OGH 5Ob266/99z

OGH5Ob266/99z20.10.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann, Dr. Baumann, Dr. Hradil und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch als weitere Richter in der Grundbuchssache der Antragstellerin Mj. Isabella Chiara Maria B*****, vertreten durch Dipl.‑Ing. Stephan M. B*****, vertreten durch Dr. Georg Reiter, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, betreffend Eintragungen in der Einlage EZ *****, infolge Revisionsrekurses des Mag. Hansjörg H*****, vertreten durch Dr. Paul Bauer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, gegen den Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 22. Juli 1999, AZ 51 R 185/98z, womit der Rekurs gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Hall in Tirol vom 23. November 1998, TZ 4276/98, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1999:0050OB00266.99Z.1020.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

 

 

Begründung:

 

Der nunmehrige Rechtsmittelwerber machte mit Notariatsakt vom 19. 7. 1996 der mittlerweile verstorbenen Dr. Ulrike T*****, "oder für den Fall, als (diese) das Anbot nicht annehmen kann oder will", ihrer Tochter (der nunmehrigen Antragstellerin) das bereits mit entsprechenden Aufsandungserklärungen versehene Anbot, die ihm gehörigen, mit Wohnungseigentum am Objekt W 2 verbundenen 122/213 Anteile an der Liegenschaft EZ ***** zu schenken. Er erklärte, mit diesem Anbot den Annahmeberechtigten bis zum 21. 12. 2046 im Wort zu bleiben; es sollte "durch formgerechte Annahme durch Dr. Ulrike T***** bzw Isabella T***** (nunmehr B*****) zum rechtsgültigen verbücherungsfährigen Vertrag werden". Isabella T***** ist - so heißt es im hier auszugsweise wiedergegebenen Notariatsakt weiter - "nur berechtigt, dieses Anbot anzunehmen, falls ihre Mutter Dr. Ulrike T***** vorverstorben, sie wegen einer geistigen Behinderung unter Sachwalterschaft gestellt ist, oder dem Grundbuchsgericht eine beglaubigt unterfertigte Abstehungserklärung von Frau Dr. Ulrike T***** vorliegt ...".

Nach dem Tod ihrer Mutter hat die Antragstellerin, vertreten durch ihren Vater, mit einem dem Rechtsmittelwerber zugegangenen Schreiben vom 10. 7. 1998 das Schenkungsangebot angenommen. Die Unterschrift des Vaters auf dieser vom Pflegschaftsgericht genehmigten Annahmeerklärung ist notariell beglaubigt, die Erklärung selbst aber nicht als Notariatsakt errichtet.

Unter Vorlage des Notariatsaktes, der Annahmeerklärung und anderer hier nicht weiter darzustellenden Urkunden hat die Antragstellerin die Einverleibung ihres Eigentumsrechtes am geschenkten Liegenschaftsanteil und weitere (hier nicht interessierende) Eintragungen verlangt. Sie drang mit diesem Begehren in erster Instanz auch durch. Das vom Geschenkgeber angerufene Rekursgericht hatte sich (ua) mit dem auch im vorliegenden Revisionsrekurs geltend gemachten Argument zu befassen, es liege keine formgerechte Annahmeerklärung und damit auch kein gültiger Einverleibungstitel vor. Das Gericht zweiter Instanz wies diesen Rekurs mangels materieller Beschwer des Einschreiters zurück, weil ja ohnehin nur jener Vertrag verbüchert wurde, den der Rechtsmittelwerber abschließen wollte, ging aber auch auf den geltend gemachten Formmangel ein und erkannte darin aus folgenden Erwägungen kein Eintragungshindernis:

Der wesentliche Zweck von gesetzlichen Formvorschriften sei der Schutz vor Übereilung, im Fall einer Schenkung der Schutz des Geschenkgebers (Kaserer, NZwG14). Es solle vermieden werden, dass etwas ohne Gegenleistung gegeben wird, was den Versprechenden bereits wenig später reut. Derjenige, dem etwas ohne jede Gegenleistung zugesagt wird, solle sich nicht auf jedes gegebene Wort des Versprechenden berufen können. Vorliegendenfalls habe der Schenkende sein Anbot ohnehin in Form eines Notariatsaktes gestellt. Es sei daher diesem Schutzgedanken voll entsprochen worden. Bydlinski habe sich in seinem Artikel "Die Formpflicht der Schenkung ohne wirkliche Übergabe" (NZ 1991, 166) mit der Frage beschäftigt, ob die Notariatsaktspflicht auch für die Erklärung des Beschenkten gilt, und die Auffassung vertreten, dass § 1 Abs 1 lit d NZwG zwar seinem Wortlaut nach die Form des Notariatsaktes für den Schenkungsvertrag verlangt, dass daraus aber nicht zwingend der Schluss zu ziehen sei, auch die Annahme des Schenkungsversprechens habe in Form des Notariatsaktes zu geschehen. Bei der Interpretation komme dem Formzweck entscheidende Bedeutung zu. Dieser zwinge unter Umständen zu einer engeren Interpretation oder sogar zu einer teleologischen Reduktion. Reine Wortinterpretation spreche eher für die Bindung der Erklärung des Beschenkten an die Notariatsaktsform, gleich stark in die Gegenrichtung deuteten aber bereits systematische Argumente. Den Ausschlag gäben teleologische Erwägungen, die den Formzweck des § 1 Abs 1 lit d NZwG berücksichtigen. Danach laute das auch vom Rekursgericht gebilligte Auslegungsergebnis, dass bei Schenkungsverträgen ohne wirkliche Übergabe des Geschenkes sich die die Notariatsaktspflicht bloß auf die Erklärung des Geschenkgebers beziehe (Bydlinski aaO, 168). Selbst bei Bejahung der Rekurslegitimation des Rechtsmittelwerbers wäre damit dem Rekurs ein Erfolg zu versagen.

Diese Entscheidung enthält den Ausspruch, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 260.000,‑- übersteigt, der ordentliche Revisionsrekurs jedoch nicht zulässig sei.

Im jetzt vorliegenden außerordentlichen Revisionsrekurs beharrt der Rechtsmittelwerber auf dem Rechtsstandpunkt, dass das Formerfordernis des Notariatsaktes bei einer Schenkung ohne wirkliche Übergabe nicht nur für das Angebot des Geschenkgebers, sondern auch für die Annahmeerklärung des Geschenknehmers gelte. Auch letzterer solle durch die besondere Formbedürftigkeit seiner Erklärung davor bewahrt werden, voreilig ein vielleicht mit Pflichten verbundenes Geschenk anzunehmen. Die oft schwierige Abgrenzung, ob ein Geschenk dem Beschenkten zum Wohl gereicht, erfordere - nicht zuletzt auch aus Gründen der Rechtssicherheit - ein Festhalten am Wortlaut der Vorschrift des § 1 Abs 1 lit d NZwG, die die Notariatsaktform für den Vertrag verlange. Im konkreten Fall sei sogar vertraglich festgelegt worden, dass das Rechtsgeschäft nur bei formgerechter Annahme zustandekommt. Unabhängig davon habe Dr. Ulrike T***** vor ihrem Tod auf die Annahme des Anbots verzichtet. Diese Verzichtserklärung habe die Antragstellerin im Fall einer Einantwortung des Nachlasses ihrer Mutter gegen sich gelten zu lassen; andernfalls wäre vorerst der Verlassenschaft die Möglichkeit einer Annahmeerklärung zu geben. Von einer mangelnden Beschwer des Rechtsmittelwerbers könne unter diesen Umständen keine Rede sein. Der Revisionsrekursantrag geht primär dahin, die Beschlüsse der Vorinstanzen so abzuändern, dass das Eintragungsbegehren der Antragstellerin abgewiesen wird; hilfsweise wurde beantragt, den Beschluss des Rekursgerichtes aufzuheben und die Sache an eine der Vorinstanzen zur neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen.

 

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil im Interesse der Rechtseinheit und Rechtsentwicklung zur entscheidungsrelevanten Frage Stellung zu nehmen ist, ob die Formvorschrift des § 1 Abs 1 lit d NZwG auch für die Annahmeerklärung des Geschenknehmers gilt; er ist jedoch nicht berechtigt.

Vorauszuschicken ist, dass das Rekursgericht die Beschwer des Rechtsmittelwerbers zu Unrecht verneinte. Der von ihm behauptete Formmangel könnte gemäß § 26 Abs 1 GBG iVm § 94 Abs 1 Z 3 und Z 4 GBG ein Eintragungshindernis darstellen, weshalb hierüber sachlich zu entscheiden ist. Letztlich hat dies das Rekursgericht ohnehin getan. Sein Beschluss ist daher als Bestätigung der erstrichterlichen Eintragungsbewilligung zu deuten.

