OGH 8ObA256/99a

OGH8ObA256/99a21.10.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Adamovic sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Pipin Henzl und Dr. Gerhard Dengscherz als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Martin T*****, Bühnentechniker, ***** vertreten durch Dr. Hubert Reif, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Vereinigte Bühnen Graz/Land Steiermark, Graz, Kaiser Josef-Platz 10, vertreten durch Dr. Reinhard Tögl, Rechtsanwalt in Graz, wegen Kündigungsanfechtung, hilfsweise Feststellung des Fortbestandes des Arbeitsverhältnisses, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 29. April 1999, GZ 7 Ra 47/99g-20, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 30. September 1998, GZ 24 Cga 63/97t-15, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben; die Arbeitsrechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der am 7. 12. 1969 geborene Kläger ist ausgebildeter Elektrotechniker und war als solcher seit 1. 9. 1995 bei der beklagten Partei als Theatertechniker mit dem Schwerpunkt Ton und Licht beschäftigt; für ihn galt der Kollektivvertrag für das technische Personal, sein Arbeitsplatz befand sich in der "Thalia" (= kleines Schauspielhaus).

Dieses Arbeitsverhältnis wurde mit Schreiben der beklagten Partei vom 9. 9. 1997 zum 25. 10. 1997 aufgekündigt.

Bereits am 30. 6. 1997 erging von Seiten des Personalreferates der beklagten Partei ein Schreiben an den Vorsitzenden des Arbeiter- und Angestelltenbetriebsrates, Walter T*****, in dem diesem mitgeteilt wurde, dass die beklagte Partei beabsichtige, den Kläger zum 25. 10. 1997 zu kündigen. Dieses Schreiben ist dem Betriebsratsvorsitzenden per Hauspost übermittelt worden. Am 30. 6. 1997 befand er sich bis 16:00 Uhr in seiner Dienststelle, bis zu diesem Zeitpunkt war das Schreiben bei ihm nicht eingelangt. Das zitierte Schreiben gelangte am 1. 7. 1997 zu seiner Kenntnis.

Ein Großteil der Mitarbeiter der beklagten Partei (ca 80 %) ist in der Zeit zwischen Anfang Juli und Ende August auf Urlaub; in dieser Zeit wird kein Normalbetrieb durchgeführt; es werden lediglich die "Kasematten" bespielt, Revisionsarbeiten durchgeführt; im Opernhaus fand in dieser Zeit ein Gastspiel statt. Im Zeitraum zwischen Anfang Juli und Ende August sind maximal 20 % der Belegschaft nicht auf Urlaub, viele Arbeitnehmer sind auch noch in den ersten Septembertagen noch auf Urlaub.

Aus diesen Gründen befanden sich Anfang Juli auch mindestens zwei Mitglieder des - außer dem Vorsitzenden - aus sechs Mitgliedern bestehenden Betriebsrates bereits auf Urlaub, wobei sich eines dieser Mitglieder bereits nicht mehr in Graz befand. Der Betriebsratsvorsitzende hat fünf Mitglieder des Betriebsrates erreicht, eines der Betriebsratsmitglieder und zwar Matthias S***** befand sich bereits ab Ende Juni 1997 auf Urlaub. Mit zwei Betriebsratsmitgliedern hat der Vorsitzende telefonisch Kontakt aufgenommen und mit drei weiteren Mitgliedern persönliche Gespräche geführt; dabei wurde davon gesprochen, keine Stellungnahme abzugeben. Dies wurde der beklagten Partei jedoch nicht mitgeteilt.

Betriebsratssitzungen werden im Hinblick darauf, dass in diesen beiden Monaten kein Normalbetrieb herrscht, grundsätzlich nicht anberaumt. Auch wegen des besonderen Anlassfalles kam es nicht zu Anberaumung einer Betriebsratssitzung. Der Vorsitzende befand sich ab 7. 7. 1997 auf Urlaub. Die nächste Sitzung des Betriebsrates der beklagten Partei fand erst im Oktober bzw November 1997 statt.

Mit Schreiben vom 9. 9. 1997 wurde Walter T***** als Vorsitzender des Arbeiter- und Angestelltenbetriebsrates seitens der beklagten Partei davon verständigt, dass der Kläger mit Schreiben vom 9. 9. 1997 zum 25. 10. 1997 gekündigt worden sei.

