OGH 7Ob193/99d

OGH7Ob193/99d8.9.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schenk und Dr. Schaumüller als weitere Richter in der Rechtssache der Klägerin und gefährdeten Partei Karin Margareta P*****, vertreten durch Dr. Richard Heiserer, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beklagten und Gegner der gefährdeten Partei Horst P*****, vertreten durch Dr. Harald Hauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ehescheidung und einstweiligen Unterhalt, über den Revisionsrekurs der Klägerin und gefährdeten Partei, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 15. April 1999, GZ 43 R 286/99y-26, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 5. Februar 1999, GZ 16 C 131/98z-16, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird dahin Folge gegeben und die angefochtene Entscheidung dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichts (in der vom Rekursgericht berichtigten Form) wiederhergestellt wird.

Die Klägerin und gefährdete Partei hat ihre Kosten der Rekursbeantwortung und des Revisionsrekurses vorläufig selbst zu tragen.

Der Beklagte und Gegner der gefährdeten Partei hat seine Kosten des Rekurses und der Revisionsrekursbeantwortung endgültig selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Streitteile sind miteinander verheiratet, haben aber jeweils Klage bzw Wiederklage auf Scheidung erhoben. Der Ehe entstammen die am 4. 10. 1988 geborene Pia P***** und die am 25. 4. 1991 geborene Nina P*****. Die Kinder wohnen mit der Klägerin und gefährdeten Partei (im folgenden nur mehr Klägerin genannt) in der Ehewohnung. Dem Beklagten und Gegner der gefährdeten Partei (in der Folge kurz Beklagter) wurde schon vor Einbringung der Scheidungsklage mit einstweiliger Verfügung des Bezirksgerichtes Floridsdorf für die Dauer von drei Monaten verboten, die Ehewohnung zu betreten. Er bezahlte allerdings bis 31. 1. 1999 weiter das Nutzungsentgelt für die Wohnung von monatlich S 7.309,20.

Mit ihrer Scheidungsklage verband die Klägerin den Provisorialantrag, dem Beklagten aufzutragen, für die ehelichen Kinder ab 11. 9. 1998 einstweiligen Unterhalt von monatlich S 5.800,-- bzw S 3.400,-- zu leisten. Mit (vom Rekursgericht sodann berichtigten) Beschluß vom 5. 2. 1999 verpflichtete das Erstgericht den Beklagten zu folgenden einstweiligen Unterhaltszahlungen: Für die minderjährige Pia P***** vom 11. 9. 1998 bis 31. 9. 1998 S 2.100,--, vom 1. 10. 1998 bis 31. 1. 1999 monatlich S 3.200,-- und ab 1. 2. 1999 monatlich S 3.800,--. Für die minderjährige Nina P***** vom 11. 9. 1998 bis 31. 9. 1998 S 1.800,--, vom 1. 10. 1998 bis 30. 11. 1998 S 2.600,--, vom 1. 12. 1998 bis 31. 1. 1999 monatlich S 2.700,-- und ab 1. 2. 1999 monatlich S 3.200,--. Hinsichtlich beider Minderjähriger wurde ausgesprochen, daß von diesen Beträgen geleistete Zahlungen von (insgesamt) S 330,-- pro Kind abzuziehen seien. Das Mehrbegehren wurde (rechtskräftig) abgewiesen.

Im Rekursverfahren und im Revisionsrekursverfahren war bzw ist alleine noch strittig, ob die vom Beklagten vom 1. 10. 1998 bis 31. 1. 1999 entrichteten Nutzungsentgelte für die Ehewohnung in Höhe von monatlich S 7.309,20 als Naturalunterhaltsleistungen anteilig auf die für diesen Zeitraum zu erbringenden Unterhaltszahlungen anzurechnen sind, oder nicht.

Das Erstgericht verneinte diese Frage und führte dazu unter Hinweis auf oberstgerichtliche Entscheidungen aus, Leistungen des Unterhaltspflichtigen für die Beschaffung und Erhaltung der Ehewohnung, in der die Ehefrau mit den Kindern wohnt, beträfen nur das Verhältnis zwischen den Ehegatten. Nur Wohnungskosten zur Aufrechterhaltung der Benützbarkeit der Wohnung seien als Naturalunterhalt anzurechnen. Dies bedeute hier, daß die Bezahlung des Nutzungsentgeltes für die Ehewohnung durch den Beklagten keinen auf den Geldunterhaltsanspruch der Töchter anrechenbaren Naturalunterhalt darstelle. Zahlungen, die der Aufrechterhaltung der Benützbarkeit dienten, seien für den fraglichen Zeitraum nicht bescheinigt worden.

Das Rekursgericht änderte die Entscheidung des Erstgerichts dahin ab, daß es aussprach, daß die für den Zeitraum vom 11. 9. 1998 bis 31. 1. 1999 zu leistenden Unterhaltsbeträge "abzüglich der für diesen Zeitraum vom Beklagten geleisteten Zahlungen von S 8.857,40 je Kind" zu bezahlen seien. Unter Hinweis auf zwei Entscheidungen des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vertrat das Rekursgericht die Auffassung, daß der vom Unterhaltspflichtigen bezahlte Mietzins für die von einem unterhaltsberechtigten Kind (mit-)benützte Wohnung als Naturalunterhaltsleistung anzurechnen sei. Entgegen der Meinung des Beklagten betrage der auf jedes Kind entfallende Teil - ungeachtet des Umstandes, daß der Beklagte die Ehewohnung verlassen habe - jedoch nur ein Viertel. Pro Kind sei daher für die Zeit vom 11. 9. 1998 bis 31. 1. 1999 ein Betrag von S 8.527,40 an weiteren anrechenbaren Naturalunterhaltsleistungen zu veranschlagen und zusätzlich zu dem bereits vom Erstgericht veranschlagten Betrag von S 330,-- je Kind zu berücksichtigen.

Das Rekursgericht sprach zunächst aus, daß der Revisionsrekurs nicht zugelassen werde, änderte diesen Ausspruch über Antrag der Klägerin aber dann dahin ab, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Aufwendungen, die der unterhaltspflichtige Elternteil deshalb erbringe, um auch die von den unterhaltsberechtigten Kindern (mit-)benützte Wohnung zu erhalten, dienten der Beistellung von Wohnraum für die Unterhaltsberechtigten seien und deshalb als Naturalunterhaltsleistungen zu beurteilen. Die auf die Bestimmung des § 97 ABGB gestützte Argumentation in den von der Klägerin zitierten Entscheidungen würde zu einer nicht sachgerechten Ungleichbehandlung ehelicher und nichtehelicher Kinder führen, darüber hinaus wäre die von der Klägerin geforderte mangelnde Anrechenbarkeit der Mietkosten lediglich auf die Dauer der aufrechten Ehe der Eltern bzw bis zur Beendigung eines Aufteilungsverfahrens nach den §§ 81 ff EheG beschränkt. Die im Revisionsrekurs zitierte Judikatur lasse aber zur Frage der Anrechenbarkeit der Mietzinszahlungen des Unterhaltspflichtigen auf den Unterhaltsanspruch des Kindes "Unschärfen" erkennen, was eine Befassung des Obersten Gerichtshofs angezeigt erscheinen lasse.

Der Revisionsrekurs der Klägerin ist zulässig, weil das Rekursgericht mit seiner Entscheidung über die Anrechnung von Naturalleistungen des Unterhaltspflichtigen für die von den Minderjährigen mitbenützte Ehewohnung von der veröffentlichten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu dieser Frage abgewichen ist; er ist auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Vom Obersten Gerichtshof wird bereits seit der Entscheidung 1 Ob 812/82 (= EFSlg 40.128) in einheitlicher Rechtsprechung die Auffassung vertreten, daß Leistungen des unterhaltspflichtigen Elternteils für die Ehewohnung ausschließlich das familienrechtliche Verhältnis zwischen den Ehegatten betreffen und der Unterhaltspflichtige deshalb damit keinen Naturalunterhalt für seine Kinder leistet. Dies wird damit begründet, daß der zur Verfügung über die Wohnung berechtigte Ehegatte gemäß § 97 ABGB alles zu unterlassen und vorzukehren hat, daß der auf die Wohnung angewiesene Ehegatte ganz allgemein in seinem Anliegen auf Sicherung seines Wohnbedürfnisses vor Willkürakten des anderen Ehegatten geschützt werden soll. Der verfügungsberechtigte Ehegatte darf deshalb sein Bestand- oder sein sonstiges Benützungsrecht nicht aufgeben, sondern hat alles zu unterlassen, was die Beendigung des Bestand- oder des Benützungsverhältnisses zur Folge haben kann. Die zur Beschaffung und zur Erhaltung der Ehewohnung erbrachten Aufwendungen des verfügungsberechtigten Ehegatten betreffen also ausschließlich das durch § 97 ABGB geregelte familienrechtliche Verhältnis zwischen den Ehegatten, von denen die Kinder ihr Mitbenützungsrecht ableiten. Insoweit wird vom Unterhaltsverpflichteten also kein Naturalunterhalt

für die Kinder geleistet (RZ 1991/88; ÖA 1992, 91 = EvBl 1992/108;

EFSlg 65.050, 65.051 = RZ 1992/66; ÖA 1992, 147 U 64; ÖA 1994, 62 U

86; 7 Ob 529/93; 4 Ob 510/94; 7 Ob 613/95; ÖA 1997, 195 F 136; 7 Ob 194/98z; Purtscheller/Salzmann, Unterhaltsbemessung Rz 277 mwN; siehe auch Gitschthaler, Einige aktuelle Probleme des Kindesunterhaltsrechtes in ÖJZ 1994, 10 mwN). Aufwendungen, die der Unterhaltsverpflichtete lediglich deshalb erbringt, um die von den Unterhaltsberechtigten (mit-)benützte Wohnung im benützungsfähigen Zustand zu erhalten, also sogenannte Wohnungsbenützungskosten wie Betriebskosten, Kosten für elektrische Energie, Gas, Heizung udgl, dienen dagegen (auch) der Beistellung von Wohnraum für die Unterhaltsberechtigten und sind deshalb als Naturalleistungen zu beurteilen, soweit damit nicht der andere Ehegatte infolge von Zahlungsrückständen doch wieder der Gefahr ausgesetzt wird, die Wohnung zu verlieren - vgl etwa die Kündigungsmöglichkeit nach § 30 Abs 2 Z 1 MRG (1 Ob 551/91 = RZ 1992/66).

Im gegenständlichen Fall geht es allerdings um das vom Beklagten entrichtete Nutzungsentgelt und nicht um sog Wohnungsbenützungskosten.

Die Ausführungen des Beklagten in der Revisionsrekursbeantwortung veranlassen den erkennenden Senat ebensowenig wie die Argumente des Rekursgerichtes von der, wie bereits betont, vom Obersten Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung vertretenen dargestellten Rechtsauffassung abzurücken: Unrichtig ist die vom Beklagten in der Revisionsrekursbeantwortung vorgenommene Interpretation der oberstgerichtlichen Judikatur dahin, daß mit "zur Beschaffung und zur Erhaltung der Ehewohnung erbrachten Aufwendungen" nur Kreditkosten bzw Anschaffungskosten für eine Eigentumswohnung, nicht aber auch Mietkosten gemeint seien. Das Gegenteil ist etwa der Entscheidung 1 Ob 684/90 zu entnehmen, die unter Hinweis auf oberstgerichtlicher Vorjudikatur zwischen Wohnungsmieten einerseits und Auslagen für Gas, Strom, Rundfunkgebühren etc andererseits differenziert und erstere zum Unterschied von letzteren ausdrücklich nicht als Naturalunterhaltsleistung für ein unterhaltsberechtigtes Kind bezeichnet.

Dagegen wird von Schwimann (in Schwimann ABGB2 Rz 112 zu § 140) die Ansicht vertreten, daß nicht nur Wohnungsbenützungskosten, sondern auch der Mietzins der von einem Kind bewohnten Wohnung anteilig als Unterhaltsleistung anzurechnen sei, ohne daß dies aber weiter begründet würde. Insbesondere setzt sich Schwimann in diesem Zusammenhang auch nicht mit der auf § 97 ABGB basierenden Argumentation des Obersten Gerichtshofes auseinander. Er beruft sich vielmehr lediglich auf zwei zweitinstanzliche Entscheidungen sowie die Meinung Gitschthalers in ÖJZ 1994, 11. Dies allerdings zu unrecht: Gitschthaler stellt aaO zunächst die ständige oberstgerichtliche Judikatur dar, wonach als Wohnungsbenützungskosten etwa die Betriebskosten, die Kosten für elektrische Energie, Gas oder Heizung, die Rundfunkgebühr ua, nicht aber Mietzinszahlung oder Kredittilgungen bei Häusern oder Eigentumswohnungen anrechenbar seien. Dazu wird von Gitschthaler die Meinung vertreten, diese Einschränkungen könnten aber nur bei ehelichen Kindern und längstens bis zur Beendigung des Aufteilungsverfahrens nach den §§ 81 ff EheG oder für den Fall gemacht werden, daß die Eltern im Scheidungsvergleich hinsichtlich der Wohnung bestimmte Vereinbarungen treffen, die sich auf ihr Verhältnis untereinander beziehen, weil in allen anderen Fällen keine - dem § 97 ABGB vergleichbaren - rechtlichen Beziehungen zwischen den Eltern bestünden; hier wären dann Mietzinszahlungen anrechenbar, nicht jedoch Kredittilgungen, weil diese vornehmlich der Vermögensbildung dienten.

Entgegen der Auffassung Schwimanns werden also von Gitschthaler in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem es um Unterhalt für eheliche Kinder bei aufrechter Ehe geht, Mietzinszahlungen des Unterhaltsverpflichteten für die vom anderen Elternteil und den Kindern bewohnte Ehewohnung in Übereinstimmung mit der einhelligen oberstgerichtlichen Judikatur nicht als auf den zu leistenden Geldunterhalt anrechenbare Naturalleistungen angesehen.

Bei nochmaliger Überprüfung dieser Auffassung sieht sich der erkennende Senat nicht veranlaßt, von dieser, wie dargelegt auf der Bestimmung des § 97 ABGB fußenden Ansicht abzurücken.

In Stattgebung des Revisionsrekurses war daher die Entscheidung des Erstgerichts in dem vom Rekursgericht abgeänderten Teil wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich der Klägerin auf § 393 EO, hinsichtlich des Beklagten auf den §§ 41 und 50 ZPO iVm §§ 78 und 402 EO.

Stichworte