OGH 15Os86/99

OGH15Os86/9912.8.1999

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. August 1999 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder, Dr. Schmucker, Dr. Zehetner und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Lokay als Schriftführer, in der Strafsache gegen Franz P***** wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und 4 erster Fall StGB, AZ 4 U 119/97f des Bezirksgerichtes Eggenburg, über die vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil des Landesgerichtes Krems an der Donau als Berufungsgericht vom 9. Februar 1999, AZ 11 Bl 6/99, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Staatsanwältin Mag. Schnell, des Privatbeteiligtenvertreters Mag. Mayer und des Verteidigers Mag. Miklautz, jedoch in Abwesenheit des Verurteilten, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Das Urteil des Landesgerichtes Krems an der Donau als Berufungsgericht vom 9. Februar 1999, AZ 11 Bl 6/99 (= 4 U 119/97f-25 des Bezirksgerichtes Eggenburg), verletzt, soweit der Angeklagte Franz P***** gemäß § 369 Abs 1 StPO zur Zahlung eines Schmerzengeldbetrages von 5.000 S an den Privatbeteiligten Helmut N***** verpflichtet wurde, §§ 365 Abs 2, 366 Abs 2 zweiter Satz, 369 Abs 1, 447 Abs 1 StPO iVm § 333 ASVG.

Dieses Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, wird im Adhäsionserkenntnis aufgehoben und nach § 292 letzter Satz StPO insoweit in der Sache selbst erkannt:

Gemäß § 366 Abs 2 zweiter Satz StPO wird der Privatbeteiligte Helmut N***** mit seinen Ersatzansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Bezirksgerichtes Eggenburg vom 27. August 1998, GZ 4 U 119/97f-18, wurde Franz P***** von dem wider ihn erhobenen Antrag des Bezirksanwaltes auf Bestrafung, er habe am 19. September 1997 in Eggenburg Helmut N***** dadurch, daß er es als verantwortlicher Betriebsleiter des Lagerhauses Eggenburg unterlassen habe, die Arbeiter auf die Gefahren der Fahrleitungsanlagen der ÖBB im allgemeinen und über die örtlichen Besonderheiten des Ladegleises zu unterrichten, wodurch der Lagerhausarbeiter Helmut N***** in die Oberleitung des Stroms geriet und schwere Verletzungen erlitt, fahrlässig schwer am Körper verletzt, nach § 259 Z 3 StPO freigesprochen. Gemäß § 366 Abs 1 StPO wurde der Privatbeteiligte Helmut N***** mit seinen (in der Hauptverhandlung nicht bezifferten - S 139) Entschädigungsansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

Der dagegen von der Staatsanwaltschaft erhobenen Berufung wegen Nichtigkeit und Schuld (ON 22) gab das Landesgericht Krems an der Donau - nach durchgeführter Beweiswiederholung - mit Urteil vom 9. Februar 1999 iVm dem "Urteilsangleichungsbeschluß" vom 17. Juni 1999, AZ 11 Bl 6/99 (= ON 25 des U-Aktes), Folge, hob das angefochtene Urteil auf, erkannte Franz P***** im Sinne des gegen ihn erhobenen Antrages auf Bestrafung des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und 4 erster Fall StGB schuldig und verurteilte ihn zu einer (teilweise bedingt nachgesehenen) Geldstrafe sowie gemäß § 369 Abs 1 StPO zur Zahlung eines (in der mündlichen Berufungsverhandlung vom Privatbeteiligtenvertreter eingeschränkten - S 225) Schmerzengeldbetrages von 5.000 S an Helmut N*****. Den Entschädigungszuspruch begründete das Berufungsgericht lediglich damit, daß im Hinblick auf dessen schwerste Verletzungen der geltend gemachte Betrag von 5.000 S jedenfalls gerechtfertigt sei (S 247).

