OGH 10ObS369/99h

OGH10ObS369/99h11.1.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr und Dr. Steinbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Christoph Kainz (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Univ.Prof. Dr. Walter Schrammel (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Gisela S*****, Pensionistin, *****, vertreten durch die Sachwalterin (Betreuerin) Ingeborg S*****, ebendort, diese vertreten durch Dr. Michael Krassnigg, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, 1021 Wien, Friedrich Hillegeist-Straße 1, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Pflegegeld und Rückforderung eines Überbezuges, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 22. September 1999, GZ 7 Rs 109/99x-39, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 6. Oktober 1998, GZ 8 Cgs 142/98z-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Das Revisionsverfahren wird bis zur Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften über den vom Obersten Gerichtshof am 9. November 1999 in der Sozialrechtssache 10 ObS 273/99s gestellten Antrag auf Vorabentscheidung unterbrochen.

Nach Einlangen der Vorabentscheidung wird das Revisionsverfahren von Amts wegen fortgesetzt werden.

Text

Begründung

Die beklagte Partei hat mit Bescheid vom 10. 3. 1998 das der Klägerin gewährte Pflegegeld ab 1. 8. 1997 mit der Begründung entzogen, dass sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht mehr im Inland habe. Weiters wurde sie verpflichtet, den Überbezug von S 10.558,20 binnen 14 Tagen zurückzuzahlen.

Die Vorinstanzen schlossen sich diesem Rechtsstandpunkt an und wiesen das dagegen gerichtete Klagebegehren ab. Die Klägerin habe ihren gewöhnlichen Aufenthalt in die Bundesrepublik Deutschland verlegt und damit den vorher bestehenden Anspruch auf Pflegegeld verloren.

Gegen das Berufungsurteil richtet sich die auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision der Klägerin mit der Anregung, hinsichtlich der Frage der Exportfähigkeit des Pflegegeldes eine Vorabentscheidung einzuholen.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof hat mit Beschluss vom 9. 11. 1999, 10 ObS 273/99s, in einer vergleichbaren, ebenfalls den Export von Pflegegeld in die Bundesrepublik Deutschland betreffenden (beim Landesgericht Innsbruck zu 42 Cgs 269/98w anhängigen) Sozialrechtssache dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften gemäß Artikel 177 EG-Vertrag (jetzt Artikel 234 EG) folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

"Ist Artikel 10a der Verordnung (EWG) Nr 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EWG) Nr 2001/83 des Rates vom 2. Juni 1983 geänderten und aktualisierten Fassung, geändert durch die Verordnung (EWG) Nr 1247/92 des Rates vom 30. April 1992, in Verbindung mit Anhang IIa dahin auszulegen, dass das Pflegegeld nach dem Bundespflegegeldgesetz in seinen Geltungsbereich fällt und folglich eine beitragsunabhängige Sonderleistung im Sinne von Artikel 4 Absatz 2a der Verordnung darstellt, so dass auf den Fall einer Person, die - wie die Klägerin - nach dem 1. Juni 1992 die Voraussetzungen für die Gewährung dieser Leistung erfüllt, ausschließlich die durch Artikel 10a der Verordnung geschaffene Koordinierungsregelung anzuwenden ist?"

Auf die ausführliche Begründung dieses Beschlusses wird verwiesen. Da dieselben Erwägungen betreffend Zweifel über die Auslegung gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften auch für die vorliegende Sozialrechtssache gelten, ist es zweckmäßig und geboten, mit der Entscheidung über die Revision bis zur Vorabentscheidung des EuGH zuzuwarten und das Revisionsverfahren zu unterbrechen. Dies ist prozessökonomisch sinnvoll, weil der Oberste Gerichtshof auch in Rechtssachen, in denen er nicht unmittelbar Anlassfallgericht ist, von einer allgemeinen Wirkung der Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofes auszugehen und diese daher auch für andere als die unmittelbaren Anlassfälle anzuwenden hat (Schima, Das Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH, 79 ff, 82). Die Entscheidungen des EuGH binden alle Gerichte der Mitgliedstaaten auch

für andere Fälle; sie schaffen objektives Recht (8 ObA 211/96 = SZ

69/56 = Arb 11.483 = ecolex 1996, 697 = DRdA 1996, 513 = ZAS 1997,

51). Der Senat hält daher an seiner Rechtsprechung fest, dass es weder sinnvoll noch notwendig ist, ein bereits gestelltes Ersuchen um eine Vorabentscheidung durch den EuGH in allen späteren, im Tatsächlichen und Rechtlichen völlig gleich gelagerten Fällen zu wiederholen (10 ObS 149/98d, 10 ObS 181/98k, 10 ObS 182/98p, 10 ObS 188/98i ua).

Stichworte