OGH 15Os131/99

OGH15Os131/9925.11.1999

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. November 1999 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder, Dr. Schmucker, Dr. Zehetner und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Horvath als Schriftführer, in der Strafsache gegen Manfred H***** wegen des Verbrechens des versuchten Totschlags nach §§ 15, 76 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Eisenstadt vom 28. April 1999, GZ 8 Vr 1080/98-87, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin des Generalprokurators, Staatsanwältin Mag. Schnell, des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Mayer zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Manfred H***** des Verbrechens des versuchten Totschlages nach §§ 15, 76 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er sich am 13. August 1998 in Inzenhof in einer im Urteilsspruch näher beschriebenen allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung dazu hinreissen lassen, zu versuchen, Ilse G***** vorsätzlich zu töten, indem er zwei Schüsse aus einem Revolver auf sie abgab, wobei infolge von Abwehrhandlungen der Genannten der erste Schuss ihren (linken) Oberschenkel traf und der folgende sie verfehlte.

Die Geschworenen hatten die anklagekonform gestellte Hauptfrage 1 nach versuchtem Mord (§§ 15, 75 StGB) verneint, hingegen die Eventualfrage 1 nach versuchtem Totschlag (§§ 15, 76 StGB) bejaht und die hiezu gestellte Zusatzfrage 1 nach Zurechnungsunfähigkeit (§ 11 StGB) verneint. Die weiteren Eventualfragen 2, 3 und 4 nach gefährlicher Drohung (§ 107 Abs 1 und 2 StGB), fahrlässiger Körperverletzung (§ 88 Abs 4 zweiter Fall iVm § 81 Z 1 StGB) und nach Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung (§ 287 Abs 1 StGB) blieben folgerichtig unbeantwortet.

Gegen dieses Urteil richtet sich eine auf die Z 4, 6, 8 und 13 des § 345 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten; sie ist nicht im Recht.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wurde dem Beschwerdeführer die Aussage der in seiner Abwesenheit vernommenen Zeugin G***** durch ausdrücklichen Vorhalt im Sinne des § 250 Abs 1 StPO zur Kenntnis gebracht (S 183/II). Er nahm dies auch zum Anlass, eine substantiierte Erklärung hiezu abzugeben.

Überdies war der Verteidiger des Angeklagten während der gesamten Hauptverhandlung anwesend. Es stand ihm frei, durch entsprechende Fragestellung oder weitere Vorhalte den Angeklagten zur Darstellung seines Standpunktes zu weiteren Einzelheiten der Aussage der Zeugin zu veranlassen bzw durch entsprechende Antragstellung die wortgetreue Verlesung der Angaben der Zeugin zu begehren, was allerdings nicht geschah.

Die Fragestellungsrüge (Z 6) moniert das Unterbleiben einer Eventualfrage nach dem Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung gemäß § 87 Abs 1 StGB. Entgegen den Beschwerdebehauptungen war eine solche Frage weder auf Grund der Darstellung des Tatablaufes durch die Zeugin G***** (S 149 ff/II) noch der Ausführungen des waffentechnischen Sachverständigen OR W***** (S 197 ff/II iVm ON 64/I) indiziert. Diese Zeugin bekundete, dass der Angeklagte die Tatwaffe aus unmittelbarer Nähe gegen ihren Oberkörper richtete und der erste - von ihm abgefeuerte - Schuss lediglich zufolge ihrer Abwehrreaktion (Hinunterdrücken des Revolverlaufes) ihren Oberschenkel traf. Da der Täter auch danach auf ihren Oberkörper zu zielen trachtete, hatte sie die Waffe weiterhin mit aller Kraft von sich weggedrückt, weshalb der nachfolgende Schuss in den Boden einschlug. Der Waffenexperte hinwieder kam zu dem Ergebnis, dass die Angaben der Zeugin mit den sichergestellten Schussspuren im Einklang stehen. Bei der gebotenen Gesamtbetrachtung dieser Beweisergebnisse - einschließlich der (nur) in Richtung gefährlicher Drohung bzw fahrlässiger Körperverletzung weisenden Verantwortung des Angeklagten und seines in der Beschwerde relevierten Verhaltens nach der Tat (Flucht nach Entwinden der Waffe durch Ilse G*****) - ergeben sich keine konkreten (über den Rahmen abstrakt denkbarer Möglichkeiten oder bloßer Mutmaßungen hinausgehende), die reklamierte Fragestellung rechtfertigenden Hinweise auf das Vorliegen (bloßer) Verletzungsabsicht (durch gezielte Schussabgabe auf Körperteile des Opfers ohne lebenswichtige Organe). Der Nichtigkeitswerber versucht vielmehr nur spekulativ, die Beweisergebnisse in diesem Sinne umzudeuten.

Auch die Instruktionsrüge (Z 8) ist nicht begründet.

Nach § 321 Abs 2 StPO hat sich die Rechtsbelehrung allein an dem den Geschworenen vorgelegten Fragenkatalog zu orientieren (Mayerhofer StPO4 § 345 Z 8 E 20, 22). Da eine Frage nach absichtlich schwerer Körperverletzung nicht gestellt worden war, hatte - entgegen der Beschwerde - eine Instruktion über die Tatbestandsmerkmale des § 87 Abs 1 StGB nicht zu erfolgen. Die vom Angeklagten vermisste Erörterung konkreter Tatmodalitäten hat nicht in der schriftlichen Rechtsbelehrung zu erfolgen, sondern sind diese Gegenstand der nach § 323 Abs 2 StPO abzuhaltenden Besprechung.

