Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben und die Beschlüsse der Vorinstanzen dahin abgeändert, daß das Grundbuchsgesuch abgewiesen wird.
Text
Begründung
Am 20. Jänner 1999 begehrten die Antragsteller aufgrund des mit ihrer Mutter Maria Balbina B***** abgeschlossenen notariellen Schenkungsvertrags vom 3. 4. 1997 und weiterer Urkunden ob der Liegenschaft EZ ***** Grundbuch ***** die Einverleibung des Eigentumsrechtes je zur Hälfte für sich und weitere Eintragungen.
Eine Woche nach Abschluß des notariellen Schenkungsvertrags, nämlich am 10. 4. 1997 war für die Geschenkgeberin Maria Balbina B***** ein einstweiliger Sachwalter und mit Beschluß des Bezirksgerichtes Bregenz vom 1. 12. 1997 ihr Sohn Josef B***** als endgültiger Sachwalter bestellt worden (12 P 55/79x). Die Bestellung des Sachwalters wurde bücherlich angemerkt.
Am 27. April 1998 hatten die Antragsteller beim Pflegschaftsgericht die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung des Schenkungsvertrags beantragt. Weil einer der Geschenknehmer zum Sachwalter bestellt worden war, bestellte das Pflegschaftsgericht Dr. Ursula Leissing zur Kollisionskuratorin für das Verfahren über die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung des Schenkungsvertrags vom 3. 4. 1997. Die Kollisionskuratorin sprach sich wegen des geistigen Zustands der Geschenkgeberin im Zeitpunkt des Schenkungsvertrags gegen eine pflegschaftsbehördliche Genehmigung aus. Das Erstgericht genehmigte mit Beschluß vom 17. 9. 1998 den Schenkungsvertrag. Einem Rekurs der Kollisionskuratorin dagegen gab das Gericht zweiter Instanz Folge und wies den Antrag auf pflegschaftsbehördliche Genehmigung des Schenkungsvertrages zurück (2 R 346/98i des LG Feldkirch vom 10. 11. 1998). Der Vertrag sei vor der Sachwalterschaftsbestellung abgeschlossen worden, weshalb er der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung entzogen sei. Die bestehenden Bedenken an der Geschäftsfähigkeit der Betroffenen müßten in einem Rechtsstreit geklärt werden.
Am 15. 12. 1998 langte die Rekursentscheidung beim Bezirksgericht Bregenz ein.
Den am 20. Jänner 1999 eingebrachten, verfahrensgegenständlichen Grundbuchsantrag legte der Grundbuchsrechtspfleger gemäß § 10 Abs 1 Z 3 RpflG dem zuständigen Grundbuchsrichter zur Entscheidung vor. Dieser bewilligte das vorliegende Grundbuchsgesuch.
Einem dagegen von der Kollisionskuratorin erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz nicht Folge.
§ 94 Abs 1 Z 2 GBG untersage dem Grundbuchsrichter die Bewilligung einer Grundbuchseintragung nicht erst dann, wenn der Mangel der Verfügungsfähigkeit eines Beteiligten klar zu Tage liege, sondern verpflichte ihn schon zu dieser Vorsicht, wenn die Beschränkung der Verfügungsfähigkeit aus beachtlichen Gründen anzunehmen sei. Grundsätzlich indiziere die zeitliche Nähe der Bestellung eines Sachwalters zum Abschlußzeitpunkt eines Vertrages Bedenken hinsichtlich der Verfügungsfähigkeit des Veräußerers. Im vorliegenden Fall habe der Rechtspfleger offenkundig derartige Bedenken erwogen, weshalb er den Akt dem Grundbuchsrichter gemäß § 10 Abs 1 Z 3 RpflG zur Entscheidung vorgelegt habe. Es sei davon auszugehen, daß der zuständige Grundbuchsrichter die vom Rechtspfleger durch den Hinweis auf § 10 Abs 1 Z 3 RpflG geäußerten Bedenken zum Anlaß genommen habe, um in den Akt 2 P 147/98 des BG Bregenz Einsicht zu nehmen. Wenn der Grundbuchsrichter aus diesem Akt keine Bedenken gegen die Verfügungsfähigkeit der Geschenkgeberin abgeleitet habe, bestehe für das Rekursgericht kein Grund, diese tatsächliche Schlußfolgerung in Zweifel zu ziehen.
Das Rekursgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 260.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei, weil die Überprüfung von Bedenken im Sinn des § 94 Abs 1 Z 2 GBG stets eine Einzelfallentscheidung sei. Im übrigen habe das Rekursgericht sich an der bestehenden Rechtsprechung des Höchstgerichts orientiert.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen erhobene Revisionsrekurs der Maria Balbina B*****, vertreten durch ihre Kollisionskuratorin erweist sich trotz des gegenteiligen Ausspruchs des Rekursgerichtes, an den der Oberste Gerichtshof gemäß § 126 Abs 1 GBG iVm § 13 Abs 3 AußStrG nicht gebunden ist, als zulässig und berechtigt.
Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, daß das Grundbuchsgericht die Verbücherung eines Vertrags gemäß § 94 Abs 1 Z 2 GBG nicht bewilligen darf, wenn sich Bedenken gegen die Verfügungsfähigkeit des Veräußerers im Zeitpunkt der Vertragserrichtung ergeben (SZ 2/271; SZ 27/53; SZ 38/75; RPflSlgG 7776; EvBl 1980/17; NZ 1997/401; NZ 1998/90). Solche Bedenken können sowohl durch amtliches als auch durch privates (einer objektiven Überprüfung zugängliches) Wissen des Grundbuchsrichters bzw Rechtspflegers wachgerufen werden, insbesondere durch die Bestellung eines Sachwalters, weil sie eine Behinderung des Betroffenen im Sinn des § 273 Abs 1 ABGB indiziert (5 Ob 1045/91 = RPflSlgG 2330). § 94 Abs 1 Z 2 GBG untersagt dem Grundbuchsrichter nicht erst dann die Bewilligung der Grundbuchseintragung, wenn der Mangel der Verfügungsmacht eines Beteiligten klar zu Tage liegt, sondern verpflichtet ihn schon zu dieser Vorsicht, wenn die Beschränkung der Verfügungsfähigkeit aus beachtlichen Gründen anzunehmen ist (NZ 1977, 28; NZ 1997/401 ua).
Die Judikatur nimmt begründete Bedenken gegen die Verfügungsfähigkeit eines Liegenschaftsverkäufers an, dem ein einstweiliger Sachwalter bestellt worden ist oder auch gerichtsbekanntermaßen gerade bestellt werden soll. Da ein durch eine psychische Erkrankung oder durch den Abbau geistiger Fähigkeiten verursachter Verlust der vollen Handlungsfähigkeit oft schleichend einhergeht, ist der Schluß zulässig, daß die Handlungsfähigkeit des Betroffenen schon vor Einleitung konkreter Schutzmaßnahmen gelitten haben kann. Bei der zeitlichen Erfassung dieses Zustandes ist jedoch Vorsicht geboten. Zunächst gilt die Vermutung, daß jeder erwachsene Mensch voll handlungsfähig ist. Daneben gebieten aber Gründe der Rechtssicherheit, die Indizwirkung einer notwendig gewordenen Sachwalterbestellung für eine anzunehmende Beschränkung der Handlungsfähigkeit des Betroffenen auf maximal ein Jahr vor dem Bestellungsakt auszudehnen, sofern nicht konkrete Belege für einen bereits länger anhaltenden Zustand beschränkter Handlungsfähigkeit vorliegen. In diesem Sinn hat die Judikatur bisher Zeiträume bis zu acht Monaten vor einer Sachwalterbestellung als vertretbar angesehen, in denen ohne weitere konkrete Verdachtsmomente "gegründete Bedenken" gegen die Handlungsfähigkeit des Betroffenen angenommen werden konnten (5 Ob 2409/96t; NZ 1997/401; NZ 1998/408). Wird dieser Beurteilungsspielraum nicht überschritten, liegt keine im Sinn des § 14 Abs 1 AußStrG iVm § 126 Abs 2 GBG bedeutsame, die Anrufung des Obersten Gerichtshofes rechtfertigende Rechtsfrage vor.
In der Beurteilung der Frage, ob nämlich in einem konkreten Fall das Kriterium der Beachtlichkeit der Bedenken gegen die Verfügungsfähigkeit eines Beteiligten besteht, die der Richter oder Rechtspfleger zum Anlaß nimmt ein Eintragungsgesuch abzuweisen oder - wie hier im umgekehrten Fall zu bewilligen -, stellt ansonsten einen im Instanzenzug überprüfbaren Akt der rechtlichen Beurteilung dar (NZ 1998/408).
Den dargestellten Beurteilungsspielraum haben die Vorinstanzen allerdings überschritten, indem sie ohne weitere nachvollziehbare Grundlagen den Zeitraum von nur einer Woche zwischen der Bestellung eines vorläufigen Sachwalters und Abschluß eines Schenkungsvertrags als unbedenklich erachteten. Tatsächlich kommt es entgegen älterer Rechtsprechung auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bzw der Aufsandungserklärung an (vgl NZ 1998/408 mit Anm Hojer).
Wie schon der Bezug auf amtliches oder privates Wissen des Richters zeigt, können die Voraussetzungen des § 94 Abs 1 Z 2 GBG weder in positiver noch in negativer Hinsicht ganz ohne Zwischenerledigung auskommen, die allerdings aktenkundig gemacht werden muß. Hier muß mit einer kursorischen Feststellung und Überprüfung der "Bedenken", die auch aktenkundig zu machen sind, vorgegangen werden (5 Ob 2409/96t; NZ 1998/408 und Anm Hojer zu NZ 1997/401).
Im vorliegenden Fall bestehen schon wegen des Zeitraums von nur einer Woche zwischen Abschluß des Schenkungsvertrages und Bestellung eines einstweiligen Sachwalters für die Geschenkgeberin beachtliche Bedenken an der Handlungsfähigkeit der Betroffenen. Die Vorinstanzen haben mit der Annahme, daß die vorliegenden Umstände nicht schon das Eintragungshindernis des § 94 Abs 1 Z 2 GBG bewirkten, klar den ihnen gesetzlichen eingeräumten Beurteilungsspielraum überschritten.
Ob der gegenständliche Schenkungsvertrag gültig ist oder nicht wird im Rechtsstreit zu klären sein (RPflSlgG 923; NZ 1969, 152; NZ 1977, 28; EvBl 1980/17; NZ 1997/401).
Der Revisionsrekurs war daher zulässig und berechtigt.
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