OGH 1Ob73/99p

OGH1Ob73/99p27.4.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1) Anna B*****, 2) Arnold B*****, 3) Günter B*****, alle *****, 4) Hubert H*****, 5) Johanna M*****, 6) Adolf L*****, 7) Silvia W*****, und 8) Gemeinde H*****, alle vertreten durch Dr. Hermann Tschiderer, Dr. Reinhold Wolf und Mag. Gerhard Mader, Rechtsanwälte-Partnerschaft in Reutte, wider die beklagte Partei Josef W*****, vertreten durch Rittler et Rittler, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Aufhebung einer Miteigentumsgemeinschaft (Streitwert 100.000 S) infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgerichts vom 20. Oktober 1998, GZ 1 R 225/98i-22, womit der Beschluß des Bezirksgerichts Reutte vom 3. März 1998, GZ 3 C 187/97w-18, "ersatzlos" behoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die klagenden Parteien haben die Kosten ihrer Rechtsmittelbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Streitteile sind Miteigentümer einer Liegenschaft in Tirol, zu der die Grundstücke 87, 88, 1381/1, 1381/2, 1400, 1401, 1402, 1571, 1933, 1934 und .59 gehören.

Die klagenden Parteien - darunter eine Tiroler Gemeinde als achtklagende Partei - begehrten die Aufhebung der Eigentumsgemeinschaft durch gerichtliche Feilbietung. Ihre Vertreter, die Rechtsanwälte einer "Rechtsanwalts-Partnerschaft", fügten dem Klageschriftsatz den Vermerk "VM erteilt" bei.

Der Beklagte anerkannte das Klagebegehren in der ersten Verhandlungstagsatzung vom 14. Juli 1997 "hinsichtlich der ... Gst. 1381/1, 1381/2, 1400, 1401, 1402, 1571, 1933 und 1934" und beantragte insofern Kostenersatz nach § 45 ZPO. In einem späteren Schriftsatz wendete er ein, das Teilungsbegehren sei - abgesehen vom anerkannten Teil - zur Unzeit und zu seinem Nachteil erhoben worden.

Der Klagevertreter begehrte noch in der Verhandlungstagsatzung vom 14. Juli 1997 die Erlassung eines Teilanerkenntnisurteils; ein solches wurde vom Erstgericht auch sogleich gefällt und verkündet. In der Verhandlungstagsatzung vom 1. Dezember 1997 brachte der Beklagtenvertreter unter anderem vor:

"Im gegenständlichen Verfahren ist die achtklagende Partei ... nicht ordnungsgemäß vertreten. Es existiert weder ein Gemeinderatsbeschluß über die Prozeßführung noch eine vom Bürgermeister und zwei Gemeindevorständen unterfertigte Vollmacht an den Klagsvertreter. Weiters wurde diese Prozeßführung aufsichtsbehördlich nicht genehmigt. Im gegenständlichen Fall mündet das Urteilsbegehren in eine Feilbietung, was einer Veräußerung von Liegenschaftsvermögen der achtklagenden Partei gleichkommt, was einer aufsichtsbehördlichen Genehmigung bedarf. Gem. § 54 Abs. 2 Tiroler Gemeindeordnung bzw. sowie gem. § 108 ff Tiroler Gemeindeordnung bedarf die Prozeßführung einerseits der aufsichtsbehördlichen Genehmigung, andererseits eines Gemeinderatsbeschlusses sowie einer ordnungsgemäßen Beauftragung eines Prozeßvertreters. Da diese Voraussetzungen nicht gegeben sind, wird beantragt, die gegenständliche Klage kostenpflichtig abzuweisen."

Der Klagevertreter entgegnete, daß der Klageauftrag "nach vorheriger Beschlußfassung im Gemeinderat" vom Vizebürgermeister erteilt worden sei.

In der Folge wurde der Ladung der Klagevertreter zu der am 4. Februar 1998 für den 2. März 1998 ausgeschriebenen Verhandlungstagsatzung kraft richterlicher Verfügung folgender Zusatz beigefügt:

"Die Bevollmächtigung zur Klagsführung für die Gemeinde ... ist in

geeigneter Form in dieser TS nachzuweisen".