Der Kläger befand sich vom 7. 7. 1997 bis 7. 9. 1997 auf Urlaub; er hat die Kündigung am 10. 9. 1997 erhalten und noch am selben Tag ein Gespräch mit dem Betriebsratsvorsitzenden geführt. Dieser hat ihm erklärt, er könne zur Kündigung nicht viel sagen, er könne auch nichts dagegen machen.

Mit der am 24. September 1997 zur Post gegebenen Klage begehrte der Kläger, die von der beklagten Partei am 9. September 1997 ausgesprochene Kündigung für rechtsunwirksam zu erklären, in eventu, festzustellen, dass die Kündigung rechtsunwirksam sei. Von Anfang Juli bis Mitte September habe die beklagte Partei Betriebsferien, weshalb die Verständigung dem Betriebsrat erst Mitte September rechtsgültig zugegangen sei; überdies sei die Kündigung sozialwidrig.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Der Betriebsrat sei ordnungsgemäß verständigt worden, zur Beratung sei ihm ein Zeitraum von mehr als zwei Monaten offengestanden. Er habe aber keine Stellungnahme abgegeben. Der Betriebsrat habe die Anfechtung der Kündigung abgelehnt; die vom Kläger am 25. 9. 1997 überreichte Anfechtung der Kündigung sei verspätet. Überdies habe der Kläger diverse die Kündigung rechtfertigende Gründe gesetzt.

Das Erstgericht gab dem Eventualbegehren (richtig: Feststellung des Fortbestandes des Arbeitsverhältnisses über den 25. 10. 1997 hinaus) Folge, ohne das Hauptbegehren (Unwirksamerklärung dieser Kündigung wegen Sozialwidrigkeit) abzuweisen; dabei ging es von den eingangs wiedergegebenen Feststellungen aus.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, für die Berechnung der Frist von fünf Arbeitstagen für die Stellungnahme des Betriebsrates seien nach § 63 Abs 1 BR-GO nur solche Tage heranzuziehen, an denen auf Grund der betrieblichen Arbeitszeiteinteilung die Mehrzahl der Arbeitnehmer im Betrieb beschäftigt sei. Die Stellungnahme des Betriebsrates zu einer geplanten Kündigung müsse durch den Beschluss des Kollegialorganes Betriebsrat gedeckt sein, eine konkludente Beschlussfassung oder eine solche im Umlaufverfahren gebe es nicht. Nur wenn erkennbare Umstände dagegen sprächen, dürfe der Betriebsinhaber nicht annehmen, dass die Erklärung des Vorsitzenden durch einen Beschluss gedeckt und verbindlich sei. Da bei der beklagten Partei im maßgeblichen Zeitraum kein Normalbetrieb geherrscht habe und 80 % der Belegschaft auf Urlaub gewesen sei, darunter auch zwei Betriebsratsmitglieder, seien für die Beklagte wegen der Unmöglichkeit im maßgeblichen Zeitraum eine ordnungsgemäße Betriebsratssitzung abzuhalten, erkennbare Umstände vorgelegen, die gegen das gültige Zustandekommen eines Betriebsratsbeschlusses sprächen. Ein Vorbringen zum Beginn des Normalbetriebes sei nicht erstattet worden, weshalb keine Anhaltspunkte für den Beginn des Fristenlaufes nach § 105 Abs 1 ArbVG und § 63 Abs 1 BR-GO vorlägen. Darüber hinaus mangle es am zeitlichen und sachlichen Zusammenhang zwischen Verständigung des Betriebsrates von der geplanten Kündigung und dem Ausspruch der Kündigung, weil dazwischen mehr als zehn Wochen verstrichen seien. Die Kündigung des Klägers sei daher rechtsunwirksam, weshalb dem Eventualbegehren mit der Ergänzung, dass das Dienstverhältnis aufrecht sei, Folge zu geben gewesen sei. Da das Hauptbegehren inhaltsgleich sei, erübrige sich die Abweisung.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge und wies das Haupt- und Eventualbegehren ab.

