OGH 6Ob270/99w

OGH6Ob270/99w25.11.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Parteien 1. Fred T*****, 2. Margarete T*****, 3. Österreichischer J*****, alle vertreten durch Dr. Friedrich H. Knöbl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte und Gegnerin der gefährdeten Parteien Johann O*****, vertreten durch Dr. Gottfried Korn und Dr. Peter Zöchbauer, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert im Provisorialverfahren 280.000 S), über die Rekurse der klagenden und der beklagten Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 16. August 1999, GZ 4 R 131/99h-12, womit der Beschluss des Landesgerichtes Salzburg vom 14. Mai 1999, GZ 12 Cg 21/99g-6, aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Rekurse werden zurückgewiesen.

Die Kläger und die beklagte Partei haben die Kosten des Rekursverfahrens endgültig selbst zu tragen.

Text

Begründung

Der Erstkläger ist Obmann des drittklagenden Vereins, der den Dr. Karl-Renner-Preis verleiht. Die Zweitklägerin ist freie Mitarbeiterin des Drittklägers. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 23. 10. 1998, 3 b Vr 569/98 Hv 2394/98, wurde Günther B***** wegen des Verbrechens der Veruntreuung nach §§ 133 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB und der Brandstiftung nach § 169 Abs 1 StGB verurteilt. Er habe als Vereinsfunktionär des Drittklägers ca 629.000 S Bargeld veruntreut und in den Büroräumlichkeiten des Drittklägers einen Brand gelegt.

Die Beklagte ist Medieninhaberin der periodischen Druckschrift "Der

österreichische Journalist", in deren Ausgabe 1/99 sie einen Artikel

unter der Überschrift "Glutnester" veröffentlichte und dort wörtlich

ausführte: "Für den ... (Erstkläger) glost auch nach der (noch nicht

rechtskräftigen) Verurteilung seines früheren Vizepräsidenten Günther

B***** wegen Brandstiftung und Veruntreuung von rund 600.000 S

Vereinsgeldern noch so manches Glutnest. Schließlich hatte Richter

Johannes J***** in seiner mündlichen Urteilsbegründung darauf

hingewiesen, dass die Finanzkontrolle im Club "nahe dem Chaos"

gewesen sei und eventuell auch andere Personen ein Interesse am

Verschwinden von Unterlagen gehabt haben könnten. Immerhin war zB zu

Tage gekommen, dass Geldmittel zwischen dem Verein ÖJC und dem von

ihm betreuten Renner-Preis hin und her geschoben wurden, wobei

"Absender und Empfänger" nicht immer "zuzuordnen" waren, wie es in

einem Prüfungsprotokoll heißt. Ein früherer Kassier ... sah sich und

seinen Nachfolger von ... (Zweitklägerin) ... ständig behindert und

trat zurück. Sie habe versucht ... ihn bei seiner Kontrollarbeit

"blöd sterben zu lassen". Der österreichische Journalist stieß bei

seinen Recherchen mittlerweile auf ein explosives Zwischenergebnis:

Der erste Staatsanwalt und stellvertretende Pressesprecher der

Staatsanwaltschaft Wien, Hofrat ... bestätigte, dass gegen Fred

T***** bereits vor Monaten ein Verfahren unter der AZ 3 St 98146/98

eröffnet wurde. Der Akt über eventuelle "Betrugshandlungen" wurde

Ende Februar, so der Sprecher der Anklagebehörde, vom zuständigen

Referenten ... zur weiteren Behandlung vorgelegt. Ermittelt wird laut

K. auch gegen Grete T***** und den früheren Clubkassier, ....".

Im Text hervorgehoben findet sich noch die Aussage "Unklare Geldflüsse zwischen dem Verein ÖJC und dem von ihm betreuten Renner-Preis". Dem Bericht ist ein Bildnis des Erstklägers angeschlossen, unter dem sich nachstehender Text findet: "Ein Brand als Dauerbrenner für die Gerichte: nachdem der Ex-Vizepräsident des Österreichischen Journalisten Clubs inzwischen (auch noch nicht rechtskräftig) verurteilt ist, wird gegen Präsident Fred T*****, seine Ehefrau Grete und den früheren Kassier Harald V***** wegen eventueller "Betrugshandlungen" ermittelt."

Zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches begehren die Kläger Erlassung einer einstweiligen Verfügung, mit der der Beklagten geboten werde, nachstehende (oder sinngleiche) Behauptungen zu unterlassen:

Sie hätten unklare Geldflüsse zwischen dem Verein ÖJC und dem von ihm betreuten Renner-Preis zu verantworten, könnten eventuell ein Interesse am Verschwinden von Unterlagen gehabt haben und gegen sie seien deshalb Erhebungen über Betrugshandlungen anhängig. Die im wiedergegebenen Artikel enthaltenen Äußerungen seien unwahr, enthielten den Vorwurf unehrenhaften Verhaltens im Sinne des § 111 StGB und verstießen gegen § 1330 Abs 1 und 2 ABGB.

