er nur einem mit Statikproblemen befassten Fachmann hätte geläufig sein müssen, so kann dem für die Beklagte tätigen Hausverwalter aus der Nichtbeiziehung eines Statikers kein Vorwurf gemacht werden, konnte er doch die drohende Gefahr gar nicht erkennen (vgl 1 Ob 277/97k; 10 Ob 2444/96a; 8 Ob 1501/93). Nach den Feststellungen ließ der Bauzustand das Vorliegen eines Baugebrechens nicht vermuten, sodass die Besitzerin des Gebäudes den Befund eines Sachverständigen nicht einzuholen musste (EvBl 1983/63). Die Vorinstanzen haben diese in der Judikatur entwickelten Grundsätze anhand der Umstände des konkreten Einzelfalls (SZ 59/121) korrekt angewandt, sodass ihnen die Verkennung einer Rechtslage nicht vorgeworfen werden kann. Die Erkundigung des Hausverwalters über die Verspannung der Kaminhochführungen - beim Vorstandsdirektor des Bauunternehmens - betraf lediglich die Festigkeit der Verspannung, die aber nach den Feststellungen nicht die Ursache des Herabstürzens der Kaminhochführungen und des Kaminaufsatzes war. Eine Stellungnahme zur Frage, ob sich der Hausverwalter mit dieser Auskunft hätte begnügen dürfen, erübrigt sich demnach. Ob dem im Jahre 1998 - also lange nach Schadenseintritt - beigezogenen Sachverständigen die derzeitige Verankerung problematisch erscheint, ist gänzlich irrelevant. Es ist auch gleichgültig, ob allenfalls ein Subunternehmen des mit der Errichtung des benachbarten Baus beauftragten Bauunternehmens die Kaminhochführungen hergestellt habe. Entscheidungswesentlich ist allein, dass der Hausverwalter der Beklagten die gebotene Vorsicht walten ließ, gleichviel welches Unternehmen die Verspannung der Kaminhochführungen durchgeführt hat. Woraus sich eine "Untüchtigkeit des Hausverwalters" ergeben sollte, läßt sich aus den Revisionsausführungen nicht entnehmen.

Die Revision ist demnach mangels Vorliegens und Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen. An den gegenteiligen Ausspruch des Berufungsgerichts ist der Oberste Gerichtshof gemäß § 508a ZPO nicht gebunden.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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