Auch die Strafzumessungsrüge (Z 13) versagt. Dem Nichtigkeitswerber, der die Annahme des zweimaligen Angriffes als besonderen Erschwerungsgrund kritisiert, ist entgegenzuhalten, dass nur die rechtsfehlerhafte Beurteilung von Strafzumessungstatsachen, nicht jedoch die irrige Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung einzelner Strafzumessungsgründe Nichtigkeit nach § 345 Abs 1 Z 13 StPO begründet (Mayerhofer aaO § 345 Z 13 E 2, 2a). Die Richtigkeit der dem Strafausspruch zugrunde gelegten Strafzumessungsumstände kann nur im Rahmen der (ohnedies ausgeführten) Berufung bekämpft werden.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Geschworenengericht verhängte über Manfred H***** nach § 76 StGB eine Freiheitsstrafe von sieben Jahren.

Gemäß §§ 366 Abs 2, 369 Abs 1 StPO wurde er schuldig erkannt, der Privatbeteiligten Ilse G***** 30.000 S und dem Land Burgenland 25.006,02 S zu zahlen.

Bei der Strafzumessung werteten die Tatrichter als erschwerend die gezielte Abgabe von zwei Schüssen, als mildernd den bisherigen ordentlichen Lebenswandel, die Persönlichkeitsstörung des Angeklagten, dessen Enthemmung durch Alkohol und Medikamenteneinnahme sowie den Umstand, dass es beim Versuch geblieben ist.

Die Berufung richtet sich sowohl gegen den Strafausspruch als auch gegen das Adhäsionserkenntnis.

In der Straffrage strebt der Rechtsmittelwerber eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe und deren bedingte oder teilbedingte Nachsicht an. Zu den zivilrechtlichen Ansprüchen beantragt er die Aufhebung des Zuspruches und die Verweisung der Privatbeteiligten auf den Zivilrechtsweg.

Die Berufung ist in keiner Richtung berechtigt.

Das Geschworenengericht hat die Strafzumessungsgründe richtig erfasst und gewichtet. Die zweimalige Schussabgabe wurde zutreffend als erschwerend gewertet, zeigt sie doch eine erhöhte kriminelle Energie, die bei der Strafzumessung gemäß § 32 StGB zu berücksichtigen ist. Die Persönlichkeitsstörung wiederum, welche auch auf einen nicht von ihm verschuldeten Arbeitsunfall zurückzuführen ist, wurde ohnedies als mildernd angenommen.

Die ausgesprochene Freiheitsstrafe entspricht daher sowohl dem Unrechtsgehalt der Tat als auch der persönlichen Täterschuld.

Da bei richtiger Gewichtigung der Strafzumessungstatsachen die Milderungsumstände die Erschwerungsgründe nicht beträchtlich überwiegen, scheidet eine bedingte oder teilbedingte Nachsicht der Strafe schon aus diesem Grunde aus.

Zu den Privatbeteiligtenansprüchen macht der Berufungswerber geltend, dass der Angeklagte zu den zivilrechtlichen Ansprüchen nicht vernommen worden sei.

Dies ist zwar zutreffend, doch hatte der Verteidiger die Möglichkeit, zu den Ansprüchen Stellung zu nehmen, wovon er auch Gebrauch gemacht hat (S 241/II). Diese in Anwesenheit des Angeklagten und ohne dessen Widerspruch abgegebene Erklärung genügt dem Gebot des rechten Gehörs (Mayerhofer aaO § 365 E 21a, zuletzt 15 Os 86/99). Darüberhinaus hat der Zahlungspflichtige im Gerichtstag vor dem Obersten Gerichtshof über die Berufung zu den gegen ihn gerichteten Ansprüchen eine Erklärung im Sinne der Bereitschaft zur Schadensgutmachung abgegeben.

Aber auch dem Grunde nach erfolgte die Zuerkennung der Schadenersatzbeträge zu Recht. Gegen den Zuspruch von 30.000 S Schmerzengeld an die verletzte Ilse G***** brachte der Berufungswerber keine konkreten Einwände vor und bestehen dagegen keine Bedenken.

Soweit sich das Rechtsmittel gegen den Ersatz des vom Land Burgenland als Dienstgeber weiter bezahlten Lohnes für die als Vertragsbedienstete beschäftigte Zeugin G***** richtet, hat sich das Geschworenengericht zutreffend auf § 1358 ABGB gestützt und diese Bestimmung analog angewandt. Dies entspricht der herrschenden Auffassung und der ständigen Judikatur des Obersten Gerichtshofes (vgl insb SZ 67/52, 69/55 und 69/223). Danach hat der Schädiger dem Dienstgeber den auf ihn überwälzten Schaden des Dienstnehmers zu ersetzen und nicht etwa einen eigenen Schaden des Dienstgebers aus dem Ausfall der Arbeitskraft. Der Dienstgeber ist dann ersatzberechtigt, wenn er zur Lohnfortzahlung verpflichtet ist. Dies aber war vorliegend das Land Burgenland nach § 24 Vertragsbedienstetengesetz.

Auch der Berufung war somit insgesamt ein Erfolg zu versagen.

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