OGH 1Ob254/99f

OGH1Ob254/99f23.11.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Erika S*****, vertreten durch Dr. Otmar Franiek, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, *****, vertreten durch Dr. Werner Thurner und Dr. Peter Schaden, Rechtsanwälte in Graz, wegen S 100.000,- - sA und Feststellung (Streitwert S 50.000,- -), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 26. Jänner 1999, GZ 5 R 1/99b-24 (Band II), womit infolge Berufung der klagenden Partei und Kostenrekurses der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 1. November 1998, GZ 21 Cg 70/93y-18 (Band II), in der Hauptsache bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben; die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Am 23. 12. 1991 um etwa 17.00 Uhr stürzte die Klägerin und verletzte sich dabei am Ringfinger der linken Hand. Am 24. 12. 1991 begab sie sich kurz vor Mitternacht in die Behandlung eines Unfallkrankenhauses, dessen Rechtsträgerin die beklagte Partei ist.

Die Klägerin begehrte an Schmerzengeld und Verunstaltungsentschädigung global S 100.000,- - und die Feststellung, daß ihr die beklagte Partei ab dem 24. 12. 1992 für alle kausalen Schäden aus der Behandlung im Unfallkrankenhaus wegen des Bruchs des Ringfingers der linken Hand und dessen am 14. 10. 1992 erfolgten Amputation hafte. Sie behauptete, die Behandlung durch die Ärzte des Unfallkrankenhauses habe nicht den Regeln der ärztlichen Kunst entsprochen und ihr sei deshalb - nach einer nicht beherrschten Infektion - am 14. 10. 1992 der verletzte Ringfinger amputiert worden. Noch am 14. 10. 1992 habe ihr ein Arzt erklärt, der Finger werde selbstverständlich erhalten bleiben. Dennoch habe ihr kurz darauf eine Oberschwester mitgeteilt, der verletzte Finger müsse amputiert werden. Ohne die nötige Aufklärung erhalten zu haben, habe sie - allenfalls - völlig unbewußt und in ihrer Verzweiflung eine Zustimmungserklärung zur Amputation unterfertigt.

Die beklagte Partei wendete ein, die Behandlung sei nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführt worden. Nur durch eine Verkettung vieler ungünstiger Umstände habe die Verletzung des Fingers die Amputation nötig gemacht. Bei der der Klägerin im September 1992 vorgeschlagenen Arthrodese des Mittelgelenks des Ringfingers sei stets Infektionsgefahr und die Gefahr des fehlenden knöchernen Durchbaus gegeben. Auf beide Gefahren sei die Klägerin aufmerksam gemacht worden. Es sei eine Infektion eingetreten, die letztlich die Amputation zur Folge gehabt habe. Der ärztlichen Aufklärungspflicht sei in jedem Fall entsprochen worden.

Im ersten Rechtsgang wies das Erstgericht das Klagebegehren zur Gänze ab. Es verneinte das Vorliegen eines ärztlichen Kunstfehlers und schloß daraus, daß der Verlust des Fingers als schicksalshaft anzusehen sei.

Das Berufungsgericht erachtete die Feststellungen des Erstgerichts insofern, als kein ärztlicher Kunstfehler vorliege, für unbedenklich, hob das Ersturteil aber deshalb auf, weil es Feststellungen zum Vorliegen bzw zum Inhalt der Zustimmungserklärung der Klägerin zur Amputation und zum allenfalls vorangegangenen ärztlichen Aufklärungsgespräch vermißte.

Im zweiten Rechtsgang wies das Erstgericht sowohl das Leistungs- wie auch das Feststellungsbegehren neuerlich ab.

