OGH 9ObA5/99x

OGH9ObA5/99x14.4.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Richard Warnung und Wilhelm Hackl als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Gerhard V*****, Schlosser, *****, vertreten durch Dr. Georg Grießer ua, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei A. ***** KG, *****, vertreten durch Dr. Brigitte Weiser und Dr. Hellmut Weiser, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung (Streitwert S 30.000,-- sA), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 16. September 1998, GZ 7 Ra 244/98y-18, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 27. Jänner 1998, GZ 18 Cga 71/97k-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 4.058,88 (darin S 676,48 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens nach § 503 Z 2 ZPO und eine Aktenwidrigkeit nach § 503 Z 3 ZPO liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

Soweit die Revisionswerberin unter diesen Revisionsgründen die von den Vorinstanzen bindend festgestellten Tatsachen in Frage stellt, ist sie darauf zu verweisen, daß dem Obersten Gerichtshof deren Überprüfung entzogen ist (Kodek in Rechberger, ZPO Rz 1 zu § 503). Trotz wiederholter Behauptung des Gegenteils in den Revisionsausführungen sei aber angemerkt, daß im Schreiben der Beklagten vom 31. 1. 1997 (Beilage ./A) keine Rede davon ist, daß (erst jetzt) die Kündigung ausgesprochen werden "muß", sondern vielmehr, daß die Kündigung (bereits) ausgesprochen werden "mußte"; dies wird auch noch durch den Hinweis unterstrichen, daß mit diesem Schreiben die am 24. 1. 1997 ausgesprochene Kündigung festgehalten werden sollte. Aus einem offenbaren Schreibfehler in der Berufungsentscheidung bei der Wiedergabe des im Ersturteil richtig dargestellten Urkundeninhaltes ist für den Standpunkt der Revisionswerberin nichts zu gewinnen.

Im übrigen ist die Begründung des Berufungsgerichtes zutreffend, sodaß auf deren Richtigkeit hingewiesen werden kann (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO). Ergänzend ist den Ausführungen der Revisionswerberin entgegenzuhalten:

Wie der Oberste Gerichtshof schon mehrmals ausgesprochen hat, kann ein außenstehender Dritter - also insbesondere auch der Betriebsinhaber - die Erklärungen des Betriebsratsobmannes jedenfalls dann als rechtswirksame Stellungnahme des Betriebsratskollegiums ansehen, wenn ihm die dabei allenfalls unterlaufene Verletzung der Vorschriften über die Willensbildung des Betriebsratskollegiums nicht bekannt war und auch nicht auffallen mußte (Jabornegg in ZAS 1980, 107; Schwarz in Cerny/Haas-Laßnigg/Schwarz, ArbVG Bd 3, 203; Arb 8.864, 9.313, 11.042; RIS-Justiz RS0051485). Auf seine Unkenntnis von der inneren Willensbildung des Betriebsrates kann sich der Betriebsinhaber allerdings nicht berufen, wenn der Betriebsratsvorsitzende zu einer Mitteilung des Betriebsinhabers sogleich eine Stellungnahme abgibt; in einem derartigen Fall konnte die Erklärung des Betriebsratsvorsitzenden nicht durch einen entsprechenden Beschluß des Betriebsrates gedeckt sein (Arb 11.042). Eine spontane Äußerung des Betriebsratsvorsitzenden zu einer ihm gerade mitgeteilten Kündigungsabsicht des Betriebsinhabers beruht erkennbar nicht auf einen ordnungsgemäßen Beschluß des Betriebsrates (Arb 9.324, 10.002).

Letzteres war hier aber der Fall. Nach den bindenden Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen erklärte der Geschäftsführer der Komplementärin der Beklagten am 23. 1. 1997 gegenüber dem Betriebsratsvorsitzenden, daß die Beklagte beabsichtige, den Kläger auf ein Unternehmen des Sohnes des Geschäftsführers "umzumelden"; wenn der Kläger nicht einverstanden sei, müsse man ihn kündigen. Der Betriebsratsvorsitzende erklärte daraufhin sogleich, ohne Befassung der anderen Betriebsratsmitglieder, er sei einverstanden. Am 24. 1. 1997 wurde dem Kläger vom Geschäftsführer der Komplementärin der Beklagten mitgeteilt, er sei gekündigt, nachdem er sich nicht gleich mit der geplanten "Ummeldung" einverstanden erklärt, sondern Bedenkzeit für eine entsprechende Rechtsberatung erbeten hatte. Entgegen der Behauptung der Revisionswerberin wurde die Kündigung des Klägers vom 24. 1. 1997 nicht für den Fall ausgesprochen, daß der Kläger der "Ummeldung" zustimmt, sondern vielmehr für den Fall, daß er ihr nicht zustimmt. Das Schreiben der Beklagten vom 31. 1. 1997 erhält keine weitere (zweite) Kündigung.

Damit erweist sich aber die Kündigung vom 24. 1. 1997 als rechtsunwirksam, weil sie noch vor Ablauf der Frist von fünf Arbeitstagen ab Bekanntgabe der Kündigungsabsicht ausgesprochen wurde, obwohl noch keine wirksame Stellungnahme des Betriebsrates vorlag (§ 105 Abs 1 und 2 ArbVG; Arb 10.002). Vor der Durchführung des betriebsverfassungsrechtlichen Vorverfahrens darf aber die Kündigung eines Arbeitnehmers bei sonstiger Rechtsunwirksamkeit nicht ausgesprochen werden (RIS-Justiz RS0051516). Gemäß § 105 ArbVG müssen dem Betriebsrat für dessen Stellungnahme fünf volle Arbeitstage zur Verfügung stehen (Arb 9.998). Für den Standpunkt der Revisionswerberin ist aus dem Umstand, daß der Betriebsrat "noch nie" gegen eine Kündigung Einspruch erhoben habe, nichts zu gewinnen. Ein Gutglaubensschutz des Betriebsinhabers kam von der Sachlage her nicht in Betracht.

Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin wurde die Rechtsunwirksamkeit der Kündigung vom Kläger völlig zutreffend mit Feststellungsklage - und nicht mit einer auf Rechtsgestaltung gerichteten Anfechtungsklage - geltend gemacht. Voraussetzung einer Anfechtung gemäß § 105 ArbVG ist nämlich, daß eine nach zivilrechtlichen Grundsätzen rechtswirksame Kündigung vorliegt, was hier jedoch nicht der Fall war (WBl 1993, 294; Arb 11.248; ARD 4731/7/96; 9 ObA 244/98t).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Unterläßt der Kläger - abgesehen von der Angabe des Gebührenstreitwertes nach dem GGG - eine Bewertung des nicht in einem Geldbetrag bestehenden Streitgegenstandes in der Klage, so gilt in Verfahren, in denen die Klage bei Gericht vor dem 1. 1. 1998 eingebracht wurde, der Betrag von S 30.000 als Streitwert (§ 56 Abs 2 JN idF vor der WGN 1997; Art XXXII Z 8 WGN 1997; Stohanzl ZPO8 (MTA) Anm zu § 56 JN). Auf eine erstmals in der Revisionsbeantwortung vorgenommene Bewertung mit S 300.000,-- kann nicht Bedacht genommen werden, zumal der Beklagten die Vorgangsweise nach § 7 RATG nicht mehr offensteht.

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