OGH 7Ob8/98x

OGH7Ob8/98x19.5.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Huber und Dr.Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei N*****, vertreten durch Dr.Werner Walch, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei K***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr.Ivo Greiter und andere Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen S 1,039.561,27 sA, infolge ordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz vom 6.Oktober 1997, GZ 11 R 92/97x-17, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 22.Jänner 1997, GZ 5 Cg 310/95-13, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 22.590,-- (darin enthalten S 3.765,-- USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Im Dezember 1988 wurde die L***** GesmbH mit dem Sitz in K***** mit dem Transport einer Ladung Baumwollballen aus G***** in Deutschland nach Italien beauftragt. Die L***** GesmbH bediente sich hiezu der beklagten Partei, die die Ware am 17.12.1988 abholte. Bei Entladung der Ware am 21.12.1988 in F*****, Italien, wurde festgestellt, daß die Stoffballen feucht und schimmelig waren. Der Versicherer der Empfängerin zahlte dieser die Differenz zwischen dem Erlös aus dem durchgeführten Notverkauf und dem versicherten Warenwert sowie die Schätzungskosten und klagte diese Ersatzleistungen gegen die L***** GesmbH in Genua ein. Mit Versäumungsurteil vom 18.4.1991 wurde die L***** GesmbH, die sich am Verfahren trotz Klagszustellung nicht beteiligte, vom Tribunal für Zivilsachen in Genua zur Zahlung von Lire 53,881.000,-- zuzüglich Geldaufwertung gemäß den Indices des Statistischen Institutes und den gesetzlichen Zinsen auf die derart aufgewertete Summe verurteilt. Nach Einleitung des Fahrnisexekutionsverfahrens gegen die L***** GesmbH am 21.3.1995 zahlte die klagende Partei als Transporthaftpflichtversicherer der L***** GesmbH in Erfüllung deren Verpflichtung aus dem italienischen Urteil S 1,039.561,27.

Die klagende Partei begehrt die Zahlung dieses Betrages, weil die Forderung der L***** GesmbH gemäß § 67 VersVG und überdies aufgrund einer rechtsgeschäftlichen Zession auf sie übergegangen sei.

Die beklagte Partei wendete unter anderem Verjährung gemäß § 39 Abs 4 CMR ein.

Dieser Einwand wurde von der klagenden Partei bestritten, die überdies behauptete, daß der Lauf der Verjährung gemäß § 32 Abs 2 CMR gehemmt sei, weil die L***** GesmbH die beklagte Partei mit Schreiben vom 20.2.1989 unter Anschluß der Schadensunterlagen haftbar gemacht habe.

Das Erstgericht sprach der klagenden Partei S 940.924,72 sA zu und wies das Mehrbegehren von S 98.636,55 sA (Kosten des italienischen Verfahrens und des Exekutionsverfahrens) ab.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil im Sinn einer gänzlichen Klagsabweisung ab, weil die eingeklagte Regreßforderung gemäß § 39 Abs 4 CMR verjährt sei. Es sprach aus, daß die ordentliche Revision mangels einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes über den Beginn der Verjährungsfrist nach Art 39 Abs 4 CMR bei Beförderung durch aufeinanderfolgende Frachtführer im Sinn des Kapitels VI der CMR fehle. Eine weitere erhebliche Rechtsfrage liege auch darin, ab wann der Regreß nehmende Frachtführer den Regreßanspruch wirksam und die Verjährungsfrist hemmend reklamieren könne (vor oder erst nach Entstehen des Regreßanspruches).

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist jedoch unzulässig, weil entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht vorliegt.

Das Berufungsgericht hat zutreffend die Anwendbarkeit der Bestimmungen der CMR bejaht, weil der Ort der Übernahme des Gutes in Deutschland und der für die Ablieferung vorgesehene Ort in Italien lagen (SZ 63/211). Unbekämpft blieb auch der unterstellte Sachverhalt, daß die klagende Partei das Frachtgut mit einem durchgehenden internationalen Frachtbrief übernommen hat, sodaß das Berufungsgericht in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung die Ansicht vertrat, daß Kapitel VI der CMR (Art 34 bis 40) heranzuziehen ist (SZ 63/211; SZ 58/122 je mwN), wobei ohne Belang ist, daß der Hauptfrachtführer (die L***** GesmbH) auch nicht einen Teil der Beförderung selbst durchgeführt hat (SZ 57/75). Das Berufungsgericht hat daher zutreffend erkannt, daß die beklagte Partei im Verhältnis zur L***** GesmbH die Voraussetzungen des § 34 CMR erfüllt und somit die den Beginn der Verjährung des Rückgriffsanspruches für diesen Fall ausdrücklich regelnde Bestimmung des § 39 Abs 4 CMR zur Anwendung kommt.

Es ist weiters im Revisionsverfahren nicht mehr strittig, daß das L***** GesmbH zur Zahlung verpflichtende Urteil des Gerichtes in Genua Ende Mai 1992 in Rechtskraft erwachsen ist, wie das Berufungsgericht aufgrund der erstgerichtlichen Feststellungen und mit umfangreicher Darstellung der entsprechenden Bestimmungen der italienischen Zivilverfahrensgesetze ausgeführt hat.