Es stellte fest, bei der Klägerin sei am 24. 12. 1991 eine Verrenkung im Mittelgelenk des linken Ringfingers und ein knöcherner Ausriß des Strecksehnenansatzes am Endglied des linken Kleinfingers diagnostiziert worden. Die Einrichtung der Verrenkung sei geglückt. Am 2. 9. 1992 sei eine Arthrodese des Mittelgelenks des linken Ringfingers mit zwei gekreuzten Bohrdrähten durchgeführt worden. Es sei in der Folge zu einer Eiterung gekommen, die am 14. 10. 1992 zur Amputation des Fingers geführt habe. Danach sei am 2. 2. 1993 ein Carpaltunnelsyndrom links behoben worden. Die postoperative Phase habe sich problemlos gestaltet, die Klägerin sei zum 22. 2. 1993 "gesundgeschrieben" worden. Die Klägerin habe sich erst 31 Stunden nach ihrer am 23. 12. 1991 erlittenen Verletzung in die Behandlung des Unfallkrankenhauses begeben. Dieser Umstand habe sowohl die diagnostischen wie auch die therapeutischen Bedingungen entscheidend negativ beeinflußt. Die Diagnose sei richtig gestellt worden, die Erstbehandlung habe den allgemein gültigen Richtlinien entsprochen. Aufgrund einer innerhalb von sieben Monaten aufgetretenen Gelenksdestruktion mit schmerzhafter Bewegungseinschränkung des Mittelgelenks des linken Ringfingers sei richtigerweise eine Versteifung des Gelenks in günstiger Funktionsstellung angeraten und am 2. 9. 1992 korrekt durchgeführt worden. Postoperativ sei es zur Wundinfektion gekommen. Am fünften postoperativen Tag sei die manifeste Infektion erkannt und lege artis behandelt worden. Am fünften Tag der Antibiotikabehandlung seien Zeichen einer Medikamentenüberempfindlichkeit aufgetreten, doch sei der Infekt bereits lokal eingedämmt gewesen, sodaß eine Weiterführung der systematischen Antibiotikabehandlung nicht mehr nötig gewesen sei. Bei weiteren Maßnahmen sei es zur Infektberuhigung gekommen. Nach Entfernung der Bohrdrähte am 6. 10. 1992 sei die Infektion erneut aufgetreten. Anstelle einer zunächst geplanten Revision des Infektherdes sei mit dem Ziel der definitiven Infektsanierung in Anbetracht der evident gestörten Funktion die Amputation des Ringfingers empfohlen worden, die am 14. 10. 1992 lege artis im Grundgelenk des linken Ringfingers ausgeführt worden sei. Die Operationswunde sei komplikationslos abgeheilt. Im Zusammenhang mit der langwierigen Behandlung der Fingerverletzungen sei es zur Manifestation eines sogenannten Carpaltunnelsyndroms gekommen. Nach korrekter Diagnostik sei die operative Kompression des Nervus medianus nach dem Stand des ärztlichen Wissens und Könnens ausgeführt worden. Die Klägerin habe die Anweisungen der Ärzte befolgt und die angeordneten Heilbehandlungen aktiv ausgeführt. In der Krankengeschichte seien keine Klagen über eine mögliche Fehlbehandlung oder mangelnde Obsorge bzw eine eventuell vorgebrachte Unzufriedenheit mit der Behandlung verzeichnet. Den in die Behandlung involvierten Ärzten könne kein Behandlungsfehler vorgeworfen werden. Die Entwicklung der postoperativen Infektion sei als schicksalshaft anzusehen. Ein Kunstfehler liege nicht vor.

Zur Frage der Aufklärung der Klägerin stellte das Erstgericht insbesondere fest:

Am 1. 9. 1992 habe die Klägerin eine Erklärung betreffend die Arthrodese am vierten Finger links unterschrieben, die von einem Arzt mit unleserlichem Handzeichen gegengezeichnet worden sei. Am 14. 1. 1993 habe sie ebenfalls eine von einem Arzt gegengezeichnete Erklärung unterfertigt; am 13. 10. 1992 habe sie die Einwilligung zur Operation erteilt. Eine genaue Feststellung über Art und Inhalt der Aufklärung könne ebensowenig getroffen werden wie eine Feststellung darüber, ob die Klägerin bei ausreichender Aufklärung die Zustimmung zur Operation erteilt hätte.

In rechtlicher Hinsicht verneinte das Erstgericht das Vorliegen eines der beklagten Partei anzulastenden Kunstfehlers. Es wäre grundsätzlich Aufgabe der beklagten Partei gewesen, die erfolgte Aufklärung bzw die zu unterstellende Einwilligung der Klägerin in die Amputation des Ringfingers selbst bei unterbliebener Aufklärung zu beweisen; die Unmöglichkeit entsprechender Feststellungen ginge zu Lasten der beklagten Partei. Der Umstand, daß die Klägerin die von der beklagten Partei als Zeugen zum Beweis für ihr Vorbringen, der ärztlichen Aufklärungspflicht sei entsprochen worden, namhaft gemachten Ärzte nicht von deren ärztlichen Verschwiegenheitspflicht entbunden habe, führe aber zu einer Umkehr der Beweislast, denn es sei der Klägerin anzulasten, die Beweisführung durch die beklagte Partei verhindert zu haben. Die "unsicheren Feststellungen" wirkten sich demnach zu Lasten der Klägerin aus. Die Nichtentbindung der Zeugen könne nur so gewürdigt werden, daß der Klägerin offensichtlich klar gewesen sei, die Ärzte würden eine vollständige Aufklärung und das "absolute Einverständnis" zum geplanten operativen Eingriff dokumentieren, insbesondere im Hinblick auf die Gefährdung der gesamten linken Hand, sofern die Amputation nicht stattfinde.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung in der Hauptsache; es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 52.000,- -, nicht aber S 260.000,-- übersteige und daß die ordentliche Revision zulässig sei. Über die Frage, ob ein ärztlicher Kunstfehler vorliege, sei bereits abschließend entschieden worden: Die beklagte Partei habe einen Kunstfehler nicht zu verantworten. Die Ausführungen der Klägerin zur mangelnden Aufklärung seien zwar zulässig, inhaltlich aber nicht berechtigt. Daß die Erklärung vom 14. 10. 1992 von keinem Arzt unterschrieben sei, bedeute nicht, daß der Unterfertigung durch die Klägerin kein ärztliches Gespräch vorangegangen sei. Aus mehreren Gründen bezweifle das Gericht zweiter Instanz die Richtigkeit der Aussage der Klägerin, vor der Amputation des Fingers habe überhaupt kein ärztliches Gespräch mit ihr stattgefunden. Die Weigerung der Klägerin, die von der beklagten Partei namhaft gemachten Zeugen von ihrer ärztlichen Verschwiegenheitspflicht zu entbinden, habe vom Erstgericht frei gewürdigt werden dürfen; dessen Wertung, die Klägerin habe eine Widerlegung ihrer Aussage durch andere Beweisergebnisse verhindern wollen, sei zu billigen. Habe das Erstgericht Zweifel an der Richtigkeit deren Aussage gehabt, so habe es zutreffend über den Inhalt des Aufklärungsgesprächs keine positiven Feststellungen in dem einen oder dem anderen Sinne treffen können, sondern richtigerweise festgestellt, daß der genaue Inhalt der Aufklärungsgespräche nicht feststellbar sei.