Unter diesen Umständen ist nicht weiter darauf einzugehen, ob die angebliche Verzichtserklärung der Dr. Ulrike T***** oder die Notwendigkeit, eine diesbezügliche Erklärung ihrer Verlassenschaft abzuwarten, den Rechtsmittelwerber zur Anfechtung der gegenständlichen Eintragungsbewilligung legitimiert. Soweit der Rechtsmittelwerber daraus abzuleiten versucht, die Antragstellerin sei am 10. 7. 1998 nicht mehr oder noch nicht zur Annahme der Schenkung berechtigt gewesen, ist er jedoch mit dem Hinweis auf den eingangs wiedergegebenen Inhalt seines Schenkungsversprechens daran zu erinnern, dass gerade der Tod der Dr. Ulrike T***** oder deren Abstehungserklärung die Antragstellerin zur Annahme des Schenkungsangebots berechtigen sollte. Von einer vereinbarungsgemäß untergegangenen oder verfrüht ausgeübten Berechtigung der Antragstellerin, das Schenkungsversprechen des Rechtsmittelwerbers anzunehmen, kann daher keine Rede sein.

Was die entscheidungswesentliche Rechtsfrage betrifft, ob das für Schenkungsverträge ohne wirkliche Übergabe in § 1 Abs 1 lit d NZwG normierte Formerfordernis des Notariatsakts für die rechtsgeschäftlichen Erklärungen beider Vertragsparteien oder nur für das Schenkungsversprechen des Geschenkgebers gilt, hat bereits das Rekursgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass der Gesetzeswortlaut für die erste Variante, eine mehr an der Gesetzessystematik und dem Zweck des Formgebots orientierte Auslegung jedoch für die zweite spricht (P. Bydlinski, Die Formpflicht bei der Schenkung ohne wirkliche Übergabe [§ 1 Abs 1 lit d NZwG], NZ 1991, 166 [168]). Lehre (siehe dazu Gschnitzer in Klang2 IV/1, 274 bei FN 74 sowie Bydlinski aaO, 167) und Rechtsprechung (GlU 15249 und GlUNF 993 einerseits, GlUNF 2251 andererseits) haben zu keiner einheitlichen Linie gefunden (die von Schauer, Zur Formpflicht der Vollmacht bei der Schenkung, NZ 1994, 185 [188] für die Rechtsansicht, dass "zweifellos der gesamte Schenkungsvertrag eines Notariatsaktes bedarf" bei FN 32 ins Treffen geführte Judikatur erging zur Schenkung auf den Todesfall, für die § 956 ABGB ausdrücklich die Annahme der Schenkung in der Urkunde verlangt).

Nach Meinung des erkennenden Senates ist dem von P. Bydlinski aaO erzielten (jüngst etwa von Apathy in Schwimann2, Rz 6 zu § 883 ABGB befürworteten) Auslegungsergebnis der Vorzug zu geben. Auch die Judikatur bekennt sich dazu, jedes Formgebot auf seinen Zweck zu prüfen, wenn seine Reichweite in Frage steht (ecolex 1996, 521 mwN). Dieser Formzweck liegt bei Schenkungsverträgen, die zur ihrer Gültigkeit die wirkliche Übergabe des Geschenkes (§ 943 ABGB) und in Ermangelung dieses besonderen Warnsignals einen Notariatsakt voraussetzen (§ 1 Abs 1 lit d NZwG), im Übereilungsschutz (SZ 5/305; JBl 1992, 791 ua). Die in diesem Zusammenhang gelegentlich reklamierten Beweissicherungszwecke und Aspekte des Gläubigerschutzes sind wegen ihrer offenkundigen Unerreichbarkeit zu vernachlässigen (vgl P. Bydlinski aaO). Dem Formzweck des Übereilungsschutzes ist aber genüge getan, wenn man das Schenkungsversprechen besonderen Kautelen unterwirft. Für den, an den sich das Angebot einer Schenkung richtet, bedeutet idR bereits das vom Anbieter einzuhaltende Formgebot Anstoß und Gelegenheit zur reiflichen Überlegung einer Annahmeerklärung, insbesondere dann, wenn ihm - wie hier der Antragstellerin - eine Annahmefrist eingeräumt wurde.

Damit beruft sich der Revisionsrekurswerber zu Unrecht auf den Formmangel einer Verletzung der in § 1 Abs 1 lit d NZwG normierten Notariatsaktspflicht, um das Eintragungshindernis eines ungültigen Einverleibungstitels darzulegen. Dass in dem von ihm als Notariatsakt errichteten Schenkungsversprechen eine "formgerechte" Annahme für die Gültigkeit und Verbücherungsfähigkeit der Schenkung verlangt wurde, führt zu keiner anderen Beurteilung, weil auch vertragliche Formvorbehalte nach ihrem Zweck auszulegen sind und mit "formgerechter" Annahme im hier bestehenden Kontext offenbar eine ausdrückliche und unmißverständliche Erklärung gemeint war. Eine vertraglich festgelegte, über die gesetzlichen Anforderungen hinausreichende Notariatspflicht für die Annahmeerklärung ergibt sich aus dieser Formulierung nicht.

Aus diesen Gründen war wie im Spruch zu entscheiden.

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