OGH 1Ob196/99a

OGH1Ob196/99a5.8.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache des Betroffenen Max H*****, geboren am *****, infolge der Rekurse des Betroffenen und der einstweiligen Sachwalterin Mag. Gundula S*****, vertreten durch Dr. Walter Hausberger, Dr. Katharina Moritz und Dr. Alfred Schmidt, Rechtsanwälte in Wörgl, gegen den Beschluß des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 9. April 1999, GZ 52 R 43/99a-23, womit der Beschluß des Bezirksgerichts Rattenberg vom 10. März 1999, GZ 2 P 43/98z-18, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs des Betroffenen wird nicht Folge gegeben.

Der Rekurs der einstweiligen Sachwalterin wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Das Erstgericht bestellte gemäß § 273 Abs 1 ABGB "einen" Sachwalter, der mit der Besorgung sämtlicher Angelegenheiten des Betroffenen betraut wurde. Es teilte die Sachwalterschaft aber auf zwei Personen auf, sodaß in Wahrheit zwei Sachwalter bestellt wurden: Einerseits wurde ein Rechtsanwalt zur Vertretung des Betroffenen vor Behörden und für dessen rechtliche Angelegenheiten im Zusammenhang mit der Überprüfung eines Kaufvertragsabschlusses, von Strafgeldforderungen einer Bezirkshauptmannschaft, der Veräußerung eines Unternehmens des Betroffenen und von Forderungen eines Versicherungsunternehmens, andererseits die bisherige einstweilige Sachwalterin, Mag. Gundula S*****, zur Verwaltung der sonstigen finanziellen Angelegenheiten, insbesondere der Verwaltung der Pensionseinkünfte, für die Personenobsorge und die täglichen Rechtsgeschäfte zur Sachwalterin bestellt. Es begründete seine Entscheidung im wesentlichen damit, daß der Betroffene infolge langjährigen Alkoholmißbrauchs psychisch krank und nicht in der Lage sei, seine Angelegenheiten ohne die Gefahr eines Nachteils für sich selbst zu besorgen. Da bereits "mehrere Jahre Zweifel an der Geschäfts- und Deliktsfähigkeit des Betroffenen" bestünden, sei ein Rechtsanwalt mit der "Besorgung der rechtlichen Angelegenheiten und der Überprüfung aller Rechtsprobleme des Betroffenen" zu betrauen; für die Einkommensverwaltung sei überdies ein weiterer Sachwalter zu bestellen.

Das Rekursgericht hob über Rekurs des Betroffenen die erstinstanzliche Entscheidung auf und verwies die Sachwalterschaftssache zur neuerlichen Entscheidung und Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Es sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Der Betroffene sei tatsächlich psychisch krank, doch setze die Bestellung eines Sachwalters "auch das Vorliegen von Angelegenheiten" voraus, die er selbst nicht ohne Gefahr eines Nachteils zu besorgen vermöge. Es mangle an Feststellungen über diese Angelegenheiten, die aber sowohl für die Bestellung wie auch für die Auswahl eines Sachwalters erforderlich seien. Eine Überprüfung der Entscheidung dahin, ob eine dem Betroffenen nahestehende Person oder allenfalls ein Rechtsanwalt als Sachwalter zu bestellen sei, sei derzeit nicht möglich. Sollte sich nach Ergänzung des Verfahrens herausstellen, daß die Bestellung eines Sachwalters notwendig sei, sei weiters zu beachten, daß nur ein Sachwalter zu bestellen wäre; die Bestellung mehrerer Sachwalter sei gesetzlich nicht vorgesehen.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung erhobenen Rekurse des Betroffenen und seiner einstweiligen Sachwalterin sind einerseits zulässig, aber nicht berechtigt, andererseits verspätet.

Vorweg ist die Frage der Rechtzeitigkeit beider Rekurse zu prüfen:

Die Entscheidung des Rekursgerichts wurde dem gewählten Vertreter des Betroffenen, der einstweiligen Sachwalterin und deren Rechtsvertreter je am 27. 4. 1999 zugestellt. Eine Zustellung dieser Entscheidung an den Betroffenen zu eigenen Handen erfolgte nicht. Sieht § 246 Abs 1 AußStrG vor, daß der Beschluß über die Einstellung des Verfahrens und jener über die Bestellung eines Sachwalters jeweils auch dem Betroffenen zu eigenen Handen zuzustellen ist, so muß dies auch für einen Beschluß gelten, mit dem eine Entscheidung, durch die ein Sachwalter bestellt wurde, aufgehoben wurde. Eine Zustellung an den Betroffenen hat nämlich immer dann zu erfolgen, wenn ihm ein Rechtsmittel zusteht, er also eine "Beschwer" hat (Maurer-Tschugguel, Sachwalterrecht2 Rz 6 zu § 246 AußStrg). Demnach erweist sich der vom Betroffenen selbst - vertreten durch seine einstweilige Sachwalterin - erhobene Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluß mangels Zustellung der von ihm angefochtenen Entscheidung an ihn selbst, jedenfalls als rechtzeitig, wenngleich er erst am 12. 5. 1999 zur Post gegeben wurde.

Die Rechtsmittellegitimation des Betroffenen ist in § 249 Abs 2 AußStrG begründet.

Der von der einstweiligen Sachwalterin erhobene Rekurs ist allerdings verspätet, weil er erst am 12. 5. 1999, somit am fünfzehnten Tag nach Zustellung der Entscheidung, bei Gericht überreicht wurde. Nach ständiger Rechtsprechung kann bei Sachwalterbestellungen grundsätzlich auf verspätete Rekurse im Sinne des § 11 Abs 2 AußStrG nicht Bedacht genommen werden (9 Ob 83/99t; 7 Ob 264/98v; 9 Ob 382/97k; RZ 1990/50; SZ 60/103; Gamerith, Drei Jahre Sachwalterrecht, in NZ 1988, 61 [70]). Der Rekurs der einstweiligen Sachwalterin ist daher zurückzuweisen.

In der Sache selbst erachtete das Gericht zweiter Instanz das erstinstanzliche Verfahren als ergänzungsbedürftig, weil insbesondere eine Klärung der Frage herbeizuführen sei, welche Angelegenheiten konkret durch den zu bestellenden Sachwalter für den Betroffenen zu besorgen seien. Gegen diese Argumentation wird in dem vom Betroffenen erhobenen Rechtsmittel nichts ins Treffen geführt. Insbesondere erscheint es tatsächlich klärungsbedürftig, ob nicht primär eine dem Behinderten nahestehende Person zum Sachwalter bestellt werden könnte, weil die Reihenfolge der Tatbestände im § 281 ABGB als Reihung der Prioritäten zu verstehen ist (2 Ob 296/98p; 1 Ob 252/97h). Erst dann, wenn zur Besorgung bestimmter Angelegenheiten vorwiegend Rechtskenntnisse erforderlich sind, ist eine rechtskundige Person (beispielsweise ein Rechtsanwalt) zum Sachwalter zu bestellen (9 Ob 97/98z; SZ 68/95; Gamerith aaO 67).

Schon aus diesen Gründen kann dem Rekurs kein Erfolg beschieden sein.

Es ist aber auch der Ansicht des Gerichts zweiter Instanz beizupflichten, daß die österreichische Rechtsordnung lediglich die Bestellung eines Sachwalters vorsieht. Schon den Gesetzesmaterialien ist - wenngleich unter Bezugnahme auf die Sachwalterschaft bei Minderjährigen - zu entnehmen, es solle vermieden werden, daß ein Betroffener in verschiedenen Angelegenheiten jeweils von einer anderen Person vertreten wird (742 Blg NR 15. GP 20). Das erscheint auch durchaus sachgerecht, ist es doch für den Betroffenen wesentlich einfacher, sich mit einer Bezugsperson auseinanderzusetzen, die - falls erforderlich - neben der persönlichen Obsorge auch die erforderlichen rechtlichen Schritte vorzunehmen hat. Entspricht die Bestellung einer rechtsunkundigen, aber dem Betroffenen nahestehenden Person seinem Wohl am besten, so erscheint es ausreichend, daß dieser Sachwalter - wenn nicht vorwiegend Rechtskenntnisse für die Besorgung der Angelegenheiten der behinderten Person im Sinne des § 281 Abs 3 ABGB erforderlich sind (SZ 68/95), - einen Rechtsanwalt oder Notar mit der Besorgung der Angelegenheiten, für die auch Rechtskenntnisse vonnöten sind, beauftragt. Damit wird dem Wohl des Betroffenen Genüge getan; die Bestellung mehrerer Sachwalter ist - abgesehen davon, daß diese gesetzlich nicht vorgesehen ist - weder erforderlich, noch zielführend, zumal gerade die dann kaum vermeidbare Überschneidung der jeweiligen Aufgabenkreise zu Verwicklungen, zur weiteren Inanspruchnahme des Pflegschaftsgerichts bzw zur Verunsicherung des Betroffenen führen könnte.

Der Umstand, daß im deutschen Recht die Bestellung mehrerer "Betreuer" ausdrücklich vorgesehen ist (§ 1899 dBGB), kann an diesem Ergebnis nichts ändern: Im österreichischen Recht ist die Bestellung mehrerer Sachwalter nicht vorgesehen; im übrigen sind auch nach deutschem Recht nur ausnahmsweise mehrere Betreuer zu bestellen, weil durch diese Maßnahme das Prinzip der Einzelbetreuung durchbrochen wird (Diederichsen in Palandt BGB58 Rz 1 zu § 1899; Bienwald in Staudinger, BGB12 Rz 3 zu § 1899). Der vereinzelt im Schrifttum (Kremzow, Österreichisches Sachwalterrecht 78), vertretenen Ansicht, daß die Bestellung mehrerer Sachwalter zulässig sei, wird nicht beigetreten.

Dem Rekurs des Betroffenen ist ein Erfolg zu versagen.

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