Die Entscheidung über die privatrechtlichen Ansprüche steht - wie der Generalprokurator in seiner Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend ausführt - mit dem Gesetz nicht in Einklang:

Rechtliche Beurteilung

Ein Adhäsionserkenntnis setzt nämlich grundsätzlich eine nach § 365 Abs 2 zweiter Satz StPO zwingend (verbo: "ist") vorgeschriebene "Vernehmung" des Beschuldigten (Angeklagten) zu den vom Privatbeteiligten konkret geltend gemachten Ansprüchen voraus (SSt 40/62, 43/24, 53/19 = EvBl 1982/186; RZ 1983/9, 1985/29; 12 Os 86,87/93, 11 Os 96/98 ua). Einer derartigen vom Gesetz geforderten Prozeßerklärung ist jedoch nur entweder eine vom Gericht - allenfalls über Anregung des Privatbeteiligten(vertreters) veranlaßte - an den Beschuldigten (Angeklagten) bzw an dessen Verteidiger gerichtete ausdrückliche Aufforderung zu einer diesbezüglichen Stellungnahme oder die zumindest explizit eingeräumte Möglichkeit zur Abgabe einer solchen Äußerung gleichzuhalten (vgl Mayerhofer StPO4 § 365 E 19a, 20a). Nach herrschender Judikatur wird dem Gebot der Vernehmung des Beschuldigten (Angeklagten) ferner auch dadurch Genüge getan, daß der Verteidiger zum geltend gemachten privatrechtlichen Anspruch (wenngleich erst im Schlußvortrag) Stellung nimmt und der Beschuldigte (Ange- klagte) dieser Prozeßerklärung nicht widerspricht (Mayerhofer aaO E 21a mwN).

In dem hier zu beurteilenden Fall wurde Franz P***** weder in der Hauptverhandlung erster Instanz (vgl S 139) noch in der Berufungsverhandlung (S 225) zum geltend gemachten privatrechtlichen Anspruch vernommen. Die befaßten Gerichte haben es aber auch verabsäumt, den Verteidiger ausdrücklich zu einer Stellungnahme hiezu aufzufordern. Während nämlich der Verteidiger in der Hauptverhandlung vor dem Bezirksgericht - wie erwähnt - die Schmerzengeldforderung überhaupt nicht beziffert hat, vermochte der bloße Antrag des Verteidigers im Plädoyer vor dem Landesgericht Krems an der Donau, "der Berufung [der Staatsanwaltschaft] nicht Folge zu geben und das erstgerichtliche Urteil zu bestätigen" (S 225), die aufgezeigten Mindestvoraussetzungen einer Prozeßerklärung im Sinne des § 365 Abs 2 (§ 447 Abs 1) StPO - ungeachtet der vom Verteidiger am 3. Juli 1998 schriftlich erstatteten Äußerung zu einer außergerichtlichen Auflistung seiner Entschädigungssumme von insgesamt 825.999 S durch den Privatbeteiligtenvertreter (ON 14) vor (wesentlich geänderter) Bezifferung des Anspruches im Strafverfahren (S 139; ON 19) - nicht zu erfüllen (vgl JUS 1999/6/2647), weshalb es an einer essentiellen formellen Voraussetzung für die Fällung des Anschlußerkenntnisses mangelte.

Beim schon wegen der unterlassenen Vernehmung des Angeklagten in der Berufungsverhandlung verfehlten Privatbeteiligtenzuspruch ist zudem die sachverhaltsmäßige und rechtliche Prüfung unterblieben, ob das Tatgeschehen nicht etwa einen außerhalb des Regelungsbereiches des § 333 Abs 3 ASVG gelegenen sozialversicherungsrechtlichen Arbeitsunfall darstellt und der Angeklagte hiebei die Stellung eines Aufsehers im Betrieb im Sinne des § 333 Abs 4 ASVG eingenommen hat; denn unter diesen Voraussetzungen wäre seine zivilrechtliche Haftung für Körperverletzungsschäden auf den Fall vorsätzlicher Verursachung beschränkt (§ 333 Abs 1 ASVG).

Auf Grund der jedenfalls schon mit dem aufgezeigten Verstoß gegen die zwingende Vorschrift des § 365 Abs 2 zweiter Satz StPO verbundenen Benachteiligung des Angeklagten war gemäß § 292 letzter Satz StPO der Feststellung der Gesetzesverletzung konkrete Wirkung zuzuerkennen, der zufolge das - im übrigen unberührt bleibende - Urteil im Adhäsionserkenntnis aufzuheben und der Privatbeteiligte Helmut N*****, dessen Anschluß an das Strafverfahren gemäß § 47 Abs 1 StPO an sich zulässig war (ähnlich ÖJZ-LSK 1982/133), gemäß § 366 Abs 2 zweiter Satz StPO mit seinem Schmerzengeldanspruch auf den Zivilrechtsweg zu verweisen (vgl 12 Os 86,87/93; Mayerhofer aaO § 292 E 155 mwN).

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