In rechtlicher Hinsicht führte es aus, eine rechtswirksame Kündigung setze die Einhaltung des betrieblichen Vorverfahrens voraus. Nach § 105 ArbVG habe der Betriebsinhaber vor der Kündigung eines Arbeitnehmers den Betriebsrat zu verständigen, der innerhalb von fünf Arbeitstagen hiezu Stellung nehmen könne. Dieser Formulierung liege offensichtlich die Absicht zugrunde, dass dem Betriebsrat für diese Stellungnahme fünf volle Arbeitstage zur Verfügung stehen sollten. Als Arbeitstag werde jeder Tag anzusehen sein, an dem die betriebliche Tätigkeit im ganzen Umfange oder teilweise fortgeführt werde, ohne Rücksicht darauf, ob es sich um einen Werktag, Samstag, Sonntag oder Feiertag handle und ob die Mitglieder des Betriebsrates an diesem Tag arbeiteten oder nicht. Demnach seien Tage, an denen der Betrieb nur überwacht, oder von einigen Arbeitnehmern gereinigt werde keinesfalls als Arbeitstage anzusehen. Das gleiche gelte, wenn an einem nach der Arbeitszeiteinteilung betrieblichen Ruhetag von einigen Arbeitnehmern nur Dienste verrichtet würden, die der Instandhaltung oder Wiederaufnahme des Betriebes oder der Aufrechterhaltung des vollen Betriebes dienten oder die Aufräumungsarbeiten gewidmet seien. Dieselbe Auffassung liege offensichtlich auch "der wenig gelungenen" Formulierung des § 63 Abs 1 BR-GO zugrunde, nach dem als Arbeitstage jene Tage zu gelten haben, an denen auf Grund der betrieblichen Arbeitszeiteinteilung die Mehrzahl der Arbeitnehmer im Betrieb beschäftigt sei (Floretta/Strasser, ArbVG 668).

Nach der Rechtsprechung seien für die Fristberechnung des § 105 Abs 1 und 2 ArbVG die betriebsüblichen Arbeitstage maßgeblich (Arb 11.295 betreffend 5 bzw 6 Tagewoche; Arb 11.042 betreffend den Karfreitag).

Da die beklagte Partei im Juli und August des Jahres 1997 sich nicht nur auf Revisionsarbeiten beschränkte, sondern den Spielbetrieb, wenn auch eingeschränkt, fortführte, könne trotz des Umstandes, dass der Großteil der Mitarbeiter diese Zeit für den Urlaubsverbrauch nutzte, nicht davon ausgegangen werden, dass dem Betriebsrat nach Zugang der Verständigung am 1. 7. 1997 weder im Juli noch im August fünf betriebsübliche Arbeitstage zur Äußerung zur Verfügung gestanden wären. Darüber hinaus seien solche auch Anfang September 1997 vor Ausspruch der Kündigung zur Verfügung gestanden.

Der Betriebsrat könne sich zur beabsichtigten Kündigung wie folgt verhalten: Er könne der Kündigung widersprechen, ihr zustimmen oder die Überlegungsfrist verstreichen lassen, ohne zur geplanten Kündigung eine Stellungnahme abzugeben. Diesfalls sei er aber nicht berechtigt, die Kündigung anzufechten, wohl aber der Arbeitnehmer und zwar innerhalb einer Woche nach Zugang der Kündigung an ihn. Die Stellungnahme des Betriebsrates zu einer geplanten Kündigung müsse durch den Beschluss des Kollegialorganes gedeckt sein. Gemäß den §§ 67 und 68 ArbVG müssten Beratung und Beschlussfassung als Äußerung der Willensbildung eines Kollegialorganes grundsätzlich in Sitzungen erfolgen. Auch eine Stellungnahme gemäß § 105 Abs 1 ArbVG müsse in einer ordnungsgemäßen Sitzung unter Beachtung der §§ 67 f ArbVG erfolgen. Dabei bedürfe es einer ausdrücklichen Abstimmung in Anwesenheit mindestens der Hälfte der Betriebsratsmitglieder (§ 68 Abs 1 ArbVG). Daraus leite die Rechtsprechung ab, dass eine schlüssige Beschlussfassung ebenso wie auch ein sogenanntes Umflaufverfahren nicht zulässig seien. Demgemäß sei auch eine telefonische Befragung der Betriebsratsmitglieder durch den Betriebsratsvorsitzenden kein Ersatz für eine ordnungsgemäße Beratung und ausdrückliche Abstimmung, weil die kollegiale Willensbildung durch einseitige Befragung durch den Betriebsratsvorsitzenden in Abwesenheit der übrigen Betriebsratsmitglieder beeinträchtigt sei. Der Umstand, dass sich Betriebsratsmitglieder auf Urlaub befänden, stehe einer ordnungsgemäßen Beschlussfassung nicht entgegen, weil für diesen Fall Ersatzmitglieder zur Verfügung stünden. Der Arbeitgeber sei weder berechtigt noch verpflichtet, Untersuchungen über die innere Willensbildung des Betriebsrates anzustellen. Der Betriebsinhaber könne die Erklärungen des Betriebsrates dann als rechtswirksame Stellungnahme des Kollegiums ansehen, wenn ihm die dabei allenfalls unterlaufene Verletzung der Vorschriften über die Willensbildung des Betriebsratskollegiums nicht bekannt gewesen sei und auch nicht auffallen hätte müssen.

