OGH 7Ob96/99i

OGH7Ob96/99i28.5.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich, Dr. Tittel, Hon. Prof. Dr. Danzl und Dr. Schaumüller als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G*****, vertreten durch Dr. Ludwig Druml, Rechtsanwalt in Villach, gegen die beklagte Partei Rudolf S*****, und der Nebenintervenientin auf seiten der beklagten Partei V***** AG, ***** beide vertreten durch Dr. Hans Houska, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 223.323,-- sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 15. September 1998, GZ 2 R 101/98k-96, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 6. März 1998, GZ 23 Cg 201/97h-89, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei und der Nebenintervenientin zu Handen ihres Vertreters die mit S 12.573,-- (darin enthalten S 2.095,50 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Im April 1993 beauftragte die Klägerin die österreichische Firma E***** M***** GmbH (im folgenden kurz Firma M***** genannt) mit dem Transport von (ua) 21 Paletten mit Baumwollgarn zur in Bilston in England ansässigen Firma B*****. Die Firma M***** beauftragte ihrerseits den beklagten Transportunternehmer, die Ware von Slowenien zum Besteller nach England zu transportieren. Mit der Verzollung der Ware wurde von der Klägerin die slowenische Firma F***** beauftragt, die auch die Frachtpapiere vorbereitete.

Am 23. 4. 1993 holte der Fahrer des Beklagten die Ware samt Rechnungen in Slowenien ab. Er übernahm auch den von F***** ausgestellten Frachtbrief. Darin ist die Klägerin als Absenderin der Ware eingetragen. In der Rubrik "Unterschrift und Stempel des Frachtführers" befindet sich die Stampiglie der Firma F*****. Die Firma M***** ist im Frachtbrief nicht erwähnt. Der Fahrer des Beklagten brachte bei Übernahme der Ware die Stampiglie seiner Firma in der für Unterfrachtführer vorgesehen Spalte an.

Der LKW-Zug der beklagten Partei, der auch für andere Empfänger bestimmte Ware der Klägerin geladen hatte, traf am 27. 4. 1993 in England ein. Der Fahrer lieferte einen Teil des Frachtguts an die vorgesehenen Empfänger in verschiedenen Orten. Am 30. 4. 1993 traf er am Unternehmenssitz der Firma B***** in B***** ein. Am 1. 5. 1993 fuhr er zu der im Frachtbrief angegebenen Adresse, an der sich mehrere Fabrikshallen befanden. Das von der Firma B***** bestellte Baumwollgarn wurde von einem etwa 50-jährigen Mann übernommen, der auch den Frachtbrief unterfertigte. Dieser Mann, der später nicht mehr identifiziert werden konnte, war nicht der vorgesehene Empfänger der Ware. Deren Verbleib konnte trotz intensiver Nachforschungen nicht mehr ermittelt werden.

Über das Vermögen der Firma M***** wurde am 7. 5. 1993 das Konkursverfahren eröffnet.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren auf Bezahlung von S 223.323,-- sA im zweiten Rechtsgang mit der Begründung ab, die Firma M***** habe den Transportauftrag als Hauptfrachtführer übernommen. Der Beklagte sei ihr Unterfrachtführer gewesen. Da der Beklagte nicht in den zwischen der Klägerin und der Firma M***** abgeschlossenen Frachtvertrag eingetreten sei, stünden der Klägerin keine Ansprüche gegen ihn zu. Eine Zession der Ansprüche der Firma M***** gegen den Beklagten habe die Klägerin erstmals am 6. 2. 1995 und damit außerhalb der Jahresfrist des Art 32 Abs 1 lit d CMR behauptet. Die zitierte Forderung sei daher verjährt.

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts und erklärte die ordentliche Revision zunächst für nicht zulässig. Es ergänzte den vom Erstgericht festgestellten, im wesentlichen bereits eingangs wiedergegebenen Sachverhalt durch die Feststellungen, daß der im Konkurs der Firma M***** bestellte Masseverwalter gegenüber der Klägerin erklärt habe, gegen die Beklagte keinen Prozeß führen zu wollen; die Klägerin möge ihre Forderung gegen die Beklagte selbst durchsetzen; von der Verfassung einer schriftlichen Zessionserklärung sei Abstand genommen worden.