Anläßlich dieser Verhandlung legte der Klagevertreter "eine Vollmacht

... der Gemeinde ..." samt einem "Gemeinderatsbeschluß" vor. Nach dem

Wortlaut der Vollmachtsurkunde war einem der Rechtsanwälte der Rechtsanwalts-Partnerschaft Vollmacht erteilt worden. Dieser Urkunde ist ein Abdruck der Gemeindestampiglie beigefügt; sie enthält ferner die Unterschriften des Bürgermeisters und des Bevollmächtigten. Der "Gemeinderatsbeschluß" hat folgenden Inhalt:

"Der Gemeinderat beschließt mit 9 Stimmen gegen 0 Stimmen bei 0

Stimmenthaltungen, daß die Gemeinde ... als Miteigentümerin eines 1/9

Anteiles am Grundbesitz der Erbengemeinschaft ... den Betreibern der Erbteilungsklage zur Bereinigung der Angelegenheit beitreten soll. Nachdem der 1/9 Besitzanteil für die Gemeinde nicht zu Recht besteht und die Gemeinde auf den 'Ein-Metzland' übersteigenden Besitzanteil verzichtet, wird ausdrücklich festgehalten, daß die Gemeinde keinerlei Kosten aus diesem Rechtsstreit übernimmt. Dieser Beschluß ist formell zur Ermöglichung der Abwicklung des Teilungsverfahrens zu betrachten. Jegliche Kostentragung wird daher abgelehnt und ist von den übrigen Betreibern, gegebenenfalls von dem laut Gerichtsbeschluß festgestellten Personenkreis zu bestreiten."

In einem weiteren, gleichzeitig vorgelegten Schreiben der Gemeinde ist festgehalten, daß "eine aufsichtsbehördliche Genehmigung des Gemeinderatsbeschlusses ... laut Auskunft der Gemeindeaufsichtsbehörde bei der BH-Reutte nicht erforderlich" sei.

Daraufhin hob das Erstgericht "das bisherige Verfahren ... einschließlich des Teilanerkenntnisurteiles vom 14. 7. 1997 bis zur Klagszustellung als nichtig" auf und wies die Klage zurück. Ein Vollmachtsmangel gemäß § 37 Abs 1 ZPO sei in jeder Lage des Rechtsstreits von Amts wegen wahrzunehmen. Die Frage, ob die achtklagende Partei wirksam Prozeßvollmacht erteilt habe, sei nach der Tiroler Gemeindeordnung zu beurteilen. § 54 Abs 2 TGO normiere, daß "Urkunden, mit denen die Gemeinde privatrechtliche Verpflichtungen" übernehme, nicht nur vom Bürgermeister, sondern auch von zwei weiteren Mitgliedern des Gemeindevorstands zu unterfertigen seien. Weiters sei in einer solchen Urkunde der Beschluß des Gemeinderats oder des Gemeindevorstands, der dem Vertretungsakt zugrundeliege, anzugeben. Die Bevollmächtigung eines Rechtsanwalts erzeuge eine privatrechtliche Verpflichtung der Gemeinde. Eine solche Handlung erfordere als Wirksamkeitsvoraussetzung einen Gemeinderatsbeschluß. Die Vollmachtsurkunde müsse außerdem den formalen Anforderungen nach § 54 Abs 2 TGO genügen. Die vorgelegte Urkunde entspreche diesen Erfordernissen nicht, sodaß "eine prozessual wirksame Vollmacht der achtklagenden Partei an den Klagevertreter" nicht vorliege. Die achtklagende Partei habe bis zur Verhandlungstagsatzung vom 2. März 1998 genügend Zeit für eine allfällige "Verbesserung" gehabt; eine solche sei jedoch unterblieben. Die "Parteien einer Teilungsklage" bildeten eine einheitliche Streitpartei. Bei einem Streitwert von 100.000 S bestehe auch im bezirksgerichtlichen Verfahren absolute Anwaltspflicht. Infolge der für eine einheitliche Streitpartei geltenden Verfahrensgrundsätze seien - wegen des trotz Sanierungsversuchs unbehoben gebliebenen Mangels einer "ordnungsgemäßen Bevollmächtigung im Anwaltsprozeß" - die Vernichtung des Verfahrens, die Aufhebung des erlassenen Teilanerkenntnisurteils als nichtig und die Zurückweisung der Teilungsklage auszusprechen.

