OGH 2Ob33/97k

OGH2Ob33/97k2.9.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, Dr. Schinko, Dr. Tittel und Dr. Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Michael Metzler, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei T***** GmbH, *****, Deutschland, vertreten durch Dr. Peter Posch und Dr. Ingrid Posch, Rechtsanwälte in Wels, wegen 30.000 DM s.A., infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 10. Dezember 1996, GZ 2 R 225/96p-11, womit aus Anlaß des Rekurses der klagenden Partei der Beschluß des Landesgerichtes Wels vom 4. September 1996, GZ 6 Cg 131/96p-7, und das vorangegangene Verfahren wegen Mangels der inländischen Gerichtsbarkeit als nichtig aufgehoben und die Klage zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie zu lauten haben:

"Die Einreden des Mangels der inländischen Gerichtsbarkeit und der örtlichen Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes werden abgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Patei die mit 8.886,60 S (darin 1.481,10 S USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Die beklagte Partei ist weiters schuldig, der klagenden Partei die mit 10.665,-- S (darin 1.777,50 S USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Mit ihrer am 10. 5. 1996 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrt die klagende Partei von der beklagten Partei - nach Einschränkung (AS 16) - die Zahlung von 30.000 DM s.A. als Restkaufpreis für die Lieferung einer Richt- und Schneideanlage. Die Zuständigkeit des Erstgerichtes stützt sie einerseits auf eine zwischen den Streitteilen geschlossene Gerichtstandvereinbarung, andererseits auf den Gerichtsstand nach § 87a JN.

Die beklagte Partei wendete mangelnde inländische Gerichtsbarkeit sowie die örtliche Unzuständigkeit des Erstgerichtes ein. Es sei zu keiner wirksamen Gerichtsstandsvereinbarung gekommen. Auch die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Gerichtsstandes für Warenforderungen der Kaufleute lägen nicht vor.

Das Erstgericht wies die Klage wegen örtlicher Unzuständigkeit zurück. Eine Gerichtsstandsvereinbarung gemäß § 104 JN liege nicht vor und könne auch der Gerichtsstand nach § 87a JN nicht herangezogen werden.

Das Gericht zweiter Instanz hob aus Anlaß des von der klagenden Partei gegen diese Entscheidung erhobenen Rekurses den angefochtenen Beschluß und das vorangegangene Verfahren wegen des Mangels der inländischen Gerichtsbarkeit als nichtig auf und wies die Klage zurück; es sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Die inländische Gerichtsbarkeit sei vor der Zuständigkeit zu prüfen. Die neuere Judikatur habe sich bis zum Inkrafttreten des Lugano-Abkommens auf die sogenannte "Indikationentheorie" gestützt, wonach die inländische Gerichtsbarkeit indiziert sei, wenn die örtliche Zuständigkeit gegeben sei. Es sei aber weiters zu prüfen, ob die durch den vorliegenden Gerichtsstand repräsentierte Inlandsbeziehung auch insgesamt für die Bejahung des inländischen Justizbedürfnisses ausreiche. Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung bestehe die inländische Gerichtsbarkeit in Zivilsachen für alle Rechtssachen, die durch positiv-gesetzliche Anordnung, durch völkerrechtliche Regeln oder zufolge eines durch die inländischen Verfahrensordnungen anerkannten Anknüpfungspunktes an das Inland vor die österreichischen Gerichte verwiesen seien. Wenn ein inländischer Gerichtsstand vorliege, eine hinreichende Nahebeziehung zum Inland aber fehle, sei die inländische Gerichtsbarkeit trotzdem zu verneinen. Eine Gerichtsstandvereinbarung sei nur insoweit urkundlich nachgewiesen, als ihr Inhalt durch die folgende Unterschrift gedeckt sei. Eine generelle Bezugnahme auf - nicht unterschriebene - AGB mit einer Gerichtsstandsklausel sei selbst dann nicht ausreichend, wenn die AGB der Vertragsurkunde beigefügt seien. Hier stehe nicht einmal der Anschluß der AGB an die übersandte Auftragsbestätigung fest. Bezüglich der Rüge, das Erstgericht habe auf der Auftragsbestätigung vom 16. 1. 1995 auf der ersten Seite übersehen, daß der Gerichtsstand Wels rechts außen, "horizontal" zum Text, ausdrücklich angeführt sei, sei der Rekurswerber darauf zu verweisen, daß es sich bei der von ihm begehrten Feststellung um einen Verstoß gegen das Neuerungsverbot handle, zumal sich der Rekurswerber erstmals im Rekurs auf diesen Hinweis auf den Gerichtsstand Wels beziehe. Dem Rekurswerber sei jedenfalls nicht der im § 104 JN vorgesehene urkundliche Nachweis einer Gerichtsstandsvereinbarung gelungen, weil der in kleinster Schrift verfaßte Text am rechten Rand dieser Urkunde durch einen Kopierschatten überdeckt und somit kaum erkennbar sei. Eine Gerichtsstandsvereinbarung gemäß § 104 JN sei daher nicht zustandegekommen. Der geltend gemachte Gerichtsstand nach § 87a JN reiche im Zusammenhang mit den vom österreichischen Kläger nach Deutschland exportierten Waren zur Begründung der inländischen Gerichtsbarkeit im Sinne der Indikationentheorie nicht aus. Die Lieferung von Waren durch einen österreichischen Exporteur in das Ausland stelle nämlich für sich allein noch keine ausreichene Inlandsbeziehung zur Begründung der inländischen Gerichtsbarkeit dar. Sie werde aber durch das Vorliegen des Gerichtsstandes nach § 87a JN auch nicht in ausreichender Weise verstärkt, weil das Vorliegen weiterer, rein formaler Voraussetzungen des urkundlichen Nachweises der Bestellung und der tatsächlichen Übernahme keinen zusätzlichen Inlandsbezug darstelle. Das Vorliegen der inländischen Gerichtsbarkeit sei daher selbst bei Warenlieferungen, für die die in § 87a JN geforderten urkundlichen Nachweise gegeben wären, zu verneinen. Mangels hinreichender Nahebeziehung zum Inland sei daher die inländische Gerichtsbarkeit zu verneinen.

Der ordentliche Revisionsrekurs werde für unzulässig erklärt, weil für den vorliegenden Fall und der damit zusammenhängenden Frage der inländischen Gerichtsbarkeit vor Inkrafttreten des Lugano-Übereinkommens von einer gesicherten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ausgegangen worden sei.

Der gegen diesen zweitinstanzlichen Beschluß gerichtete außerordentliche Revisionsrekurs der klagenden Partei ist zulässig, weil das Rekursgericht in einer die Rechtssicherheit im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO gefährdenden Weise die Sach- und Rechtslage verkannte. Er ist auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Vorweg ist darauf hinzuweisen, daß in den zeitlichen Anwendungsbereich des Lugano-Übereinkommens (BGBl 1996/448-LGVÜ) und des Brüsseler Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommens (BGBl III 1998/209-EuGVÜ) nur Rechtssachen fallen, die nach Inkrafttreten der Übereinkommen im Ursprungsstaat anhängig werden (Art 54 LGVÜ bzw EuGVÜ). Das EuGVÜ wirkt sohin ebensowenig zurück wie das LGVÜ (4 Ob 86/97v; 9 Ob 287/97i; Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht6 Rz 2 ff zu Art 54 mwN). Weil in Österreich das LGVÜ mit 1. 9. 1996 und das EuGVÜ erst mit 1. 12. 1998 in Kraft traten, sind diese Übereinkommen daher hier - Einlangen der Klage beim Erstgericht am 10. 5. 1996 - nicht anzuwenden; dasselbe gilt für die erst mit 1. 1. 1998 in Kraft getretenen (BGBl I 1997/140 - Erweiterte Wertgrenzen-Novelle 1997) Änderungen der JN (Einfügung des § 27a JN; Änderung des § 104 JN). Die Frage der inländischen Gerichtsbarkeit (internationalen Zuständigkeit) ist sohin nach dem autonomen inländischen Zuständigkeitsrecht (vor der Erweiterten Wertgrenzen-Novelle 1997) und der dazu ergangenen Rechtsprechung zu beurteilen.

Den Ausführungen der Revisionsrekurswerberin zum Gerichtsstand nach § 87a JN und der daraus angeblich ableitbaren inländischen Gerichtsbarkeit ist entgegenzuhalten, daß nach ständiger Rechtsprechung die Lieferung von Waren durch einen österreichischen Exporteur in das Ausland für sich allein noch keine ausreichende Inlandsbeziehung zur Begründung der inländischen Gerichtsbarkeit für die Kaufpreisklage des Exporteurs darstellt (SZ 67/188 = WBl 1995, 165 = ZfRV 1995, 72 [LS 16]; RdW 1995, 219 = ZfRV 1995, 72 [LS 15]; 10 Ob 519/95 ua). Sie wird auch durch das Vorliegen des Gerichtsstandes nach § 87a JN nicht in ausreichender Weise verstärkt, weil das Vorliegen der weiteren rein formalen Voraussetzung des urkundlichen Nachweises der Bestellung und der tatsächlichen Übernahme keinen zusätzlichen Inlandsbezug darstellt (RdW 1995, 219 = ZfRV 1995, 72 [LS 15]; 1 Ob 2100/96x). Das Rekursgericht hat sohin zu Recht selbst bei Annahme des Bestehens des Gerichtsstandes nach § 87a JN - für diesen Gerichtsstand isoliert betrachtet - das Vorliegen der inländischen Gerichtsbarkeit verneint (§ 510 Abs 3 ZPO).

Nach der - für den hier maßgeblichen Zeitpunkt - herrschenden Lehre und Rechtsprechung besteht die österreichische inländische Gerichtsbarkeit in Zivilsachen für alle Rechtssachen, die durch positive gesetzliche Anordnung, durch völkerrechtliche Regeln oder zufolge eines durch die inländischen Verfahrensordnungen anerkannten Anknüpfungspunkts an das Inland vor die österreichischen Gerichte verwiesen sind. Solche Anknüpfungspunkte ergeben sich aus den Zuständigkeitsregeln, die demnach zur Abgrenzung des Bereiches der inländischen Gerichtsbarkeit mittelbar herangezogen werden müssen (SZ 60/106 = WBl 1987, 279 = ÖBl 1988, 106; SZ 62/101 = JBl 1990, 396; SZ 68/55; 9 ObA 85/98k uva). Die geforderte ausreichende Inlandsbeziehung kann entweder in der Ortsgebundenheit der Parteien oder in einer Ortsgebundenheit des Streitgegenstandes gelegen sein (SZ 65/141 = EvBl 1993/93; RdW 1995, 426; 7 Ob 269/97b ua). Wenn ein inländischer Gerichtsstand vorliegt, eine hinreichende Nahebeziehung zum Inland aber fehlt, ist die inländische Gerichtsbarkeit dennoch zu verneinen (SZ 60/277; SZ 62/101 = JBl 1990, 396; SZ 65/141 = EvBl 1993/93; 9 Ob 287/97i uva). Eine gültige und wirksame Gerichtsstandvereinbarung der Parteien bildet einen - auch von anderen Verfahrensordnungen wie dem EuGVÜ oder dem LGVÜ (insbesondere Artikel 17) international allgemein anerkannten - Anknüpfungspunkt an das österreichische Inland (JBl 1994, 343; ecolex 1995, 887 = RdW 1995, 426 ua). Die darin liegende vertragliche Unterwerfung unter die internationale Zuständigkeit der inländischen Gerichte wird unter der Voraussetzung einer hinreichenden Inlandsbeziehung des Streitgegenstandes oder der Parteien anerkannt (JBl 1994, 343; ZfRV 1995, 158 [LS 26] ua), wobei der im Inland gelegene - den allgemeinen Gerichtsstand begründende Sitz oder Wohnort der klagenden Partei regelmäßig als ausreichende Inlandsbeziehung angesehen wird (JBl 1994, 343; ecolex 1995, 887; ZfRV 1995, 158 [LS 26]; 4 Ob 604/95 ua).

Im vorliegenden Fall hat das Rekursgericht hinsichtlich der Rüge der klagenden Partei, das Erstgericht habe übersehen, daß auf der Auftragsbestätigung vom 16. 1. 1995 auf der ersten Seite der Gerichtsstand Wels rechts außen, "horizontal" zum Text, ausdrücklich angeführt sei, diese - wie von der Revisionsrekurswerberin richtig geltend gemacht - in aktenwidriger Weise darauf verwiesen, daß es sich bei der begehrten Feststellung um einen Verstoß gegen das Neuerungsverbot handle, zumal sich die klagende Partei erstmals im Rekurs auf diesen Hinweis auf den Gerichtsstand Wels beziehe. Die klagende Partei hat nämlich bereits mit Schriftsatz vom 26. 8. 1996 (ON 5) vorgebracht, daß auch die Auftragsbestätigung selbst auf dem ständig verwendeten Briefpapier der klagenden Partei erteilt worden sei, als Gerichtsstand Wels vorgesehen habe (AS 17). Tatsächlich befindet sich auf der Auftragsbestätigung der klagenden Partei vom 16. 1. 1995 (Beilage A) am rechten Rand der Vermerk "Gerichtsstand 4600 Wels". Die beklagte Partei hat hinsichtlich dieser Beilage A die Echtheit bzw die Übereinstimmung mit dem echten Original zugestanden (ON 6, AS 24 f). Mit dem von der beklagten Partei firmenmäßig unterzeichneten Schreiben vom 27. 1. 1995 (Beilage C) hat diese die Auftragsbestätigung der klagenden Partei vom 16. 1. 1995 (samt dem erwähnten Vermerk bezüglich des Gerichtsstandes Wels) bestätigt. Da der in § 104 Abs 1 JN verlangte urkundliche Nachweis keine Formvorschrift, sondern eine Beweisregelung darstellt und diesem Erfordernis neben einer gemeinsamen Vertragsurkunde auch ein Briefwechsel (etwa durch Brief und Gegenbrief, Schuldschein, Bestellschein oder Antragsformular, Kommissionsnote und Schlußbrief) oder eine (nur) vom Beklagten unterschriebene Urkunde im Zusammenhang mit der erhobenen Klage entspricht (Mayr in Rechberger, ZPO Rz 6 zu § 104 JN mwN), wurde hier durch die Auftragsbestätigung der klagenden Partei vom 16. 1. 1995 (Beilage A) samt dem erwähnten Vermerk "Gerichtsstand 4600 Wels" in Verbindung mit dem - unterfertigten - Schreiben der beklagten Partei vom 27. 1. 1995 (Beilage C) eine gültige und wirksame Gerichtsstandsvereinbarung zwischen den Streitteilen geschlossen. Der in § 104 Abs 1 JN geforderte urkundliche Nachweis kann nämlich auch durch Vorlage einer - nicht beglaubigten - Ablichtung der Urkunde über die Gerichtsstandsvereinbarung erbracht werden (SZ 54/10 = JBl 1981, 482; EvBl 1990/123 = RZ 1990/72), wobei - wie bereits dargelegt - die beklagte Partei hier hinsichtlich der Beilage A die Echtheit bzw die Übereinstimmung mit dem echten Original zugestanden hat.

In der im gegenständlichen Fall geschlossenen Gerichtsstandsvereinbarung liegt daher im Sinne der oben angeführten Grundsätze eine Unterwerfung unter die internationale Zuständigkeit der inländischen Gerichte, die im Zusammenhalt mit dem Sitz der klagenden Partei im Inland die inländische Gerichtsbarkeit begründet. Damit ist jedoch auch die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Erstgerichtes gegeben.

In Stattgebung des außerordentlichen Revisionsrekurses waren daher die Entscheidungen der Vorinstanzen im Sinne einer Abweisung der Einreden des Mangels der inländischen Gerichtsbarkeit und der örtlichen Unzuständigkeit des Erstgerichtes abzuändern.

Da in erster Instanz über die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit in Verbindung mit der Hauptsache verhandelt wurde, sind dort keine gesonderten Kosten des Verfahrens über die oben erwähnten Einreden der beklagten Partei entstanden.

Die Entscheidung über die Kosten der zweiten und dritten Instanz gründet sich auf die §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO. Der klagenden Partei, die in einem Zwischenstreit über die Einreden des Mangels der inländischen Gerichtsbarkeit und der örtlichen Unzuständigkeit des Erstgerichtes obsiegt hat, waren daher die tarifmäßig richtig verzeichneten Kosten des Rekurses und des Revisionsrekurses zuzusprechen.

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