Rechtlich beurteilte das Berufungsgericht diese Feststellungen dahin, daß im Sommer 1993 eine Abtretung der Forderung der Firma M***** gegen die Beklagte an die Klägerin wirksam erfolgt sei. Weiters führte das Gericht zweiter Instanz in rechtlicher Hinsicht im wesentlichen aus, der Beginn der Verjährungsfrist des Schadenersatzanspruches der Firma M***** gegen den Beklagten sei nach den in § 414 HGB und Art 32 CMR geregelten Kriterien festzulegen. Die einjährige Verjährungsfrist habe daher mit der Ablieferung der Ware spätestens am 1. 5. 1993 zu laufen begonnen. Die Abtretung der Forderung sei von der Klägerin im vorliegenden Rechtsstreit aber erst am 6. 2. 1995 und damit außerhalb der Verjährungsfrist behauptet worden. Die Unterbrechungswirkung sei nicht schon ab Klagseinbringung, sondern erst mit dieser Klagsänderung am 6. 2. 1995 eingetreten, weshalb die abgetretene Forderung bereits verjährt gewesen sei.

Voraussetzung für die Anwendung der Bestimmungen der CMR über die Beförderung aufeinanderfolgender Frachtführer (Kapitel VI CMR) wäre es, daß ein einziger durchgehender Frachtbrief ausgestellt wurde, den jeder der Frachtführer mit dem Gut angenommen und allenfalls weitergeleitet hätte. Ein solcher Frachtbrief sei im vorliegenden Fall aber nicht ausgestellt worden, weshalb ein Eintritt des Beklagten als Unterfrachtführer in das Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin als Absenderin und der Firma M***** als Hauptfrachtführerin nicht stattgefunden habe. Als Unterfrachtführer habe der Beklagte als Erfüllungsgehilfe der Hauptfrachtführerin fungiert und sei mit der Klägerin in keiner unmittelbaren Vertragsbeziehung gestanden.

Mangels entsprechender Behauptungen der Klägerin komme auch eine deliktische Haftung des Beklagten nicht in Betracht.

Über Antrag der klagenden Partei erklärte das Berufungsgericht die Revision sodann doch für zulässig. Die Frage einer von der Klägerin mit der Behauptung eines durchgehenden (einheitlichen) Frachtbriefes geltend gemachten Solidarhaftung des Beklagten neben der Hauptfrachtführerin bedürfe einer Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof, zumal im Falle der Anwendbarkeit der Bestimmungen des Kapitels VI CMR die einjährige Verjährungsfrist des Art 32 CMR noch nicht abgelaufen wäre.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, jedoch im Ergebnis nicht berechtigt.

Das Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im Internationalen Straßengüterverkehr (CMR), BGBl 1961/138 idF des Protokolls zum Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr, BGBl 1981/192, gilt für jeden Vertrag über die entgeltliche Beförderung von Gütern auf der Straße mittels Fahrzeugen, wenn der Ort der Übernahme des Gutes und der für die Ablieferung vorgesehene Ort, wie sie im Vertrage angegeben sind, in zwei verschiedenen Staaten liegen, von denen mindestens einer ein Vertragsstaat ist (Art 1 Abs 1 CMR). Im vorliegenden Fall wurde das Transportgut in Slowenien übernommen und nach England transportiert. Beide Länder sind Vertragsstaaten des Übereinkommens. Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, ist die CMR daher auf den Vertrag zwischen der Klägerin und der Firma M***** anzuwenden, die es als (Haupt-)Frachtführer übernommen hat, die grenzüberschreitende Beförderung durchzuführen. Die Firma M***** hat ihrerseits im eigenen Namen und auf eigene Rechnung den beklagten Transportunternehmer mit selbständigem Unterfrachtvertrag mit dem gesamten Transport von Slowenien nach England beauftragt. Der Beklagte ist dadurch Unterfrachtführer der Firma M***** geworden (vgl Schmid in Thume, CMR-Kommentar, Vor Art 34, Rz 7 mwH uva), für den die Firma M***** als ihren Erfüllungsgehilfen gemäß Art 3 CMR zu haften hat.