In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht aus, der Arzt oder die Krankenanstalt habe die entsprechende ärztliche Aufklärung zu behaupten und zu beweisen. Der Umstand, daß Feststellungen über Art und Inhalt der Aufklärung nicht möglich gewesen seien, ginge grundsätzlich zu Lasten der beklagten Partei. Im vorliegenden Fall habe aber die Klägerin durch die Nichtentbindung der von der beklagten Partei geführten Zeugen verhindert, daß die beklagte Partei den Beweis für die ordnungsgemäße Aufklärung habe erbringen können. Dies führe zu einer Beweislastumkehr, weshalb die Negativfeststellung zu Lasten der Klägerin gehe.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist zulässig und im Ergebnis berechtigt.

A. Zur Frage nach dem Vorliegen eines Behandlungsfehlers:

Die Vorinstanzen haben detailliert festgestellt, welche Maßnahmen von den die Behandlung durchführenden Ärzten des Unfallkrankenhauses ergriffen wurden und daß die Behandlung nach dem Stand des ärztlichen Wissens und Könnens ausgeführt worden sei: Den in die Behandlung involvierten Ärzte könne kein Behandlungsfehler vorgeworfen werden; die Entwicklung der postoperativen Infektion sei als schicksalhaft anzusehen.

Fragen nach der Wirksamkeit und der Zweckmäßigkeit einzelner fachbezogener Maßnahmen bzw ob diese dem Stand des ärztlichen Wissens und Könnens entsprachen, unterliegen einer Wertung nach dem Wissens- und Erfahrungsstand der spezifischen Wissenschaft oder des Berufs. Diese Wertung obliegt dem Sachverständigen als Fachmann. Er hat sie dem Gericht, das sein Urteil auf diese Wertung zu gründen hat, auf Befragen zur Bildung der richterlichen Überzeugung auch nach Tunlichkeit in den tatsächlichen Grundlagen und Ableitungen in nachvollziehbarer Weise darzulegen. Für die richterliche Urteilsbildung bleibt die erwähnte fachliche Wertungsfrage aber dennoch Tatfrage; die Frage nach der Überzeugungskraft der Darlegungen des Sachverständigen ist eine Beweisfrage (SZ 62/125). Soweit die Revisionswerberin meint, es wäre die Beiziehung "eines dritten Sachverständigen aus dem Ausland" geboten gewesen, macht sie in Wahrheit eine Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens geltend bzw erhebt sie damit eine Beweisrüge: Die behauptete Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens wurde bereits vom Gericht zweiter Instanz verneint und kann demnach im Revisionsverfahren nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden (1 Ob 318/97i; SZ 62/157 uva); die Überprüfung der Beweiswürdigung ist dem Obersten Gerichtshof jedenfalls entzogen (Kodek in Rechberger, ZPO Rz 1 zu § 503 mwN). Die Feststellung, ein Behandlungsfehler liege nicht vor, schließt auch ein, daß die bei der Klägerin aufgetretene postoperative (schicksalhafte) Infektion zeit- und fachgerecht einer Behandlung unterzogen worden sei, was sich im übrigen auch ganz eindeutig aus dem Gutachten des medizinischen Sachverständigen vom 8. 8. 1996 (ON 49 in Band I, insbesondere S 62) ergibt. Auf die weitwendigen Ausführungen der Klägerin zur behaupteten Mangelhaftigkeit des Verfahrens ist demnach nicht weiter einzugehen.