Die teilweise persönliche, teilweise telefonische Befragung durch den Betriebsratsvorsitzenden bei der beklagten Partei Anfang Juli 1997 stelle mit Sicherheit keine ordnungsgemäße Beschlussfassung des Betriebsrates zur beabsichtigten Kündigung des Klägers dar. Es sei aber weder behauptet noch festgestellt, dass diese Vorgangsweise der beklagten Partei bekannt gewesen sei. Da sich in der ersten Juliwoche nur zwei der sieben Betriebsratsmitglieder auf Urlaub befanden, wobei eines davon sogar noch telefonisch erreichbar gewesen sei, und Urlaub im Sinne der obigen Ausführungen wegen der Ersatzmitglieder nicht maßgeblich sei, hätte die beklagte Partei keine Umstände erkennen können, die der Abhaltung einer ordentlichen Sitzung entgegenstünden. Die Beklagte habe vielmehr darauf vertrauen können, dass der nicht erfolgten Stellungnahme des Betriebsrates ein ordnungsgemäßer Beschluss desselben zugrundegelegen sei.

Zwischen der Verständigung des Betriebsrates von der geplanten Kündigung und dem Ausspruch der Kündigung dem Arbeitnehmer gegenüber müsse ein zeitlicher und sachlicher Zusammenhang bestehen, widrigenfalls die Verständigung zu wiederholen sei. Ein solcher Zusammenhang werde insbesondere dann zu bejahen sein, wenn es sich um einen einzigen Kündigungsfall handle und wenn die Kündigung zum ehest zulässigen Termin oder innerhalb einer Frist von wenigen Wochen ausgesprochen werde. Der erforderliche Zusammenhang sei von der Rechtsprechung bei einem zeitlichen Abstand von drei Wochen bejaht, bei einem Abstand von einem halben Jahr jedoch eindeutig verneint worden. In der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 29. 3. 1995, 9 ObA 237, 238/94 sei ein Sechswochenzeitraum, wenn der Arbeitgeber in dieser Zeit sich bietende Kündigungstermine ungenutzt lasse, als zu lang beurteilt, aber betont worden, dass maßgeblich nicht die Dauer der seit der Verständigung des Betriebsrates abgelaufenen Zeit sei, sondern die Tatsache, dass der Arbeitgeber die Kündigung nicht zum ehestmöglichen Termin ausgesprochen habe.

Im Falle des Klägers habe die beklagte Partei den Betriebsrat am 1. 7. 1997 von einer zum 25. 10. 1997 geplanten Kündigung verständigt. Die Beklagte hätte den Kläger nicht vor seinem Urlaubsantritt am 7. 7. 1997 kündigen können, weil diesfalls den Betriebsrat die 5-Tagefrist nicht zur Gänze zur Verfügung gestanden wäre. Im Hinblick auf die Rechtsprechung, dass eine Kündigung, die an die letzte Wohnadresse gerichtet sei, dann nicht als zugegangen gelte, wenn dem Arbeitgeber bekannt sei, dass der Arbeitnehmer auf Urlaub fahren werde und nicht mit dem Zugang der Kündigung zu rechnen brauche (9 ObA 8/96; 9 ObA 106/97x), weiters im Hinblick auf den Urlaubsverbrauch des Klägers vom 7. 7. bis 7. 9. 1997 und auf den Umstand, dass die Beklagte ohnehin den Betriebsrat von der Kündigung zum 25. 10.1997 verständigt habe, könne von einem einzigen Kündigungsfall ausgegangen werden und es bestehe daher ein ausreichend enger Zusammenhang zwischen der Verständigung des Betriebsrates und dem Ausspruch der Kündigung.