Die Beklagten beantragten die Abweisung des Sicherungsbegehrens. Die Äußerungen seien dem Sinngehalt nach wahr. Der Vorsitzende des Schöffensenates habe in der mündlichen Urteilsbegründung im Verfahren gegen Günther B***** wörtlich darauf hingewiesen, dass die Finanzgebarung des Drittklägers nahe einem Chaos sei und auch eventuell andere Personen (gemeint als der zu diesem Zeitpunkt bereits Verurteilte) Interesse am Verschwinden von Unterlagen gehabt haben können. Es bestehe ein Aktenvermerk des das Rechnungswesen des Drittklägers prüfenden Wirtschaftstreuhänders, wonach Buchungen nicht nachvollziehbar und Zahlungsempfänge nicht zuordenbar seien, sowie dass für die Zeit ab 1. 1. 1995 eine lückenlose Kontrolle der Einnahmen- und Ausgabenrechnungen empfohlen werde. Der Hinweis auf das bei der Staatsanwaltschaft Wien gegen den Erst- und die Zweitklägerin anhängige Verfahren beruhe auf der Mitteilung des Pressesprechers der Anklagebehörde. Die Angabe eines tatsächlich bestehenden Tatverdachtes sei auch nach § 111 StGB nicht tatbestandsmäßig und daher auch keine Grundlage nach § 1330 Abs 1 und 2 ABGB.

Das Erstgericht erließ die begehrte einstweilige Verfügung. Der Artikel unterstelle den Klägern unrichtigerweise, dass sie für unrichtige (gemeint wohl unklare) Geldflüsse verantwortlich seien und deshalb Interessse am Verschwinden von Unterlagen hätten und dass deshalb gegen sie wegen Betrugshandlungen ermittelt werde. In seiner Feststellungen, Beweiswürdigung und rechtliche Beurteilung vermengenden Begründung kam das Erstgericht erkennbar zum Ergebnis, die gegen die Klägerin gerichteten Vorwürfe gingen aus den (vorgelegten) Dokumenten nicht hervor. Die Behauptungen der Beklagten seien daher nicht (auch nicht im Kern) wahr. Sie habe zur Schädigung der Kläger an Ehre und Kredit geeignete Tatsachen verbreitet und sei zu deren Unterlassung verpflichtet.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Beklagten Folge, hob die angefochtene einstweilige Verfügung auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Die Äußerungen der Beklagten erfüllten - im Falle ihrer Unwahrheit - die Tatbestände des § 1330 Abs 1 und Abs 2 ABGB. Die Beklagte habe den Wahrheitsbeweis angeboten, sodass die Überprüfung des Wahrheitsgehaltes zentrales Thema des Provisorialverfahrens sei. Das Erstgericht hätte daher auf der Grundlage des beiderseitigen Vorbringens und der zur Glaubhaftmachung angebotenen Mittel die erforderlichen Feststellungen zu sämtlichen inkriminierten Äußerungen in Bezug auf ihren Wahrheitsgehalt treffen müssen, was bisher nicht mit der erforderlichen Geschlossenheit und Systematik geschehen sei. Als Voraussetzung einer rechtlichen Beurteilung sei daher eine Verbreiterung der Tatsachengrundlage erforderlich. Zur Frage des Wahrheitsbeweises im Bezug auf den gegenüber Erst- und Zweitklägerin geäußerten Verdacht strafbarer Handlungen werde es auf dem Inhalt der mündlichen Urteilsbegründung ankommen, was wiederum Auswirkungen auf die über das Verfahren 3 St 98146/98d aufgestellten Behauptungen habe.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes 260.000 S übersteige und der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, weil dieser noch nicht entschieden habe, welche Äußerungen konkret unter § 1330 Abs 1 ABGB zu subsumieren seien.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen den Aufhebungsbeschluss gerichteten Rekurse der Kläger und der Beklagten sind entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichtes nicht zulässig.

Der Rekurs der Kläger ist weitestgehend nicht gesetzgemäß ausgeführt, weil er nicht von den getroffenen Feststellungen ausgeht. Er formuliert vielmehr eine Sachverhaltsdarstellung aus der Sicht der Kläger und verletzt überdies das Neuerungsverbot.