Den Beweis für das Vorliegen eines Behandlungsfehlers und dessen Kausalität für den eingetretenen Schaden hat im Sinne der allgemeinen Schadenersatzregeln grundsätzlich der Patient zu führen (6 Ob 3/98d, SZ 69/199; JBl 1995, 453 uva); nach den für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen der Tatsacheninstanzen ist der Klägerin der ihr obliegende Beweis des Vorliegens eines kausalen Behandlungsfehlers nicht gelungen. Demnach ist davon auszugehen, daß die gesamte Behandlung lege artis erfolgte und kein ärztlicher Kunstfehler vorliegt.

B. Zur Frage nach der fehlenden bzw unzureichenden Aufklärung durch die behandelnden Ärzte:

Nach ständiger Rechtsprechung umfaßt der mit dem Arzt oder dem Rechtsträger eines Krankenhauses geschlossene Behandlungsvertrag auch deren Pflicht, den Patienten über Art und Schwere sowie über die Möglichkeit der Gefahren und schädlichen Folgen der Behandlung oder deren Unterlassung zu unterrichten. Grundsätzlich ist jede ärztliche Heilbehandlung, die mit einer Verletzung der körperlichen Integrität verbunden ist, als Körperverletzung und damit als Verletzung eines absolut geschützten Rechtsgutes zu werten und somit rechtswidrig, sodaß erst die Zustimmung des Patienten den Eingriff rechtfertigt. Diese Zustimmung setzt zu ihrer Rechtswirksamkeit eine ihr vorausgegangene ausreichende Aufklärung des Patienten voraus, weshalb der Arzt bzw der Krankenhausträger bei fehlender bzw unzureichender Aufklärung trotz kunstgerechten Eingriffs für die dadurch verursachten Schäden einzustehen hat. In welchem Umfang der Arzt im Einzelfall den Patienten aufklären muß, damit dieser die Tragweite seiner Erklärung, in den Eingriff einzuwilligen, überschauen kann, also weiß, worin er einwilligt, ist keine feststellungsfähige Tatfrage, sondern eine stets anhand der zu den konkreten Umständen des Einzelfalls getroffenen Feststellungen zu beurteilende Rechtsfrage. Der Arzt oder der Krankenhausträger hat - in tatsächlicher Umkehrung der objektiven Beweislast - zu beweisen, ob die Aufklärung in der Tat erfolgte; für den Fall der Verletzung der Aufklärungspflicht trifft sie die objektive Beweislast dafür, daß der Patient die Zustimmung zum Eingriff auch bei ausreichender Aufklärung erteilt hätte, geht es doch darum, daß der Arzt bzw der Krankenhausträger das Vorliegen eines die Rechtswidrigkeit des Eingriffs ausschließenden Rechtfertigungsgrunds zu behaupten und zu beweisen hat (JBl 1999, 531 unter ausdrücklicher Ablehnung der Gegenmeinung Dullingers in JBl 1998, 2; 6 Ob 126/98t; 3 Ob 314/97s; SZ 69/199; JBl 1995, 453 ua). Auf die zur Frage nach der objektiven Beweislast geäußerten Gegenmeinungen Dullingers (aaO) und Hofmanns (Die Aufklärungspflicht des Arztes im Lichte der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, in RZ 1998, 80 [81]) muß hier nicht noch einmal näher eingegangen werden, weil der Oberste Gerichtshof deren Rechtsansicht bereits in mehreren der zuvor erwähnten Entscheidungen nicht geteilt hat und ein Anlaß, von dieser ständigen Rechtsprechung abzugehen ist, nicht zu sehen ist.

Das Erstgericht war der Auffassung, die Klägerin habe durch ihre Weigerung, die als Zeugen beantragten Ärzte von deren Verschwiegenheitspflicht zu entbinden, die beklagte Partei daran gehindert, den Beweis der zureichenden Aufklärung der Klägerin und deren Einwilligung in den geplanten operativen Eingriff (Fingeramputation) anzutreten. Wohl habe deshalb die Verpflichtung der Zeugen zum Geheimnisschutz gewahrt bleiben müssen, doch sei die verweigerte Entbindung dahin zu würdigen, daß sich die Klägerin dazu nur deshalb entschieden habe, weil sie befürchtet habe, daß die Ärzte die vollständige Aufklärung der Klägerin sowie deren "absolutes" Einverständnis zu dem in Aussicht genommenen Eingriff bezeugen würden. Infolge "dieses Verhaltens" der Klägerin sei eine Umkehrung der Beweislast "eingetreten", sodaß sie den Beweis der "mangelhaften Aufklärung" hätte führen müssen. Da eine "konkrete Feststellung" darüber, ob die Klägerin bei ausreichender Aufklärung die Einwilligung in die Operation erteilt hätte, nicht getroffen werden könne, sei das Klagebegehren abzuweisen. Das Gericht zweiter Instanz ist dieser Ansicht im wesentlichen beigetreten. Die Vorinstanzen haben aber nicht nur die Beweislastverteilung unrichtig beurteilt, sondern auch das Wesen der ärztlichen Verschwiegenheitspflicht im Zusammenhang mit der Aufklärung des Patienten über den in Aussicht genommenen Eingriff verkannt:

Gewiß steht der Klägerin das Recht zu, den ihr gebührenden Geheimnisschutz zu nutzen und die sie behandelnden Ärzte von deren Verschwiegenheitspflicht nicht zu entbinden (Fasching, LB Rz 984/1), und der zur Entbindung Berechtigte ist wohl auch nicht verpflichtet, die Gründe für seine Entscheidung (Nichtentbindung) anzugeben (so auch Moritz, Darf die Nichtentbindung von einer gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht der Beweiswürdigung unterzogen werden? in ÖGZ 1986, 14, 21; ähnlich auch Arnold in AnwBl 1987, 145 als Glossar einer Entscheidung des VwGH aaO 144, in welcher dieser Gerichtshof ohne nähere Begründung den gegenteiligen Standpunkt einnahm), würde doch durch die Darlegung der Motive für diese Entscheidung die Wahrung des Berufsgeheimnisses in vielen Fällen zunichte gemacht. Auch das Gericht zweiter Instanz ist aber vor allem gerade wegen der verweigerten Entbindung zur Überzeugung gelangt, die Aussage der Klägerin, daß ein ärztliches Aufklärungsgespräch überhaupt nicht stattgefunden habe, sei unrichtig. Es schloß daraus, das Erstgericht habe in der Tat keine (positive) Feststellung dahin treffen können, daß ein ärztliches Aufklärungsgespräch nicht geführt worden sei, und demgemäß auch nicht, welchen Inhalt ein solches gehabt habe. Den positiven Beweis einer Aufklärung der Klägerin und deren Inhalt habe die beklagte Partei deshalb nicht erbringen können, weil die Klägerin die von der beklagten Partei dazu beantragten Zeugen von deren Verschwiegenheitspflicht nicht entbunden und somit die beklagte Partei an der Erbringung des von dieser angestrebten Beweises gehindert habe. Die Vorinstanzen haben den Einfluß der verweigerten Entbindung auf die Verfahrenslage nicht richtig beurteilt:

Obschon die Klägerin die von der beklagten Partei als Zeugen beantragten Ärzte nicht von deren Verschwiegenheitspflicht entband, hätte das Erstgericht - abgesehen davon, daß die Zivilprozeßordnung (im Gegensatz zu § 152 StPO) kein vollständiges Aussageverweigerungsrecht kennt, sodaß der Zeuge nur die Beantwortung einzelner Fragen verweigern kann (Fasching, Komm III 417 und LB Rz 983; Rechberger in Rechberger, ZPO §§ 321, 322 Rz 1 mwN) - diese Zeugen über die Tatsache bzw den Inhalt der der Klägerin den Behauptungen der beklagten Partei zufolge zuteil gewordenen Aufklärung vernehmen müssen.

Den Erwägungen hiezu ist vorauszuschicken: Das Erstgericht hatte noch das Ärztegesetz 1984 anzuwenden, weil das nun in Geltung stehende Ärztegesetz 1998 - abgesehen von hier nicht bedeutsamen Bestimmungen - erst mit 11. November 1998 - und somit erst nach Schluß der Verhandlung erster Instanz (29. Mai 1998) - in Kraft getreten ist (Schwamberger, Ärztegesetz 1998 § 214 Anm 2). Gemäß § 26 Abs 1 ÄrzteG 1984 ist der Arzt zur Wahrung der ihm in Ausübung seines Berufs anvertrauten oder bekannt gewordenen Geheimnisse verpflichtet. Erwägungen über die Wahrung der so umschriebenen ärztlichen Verschwiegenheitspflicht ist voranzustellen, daß das durch die Vernehmung der von der beklagten Partei als Zeugen namhaft gemachten Ärzte zu klärende Beweisthema - ob und bejahendenfalls, inwieweit der Patient vor dem ärztlichen Eingriff über dessen Gefahren und Folgen aufgeklärt wurde - im Grundsätzlichen kein dem Arzt in Ausübung dessen Berufs anvertrautes oder bekannt gewordenes Geheimnis zum Gegenstand hat. Die Beantwortung der Frage, ob der Patient überhaupt vor dem Eingriff aufgeklärt wurde, kann schon an und für sich kein dem - als Zeugen befragten - Arzt (vom Patienten) anvertrautes oder bekannt gewordenes Geheimnis zum Inhalt haben, geht doch die Aufklärung des Patienten naturgemäß vom Arzt aus, sodaß die Beantwortung der Frage, ob eine Aufklärung überhaupt stattfand, durch den Arzt ganz gewiß noch kein solches Geheimnis offenbart. Aber auch der Inhalt der Aufklärung betrifft für sich allein noch nicht notwendigerweise ein solches Berufsgeheimnis, zu dessen Wahrung der Arzt verpflichtet wäre, erschöpft sich doch die ärztliche Aufklärung in der Information über Art und Schwere bzw die möglichen Gefahren und nachteiligen Folgen der Behandlung bzw deren Unterlassung sowie ferner darüber, ob außerdem noch andere weniger gefährliche, wenngleich möglicherweise langwierigere oder allenfalls in deren Wirksamkeit nicht ebenbürtige Behandlungsmethoden mit Aussicht auf Erfolg angewendet werden könnten. Soweit der Arzt in diesem Sinn über den Ablauf und den Inhalt der Aufklärung auch ohne konkrete Bezugnahme auf ein ihm in Ausübung seines Berufs anvertrautes oder bekannt gewordenes Geheimnis an ihn gerichtete Fragen beantworten kann, ist er durch die ärztegesetzlich verankerte Verschwiegenheitspflicht nicht gebunden. Nur soweit der Inhalt der Aufklärung ohne Aufdeckung der dem Arzt schon vor oder erst bei dem Aufklärungsgespräch anvertrauten oder bekannt gewordenen Geheimnisse nicht verständlich dargestellt werden könnte, obliegt es dem als Zeugen vernommenen Arzt, darauf Bedacht zu nehmen und in diesem Umfang unter Berufung auf seine insoweit wirksame Verschwiegenheitspflicht die Beantwortung der in dieser Richtung an ihn gestellten Fragen zu verweigern, sofern er vom Patienten von dieser Pflicht nicht entbunden wurde. Gerade in diesem Zusammenhang ist jedoch klarzustellen, daß jene Tatsachen, die von der Klägerin im Verfahren selbst offengelegt wurden, schon deshalb nicht mehr Gegenstand der ärztlichen Verschwiegenheitspflicht sind, auch wenn sie ohne eine solche Aufdeckung gegebenenfalls vom Geheimnisschutz umfaßt wären.

