OGH 6Ob199/99d

OGH6Ob199/99d29.9.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der Antragsteller 1. Rupert-Heinrich S*****, 2. Dr. Walter J. P*****, 3. Edgar N*****, 4. Hermine W*****, 5. Josef L*****, 6. Herbert L*****, 7. I*****, alle vertreten durch Dr. Wolfgang Leitner und Dr. Helmut Platzgummer, Rechtsanwälte in Wien, 8. Mag. Dr. Wilhelm R*****, vertreten durch Mag. Dr. Michael Swoboda, Rechtsanwalt in Wien, wider die Antragsgegner 1. S***** AG, 2. N***** AG, beide ***** beide vertreten durch Dorda, Brugger & Jordis Rechtsanwälte-Partnerschaft in Wien, wegen Überprüfung der angebotenen Barabfindung, über den Revisionsrekurs des Achtantragstellers gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 2. Juli 1999, GZ 6 R 136/99h-18, womit der Rekurs des Achtantragstellers gegen den Beschluß des Landesgerichtes Steyr vom 25. Mai 1999, GZ 21 Fr 156/99a-12, zurückgewiesen wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben. Dem Rekursgericht wird aufgetragen, über den gegen den Zurückweisungsbeschluß des Erstgerichtes gerichteten Rekurs des Achtantragstellers unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund zu entscheiden.

Text

Begründung

Die Hauptversammlung der S***** AG vom 7. 9. 1998 beschloß mit einer Mehrheit von 9/10 des Nennkapitals die Abspaltung von Vermögensteilen zur Neugründung der N***** AG. Die Anteile an der durch die Abspaltung neu gegründeten Gesellschaft wurden den Inhabern der im Zeitpunkt des Spaltungsbeschlusses im Streubesitz befindlichen Aktien an der zu spaltenden Gesellschaft zugeteilt. Diese Aktionäre schieden im Zuge der Abspaltung aus der übertragenden Gesellschaft aus. Gleichzeitig bot die Hauptgesellschafterin der zu spaltenden Gesellschaft den ausscheidenden (Minderheits)Aktionären eine Barabfindung von 380 S pro Aktie im Nennbetrag von 100 S, die diese an der neu gegründeten Gesellschaft erworben hatten. Jenen Minderheitsaktionären, die dieses Barabfindungsanbot nicht annehmen, bot die Hauptgesellschafterin eine bare Zuzahlung von 280 S je an der neu gegründeten Gesellschaft erworbenen Aktie im Nennbetrag von 100

S.

Spaltung und Neugründung wurden am 2. 12. 1998 in das Firmenbuch eingetragen und am 6. 1. 1999 im Zentralblatt für die Eintragungen in das Firmenbuch in der Republik Österreich sowie am 25. bzw 22. 1. 1999 in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Keiner der Aktionäre hat den Hauptversammlungsbeschluß über die Abspaltung zur Neugründung angefochten.

Am 7. 1. 1999 beantragten die Erst- bis Siebtantragsteller - die in der Hauptversammlung Widerspruch gegen den Spaltungsbeschluß erhoben hatten - Überprüfung und angemessene Erhöhung des Barabfindungsanbotes im Sinn des § 9 Abs 2 SpaltG iVm § 225c Abs 3 AktG. Die Bekanntmachung dieses Antrages mit der Wirkung des § 225e Abs 2 AktG erfolgte am 27. 1. 1999 in der Wiener Zeitung und am 3. 2. 1999 im Zentralblatt.

Am 10. 2. 1999 stellte der Achtantragsteller, der dem Spaltungsbeschluß in der Hauptversammlung nicht widersprochen hatte, er war bei dieser Hauptversammlung gar nicht anwesend, einen Antrag auf Überprüfung der Barabfindung. Er vertrat darin die Auffassung, die Hauptversammlung habe rechtsmißbräuchlich eine nicht verhältniswahrende Spaltung beschlossen, obwohl es sich bei dem beschlossenen Vorgang tatsächlich um eine Umwandlung handle. Sie habe dadurch den Minderheitsaktionären die nach dem Umwandlungsgesetz vereinfachte Überprüfung der Abfindungsbewertung unmöglich gemacht. Die Antragsberechtigung des Achtantragstellers ergebe sich aus dem Umwandlungsgesetz.