Anders als im Fall von Regreßansprüchen zwischen aufeinander folgenden Frachtführern, die nicht die besonderen Voraussetzungen des Art 34 CMR erfüllen (diese Konstellation lag jeweils den Entscheidungen SZ 58/122 und SZ 63/211 zugrunde), kann bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 34 CMR jedenfalls keine planwidrige Regelungslücke der CMR-Bestimmungen hinsichtlich der Verjährungsfragen angenommen werden, sodaß im Anwendungsbereich der Art 34 ff CMR für die Heranziehung nationalen Rechtes bei der Frage des Verjährungsbeginnes kein Raum ist.

Nach Art 39 Abs 4 CMR beginnt die Verjährung für Rückgriffsansprüche zwischen Frachtführern entweder mit dem Tage des Eintrittes der Rechtskraft eines Urteiles über die nach den Bestimmungen dieses Übereinkommens zu zahlende Entschädigung oder, wenn ein solches rechtskräftiges Urteil nicht vorliegt, mit dem Tage der tatsächlichen Zahlung. Nach dem unmißverständlichen Wortlaut dieser Bestimmung kommt es auf den Zeitpunkt der Zahlung des Regreßberechtigten nur an, wenn kein rechtskräftiges Entschädigungsurteil vorliegt. Aufgrund des klaren Wortlautes des § 39 Abs 4 CMR kann kein Zweifel über dessen Regelungsinhalt herrschen. Das dem Wortlaut entsprechende Verständnis dieser Bestimmung wurde sowohl vom deutschen Bundesgerichtshof (VersR 1991, 238/239) als auch bereits vom Obersten Gerichtshof (4 Ob 568/95 = ecolex 1996, 845) als selbstverständlich unterstellt. Auch in der Lehre besteht hinsichtlich des Regelungsgehaltes des § 39 Abs 4 CMR kein Zweifel (Europäisches Transportrecht, CMR, 1976, 290 zu Art 39;

Widmann, CMR, 216; Fremuth/Thume, Frachtrecht, Rz 5 zu Art 39 CMR;

Thume, Kommentar zur CMR, Rz 7 zu Art 39 CMR, 816).

Für eine Auslegung dieser Bestimmung entgegen ihrem ausdrücklichen Wortlaut dahin, daß die Verjährung des Regreßanspruches des Hauptfrachtführers gegen den Unterfrachtführer auch bei Vorliegen eines rechtskräftigen Urteiles gegen den Hauptfrachtführer erst dann beginne, wenn der Hauptfrachtführer zahle, ist kein Raum. Die Revision verkennt das Wesen der von ihr vorgeschlagenen "teleologischen Reduktion" (vgl zum Begriff Bydlinski in Rummel**2 I, Rz 7 zu § 7 ABGB mwN) und übersieht zudem, daß derartige Verjährungsbestimmungen auch der österreichischen Rechtsordnung nicht fremd sind (vgl § 337 ASVG; § 6 Abs 2 AHG).

Zur Frage, wie die die Verjährung hemmende Reklamation im Sinn des Art 32 Abs 2 1.Satz CMR beschaffen sein muß, hat der Oberste Gerichtshof bereits in seiner Entscheidung 1 Ob 516/94 = ecolex 1996, 846 Stellung genommen und ausgeführt, daß diese Reklamation voraussetzt, daß der Frachtführer mit ihr für Schäden am Transportgut haftbar gemacht wird, also auf die Tatsache des Bestehens von Schäden am Transportgut hingewiesen werden muß. Erforderlich ist die unmißverständliche Klarstellung, daß er für die Schäden am Transportgut auch einstehen soll, also eine Erklärung, aus der er seine Inanspruchnahme durch den Anspruchsteller entnehmen kann.

Die Qualifikation des vom Berufungsgericht wiedergegeben Inhaltes des Schreibens der L***** GesmbH vom 20.2.1989 an die beklagte Partei (mit der Anrede "Servus Franz") als bloße Information über den Schadensfall und allenfalls als Mitteilung, daß der Empfänger des Gutes Schadenersatzansprüche stellen werde, nicht aber als Reklamation im Sinn des Art 32 Abs 2 1.Satz CMR entspricht diesen vom Obersten Gerichtshof in Übereinstimmung mit der Lehre (vgl Koller, Transportrecht3 Rz 9 zu Art 32 CMR mit umfangreichen Nachweisen) dargestellten Grundsätzen.

Die weiters vom Berufungsgericht und in der außerordentlichen Revision aufgezeigten Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Verjährungshemmung können daher auf sich beruhen.

Die Entscheidung des Berufungsgerichtes entspricht somit der Rechtsprechung und Lehre. Das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO war zu verneinen und die Revision zurückzuweisen.

Gemäß den §§ 41 und 50 ZPO waren der beklagten Partei die Kosten für ihre Revisionsbeantwortung, in der sie auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen hat, zuzuerkennen.

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