Das Erstgericht hätte daher die von der beklagten Partei als Zeugen beantragten Ärzte trotz der von der Klägerin verweigerten Entbindung im Sinne der weiter oben dargelegten Grundsätze vernehmen müssen; erst danach hätte es im Rahmen seiner Beweiswürdigung zum Ergebnis gelangen können, daß die für seine Entscheidung erheblichen Tatsachen - Vornahme einer ausreichenden Aufklärung der Klägerin über den geplanten Eingriff (Ringfingeramputation) und deren Einwilligung hiezu - beweislos geblieben sind ("non liquet"). Das erstinstanzliche Verfahren ist deshalb mangelhaft geblieben, was die beklagte Partei auch im Sinne des § 196 Abs 2 ZPO der Sache nach gerügt hat, sodaß gar nicht erst geprüft werden muß, ob sie insofern überhaupt zur Rüge verhalten gewesen wäre (vgl dazu Fasching, LB Rz 797).

Zugunsten der Klägerin, die sich - durch die verweigerte Entbindung - nicht nur schon in erster Instanz gegen die Vernehmung der Zeugen ausgesprochen hatte, sondern die unterbliebene Vernehmung der Zeugen auch in der Berufung nicht rügte, könnte der darin gelegene Verfahrensmangel nicht aufgegriffen werden, wohl aber zum Vorteil der beklagten Partei. Für deren Prozeßstandpunkt würde er indessen nur dann erheblich werden, wenn das Revisionsgericht - im Sinne der Ausführungen in der Rechtsrüge der Klägerin - entgegen der Ansicht der Vorinstanzen die Voraussetzungen für eine Beweislastumkehr verneinte, sodaß die von den Vorinstanzen angenommene Beweislosigkeit der von der beklagten Partei behaupteten zureichenden Aufklärung zu deren Nachteil ausschlüge.

In der Tat gebricht es der von den Vorinstanzen bejahten Beweislastumkehr an deren Voraussetzungen. Schon weiter oben wurde ausgeführt, daß den Arzt bzw - wie hier - den Krankenhausträger die objektive Beweislast für die zureichende Aufklärung des Patienten über die Gefahren und Folgen des geplanten Eingriffs und allfällige Alternativen sowie darüber trifft, daß der Patient auch ohne eine solche Aufklärung in den Eingriff eingewilligt hätte. Unter bestimmten Voraussetzungen können aber der Partei, zu deren Ungunsten die objektive Beweislast im Falle des non liquet ausschlüge, Beweiserleichterungen zuzubilligen sein, die vom Anscheinsbeweis über die Umkehr der konkreten Beweisführungslast bis hin zur Umkehr der objektiven Beweislast reichen können. Mit der Umkehr der konkreten Beweisführungslast wäre - blieben die vorinstanzlichen Feststellungen unberührt - für die beklagte Partei nichts gewonnen: Nimmt das Gericht ein non liquet an, so bleibt es trotz der Beweiserleichterung bei der objektiven Beweislast der an sich beweisbelasteten Partei (vgl Baumgärtel, Beweislastpraxis Rz 503, 506).