Das Erstgericht wies diesen Antrag zurück. Ein Antrag auf Überprüfung der Barabfindung setze voraus, daß der Anteilsinhaber in der Hauptversammlung Widerspruch gegen den Spaltungsbeschluß erhoben habe. Der Achtantragsteller, der in der Hauptversammlung weder anwesend noch vertreten gewesen sei, sei somit zur Antragsteller nicht legitimiert.

Der Zurückweisungsbeschluß wurde dem Vertreter des Achtantragstellers am 27. 5. 1999 zugestellt.

Das Rekursgericht wies den dagegen am 23. 6. 1999 zur Post gegebenen Rekurs als verspätet zurück. Die Vierwochenfrist des § 225e Abs 4 AktG komme nur im Fall einer Anfechtung der das Verfahren abschließenden Sachentscheidung in Frage. Nur eine solche sei als "Entscheidung über einen Antrag gemäß § 225c Abs 2 AktG" zu verstehen. Hingegen betrage die Rekursfrist gegen prozessuale Entscheidungen, mit denen ein Antrag als unzulässig zurückgewiesen werde, 14 Tage. § 225e AktG verweise im übrigen nicht auf den 3. Abschnitt des 4. Teiles der ZPO, sodaß auch die Zustellung des entsprechenden Antrages und die Äußerung der Antragsgegner keine vierwöchige Frist bewirkten.

Das Rekursgericht sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil sich die hier vertretene Auffassung nicht eindeutig aus dem Gesetz ergebe und Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu dieser Frage fehle.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Achtantragstellers ist zulässig und berechtigt.

Gemäß § 9 Abs 2 Satz 2 SpaltG können Aktionäre unter den in diesem Abs und in § 225c Abs 3 AktG genannten Umständen den Antrag auf gerichtliche Überprüfung der angebotenen Barabfindung stellen. Für das Verfahren auf gerichtliche Überprüfung gilt nach § 9 Abs 2 Satz 3 SpaltG ua § 225e - ausgenommen Abs 3 zweiter Satz AktG - sinngemäß. Soweit nichts anderes bestimmt ist, entscheidet das Gericht nach den Bestimmungen des Gesetzes über das Verfahren außer Streitsachen (§ 225e Abs 1 AktG). Nach Abs 4 leg cit steht ua dem antragstellenden Aktionär der Rekurs gegen eine Entscheidung über einen Antrag gemäß § 225c Abs 2 leg cit zu. Die Rekursfrist beträgt vier Wochen.

Der Revisionsrekurswerber wendet sich nun gegen die Auffassung des Rekursgerichtes, unter "Entscheidung über einen Antrag gemäß § 225c Abs 2" sei nur eine Sachentscheidung zu verstehen, nicht jedoch auch eine Formalentscheidung, mit der der Antrag mangels Aktivlegitimation zurückgewiesen wurde.

Das Rekursgericht stützte seine Auffassung auf die Lehrmeinung von Bachner in Kalss, Verschmelzung, Spaltung, Umwandlung Rz 14 zu § 225e AktG, der zwischen "Sach"- und "Formalentscheidungen" differenziert und meint, als "Entscheidung über einen Antrag gemäß § 225c Abs 2" sei nur die das Verfahren abschließende "Sachentscheidung" zu verstehen, sodaß Satz 1 und 2 des § 225e Abs 4 leg cit nur für diese gelte.

Satz 1 des § 225e Abs 4 AktG nennt den Kreis der Anfechtungsberechtigten, zu denen auch die antragstellenden Aktionäre gehören, während Satz 2 das Rechtsmittel der Vorstellung ausschließt. Zu Recht hält Bachner auch Rekurse gegen Zurückweisungsbeschlüsse deshalb für statthaft, weil dem Antragsteller ein subjektives Recht zukomme, das Verfahren zur Durchsetzung seines Anspruches selbst zu betreiben (Bachner in Kalss aaO Rz 12 zu § 225i AktG). Zur Frage der Rechtsmittelfrist vertritt er jedoch erkennbar die Auffassung, der dritte Satz des § 225e Abs 4 leg cit (betreffend die vierwöchige Frist) sei nicht auch auf Rekurse gegen "Formalentscheidungen" wie Zurückweisungsbeschlüsse anzuwenden.