Dem Rekurs der Beklagten mangelt es zwar entgegen der Auffassung der Kläger nicht an einer Beschwer. Die Rechtsprechung anerkennt bei Aufhebungsbeschlüssen eine Beschwer durch die Begründung (Kodek in Rechberger, ZPO Rz 10 vor § 461 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung). Auch die herrschende Lehre bejaht eine Beschwer der mit dem Hauptantrag unterlegenen, mit einem Eventualantrag aber obsiegenden Partei (Rechberger/Simotta, ZPR4 Rz 817; Fasching, ZPR2 Rz 1719). Die von den Klägern zitierten Entscheidungen 4 Ob 2377/96d und 8 Ob 2028/96k sind mit dem hier vorliegenden Sachverhalt nicht vergleichbar.

Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes schützt §

1330 Abs 1 ABGB die Ehre der natürlichen oder juristischen Person,

Abs 2 dieser Gesetzesstelle auch ihren wirtschaftlichen Ruf. Für die

Anwendbarkeit des Abs 1 ist die strafgesetzliche Tatbestandsmäßigkeit

einer Ehrenbeleidigung nicht Voraussetzung. Eine Ehrenbeleidigung

nach bürgerlichem Recht ist vielmehr schon jedes der Ehre eines

anderen nahetretende Verhalten, ohne dass es darauf ankommt, ob im

konkreten Fall auch eine strafrechtliche Ahndungsmöglichkeit besteht

(SZ 64/182; SZ 68/97 mwN; 6 Ob 173/98d; 6 Ob 208/98a; RIS-Justiz

RS0032008 und RS008984). Die Frage, ob bestimmte, im gesamten

Zusammenhang stehende Äußerungen eine Ehrverletzung darstellen,

betrifft eine Entscheidung im Einzelfall (JBl 1994, 258; 6 Ob

208/98a), der - ein Fall grober Fehlbeurteilung ist im vorliegenden

Fall nicht zu erkennen - keine über diesen hinausgehende Bedeutung zukommt.

Auf die vom Rekursgericht und der Beklagten als erheblich angesehene

Rechtsfrage der Abgrenzung des strafrechtlichen vom zivilrechtlichen Begriff der Ehrenbeleidigung kommt es im vorliegenden Fall schon deshalb nicht an, weil die dem Artikel zu entnehmenden Vorwürfe im Gesamtzusammenhang der Äußerung ohnehin den Vorwurf strafgesetzwidrigen Verhaltens beinhalten.

Die Äußerungen der Beklagten könnten teilweise als Zitate gerechtfertigt sein, sofern die Beklagte den das Urteil gegen B***** verkündenden Richter und den Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Wien richtig zitiert hat. Nach den Grundsätzen der Zitatenjudikatur hat zwar ein Täter grundsätzlich auch die von ihm wiedergegebenen Äußerungen eines Dritten zu vertreten, es kann jedoch bei neutraler Berichterstattung in einem Medium ein Rechtfertigungsgrund gegeben sein, sodass es in einem solchen Fall an der Rechtswidrigkeit der Verbreitung mangelt (6 Ob 30/95; SZ 69/113; RdW 1999, 347; vgl Zöchbauer, Korrektes Zitat und zivilrechtliche Ehrenbeleidigung, WBl 1999, 289 f). Ob aber die Beklagte die in ihrem Artikel wiedergegebenen Aussagen richtig zitiert hat, kann mangels entsprechender Feststellungen nicht beurteilt werden.

Hat die Beklagte den Inhalt der behördlichen Erklärung des Pressesprechers der Staatsanwaltschaft Wien richtig wiedergegeben, fehlte es schon am gesetzlichen Tatbestandsmerkmal der Unwahrheit der behaupteten Tatsache, es sei denn die Wiedergabe im Artikel vermittelte einen völlig falschen Eindruck über den Inhalt der behördlichen Erklärung (RdW 1999, 347).

Im vorliegenden Fall fehlen die für die Beurteilung der Aussagen der Beklagten erforderlichen Feststellungen. So hat das Erstgericht weder Feststellungen über den Inhalt der mündlichen Urteilsbegründung im Verfahren B***** getroffen, noch steht fest, welche Auskunft der Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Wien erteilt hat und ob es danach tatsächlich gerechtfertigt war, von "Erhebungen wegen eventueller Betrugshandlungen" zu berichten. Für die Richtigkeit der Behauptung unklarer Geldflüsse hat die Beklagte den Wahrheitsbeweis angeboten und Auskunftspersonen namhaft gemacht, die das Erstgericht aber bisher nicht berücksichtigt hat.

Die Auffassung des Rekursgerichtes, das eine Aufhebung und Zurückverweisung an das Erstgericht für erforderlich hielt, ist daher nicht zu beanstanden.

Die dagegen gerichteten Rekurse der Kläger und der Beklagten werden mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage zurückgewiesen.

Die Kostenentscheidung beruht in Ansehung der Kläger auf § 393 (1) EO, in Ansehung der Beklagten auf §§ 78, 402 (4) EO iVm §§ 41 und 50

(1) ZPO.

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