Das Gericht zweiter Instanz behob den erstrichterlichen Beschluß "ersatzlos" und trug dem Erstgericht "die Fortsetzung des Verfahrens" auf. Es sprach ferner aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstands 56.000 S (offenkundig gemeint 52.000 S), nicht aber 260.000 S übersteige, und ließ den "(ordentlichen) Revisionsrekurs" zunächst nicht zu. Mit Beschluß vom 2. Februar 1999 änderte es seinen Ausspruch über die Unzulässigkeit des "Revisionsrekurses" jedoch dahin ab, daß ein solches Rechtsmittel doch zulässig sei. Es erwog in rechtlicher Hinsicht, daß der Mangel der Vertretungsbefugnis den Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 5 ZPO verwirkliche und die "Nichtigerklärung und Zurückweisung der ohne Vertretungsmacht vom Einschreiter gesetzten Prozeßhandlung" notwendig mache. Ein solcher Zurückweisungsbeschluß dürfe aber nur dann auch die Klage erfassen, wenn schon diese vom "Nichtbevollmächtigten" eingebracht worden sei. Vor einer solchen Beschlußfassung sei jedoch nach § 37 Abs 2 ZPO vorzugehen. Diesem Erfordernis habe das Erstgericht durch den Zusatz auf der Ladung der Klagevertreter zur Verhandlungstagsatzung vom 2. März 1998 entsprochen. Die anläßlich dieses Termins vorgelegte Vollmachtsurkunde entspreche allerdings - nach der zutreffenden Ansicht des Erstgerichts - nicht den Anforderungen des § 54 Abs 2 TGO 1966. Der nunmehr angefochtene Beschluß hätte aber nicht sofort gefaßt werden dürfen, vielmehr wäre der Achtklägerin vorher noch ein Verbesserungsauftrag zu erteilen gewesen, weil ein Auftrag gemäß § 37 Abs 2 ZPO "von einem Verfahren nach § 84 ZPO" unabhängig sei. Die Achtklägerin sei daher unter Setzung einer weiteren Frist zur "Verbesserung der vorgelegten Vollmacht aufzufordern". Erst "nach ergebnislosem Verstreichen" einer solchen Verbesserungsfrist werde wie im angefochtenen Beschluß zu entscheiden sein. Im Falle einer Verbesserung wäre dagegen "die fehlende Vertretungsbefugnis durch die nachträgliche Genehmigung der Achtklägerin geheilt". Der ordentliche Revisionsrekurs sei zuzulassen, weil als erhebliche Rechtsfrage zu klären sei, ob ein erfolglos gebliebener Auftrag gemäß § 37 Abs 2 ZPO einen weiteren Verbesserungsauftrag nach § 84 ZPO ausschließe.

Das Rechtsmittel ist unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 527 Abs 2 ZPO darf das Gericht zweiter Instanz, wenn es den angefochtenen Beschluß aufhebt und dem Erstgericht eine neuerliche, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällende Entscheidung aufträgt, die Zulässigkeit des Rekurses an den Obersten Gerichtshof nur aussprechen, wenn es die Voraussetzung für die Zulässigkeit des Revisionsrekurses nach § 528 ZPO für gegeben erachtet. Im übrigen gelten die Regelungen des § 528 Abs 2 Z 1a, Abs 2a und 3 ZPO nicht für Aufhebungsbeschlüsse. § 527 Abs 2 ZPO erfaßt jedoch nur "echte", dagegen nicht auch "scheinbare", also inhaltlich abändernde Aufhebungsbeschlüsse (7 Ob 39/98f; 8 Ob 38/98s; 3 Ob 219/97w; 2 Ob 512/96; Kodek in Rechberger, Kommentar zur ZPO Rz 3 zu § 527 mwN aus der Rsp).

Ein echter Aufhebungsbeschluß liegt vor, wenn das Gericht zweiter Instanz eine bestimmte Frage, über die selbständig zu entscheiden ist, noch nicht abschließend beurteilte, sondern hierüber eine neuerliche Entscheidung des Erstgerichts ergehen soll. Nur dann also, wenn das Gericht zweiter Instanz eine solche Frage endgültig anders als das Erstgericht entschied und eine Fortsetzung des Verfahrens bloß deshalb notwendig wird, ist darin eine in Wahrheit abändernde Entscheidung zu erblicken. Demnach ist für die Anwendung des § 527 Abs 2 ZPO wesentlich, daß über dieselbe Frage neuerlich abzusprechen sein wird. So ist ein Revisionsrekurs insbesondere dann unzulässig, wenn das Rekursgericht dem Erstgericht eine Ergänzung des Verfahrens auftrug (8 Ob 38/98s; 2 Ob 512/96 uva).

Nach diesen Gesichtspunkten ist aber die vom Rekursgericht gefällte Entscheidung als "echter" Aufhebungsbeschluß zu qualifizieren, weil darin die Nichtigkeitsfrage nicht abschließend beurteilt, sondern dem Erstgericht - in grundsätzlicher Billigung dessen Rechtsansicht in der Sache - die neuerliche Entscheidung nach Ergänzung des Verfahrens aufgetragen wurde.

Auf einen solchen Aufhebungsbeschluß sind aber die Bestimmungen des § 528 Abs 2 Z 1a, Abs 2a und 3 ZPO - wie bereits dargelegt - nicht anwendbar, sodaß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof mangels eines ursprünglichen Ausspruchs über seine Zulässigkeit nach § 527 Abs 2 ZPO jedenfalls unzulässig ist.

Demzufolge ist der Rekurs des Beklagten gemäß § 526 Abs 2 ZPO zurückzuweisen.

Den klagenden Parteien fallen die Kosten ihrer Rechtsmittelbeantwortung gemäß § 41 und § 50 Abs 1 ZPO selbst zur Last, weil sie nicht auf die einleitend begründete absolute Unzulässigkeit des Rechtsmittels des Beklagten und - damit verknüpft - auf die Unbeachtlichkeit des Ausspruchs des Rekursgerichts über die Rekurszulässigkeit hinwiesen.

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