Das Kapitel VI der CMR enthält Bestimmungen über die Beförderung

durch aufeinanderfolgende Frachtführer. Nach Art 34 CMR wird für die

Anwendung dieser Bestimmungen vorausgesetzt, daß die

grenzüberschreitende Beförderung Gegenstand eines einzigen Vertrages

war und auch nur ein einziger, durchgehender Frachtbrief ausgestellt

wurde, den der Frachtführer mit dem Gut annimmt und allenfalls

weitergibt. In diesem Fall tritt der Unterfrachtführer nach ganz

allgemeiner Meinung in das Rechtsverhältnis zwischen Absender und

Hauptfrachtführer ein; andernfalls bestehen nur zwischen Absender und

Hauptfrachtführer und zwischen diesem und dem Unterfrachtführer als

dessen Erfüllungsgehilfen vertragliche Beziehungen (SZ 58/6; SZ

58/122; WBl 1996, 330; SZ 69/266 uva). Art 34 CMR ändert nichts an

dem Grundsatz, daß der erste Frachtführer dem Absender als seinem

Vertragspartner gemäß Art 17 ff CMR haftet und im übrigen

schadensursächliches Verhalten der von ihm eingesetzten

Unterfrachtführer gemäß Art 3 CMR zu vertreten hat (Heuer,

Aufeinanderfolgende Frachtführer nach Art 34 ff CMR in TranspR 1984,

169). Daß gemäß Art 34 Satz 1 CMR jeder aufeinanderfolgenden

Beförderer für die Ausführung der gesamten Beförderung haftet, ist

für den Hauptfrachtführer als dem Vertragspartner des Absenders ohne

jede Bedeutung. Über dessen Haftung sagt Art 34 CMR nichts aus,

sondern enthält vielmehr eine rechtlich relevante Regelung

ausdrücklich nur für den zweiten und alle allenfalls nachfolgenden

Beförderer, also für die Unterfrachtführer, die nach ganz allgemeiner

Ansicht grundsätzlich in keinerlei vertraglichen Beziehungen zum

Absender stehen (vgl Heuer aaO uva). Diesen Grundsatz durchbricht Art

34 CMR zugunsten einer direkten und gesamtschuldnerischen Haftung der

Unterfrachtführer gegenüber dem Absender allerdings nur für den Fall,

daß die in dieser Gesetzesbestimmung genannten, bereits erwähnten

Voraussetzungen gegeben sind, nämlich daß ein durchgehender

einheitlicher Frachtbrief vorliegt sowie daß das Transportgut und der

Frachtbrief durch den Unterfrachtführer übernommen werden (hM; vgl

etwa Heuer aaO; JBl 1984, 92; 4 Ob 2236/96z = SZ 69/266 uva). Keine

Voraussetzung für die Anwendung des Art 34 CMR ist, daß der

Hauptfrachtführer das Gut selbst übernommen und einen Teil der

Beförderung selbst durchgeführt hätte (hM; vgl Koller,

Transportrecht3 Rz 4 zu Art 34 CMR; SZ 57/75; SZ 58/122; zuletzt etwa

7 Ob 8/98x = RdW 1998, 547 = ZfRV 1998, 247); vielmehr umfaßt Art 34

CMR auch jene Fälle, in denen der Hauptfrachtführer den gesamten

Auftrag einem Unterfrachtführer weitergibt (7 Ob 30/86 = RdW 1988,

89; 8 Ob 657/87 = VR 1989, 980).

Die Klägerin macht in der Revision nur mehr geltend, daß im gegenständlichen Fall die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des Art 34 CMR gegeben seien. Entgegen der - aktenwidrigen - Ansicht der Vorinstanzen liege nämlich ein einheitlicher durchgehender Frachtbrief vor.

