OGH 15Os163/99

OGH15Os163/9916.12.1999

1Der Oberste Gerichtshof hat am 16. Dezember 1999 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder, Dr. Schmucker, Dr. Zehetner und Dr. Ratz als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Mezera als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Herbert E***** wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 6. Juli 1999, GZ 33 Vr 1229/97-47, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Herbert E***** des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

Danach hat er (zusammengefasst wiedergegeben) zwischen 6. April 1993 und 24. Jänner 1997 in Linz als Angestellter der Raiffeisenlandesbank ***** regGenmbH-Abteilung Wertpapierportofoliomanagement die ihm durch Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, wissentlich missbraucht, indem er in insgesamt 104 Angriffen auf den (im Urteil nummernmäßig bezeichneten) Wertpapierkonten der (im Urteilsspruch namentlich genannten) zehn Bankkunden ohne entsprechenden Auftrag teils Wertpapierverkäufe tätigte, teils Barauszahlungen und Umbuchungen vornahm, wobei er durch die Taten einen 500.000 S übersteigenden Schaden im Gesamtbetrag von 13,504.774,53 S herbeiführte.

Die dagegen vom Angeklagten aus Z 4, 5 und 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde ist unbegründet.

Rechtliche Beurteilung

Zunächst versagt die Verfahrensrüge (Z 4) gegen das schöffengerichtliche Zwischenerkenntnis, mit dem vom Verteidiger gestellte Beweisanträge (S 330/II) im Ergebnis mit zutreffender Begründung abgewiesen wurden (S 332/II iVm US 13 und 19).

Nach Inhalt und Zielrichtung waren diese Anträge [auf 1. ergänzende Gutachtenserstattung zum Beweis dafür, dass die gesamten Auszahlungen an den Zeugen Josef R***** sen. entsprechend den Aufzeichnungen des Angeklagten mindestens 2,360.000 S ausgemacht haben und eine Zahlung von 600.000 S Ende 1993 nicht stattgefunden hat. 2. Vernehmung der Zeugen Elisabeth G*****, Dr. Ernst A***** und Franz O***** zum Beweis, dass der Angeklagte 1992 an keinem Kreditgespräch der Zeugen R***** mitgewirkt, sich in die Frage Grundverkauf oder Depotverkauf nicht eingeschaltet hat und diese Banken in für ihre beiden Kunden R***** mehrfach zu Zahlungen gedrängt haben.] von vorneherein ungeeignet, den - im Sinne der schuldspruchkonformen Anklage uneingeschränkt geständigen (S 280/II) - Beschwerdeführer in irgendeiner Weise vom Vorwurf des zum Schaden der im Urteil genannten Personen verübten Verbrechens der Untreue zu entlasten. Soweit das Beschwerdevorbringen aber über jenes im Verfahren erster Instanz hinausgeht (S 330 f/II), muss es als prozessual verspätet auf sich beruhen.

Der Beschwerde zuwider wurden daher keine Verfahrensgrundsätze hintangesetzt, deren Beobachtung durch Art 6 EMRK und durch das Wesen eines die Verteidigung sichernden fairen Verfahrens geboten ist.

Die in der Mängelrüge (Z 5) als "undeutlich und unvollständig" gerügte - indes im Rechtsmittel bloß isoliert hervorgehobene und nach Meinung des Beschwerdeführers für den Strafaufhebungsgrund gemäß § 167 StGB relevante - Urteilsfeststellung (US 11), wonach es zum Zeitpunkt der Anzeigeerstattung am 3. Juli 1997 "möglicherweise bereits eine vertragliche Vereinbarung betreffend die Schadensgutmachung zwischen Dr. P***** und [richtig:] dem Anwalt der RLB gegeben hat", betrifft fallbezogen ebenfalls keinen entscheidenden (also weder für die Unterstellung der Tat unter das Strafgesetz noch für den anzuwendenden Strafsatz bedeutsamen) Umstand. Spricht die Beschwerde doch bloß eine vertragliche Vereinbarung zwischen RLB, also einem Dritten, und einem Geschädigten (Dr. P*****) an, ohne die Voraussetzungen tätiger Reue nach § 167 Abs 4 StGB auch nur zu behaupten.

Aus demselben Grund verfehlt auch die den besonderen Strafaufhebungsgrund der tätigen Reue gemäß § 167 StGB reklamierende Rechtsrüge (Z 9 lit b) eine gesetzmäßige Darstellung.

Der im Rahmen der Berufung erhobene Vorwurf, die erstgerichtliche Annahme der Erschwerungsgründe der hohen Schadenssumme, des langen Deliktszeitraums und der zahlreichen Angriffe auf fremdes Vermögen führe zu einer "mehrfachen Bewertung dieser Umstände", womit der Sache nach ein (vermeintlicher) Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot (§ 281 Abs 1 Z 11 StPO) geltend gemacht wird, ist bei Erledigung der (ohnehin ausgeführten) Berufung des Angeklagten zu prüfen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - teils als offenbar unbegründet, teils als nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt nach § 285d Abs 1 Z 1 und Z 2 iVm § 285a Z 2 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Daraus folgt, dass zur Entscheidung über die zudem erhobenen Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft das Oberlandesgericht Linz berufen ist (§ 285i StPO).

Zu der in einer Äußerung gemäß § 35 Abs 2 StPO vertretenen Ansicht des Beschwerdeführers, die Meinungs- äußerung der Generalprokuratur könne deswegen nicht berücksichtigt werden, weil sie mit keinem Wort begründet sei, begründungslose Anträge aber einem auf "Waffengleichheit" aufgebauten Strafverfahren grundsätzlich fremd seien, genügt der Hinweis auf die Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (vgl ua Bulut gegen Österreich 59/1994/506/588), der eine gleichartige, ebenfalls nicht näher begründete Stellungnahme der Generalprokuratur nicht zu beanstanden fand, sondern eben aus Gründen der Waffengleichheit deren Zustellung jedenfalls an die Verteidigung für erforderlich erklärte, welcher es dann anheimgestellt ist, in Überlegungen einzutreten, ob und welche Reaktion darauf erfolgen soll (15 Os 97/98, 15 Os 18/99 uam). Es besteht daher keine gesetzliche Handhabe, von der Generalprokuratur die Offenlegung ihrer Gründe für die empfohlene Beschlussfassung nach § 285d StPO zu verlangen.

Im übrigen wird in einem Gerichtstag nur über prozessordnungsgemäß ausgeführte Rechtsrügen des Angeklagten entschieden (Mayerhofer aaO § 285a E 61; EvBl 1997/154, 15 Os 119,120/99 uam). Es genügt daher vorliegend nicht, dass der Angeklagte "auch den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO geltend gemacht hat".

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