Zur Umkehr der objektiven Beweislast, abweichend von der gesetzlichen Regelung, ist indes das Gericht nur bei Vorliegen besonderer Sachgründe legitimiert; nur dann darf es das Beweisrisiko extra legem zum Vorteil der beweisbelasteten Partei verschieben, bedeutet doch die Beweislastumkehr eine Haftungsverlagerung (vgl Baumgärtel aaO Rz 507).

Im vorliegenden Fall könnte eine solche Beweislastverschiebung mit den daran geknüpften Folgen wohl nur aus Erwägungen der Beweisnähe bzw der Beweisvereitelung gerechtfertigt sein; keiner dieser Gründe kann jedoch bei der hier bedeutsamen Sachlage mit Erfolg ins Treffen geführt werden:

Im ersteren Fall ist die Beweislastumkehr dann geboten, wenn sich vor der beweisbelasteten Partei mangels genauer Kenntnisse über die Tatumstände unverhältnismäßige Beweisschwierigkeiten auftürmen, wogegen diese Kenntnisse deren Gegner zur Verfügung stehen und es diesem nicht nur leicht möglich, sondern nach Treu und Glauben auch ohne weiteres zumutbar ist, für die erforderlichen Aufklärungen zu sorgen (SZ 69/284; WBl 1995, 250; SZ 58/200 ua). Das Gericht zweiter Instanz ist nun der Auffassung, dem sei jener Fall ähnlich, in dem der beweisbelasteten Partei durch prozessuales Verhalten des Gegners (hier: die verweigerte Entbindung) die Erbringung des Beweises unmöglich gemacht wurde.

Dieser Ansicht kann jedoch nicht beigetreten werden. Es muß gar nicht erst geprüft werden, ob die hier zu beurteilende Verfahrenslage jenen Fällen vergleichbar ist, in welchen dem Gegner der beweisbelasteten Partei die objektive Beweislast wegen dessen Nähe zum Beweis zugeschoben wird, müßte die Klägerin doch dann einen wesentlich schwieriger zu erbringenden Negativbeweis antreten (vgl dazu Fasching, LB Rz 883); bei richtiger Anwendung des Verfahrensrechts, vor allem auch bei zutreffender Beurteilung der Grenzen der ärztlichen Verschwiegenheitspflicht befindet sich die beklagte Partei keineswegs in einem (der Klägerin zurechenbaren) Beweisnotstand, weil die von ihr angebotenen Zeugen vom Erstgericht - wie weiter oben erörtert - hätten vernommen werden und im fortgesetzten Verfahren - wie noch zu zeigen sein wird - auch in der Tat vernommen werden müssen.

Auch unter dem Gesichtspunkt der Beweisvereitelung läßt sich die Beweislastumkehr hier nicht rechtfertigen: In der Beweisvereitelung ist ein Verstoß gegen Treu und Glauben zu erblicken, der in der rechtsmißbräuchlichen Prozeßführung liegt. Eine schuldlose Beweisvereitelung führt deshalb auch nicht zu beweisrechtlichen Reaktionen (Baumgärtel in FS Kralik, Die Beweisvereitelung im Zivilprozeß, 74). Das beweisvereitelnde Verhalten der Klägerin könnte lediglich in deren Weigerung, die Zeugen von ihrer Verschwiegenheitspflicht zu entbinden, gesehen werden. Die Klägerin machte dabei - wie schon weiter oben ausgeführt - jedoch nur von einem ihr vom Gesetz eingeräumten Recht Gebrauch; daß sie dies mißbraucht hätte, hat weder die beklagte Partei behauptet und bewiesen, noch haben die Vorinstanzen - abgesehen von Vermutungen über deren Motive - solches schlüssig begründet. Auch hier gilt im übrigen, was schon zur Beweisnähe dargelegt wurde: Bei richtiger Prozeßleitung durch den Erstrichter hätte die Klägerin die Vernehmung der Zeugen mit ihrer Entbindungsverweigerung gar nicht "vereiteln" können.

Für eine Umkehr der objektiven Beweislast findet sich deshalb entgegen der Auffassung der Vorinstanzen keine Rechtfertigung, weshalb es - soweit es um die Vornahme einer zureichenden ärztlichen Aufklärung der Klägerin geht - bei der objektiven Beweislast der beklagten Partei sein Bewenden haben muß. Damit ist aber für den Standpunkt der Klägerin allein noch nichts gewonnen:

Die beklagte Partei wäre, da sie trotz des zu ihrem Nachteil ausschlagenden Verfahrensmangels - die unterbliebene Vernehmung der von ihr beantragten Zeugen - in erster Instanz obsiegte, nicht verpflichtet gewesen, diesen Mangel schon in ihrer Berufungsbeantwortung zu rügen (§ 468 Abs 2 ZPO); auch in der Revisionsbeantwortung hätte, da das Gericht zweiter Instanz das abweisliche Ersturteil bestätigte, eine solche Mängelrüge unterbleiben können. Die beklagte Partei hat indes - wenngleich nicht mit wünschenswerter Deutlichkeit, so doch noch ausreichend erkennbar - diesen Mangel in beiden Beantwortungsschriften gerügt, sodaß es nicht erforderlich wäre, die Rechtssache an das Gericht zweiter Instanz zu einem Vorgehen nach § 473a ZPO zurückzuverweisen, weil es in Verkennung der objektiven Beweislast, aber auch des Einflusses der ärztlichen Verschwiegenheitspflicht auf Aussagen von Zeugen über die Vornahme der Aufklärung des Patienten vor operativen Eingriffen über dessen Gefahren und Folgen sowie über Alternativen das erstinstanzliche Urteil bestätigte.