Infolge Einhaltung des betriebsverfassungsrechtlichen Vorverfahren sei die Kündigung des Klägers als rechtswirksam zu qualifizieren. Da der Betriebsrat zur beabsichtigten Kündigung keine Stellungnahme abgegeben habe, sei das Anfechtungsrecht nach § 105 Abs 4 vierter Satz ArbVG nur beim Kläger gelegen, der innerhalb einer Woche nach Zugang der Kündigung diese hätte anfechten können. Die von ihm am 24. 9. 1997 zur Post gegebene Klage sei, weil er die Kündigung unstrittig am 10. 9. 1997 erhalten habe, verspätet. Das Hauptbegehren sei daher ebensowenig wie das Eventualbegehren gerechtfertigt.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers aus den Gründen der Mangelhaftigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung sowie im Kostenpunkt mit dem Antrag, es abzuändern und dem Klagebegehren (Haupt- und Eventualbegehren) Folge zu geben; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die gemäß § 46 Abs 3 Z 2 ASGG jedenfalls zulässige Revision ist im Sinne des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrages berechtigt.

Das zeitliche Naheverhältnis zwischen Verständigung von der Kündigungsabsicht und dem Ausspruch der Kündigung ist mit dem Berufungsgericht zu bejahen. Der zwischen der Verständigung des Betriebsrates von der Kündigungsabsicht und dem Ausspruch der Kündigung liegende Zeitraum von etwas mehr als zwei Monaten ist schon deshalb nicht zu beanstanden, weil der Kläger zu dieser Zeit seinen Urlaub verbrauchte und eine Kündigung während dieser Zeit gröblich gegen die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers und damit gegen den Erholungszweck des Urlaubes verstoßen hätte (vgl Kuderna, UrlG2 Rz 27 zu § 104, 107). Da eine solche Kündigung, sofern der beklagten Partei die Urlaubsanschrift des Klägers überhaupt bekannt war, zeitwidrig gewesen wäre, ist der erforderliche enge Zusammenhang zwischen Verständigung des Betriebsrates und Ausspruch der Kündigung gewahrt.

Nach § 63 Abs 1 BR-GO sind für die Berechnung der Frist von fünf Arbeitstagen, innerhalb der der Betriebsrat zu einer beabsichtigten Kündigung Stellung nehmen kann, nur solche Tage heranzuziehen, an denen auf Grund der betrieblichen Arbeitszeiteinteilung die Mehrzahl der Arbeitnehmer im Betrieb beschäftigt ist (siehe VfGH 11. 12. 1998, V 231/97, wonach die in der Arbeitszeiteinteilung für den Normalbetrieb vorgesehenen Beschäftigten zählen). Dem entspricht auch § 68 Abs 1 ArbVG, wonach der Betriebsrat beschlussfähig ist, wenn mindestens die Hälfte der Mitglieder anwesend ist. Nach den Feststellungen befanden sich im Juli und August der Großteil der Arbeitnehmer auf Urlaub (80 %). Hingegen ist nicht hinreichend präzise festgestellt, ob schon ab Anfang September bis 8. 9. 1997 an fünf Arbeitstagen auf Grund der betrieblichen Arbeitszeiteinteilung die Mehrzahl der Arbeitnehmer im Betrieb beschäftigt war, wofür auf Grund der Beweisnähe (vgl SZ 65/14; SZ 69/141) die beklagte Partei die Beweislast trifft. Erst auf Grund dieser ergänzenden Feststellungen kann beurteilt werden, ob das Untätigbleiben des Betriebsrates als "stiller Widerspruch" zu beurteilen ist. Diesfalls wäre die Kündigung nicht rechtsunwirksam im Sinn des § 105 Abs 2 Satz 2 ArbVG erfolgt und die Anfechtung der Kündigung gemäß § 105 Abs 4 ArbVG verspätet. Im fortzusetzenden Verfahren wird daher nach Erörterung mit den Parteien festzustellen sein, ob und an welchen Tagen zwischen Anfang September und dem Ausspruch der Kündigung mit Schreiben vom 9. 9. 1997 die Mehrzahl der Arbeitnehmer wieder im Betrieb der beklagten Partei beschäftigt war.

Weiters wird zu erörtern sein, dass eine Kündigungsanfechtung gemäß § 105 Abs 3 ArbVG eine zivilrechtlich wirksame Kündigung voraussetzt, sodass vorerst diese Gegenstand des Eventualbegehrens bildende Frage zu klären ist; erst im Falle der Abweisung dieses - richtigerweise auf Feststellung des aufrechten Bestandes des Arbeitsverhältnisses über den 25. 10. 1997 hinaus zu richtenden (siehe SZ 52/191; 53/171; 70/171 ua) - Begehrens wäre über das Begehren auf rechtsgestaltende Unwirksamerklärung der Kündigung zu entscheiden. Dem wäre vom Kläger durch eine entsprechende Reihung und Formulierung der Klagebegehren Rechnung zu tragen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 Abs 1 zweiter Satz ZPO.

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