Der erkennende Senat teilt diese Auffassung Bachners nicht:

Das Verfahrensrecht enthält eine Reihe von Bestimmungen, die Formulierungen wie "Entscheidung über einen Antrag" ("auf Scheidung", s § 227 Abs 1 AußStrG) oder "Beschluß über einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung" (§ 402 EO) enthalten, ohne daß es in diesen Fällen maßgeblich wäre, wie der Beschluß lautet, bzw ob der zugrundeliegende Antrag ab- oder zurückgewiesen wird (vgl auch § 231 Abs 1 AußStrG). Auch die Zurückweisung einer Berufung - aus welchen Gründen auch immer - stellt eine "Entscheidung über dieses Rechtsmittel" dar. Dementsprechend ist aber auch ein Beschluß, mit dem ein Überprüfungsantrag eines Aktionärs mangels Antragslegitimation zurückgewiesen wird, eine "Entscheidung über diesen Antrag" im Sinn des § 225c Abs 2 AktG. Neben Beschlüssen, die dem Überprüfungsantrag des Aktionärs Folge geben, kommen auch seinen Antrag ab- oder zurückweisende Beschlüsse in Betracht. Zu möglichen Zurückweisungsgründen zählen auch Fälle fehlender Antragslegitimation (so mangels ununterbrochener Aktionärseigenschaft nach § 225c Abs 3 Z 1 AktG) oder Nichterreichen des Mindestbeteiligungsausmaßes (§ 225c Abs 3 Z 2 AktG), verspäteter Antragstellung (§ 225e Rz 5 ff) oder Abgabe einer Verzichtserklärung nach § 225c Abs 3 Z 1 lit b iVm § 225d AktG (Bachner aaO Rz 11 zu § 225i AktG). Die das Verfahren über den Überprüfungsantrag des Aktionärs regelnden Bestimmungen nehmen eine Differenzierung in Entscheidungen, die die angebotene Barabfindung der Höhe nach überprüfen und solchen, die den Aktionärsantrag als unzulässig zurückweisen, nicht vor.

Der antragstellende Aktionär hat eine durch das Spaltungsgesetz privatrechtlich geschützte Rechtsposition und damit Anspruch auf eine Sachentscheidung. Die Zurückweisung aus dem Grund fehlender Antragslegitimation verweigert ihm diesen Anspruch und ist somit anfechtbar. Dementsprechend läßt der § 225e Abs 4 AktG Rekurse des Antragstellers gegen Entscheidungen über seinen Antrag zu und bestimmt die Rechtsmittelfrist mit vier Wochen. Dabei schränkt der Gesetzgeber die Rechtsmittelbefugnis in keiner Weise ein und läßt damit den Rekurs auch gegen Zurückweisungsbeschlüsse offenbar aus der Erwägung zu, der antragstellende Aktionär habe ein subjektives Recht, das Verfahren zur Durchsetzung seiner Ansprüche selbst zu betreiben (vgl Bachner aaO Rz 12 zu § 225i AktG). Dem Gesetz ist dabei kein Hinweis darauf zu entnehmen, daß in Fällen einer Zurückweisung des Antrages eine kürzere als die in § 225e Abs 4 AktG festgelegte Rechtsmittelfrist von vier Wochen gelten sollte. Selbst der Zweck der Verlängerung der Rechtsmittelfrist, den Parteien eine eingehende Auseinandersetzung mit der bekämpften Entscheidung zu ermöglichen (vgl Bachner aaO Rz 15 zu § 225e AktG), läßt nicht erkennen, daß der Gesetzgeber die Verlängerung nicht auch für Zurückweisungsbeschlüsse infolge fehlender Antragslegitimation regeln wollte, können doch auch dabei durchaus Fragen auftreten, die einer eingehenden Auseinandersetzung bedürfen.

Die Rechtsmittelfrist gegen den Beschluß auf Zurückweisung des Überprüfungsantrages beträgt somit vier Wochen, so daß der gegen diesen Beschluß erhobene Rekurs des Achtantragstellers rechtzeitig ist. Das Rekursgericht hat mit dem nun angefochtenen Beschluß über die Rechtzeitigkeit des Rechtsmittels (und damit nicht über den Überprüfungsantrag des Aktionärs) entschieden. Auf den Rekurs gegen seine Entscheidung ist die Verlängerung der Rechtsmittelfrist iSd § 225e Abs 4 AktG somit nicht anzuwenden (Bachner aaO Rz 14). Die subsidiär geltenden Bestimmungen des AußStrG ermöglichen eine Anfechtung in 14-tägiger (hier auch gewahrter) Frist, wobei eine Beantwortung nicht stattfindet.

Der Zurückweisungsbeschluß des Rekursgerichtes wird aufgehoben und diesem die neuerliche Entscheidung unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

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