Der die beklagte Partei belastende Verfahrensmangel kann demnach nicht nur auch noch in dritter Instanz wahrgenommen werden, sondern die Rechtssache ist - da es der in § 473a ZPO angeordneten Schritte angesichts der erforderlichen Rügen in den Beantwortungsschriften nicht bedarf - sogleich an das Erstgericht zurückzuverweisen, das im fortgesetzten Verfahren Nachstehendes zu beachten haben wird:

a) Sollten die oder einzelne Zeugen bei ihrer Vernehmung die Beantwortung einzelner an sie gerichteter Fragen verweigern, weil sie sich insofern durch die ärztliche Verschwiegenheitspflicht gebunden erachten und von der Klägerin von dieser Verpflichtung nicht entbunden wurden, so wird diese Weigerung im Sinne des § 323 ZPO anhand der hier angestellten Erwägungen zu prüfen sein. Erwiese sich danach die Weigerung, Fragen zu beantworten, als gerechtfertigt, so wird die von der Klägerin verweigerte Entbindung vom Gericht nicht ersetzt werden dürfen, weil eine solche Entscheidung nur von der geschützten Person selbst ausgehen kann (SZ 33/116).

b) Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen darf die verweigerte Entbindung auch nicht der Beweiswürdigung unterzogen werden. Da der Geschützte nicht verpflichtet ist, seine Motive für eine solche Entscheidung preiszugeben, wäre das Gericht auf bloße Spekulationen angewiesen. Ist die Tatsache, daß der Zeuge an ihn gerichtete Fragen aus Geheimnisschutzerwägungen verweigert, kein ihrem Sinn und Zweck nach für die Beweiswürdigung verwertbares Instrument (RZ 1976, 17 mwN), weil es dem Gesetz zuwiderliefe, wollte man den gesetzlich gestatteten Wegfall eines Beweisumstandes selbst zum Beweisumstand erheben (Gebert/Pallin/Pfeiffer III/1 § 258 Nr 93), so muß Gleiches auch für die von den vom Berufungsgeheimnis Geschützten verweigerte Entbindung gelten (Arnold in AnwBl 1987, 145).

c) Soweit überhaupt noch erforderlich, wird das Erstgericht die Grenzen des Geheimnisschutzes nun mangels abweichenden Übergangsrechts nach der nun in Geltung stehenden Bestimmung des § 54 Abs 1 ÄrzteG 1998 zu beurteilen haben. Danach ist der Arzt zur Verschwiegenheit über die ihm in Ausübung seines Berufs anvertrauten oder bekannt gewordenen Geheimnisse verpflichtet (vgl dazu Fasching, LB Rz 130). Eine inhaltliche Änderung der Grenzen des Geheimnisschutzes ist gegenüber § 26 ÄrzteG 1984 - soweit hier bedeutsam - damit indes nicht eingetreten, sodaß die weiter oben zu dieser Bestimmung angestellten Erwägungen auch im fortgesetzten Verfahren uneingeschränkte Geltung besitzen.

d) Eine allfällige Interessenabwägung im Sinne des § 54 Abs 2 Z 4 ÄrzteG 1998 wird grundsätzlich zugunsten der durch die ärztliche Verschwiegenheitspflicht geschützten Klägerin ausschlagen, weil die Fragen der Aufklärung an sich ohnedies vom Geheimnisschutz nicht getroffen sind; soweit aber die Beantwortung der einen oder anderen Frage dessen Verletzung zur Folge hätte, wird die Offenbarung des Geheimnisses im Zivilprozeß zum Schutz höherwertiger Interessen der Rechtspflege regelmäßig nicht erforderlich sein.

Im Sinne dieser Grundsätze wird das Erstgericht die von der beklagten Partei als Zeugen beantragten Ärzte im fortgesetzten Verfahren zu vernehmen und danach neuerlich über das Ersatzbegehren der Klägerin zu befinden haben; eine Beweislastumkehr kommt nicht in Betracht, sodaß ein allfälliges non liquet - soweit es Fragen der Verletzung der ärztlichen Aufklärungspflicht betrifft - entsprechend der objektiven Beweislast die beklagte Partei treffen würde.

In Stattgebung der Revision sind die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und ist das erstgerichtliche Verfahren im aufgezeigten Sinn zu ergänzen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte