OGH 7Ob101/99z

OGH7Ob101/99z9.6.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich, Dr. Tittel, Hon-Prof. Dr. Danzl und Dr. Schaumüller als weitere Richter in der Rechtssache der mj Iris K*****, geboren am ***** vertreten durch ihre Mutter Mag. Sigrid K*****, diese vertreten durch Dr. Christian Tschurtschenthaler, Rechtsanwalt in Klagenfurt, infolge Rekurses des Vaters der Minderjährigen Dr. Siegfried K*****, vertreten durch Dr. Michael Ruhdorfer, Rechtsanwalt in Klagenfurt, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgericht vom 11. Februar 1999, GZ 2 R 52/99w-51, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Villach vom 4. Jänner 1999, GZ 3 P 2071/95f-48, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben und die angefochtene Rekursentscheidung dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Text

Begründung

Die Ehe der Eltern der Minderjährigen wurde mit Beschluß vom 7. 12. 1989 gemäß § 55a EheG im Einvernehmen geschieden. Die im Scheidungsvergleich vereinbarte Übernahme der alleinigen Obsorge über die Minderjährige durch deren Mutter wurde pflegschaftsbehördlich genehmigt. Zuletzt verpflichtete sich der Vater seit 1. 8. 1997 zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von S 6.000,-- für die Minderjährige. Er ist wiederverheiratet und hat für ein weiteres sechs Jahre altes Kind zu sorgen.

Nachdem die mj Iris die 5. Klasse eines österreichischen Gymnasiums wiederholen mußte, waren ihre Leistungen im ersten Semester der 6. Klasse (Schuljahr 1997/98) positiv. Das zweite Semester des Schuljahres 1997/98 hat die Minderjährige an der Privatschule "The Pittwater House Schools" in Australien absolviert und positiv abgeschlossen. Sie entschloß sich daraufhin, weiter in Australien zu bleiben und dort das College zu besuchen. Der Zweck des Schulbesuches in Australien liegt in der Förderung der Englischkenntnisse und der Persönlichkeitsentwicklung der Antragstellerin. Außerdem war es schon immer der Wunsch der Minderjährigen, eine Zeitlang im Ausland zu verbringen. Dies nicht zuletzt auch im Hinblick darauf, die Chancen am Arbeitsmarkt durch die zusätzliche Qualifikation einer Sprachausbildung zu verbessern. Laut der Schulnachricht (Zeugnis) vom 9. 4. 1998 war der Schulerfolg überdurchschnittlich gut. In einer 6-stufigen Leistungsbeurteilungsskala erhielt sie nur in einem Gegenstand, Betriebswirtschaftslehre, die drittbeste Beurteilung. In den übrigen Gegenständen war die Beurteilung lobenswert bis ausgezeichnet. Der Vater hat als Lehrer vom Landesschulrat für Kärnten in der Zeit vom 1. 10. 1997 bis 31. 3. 1998 inklusive der aliquoten Sonderzahlungen für 6 Monate einen Betrag von netto S 233.599,-- ins Verdienen gebracht. Dies ergibt ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen von ca. S 38.900,--. Darüberhinaus ist der Vater als Lehrbeauftragter am Wirtschaftsförderungsinstitut tätig. Im Jahre 1997 hat er dafür ein Honorar von S 76.956,-- erhalten. Darüberhinaus ist der Vater freiberuflich als Psychotherapeut tätig. Seinen Angaben zufolge ist diese Tätigkeit nicht kostendeckend und wird es auch in den nächsten Jahren nicht sein, da die Fort- und Ausbildungskosten seine geringfügigen Einnahmen bei weitem übersteigen. Die Mutter ist ebenfalls als Lehrerin tätig. Sie verfügt über ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen von ca. S 38.400,--.

Das Erstgericht wies den Antrag der Minderjährigen auf Zahlung von S 95.023,90 an Sonderbedarf für ihren Studienaufenthalt in Australien mit der Begründung ab, daß dieser Schulbesuch nicht unbedingt erforderlich sei.

Das Rekursgericht hob diese Entscheidung mit dem angefochtenen Beschluß zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung durch das Erstgericht auf und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Berücksichtige man im vorliegenden Fall, daß die Minderjährige die 5. Klasse der AHS in Österreich wiederholen mußte und ihr die vorgelegten Bestätigungen der australischen Schule zwar große Bemühungen attestierten, aber eine Verbesserung der Leistungen als wünschenswert darstellen, so könne nicht davon ausgegangen werden, daß die Minderjährige ein besonders begabtes, überdurchschnittlich befähigtes Mädchen sei. Mit dem Aufenthalt in Australien werde also nicht ein besonderes Talent oder die Verwirklichung eines außergewöhnlichen Berufswunsches des Kindes gefördert, was für sich genommen schon nicht für eine (teilweise) Abdeckung des Sonderbedarfes durch den geldunterhaltspflichtigen Vater sprechen würde. Dennoch erscheine ein Beitrag des Vaters für den schulischen Auslandsaufenthalt der mj Iris im vorliegenden Fall gerechtfertigt. Ziehe man die immer internationaler werdende Gesellschaftsordnung der heutigen Zeit in Betracht, in der fremde Sprachen und die Kenntnis fremder Kulturen immer mehr zur Allgemeinbildung gerechnet werden und bessere (Einstiegs-)Chancen im Berufsleben bedeuten, so könne der Besuch einer australischen Schule mit einem der österreichischen Matura gleichgehaltenen Abschluß für die mj Iris nur Vorteile bringen. Zu berücksichtigen sei auch, daß mit einem solchen Auslandsaufenthalt regelmäßig eine persönliche Weiterentwicklung (Verselbständigung) und Reifung des Kindes im Zusammenhang stehe, sodaß die Minderjährige sicher insgesamt unvergleichliche Vorteile aus ihrem Auslandsaufenthalt ziehen könne. Zur Förderung des (wenn auch nicht überdurchschnittlich begabten) Kindes sei der Sonderbedarf daher als wesentlich und nützlich anzusehen. Beide Elternteile seien Akademiker und lebten in wirtschaftlich sehr guten Verhältnissen. Bei diesen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen würde auch in einer intakten Familie der Auslandsaufenthalt der Minderjährigen, den sie selbst will, zur Förderung ihrer gesamten Persönlichkeit in Betracht gezogen werden. Nach der Prozentkomponente stünden der Minderjährigen 21 % der Bemessungsgrundlage an Unterhalt, sohin monatlich S 8.100,-- zu. Der vom Vater geleistete Unterhalt übersteige den Regelbedarf um S 1.630,--. Diese Differenz zwischen Regelbedarf und tatsächlich geleistetem Unterhalt sei jedenfalls auf den Sonderbedarf anzurechnen. Es könne jedoch noch keine endgültige Entscheidung über die vom Vater letztlich zu tragenden Sonderbedarfskosten getroffen werden, weil das Gesamteinkommen des Vaters nicht feststehe. Zu prüfen sei, welches Einkommen der Vater im Durchschnitt aus seiner Tätigkeit am WIFI, als Psychotherapeut und aus Vermietung erziele. Im übrigen werde auch noch darzulegen sein, für welchen genauen Zeitraum die Schul- und Aufenthaltskosten geltend gemacht werden. Die Geltendmachung der Taschengeldbeträge für den Auslandsaufenthalt erscheine jedenfalls nicht gerechtfertigt, weil die Mutter bei der ständigen Versorgung des Kindes im eigenen Haushalt dieses Taschengeld auch aus den laufenden Unterhaltsbeträgen des Vaters (die über dem Regelbedarf liegen) abzudecken hätte. Darüberhinaus seien auch die verbleibenden, vom Vater gezahlten Unterhaltsbeträge auf die Kosten des Auslandsaufenthaltes in dem Umfang, in dem die Mutter (in den Monaten der gänzlichen Abwesenheit der mj Iris) zu Hause tatsächlich keinerlei Aufwand für das Kind habe, anzurechnen.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung vom Vater erhobene Rekurs ist berechtigt.

Erwächst einem unterhaltsberechtigten Kind ein Mehrbedarf, der über den allgemeinen Durchschnittsbedarf ("Regelbedarf") eines gleichaltrigen Kindes in Österreich ohne Rücksicht auf die konkreten Lebensverhältnisse seiner Eltern hinausgeht, bilden diese Kosten einen Sonderbedarf (SZ 63/81). Auch Ausbildungskosten können als Sonderbedarf anerkannt werden (Schwimann in Schwimann, ABGB**2 Rz 33 zu § 140 mwN). Insbesondere hat der Oberste Gerichtshof schon ausgesprochen, daß die Kosten des Besuchs einer Privatschule nicht von vornherein aus den Fällen des vom Unterhaltsschuldner zu bestreitenden Sonderbedarfs ausgeschieden werden dürfen (ÖA 1994, 184 U100 gegen die nicht weiter differenzierende einhellige Judikatur der Gerichte zweiter Instanz, zitiert bei Purtscheller/Salzmann, Unterhaltsbemessung, 11; ebenso ablehnend etwa LGZ Wien EFSlg 76.989; 70.797; 67.869 ua). Welche Ausbildung einem Kind zusteht, bestimmt sich dabei nicht nach der beruflichen und gesellschaftlichen Stellung der Eltern. Soweit die Rechtsprechung deren unterhaltsrechtlich maßgebliche Lebensverhältnisse auch durch Tatbestände wie Herkunft, Schulausbildung und Berufsausbildung, berufliche und soziale Stellung umschreibt (EvBl 1992/73; EFSlg 71.546), stehen diese immer in einem unlösbaren Konnex mit der durch einzelne solche Umstände bedingten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (JBl 1997, 650). Stehen in einem bestimmten Ausbildungsweg entgeltliche Privatschulen neben öffentlichen (unentgeltlichen) Schulen zur Verfügung, wird der Unterhaltsberechtigte nach dem Grundsatz, daß bei gleichwertigen Alternativen stets die für den Unterhaltsverpflichteten weniger belastende den Vorzug genießt, grundsätzlich eine öffentliche Schule auszuwählen haben.

Ist aus im Einzelfall zu prüfenden Gründen der Besuch einer öffentlichen Schule nicht möglich, kann Schulgeld für eine Privatschule dann als Sonderbedarf anerkannt werden, wenn ein gerechtfertigter Grund gerade für diesen Ausbildungsweg spricht (welche Voraussetzung von der Rechtsprechung ganz allgemein für die Anerkennung eines Sonderbedarfes als berechtigt aufgestellt wird, vgl. die bei Schwimann, Unterhaltsrecht, 28 angeführten Nachweise).

Als derartige Gründe kommen etwa in Frage: eine besondere Begabung des Kindes, die gerade durch den gewählten Schultyp gefördert werden kann; Unterbringung in einer fremdsprachigen Schule nach vorangegangenem langjährigem Auslandsaufenthalt des Kindes (LGZ Wien EFSlg 70.800); besonderes berufliches Interesse und damit verbundener intensiver Wunsch des Kindes nach einem bestimmten Ausbildungsweg. Mag danach ein in der Person des Kindes begründeter Sonderbedarf auch zu bejahen sein, ist aber immer noch als weiterer Schritt bei der Unterhaltsbemessung zu beachten, daß sich der Unterhalt insgesamt, also unter Berücksichtigung des Sonderbedarfs, im Rahmen der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen halten muß; dem Unterhaltspflichtigen muß stets ein zur Deckung der seinen Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse entsprechender Betrag verbleiben (SZ 68/38; ÖA 1998, 15; 1 Ob 2383/96i; 4 Ob 108/98f ua). Eine Überschreitung der Prozentsatzkomponente, der das Hauptgewicht bei der Unterhaltsbemessung zukommt (EFSlg 67.737; ÖA 1994, 99 U94 ua), wird dabei nur bei existenznotwendigem Sonderbedarf oder bei sonst förderungswürdigen Kindern zulässig sein (Schwimann, Unterhaltsrecht 29 mwN).

Das Rekursgericht überging bei seiner Beurteilung, daß bei Prüfung, ob der Unterhaltspflichtige auch noch zu einem den Regelbedarf weit übersteigenden Sonderbedarf verpflichtet werden kann, ein sehr strenger Maßstab anzulegen ist (vgl 1 Ob 585/90). Sonderbedarf wird nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes durch die Momente der Außergewöhnlichkeit und der Dringlichkeit bestimmt (vgl zuletzt 3 Ob 277/98a und 1 Ob 350/98x mwN). Ist die Minderjährige tatsächlich nur mittelmäßig begabt, so stellt ihr Wunsch, anstelle einer öffentlichen Schule in Österreich eine Privatschule in Australien zu besuchen, weil ein Auslandsaufenthalt mit der damit verbundenen Kenntnis fremder Sprachen und Kulturen eine besondere Allgemeinbildung ermögliche und daher der besonderen Weiterentwicklung und Verselbständigung diene, schon von vornherein keine Existenznotwendigkeit, die die Verpflichtung zur Bezahlung eines Sonderbedarfes begründen würde, dar. Die von der Minderjährigen ihrem Begehren zugrundegelegten Vorstellungen entsprechen den Wünschen vieler durchschnittlich begabter Jugendlicher, für deren Erfüllung jedoch keine zwingende Notwendigkeit besteht. Sieht man davon ab, daß im vorliegenden Fall in keiner Weise feststeht, ob das von der Minderjährigen angestrebte Ausbildungsziel bei einigem Fleiß nicht auch in einer am österreichischen Wohnort befindlichen öffentlichen Schule verwirklicht werden kann, ist kein Grund ersichtlich, warum gerade nur auf einer australischen Privatschule eine noch ganz unbestimmte Begabung der Minderjährigen entsprechend gefördert werden kann. Allein aus diesem Grund war das Sonderbedarfsbegehren der Minderjährigen im vorliegenden Einzelfall abzuweisen. Die vom Rekursgericht dem Erstgericht erteilten Beweisaufnahmeaufträge sind für die Entscheidung der vorliegenden Rechtsfrage daher entbehrlich. Die erstgerichtliche Entscheidung war somit wiederherzustellen.

Stichworte