Der Revisionswerberin ist einzuräumen, daß der hier vorliegende Frachtbrief Beil./5 insofern als einheitlich bzw durchgehend zu bezeichnen ist, als er auf die gesamte Transportstrecke lautet. Der Ansicht der Revisionswerberin, die Voraussetzungen des Art 34 CMR seien daher in Ansehung des Beklagten für den gegenständlichen Transport erfüllt, kann aber dessenungeachtet nicht beigepflichtet werden. Die Revisionswerberin bedenkt nämlich nicht, daß der gegenständliche Frachtbrief Beil./5 weder vom Absender (der Klägerin) noch vom Hauptfrachtführer (Firma M*****) ausgestellt wurde. Als Frachtbrief iSd Art 34 CMR ist allerdings nur ein durchgehendes, auf die Gesamtbeförderungsstrecke lautendes Beförderungspapier anzusehen, das vom Absender des Hauptfrachtvertrages oder vom Hauptfrachtführer in dessen Vollmacht ausgestellt und vom Unterfrachtführer mit dem Willen übernommen wurde, die im Frachtbrief umschriebene Beförderung ganz oder teilweise auszuführen (7 Ob 30/86 = RdW 1988, 89 mwN). Da der Frachtbrief den nachfolgenden Frachtführer darüber informieren muß, wie die Vertragskonditionen lauten, muß er vom Auftraggeber des Hauptfrachtführers und von diesem selbst (Art 5 Abs 1 CMR) unterzeichnet sein (Koller, aaO). Ein von einem Unterfrachtführer stammender Frachtbrief ist nicht ausreichend (Koller aaO; Herber/Piper CMR Art 34 Rz 10, mwH; aA Queen's Bench Division v. 16. 11. 1976, 1977 LLR, Vol. 1, 346, Ulster-Swift v. Taunton Meat Haulage). Unter dem Blickwinkel des Art 34 CMR hat der Frachtbrief insoweit - anders als nach Art 4 CMR - konstitutive Bedeutung (hM, vgl etwa Glöckner, Leitfaden zur CMR7 Art 34 Rz 3; Herber/Piper aaO). Wird kein entsprechender Frachtbrief ausgestellt (oder ein entsprechender Frachtbrief vom Unterfrachtführer nicht übernommen), so ändert dies zwar nichts an der Haftung des Hauptfrachtführers und der Unterfrachtführer gegenüber ihrem jeweiligen Auftraggeber gemäß Art 17 ff CMR; die besonderen Rechtsfolgen des Art 34 CMR treten jedoch dann nicht ein (BGH TranspR 1990, 418, 419 = VR 1991, 238, 239; Heuer aaO [172]; Herber/Piper aaO).

Mangels Vorliegens eines diesen Anforderungen genügenden Frachtbriefs haben die Vorinstanzen im Ergebnis zutreffend die Anwendbarkeit des Art 34 CMR im vorliegenden Fall verneint. Demnach haftet der Beklagte der Klägerin nicht gesamtschuldnerisch mit der Firma M*****, sondern hat nur diese für ihn als ihren Erfüllungsgehilfen einzustehen (vgl SZ 57/75 ua). Entgegen der Ansicht der Revision kann die Klägerin den klagsgegenständlichen Schadenersatzanspruch auf Art 34 CMR also nicht stützen.

Auch sonst ist kein Haftungsgrund des Beklagten gegeben. Gegen die Rechtsansichten des Berufungsgerichtes, wonach die der Klägerin abgetretene Forderung der Firma M***** verjährt sei und auch eine deliktische Haftung des Beklagten nicht in Frage komme, wendet die Revisionswerberin ohnehin nichts ein. Es genügt daher, dazu auf die betreffenden zutreffenden Ausführungen des Gerichtes zweiter Instanz zu verweisen (§ 510 Abs 3 zweiter Satz ZPO).

Der Revision der Klägerin war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

Stichworte